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Generationen in Familie und Gesellschaft PDF

259 Pages·2000·7.427 MB·German
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Generationen in Familie und Gesellschaft Lebenslauf - Alter - Generation Herausgegeben von Martin Kohli Band 3 Martin Kohli & Mare Szydlik (Hrsg.) Generationen in Familie und Gesellschaft Leske + Budrieh, Opladen 2000 Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 978-3-8100-2598-2 ISBN 978-3-663-01318-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01318-1 © 2000 Leske + Budrich, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Martin Kohli, Mare Szydlik Einleitung ......................................................................................... 7 Gesellschaft Heinz Bude Die biographische Relevanz der Generation . ......... ........................ 19 Ansgar Weymann Sozialer Wandel, Generationsverhältnisse und Technikgenerationen................................................................. 36 Lutz Leisering Wohlfahrtsstaatliche Generationen ................................................. 59 Familie JosefEhmer Ökonomische Transfers und emotionale Bindungen in den Generationenbeziehungen des 18. und 19. Jahrhunderts ..... 77 Hans Bertram Die verborgenen familiären Beziehungen in Deutschland: Die multilokale Mehrgenerationenfamilie ...................................... 97 Harald Künemund, Andreas Motel Verbreitung, Motivation und Entwicklungsperspektiven privater intergenerationeller Hilfeleistungen und Transfers.......... 122 6 Kurt Lüscher Die Ambivalenz von Generationenbeziehungen - eine allgemeine heuristische Hypothese ..... ............. ....... .......... ... ... 138 Verbindungen Gabriele Rosenthai Historische und familiale Generationenabfolge ............................ 162 Leopold Rosenmayr Zwischen Sippe und Modernität - Feldstudien über das Generationenverhältnis im afrikanischen Kulturwandel 179 Helga Krüger, Claudia Born Vom patriarchalen Diktat zur Aushandlung - Facetten des Wandels der Geschlechterrollen im familialen Generationenverbund 203 Claudine Attias-Donfitt Familialer Austausch und soziale Sicherung ................................. 222 Zusammenfassungen ...................................................................... 238 Summaries ..................................................................................... 245 Autorinnen und Autoren ................................................................ 251 Einleitung Martin Kohli, Mare Szydlik Das Generationenthema ist gleichermaßen populär wie kontrovers. Dies läßt sich am Zeitungskiosk genauso feststellen wie an den Inhaltsverzeichnissen der soziologischen Fachzeitschriften. Die Popularität des Themas zeigt sich an der Generationenetikettierungswut, von der Journalisten und Soziologen derzeit ergriffen sind. Die Bandbreite reicht von den 68er, 78er, 8ger, 97er und 13th Generationen über die Schlaffi-, Cyber-, Techno- Golf- und Tama gotchi-Generationen bis hin zu den Generationen X, Y, XXL, 0, e und @. Wie kontrovers das Thema ist, wird daran deutlich, daß von der einen Seite ein ,Krieg der Generationen' heraufbeschworen wird, während andernorts von einer ,neuen Solidarität zwischen den Generationen' die Rede ist. Eine Einführung in ein Buch mit dem Titel ,Generationen in Familie und Gesellschaft' muß somit im Zuge der Erörterung der inhaltlichen Probleme auch klären, was wir unter diesen Konzepten verstehen und wie wir sie ver binden. Daß der Begriff ,Generation' im Feld der Familie ganz andere Sach verhalte anspricht als im Feld der Gesellschaft, ist inzwischen hinreichend deutlich geworden; die Forschung hat sich denn auch in den letzten Jahr zehnten entsprechend ausdifferenziert. Daß interessante und fruchtbare Fra gen aber gerade auch den Zusammenhang der Felder betreffen, ist ein neuer Gesichtspunkt (vgl. Attias-Donfut 1995; Kohli 1996). Im folgenden gehen wir zunächst getrennt auf gesellschaftliche, dann auf familiale Generationen ein, bevor wir uns im dritten Teil mit den Verbindungen zwischen ihnen befassen. 1 Gesellschaft Die Schwierigkeit der Generationenkonzepte und der Dissens darüber liegt weniger bei den familialen als bei den gesellschaftlichen Generationen, die sich unterschiedlich gliedern lassen. Prinzipiell sind diese Generationen auf der Makroebene angesiedelt. Sie umfassen Personen, die in einem begrenzten Zeitraum geboren wurden und deshalb bestimmte historische Ereignisse in ähnlichem Lebensalter erfahren haben. Wir schlagen vor, drei Arten von gesellschaftlichen Generationen voneinander zu unterscheiden, nämlich poli tische, kulturelle und ökonomische Generationen. Heinz Bude behandelt in diesem Buch politische, Ansgar Weymann kulturelle und Lutz Leisering ökonomische Generationen. 