Cornelie Leopold Geometrische Grundlagen der Architekturdarstellung Cornelie Leopold G eometrische G rundlagen der Architekturdarstellung 4. Aufl age Mit 469 Abbildungen unter Mitwirkung von Andreas Matievits STUDIUM B ibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 4. Aufl age 2012 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012 Lektorat: Ralf Harms Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Umschlaggrafi k: Andreas Matievits, Axonometrie des Sonderegger-Wohnhauses (Gebäudeentwurf Beat Consoni) Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1838-6 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 9 1 EINFÜHRUNG 11 1.1 Aufgaben der Geometrie für die Architekturdarstellung 11 1.2 Kommunikationsprozeß 15 1.3 Zeichnen 17 1.3.1 Anfänge des Zeichnens 17 1.3.2 Grafisches Zeichensystem 20 1.4 Visuelle Wahrnehmung 21 1.5 Raumvorstellung 24 1.5.1 Bedeutung der Raumvorstellung 24 1.5.2 Entwicklung des Raumvorstellungsvermögens 27 2 ABBILDUNGSMETHODEN 29 2.1 Projektionsarten 29 2.1.1 Zentralprojektion 30 2.1.2 Parallelprojektion 32 2.2 Invarianten der Abbildungen 34 2.2.1 Invarianten der Parallelprojektion 34 2.2.2 Invarianten der Zentralprojektion 36 2.3 Projektive Erweiterung des Anschauungsraumes 37 2.4 Abbildungsmethoden zur Rekonstruktion des räumlichen Objektes aus der Zeichnung 39 2.4.1 Kotierte Projektion 39 2.4.2 Zugeordnete Normalrisse (Zweitafel- bzw. Dreitafelprojektion) 40 2.4.3 Axonometrie 45 2.4.4 Rekonstruktion bei der Zentralprojektion 45 2.5 Navigation im dreidimensionalen Computermodell 46 3 PARALLEL- UND ZENTRALPROJEKTION EBENER FIGUREN 47 3.1 Parallelprojektion ebener Figuren - Affinität 47 3.2 Zentralprojektion ebener Figuren - Kollineation 51 3.3 Affines Bild eines Kreises 55 3.4 Ellipsenkonstruktionen 59 3.4.1 Punktkonstruktion aus Haupt- und Nebenscheiteln 59 3.4.2 Papierstreifenkonstruktion 60 3.4.3 Konstruktion der Ellipsenachsen aus einem Paar konjugierter Durchmesser nach Rytz 61 3.4.4 Scheitelkrümmungskreise der Ellipse 63 3.4.5 Punktkonstruktion aus konjugierten Ellipsendurchmessern 65 3.4.6 Die Gärtnerkonstruktion der Ellipse 66 4 AXONOMETRIE 67 4.1 Schiefe Axonometrie 70 4.1.1 Grundrißaxonometrie 70 5 4.1.2 Aufrißaxonometrie 71 4.2 Normale Axonometrie 72 4.3 Zeichenmethoden 73 4.3.1 Axonometrische Aufbaumethode 73 4.3.2 Einschneideverfahren 75 4.4 Orientierung 76 4.5 Axonometrievarianten 77 4.5.1 Durchsichtsaxonometrie 77 4.5.2 Schnittaxonometrie 77 4.5.3 Explosionsaxonometrie 78 4.6 Computergestützte Axonometrie 79 5 ZUGEORDNETE NORMALRISSE - ZWEITAFEL- BZW. DREITAFELPROJEKTION 81 5.1 Darstellung von Punkten 82 5.2 Darstellung von Geraden 83 5.3 Darstellung von Ebenen 86 5.4 Grundaufgaben der Lage 89 5.4.1 Lage zweier Geraden im Raum 89 5.4.2 Verbindungsebene dreier Punkte 91 5.4.3 Schnittpunkt einer Geraden mit einer Ebene 92 5.4.4 Schnittgerade zweier Ebenen 94 5.5 Seitenrisse 96 5.6 Grundaufgaben des Messens 100 5.6.1 Wahre Größe einer Strecke 100 5.6.2 Neigungswinkel einer Geraden gegen die Grundrißebene 102 5.6.3 Abtragen einer gegebenen Strecke auf einer Geraden 102 5.6.4 Wahre Gestalt einer ebenen Figur 103 5.6.5 Normale einer Ebene 105 5.6.6 Abstand eines Punktes von einer Ebene 106 5.6.7 Normalriß eines