8 Martin Kohli, Mare Szyd/ik Wenn Karl Mannheim in seiner einflußreichen Studie aus dem Jahre 1928 von Generationen spricht, bezieht er sich auf politische Generationen. Da bei unterscheidet er zwischen Generationslagerung, Generationszusammen hang und Generationseinheit. Mannheims formalsoziologischer Ansatz ist auch heute noch von großem Nutzen, wenn es darum geht, politische Gene rationen zu identifizieren bzw. zwischen Kohorten - als bloß demographisch definierten Kategorien - und politischen Generationen zu unterscheiden. Wenn man beispielsweise seine Begrifllichkeit auf die westdeutsche 68er Generation überträgt, kann man den in den vierziger Jahren geborenen West deutschen eine gemeinsame Generationslagerung zusprechen, wohingegen der Generationszusammenhang im Kern die damals mehr oder weniger Akti ven (überwiegend Studierende) umfaßt, die sich wiederum in mehrere Gene rationseinheiten ausdifferenzieren - die politisch linken, systemkritischen Gruppen der außerparlamentarischen Opposition auf der einen Seite, die konservativen Kräfte wie der RCDS auf der anderen. Heim Bude verweist in seinem Beitrag am Beispiel der 68er auf die idel1- titätsstiftende Bedeutung der Generation. Die notwendige, aber keineswegs hinreichende Grundlage dafür ist der demographische Tatbestand der Zuge hörigkeit zu benachbarten Geburtsjahrgängen. Die Bezeichnung ,68er Gene ration' dient als Referenz f'tir die Selbstidentifikation - sei es in Anlehnung an sie, sei es in Abgrenzung von ihr. Wichtig ist dabei, daß man sich als 68er bezeichnen kann, ohne direkt zum Kern der damaligen Bewegung gehört zu haben. Zentral sei häufig "das Gefuhl, einer Generation anzugehören, die einen historischen Bruch bewirkt hat". Wer gen au zu den 68ern im Sinne eines aktiven Generationszusammenhanges gehört und wieviele Mitglieder dieser um faßt, wäre im einzelnen noch zu bestimmen. Gleichzeitig handelt es sich bei den 68ern nicht zwangsläufig um Personen mit identischen politi schen Grundauffassungen, sondern die Bezeichnung umfaßt verschiedene Typen, die aus der gemeinsamen Betroffenheit unterschiedliche Schlußfolge rungen ziehen. Aber der Generationszusammenhang, der sie verbindet, dient zur Bildung personaler Identitäten, sowohl anhand von Gemeinsamkeiten mit Gleichaltrigen wie auch in Abgrenzung zu Jüngeren oder Älteren. Damit deutet sich an, daß es sich bei den 68ern nicht nur um eine politische, son dern auch um eine kulturelle Generation handelt. Kulturelle Generationen umfassen Kohorten, die sich durch spezifische (Lebens-)Orientierungen, Einstellungen und Stile charakterisieren lassen (einschließlich des Umgangs mit bestimmten Kulturgütern und technischen Errungenschaften). Auch hierauf läßt sich Mannheims Terminologie anwen den. Auf den ersten Blick wäre die Mehrheit der in Medien und Wissenschaft propagierten Generationenetiketten (wie zum Beispiel die sogenannten Single-, Spaß-, Mutter-Beimer-, Cyber-, Techno-, Raver- und Tamagotchi Generationen) solchen kulturellen Generationen zuzurechnen. Allerdings ist einige Skepsis angebracht, hierbei tatsächlich von Generationen zu sprechen. Einleitung 9 Wir halten es nicht für angemessen, einer Kohorte (oder auch nur Alters gruppe) mit ähnlichen sozio-kulturellen Merkmalen den Stempel ,Generati on' aufzudrücken, wenn sie in der öffentlichen Arena nicht als kollektiver Akteur auftritt und auch kein spezifisches gemeinsames Generationsbewußt sein entwickelt hat. Dazu kommt der Einwand, daß viele der Generationen etiketten lediglich auf sehr kurzfristige Merkmale - Moden - bezogen sind. Im Gegensatz dazu setzen gesellschaftliche Generationen voraus, daß sich die spezifischen Gemeinsamkeiten einer bestimmten Kohorte dauerhaft von denen vorheriger und nachfolgender Kohorten unterscheiden, diese Spezifika also nicht nach kurzer Zeit abgelegt werden, sondern das gesamte Leben dieser Kohorte prägen. Auf dieser Grundlage kann dann ein gemeinsames Bewußtsein oder sogar eine kollektive Mobilisierung entstehen. Ansgar Weymann stellt heraus, daß Technikgenerationen "aufgrund einer je spezifischen Lagerung von Kohortengruppen im historischen Fluß techni scher Innovationen" entstehen. Konstitutiv sind dabei die Technikerfahrun gen im Jugendalter. Für das Verhältnis zur Technik ist die Kohortenzugehö rigkeit wichtiger als das Einkommen, die Bildung, der Beruf und das Ge schlecht. Technikerfahrungen verbinden Mitglieder derselben Geburtsko horte und verweisen auf