Kreises 107 6 POLYEDER 109 6.1 Platonische Körper 111 6.2 Archimedische Körper 118 7 GEKRÜMMTE FLÄCHEN UND KÖRPER 119 7.1 Erzeugung und Unterscheidung gekrümmter Flächen und Körper 119 7.1.1 Strahlflächen 120 7.1.2 Schiebflächen 122 7.1.3 Drehflächen 122 7.1.4 Schraubflächen 124 7.2 Krümmung von Flächen 126 7.3 Darstellung gekrümmter Flächen 129 7.4 Grundformen 132 7.4.1 Kugel 133 7.4.2 Zylinder 137 7.4.3 Kegel 140 6 8 DURCHDRINGUNGEN GEKRÜMMTER FLÄCHEN 149 8.1 Verschiedene Arten von Durchdringungen 149 8.2 Punktkonstruktion 152 8.2.1 Punktkonstruktion mit Hilfsebenen 152 8.2.2 Punktkonstruktion mit Hilfskugeln 155 8.3 Tangentenkonstruktion 156 9 ABWICKLUNG 159 9.1 Abwicklung von Polyedern 160 9.2 Abwicklung von gekrümmten Körpern 161 9.2.1 Abwicklung eines Drehzylinders 162 9.2.2 Abwicklung eines Drehkegels 164 10 LICHT UND SCHATTEN 167 10.1 Schattenkonstruktionen bei Parallelbeleuchtung 170 10.1.1 Schattenkonstruktionen ebenflächiger Körper 172 10.1.2 Schattenkonstruktionen gekrümmter Körper 176 10.1.3 Schattenkonstruktionen von Körpern auf andere Körper 179 10.2 Schattenkonstruktionen bei Zentralbeleuchtung 181 11 KOTIERTE PROJEKTION 183 11.1 Darstellung von Kurven und Flächen 184 11.1.1 Darstellung einer Geraden 184 11.1.2 Darstellung einer Ebene 186 11.1.3 Darstellung eines Drehkegels 186 11.2 Grundaufgaben bei Geländebearbeitungen 186 11.2.1 Ebene durch horizontale Gerade 187 11.2.2 Schnitt zweier Flächen bzw. Ebenen 188 11.2.3 Ebene durch geneigte Gerade 189 11.2.4 Gerade in eine Ebene legen 190 11.2.5 Böschungsfläche durch kreisförmige horizontale Plattform 191 11.2.6 Böschungsfläche durch beliebige Raumkurve 193 11.3 Querprofil 194 11.4 Dachausmittlung 195 11.4.1 Dachausmittlung bei gleich geneigten Dachebenen 196 11.4.2 Dachausmittlung bei unterschiedlich geneigten Dachebenen 197 12 NORMALE AXONOMETRIE 199 12.1 Grundgesetze der normalen Axonometrie 199 12.2 Einschneideverfahren 204 12.3 Computergestützte normale Axonometrie 212 13 ZENTRALPROJEKTION 213 13.1 Bestimmungselemente der Zentralprojektion 215 13.2 Zeichenmethoden 217 13.2.1 Durchstoßmethode 217 13.2.2 Spurpunkt-Fluchtpunkt-Methode 220 13.2.3 Kollineation 222 7 13.3 Messen in der Perspektive 225 13.3.1 Messen einer Strecke 225 13.3.2 Messen eines Winkels 229 13.4 Perspektives Bild eines Kreises 230 13.5 Randverzerrungen 232 13.6 Wahl der Parameter einer Perspektive 234 13.7 Schatten 237 13.7.1 Schatten in der Perspektive bei Parallelbeleuchtung 237 13.7.2 Schatten in der Perspektive bei Zentralbeleuchtung 241 13.8 Fotorekonstruktion 242 13.8.1 Fotorekonstruktion bei bekanntem horizontalem Rechteck 244 13.8.2 Fotorekonstruktion bei bekanntem vertikalem Rechteck 246 13.9 Geneigte Bildebene 248 13.9.1 Blick nach unten 249 13.9.2 Blick nach oben 252 13.10 CAD-Perspektiven 253 ANHANG 255 Geometrische Grundkonstruktionen 256 Bezeichnungen 258 Literatur 259 Abbildungsnachweis 262 Index 265 8 Vorwort Dieses Buch wendet sich insbesondere an Studierende der Architektur, des Bauingenieurwesens, der Stadt- und Raumplanung sowie an alle, die einen Beruf im Bereich des Planen und Bauens erlernen oder dort bereits tätig sind. Es beschäftigt sich mit der Geometrie als Basis der Architektur und ihrer Darstellung. Die Geometrie ermöglicht, die Formen räumlicher Objekte zu erfassen und zu beschreiben sowie diese auf zweidimensionalen Zeichnungsträgern darzustellen. Sie schafft die Hinter- gründe und Voraussetzungen der Architekturzeichnungen als Grundlage für das Bauen sowie als Kommunikationsmedien im Entwurfs-, Planungs- und Ausführungs- prozeß. Das vorliegende Buch führt in die geometrischen Grundlagen der Architek- turdarstellung ein. Die Kapitel bauen inhaltlich aufeinander auf, ihre Reihenfolge ist didaktisch motiviert. Die hier vorgestellten geometrischen Grundlagen haben einen universellen Anspruch der Anwendbarkeit und werden in diesem Buch exemplarisch an der Architektur aufgezeigt. Fotos von gebauter Architektur und Architekturzeich- nungen verdeutlichen die Zusammenhänge und lassen mögliche Anwendungsberei- che sichtbar werden. Die räumliche Vorstellung wird durch die Verknüpfung der geometrischen Grundlagen mit Architekturobjekten erleichtert. Die Kenntnisse der geometrischen Grundlagen sowie die räumliche Vorstellungsfähigkeit sind insbe- sondere bedeutend für computergestütztes Zeichnen und Visualisieren. Es ist ein wesentliches Ziel dieses Buches, räumliche Vorstellungsfähigkeit und räumliches Denken zu vermitteln und zu vertiefen. Die Leserinnen und Leser sollten sich die Inhalte stets räumlich vorstellend erarbeiten. Dieser Prozeß kann durch Modelle und eigenes Zeichnen unterstützt werden. Mein besonderer Dank gilt Andreas Matievits für den unermüdlichen Einsatz bei der Konzeption und dem Erstellen der Zeichnungen, der Gestaltung des Layouts und der Titelgrafik sowie für die vielen Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Außerdem danke ich den Studierenden, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den ver- gangenen Jahren durch ihre Zeichnungen, Ideen und Beiträge einen Anteil am Zustandekommen dieses Buches haben. In den weiteren Auflagen konnten einige Verbesserungen vorgenommen werden. Allen Lesern, Kollegen und Studierenden, die mir Verbesserungshinweise gegeben haben, sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Kaiserslautern, im September 2011 Cornelie Leopold 9 EINFÜHRUNG "So wie die Schrift ein Zeichen des Redens, das Reden ein Zeichen des Verstandes, so sind die mathematischen Zeichnungen und die geometri- schen Figuren wie die Zeichen ihrer, der Menschen, Vorstellungen."1 1 EINFÜHRUNG 1.1 Aufgaben der Geometrie für die Architekturdarstellung Die Auseinandersetzung mit Architektur, Stadt oder Landschaft bzw. allgemein räumlichen Objekten und Strukturen verlangt nach Kommunikationsmöglichkeiten über Räumliches. Zeichnungen und Modelle (Bild 1.1) sind Kommunikationsmedien in der Bauplanung. Sie sind erforderlich, um sich über Entwurf und Planung ver- ständigen zu können. Bild 1.1: Zeichnung und Modell als Kommunikationsmittel in der Bauplanung - Wohnhaus für zwei Familien, Essen-Schönebeck, 1985, Burkhard Grashorn Dabei können mehrere Ebenen unterschieden werden. Skizzieren, Zeichnen, Modellbauen werden im Entwurfsprozeß verwendet, um die Gedanken und Vor- stellungen zu entwickeln und zu präzisieren. Das Ergebnis des Entwerfens schließlich, das Geplante, wird dann ebenfalls in einer Zeichnung festgehalten, um es den