Differenzen zu älteren und jüngeren Altersgruppen. Auch dies ist ein Hinweis auf die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeit. Die Bedeutung von Technikgenerationen zeigt sich natürlich im Beruf, aber auch in Freizeit und Familie. Gerade die generationstypische Verbreitung von Kommunikations- und Unterhaltungstechnik (z.B. Internet, Fernsehen) führt zu weitergehenden Unterschieden zwischen kulturellen Generationen. Das Tempo des sozialen und kulturellen Wandels hängt nicht zuletzt vom Tempo der technologischen Entwicklung ab. Die Einführung und Verbrei tung bedienungsanspruchsvoller technischer Errungenschaften (z.B. Com puter) führt dann zu generationsspezifischen Zäsuren mit weitreichenden Folgen. Ökonomische Generationen schließlich manifestieren sich weniger über politische oder sozio-kulturelle Gemeinsamkeiten, sondern vorrangig über die Gemeinsamkeit ökonomischer Chancen und Risiken. Diese ergeben sich aus spezifischen strukturellen Bedingungen - auf dem Arbeitsmarkt, durch den Staat, oder durch die Familie. Solche Bedingungen können von den Generationen selbst generiert worden sein, sie können aber auch auf externe Ursachen zurückgehen. So ist z.B. der Eintrittszeitpunkt in den Arbeitsmarkt eine bedeutsame Determinante für Berufsverläufe. Es verbinden sich damit - wie Richard Easterlin (1980) gezeigt hat - unterschiedliche Lebenschancen, und zwar je nach konjunktureller Phase, demographischem Arbeitskräfteü berschuß oder -mangel (Stichwort Babyboomer) sowie spezifischer Wirt schaftsverfassung. Bei sonst gleichen Bedingungen kann die Demographie zum kollektiven Schicksal werden. Mitglieder geburtenstarker Jahrgänge 10 Martin Kohli, Mare Szydlik sind einer größeren Konkurrenz um die zur VerfLigung stehenden Bildungs und Arbeitsplätze ausgesetzt als Mitglieder geburtenschwacher Jahrgänge. Auch der Wohlfahrtsstaat kann ökonomische Generationen konstituieren. Damit meinen wir nicht einfach die Beitragszahler und Rentenempfänger des sogenannten öffentlichen Generationenvertrags. Strenggenommen ist schon die Bezeichnung ,Generationenvertrag' angreifbar (Leisering 1992). Nicht nur, daß es sich hierbei nicht um einen tatsächlich geschlossenen Vertrag zwischen (Vertretern) der davon betroffenen Vertrags partner handelt. Der sogenannte öffentliche Generationenvertrag bezieht sich auch nicht primär auf Generationen im Sinne von benachbarten Geburtsjahrgängen, die sich signifikant von vorherigen und nachfolgenden Kohorten unterscheiden und langfristige, womöglich lebenslange generationstypische Merkmale aufwei sen. Die vorrangigen ,Partner' dieses ,Vertrages' sind vielmehr Altersgrup pen, deren Zusammensetzung sich über die Zeit verändert und durch die die Individuen während ihres Lebenslaufs hindurchwandern - aus Beitragszah lern werden Rentenempfänger. Die Rentenreform von 1957, mit der die Grundzüge des heutigen deut schen Umlagesystems geschaffen wurden, schloß allerdings in dessen Be gründung einen Generationenaspekt ein, nämlich das Ziel, die ,Kriegsgene ration' für die verlorenen Lebenschancen zu entschädigen und sie wenigstens als Rentner am wundersamen Aufschwung der Wirtschaft zu beteiligen. Darüber hinaus kann man sagen, daß der Wohlfahrtsstaat immer dann öko nomische Generationen herausbildet, wenn er Diskontinuitäten zwischen den Geburtskohorten begründet, d.h. bestimmte Kohorten in ihrer lebenslangen Bilanz von erhaltenen Sozialleistungen und dafür gezahlten Aufwendungen zu Gewinnern oder Verlierern macht. David Thomson (1989) hat die Ge schichte des neuseeländischen Wohlfahrtsstaates in diesem Sinne als Resultat einer erfolgreichen ,Verschwörung' einer Generation gegen alle anderen interpretiert - einer Generation, die in ihren jungen Jahren den Ausbau von Familienleistungen und Wohnbeihilfen forcierte, später die Vorsorge gegen berufliche Risiken und schließlich den Ausbau der Renten. Manches an die ser Geschichte erscheint übertrieben, aber Elemente davon lassen sich auch in Deutschland finden. Lutz Leisering hebt entsprechend hervor, daß der deutsche Sozialstaat Generationen mit spezifischen Begünstigungen und Belastungen erzeugt. Dabei diskutiert Leisering u.a. die Frage, inwiefern die Vorstellung eines Generationenkonflikts aufgrund sozialstaatlicher Regelun gen auf die Beziehung zwischen Altersgruppen (junge Beitragszahler und ältere Rentenempfänger) sowie auf das Verhältnis zwischen Kohorten (Ver lierer- bzw. Gewinnergeneration) anwendbar ist. Zentral ist dabei auch die Frage nach den Folgen solcher Konfliktlinien für die Zukunft des Sozial staats.

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