Ent- scheidungsträgern über das Bauprojekt oder den Ausführenden der Planung mitzu- teilen. Das Zeichnen spielt also sowohl als Entwurfsmittel als auch als Darstellungsmittel eine Rolle. Die Zeichnung kann im gesamten Entwurfsprozeß die Ideen und Vorstellungen sichtbar werden lassen und hilft diese zu überprüfen; genauso steht sie am Ende des Entwurfsprozesses, um den Entwurf denen vorzu- stellen, die über das Projekt entscheiden bzw. dieses ausführen. Das dreidimensio- nale Planungsobjekt wird im Modell als dreidimensionales Gebilde wiedergegeben, nur in einem anderen Maßstab und reduziert auf die wesentliche Form. 1. Daniele Barbaro (1513 - 1570) in seinem Kommentar zu den Vitruv-Ausgaben, zitiert nach: Werner Oechslin: Geometrie und Linie. Die Vitruvianische "Wissenschaft" von der Architekturzeichnung. In: Daidalos 1, 1981, S.29. 11 C. Leopold, Geometrische Grundlagen der Architekturdarstellung, DOI 10.1007/978-3-8348-1986-4_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012 EINFÜHRUNG Die Geometrie hat hierbei die Aufgabe, sich mit geometrischen Grundformen zu beschäftigen und ein Formrepertoire zur Verfügung zu stellen. In der Zeichnung wird das dreidimensionale Planungsobjekt auf zweidimensionalen Zeichnungsträgern dargestellt. Für diesen Zweck hat die Darstellende Geometrie Abbildungsmethoden entwickelt. Beim Abbilden gehen aber Informationen verloren. Daher müssen Mög- lichkeiten gefunden werden, wie aus den zweidimensionalen Zeichnungen alle Infor- mationen über das dreidimensionale Objekt entnommen werden können. Die Geometrie hat die Grundlagen zu liefern, um zweidimensionale Zeichnungen dreidimensionaler Objekte herzustellen bzw. zu verstehen und um die räumlichen Objekte aus der zweidimensionalen Zeichnung zu rekonstruieren. Räumliche Vorstellungskraft und räumliches Denken können bei der Beschäftigung mit diesen grundlegenden Methoden der Geometrie entwickelt und trainiert werden, die wichtige Voraussetzungen für jede Planungs- und Entwurfsarbeit sind. Für die Geometrie ergeben sich in diesem Zusammenhang somit folgende Aufgaben: Bild 1.2: Ungeordnet und komplex Bild 1.3: Geometrisch geordnete Formen - Metamorphose, H. Bayer, 1936 1. Erfassen und Beschreiben geometrischer Formen Die meisten Dinge, die uns umgeben, sind nicht einfach, sondern komplex (Bild 1.2). Um Dinge erfassen und erkennen zu können, müssen wir sie auf Wahrnehmungs- bzw. Erzeugungskriterien und somit auf ein Ordnungssystem beziehen. Eine der Möglichkeiten, die Dinge auf ein einfaches Ordnungssystem zu beziehen, ist die Annahme, alle körperlichen Dinge seien aus geometrisch beschreibbaren Grundfor- men zusammengesetzt2 oder könnten zumindest mittels einfacher geometrisch be- schreibbarer Grundformen angenähert werden (Bild 1.3). Geometrie ist ein vom Menschen geschaffenes Ordnungssystem, um Formen begreifbar und erfaßbar zu machen. Ihr kann die Rolle eines sinnlichen Ordnungsfaktors zugewiesen werden. Als Kommunikationsmedien über die Formen dienen Modelle und Zeichnungen. Ein Würfel kann z.B. auf Grundlage einer Zeichnung aus einem Netz von sechs Qua- draten zusammengesetzt werden (Bild 1.4). 2. Vgl. Wolfgang Meisenheimer: Raumstrukturen. Reihe ad. Düsseldorf, 3.Auflage 1990, 2.11. 12