Der große Blücher und der kleine Werder. General von Werder, der Verteidiger Süddeutſchlands. Äus ſeinem Weben, Deutſchlands Volk und Jugend erzählt VON Osk a r H ö ck er. Mit 8 Tonbildern. Bielefeld und Leipzig. - Verlag von Velhagen & Klaſing. 1874. / 2 - G . . . / 4- Motto: „Den Mann, den halt' ich ehrenwerth, Deß ſtarke Hand das deutſche Schwert Schwingt über ſeines Feindes Haupt, Der Freiheit ihm und Ehre raubt. Mein Lob, es halle fort und fort Dem Manne, der ſein deutſches Wort So feſt hält, als ſein Schwert und Schild, Der's treu an Freund und Feind erfüllt.“ -- Bayerische Staatsci-othek München Rltbeſtand............ Wehrkreis bücherei VII München ? 3257 e I n h a l t. I. Abtheilung: r- Aus der Kindheit goldenen Tagen. . Zur Einführung. . Eine preußiſche Rittmeiſtersfamilie. In der neuen Heimat. . Das Volk ſteht auf, der Sturm bricht los! . 1813–1815. . Errettung aus großer Gefahr. II. Abtheilung: Lehr- und Wanderjahre. . „Des Dienſtes immer gleichgeſtellte Uhr.“ . Die Oaſe in der Wüſte. . Werder's Reiſe nach dem Kaukaſus. 10. Der Feldzug im Kaukaſus. 11. Der kleine Krieg. 12. Werder'sReiſe an der Oſtküſtedes Schwarzen Meeres. 13. Im Sommer von 1843. 14. Vom Lieutenant bis zum General. III. Abtheilung: Held W e rder. * 15. An einem Sonnabend. 16. Im Walde von Podkoſt. 17. Von Sobotka bis Gitſchin. IY 18. Vater Werder. 19. 1870. - 20. „O Straßburg, o Straßburg, du wunderſchöne Stadt!“ 21. Auf dem Vormarſch. 22. Im Kugelregen. 23. Oberſtlieutenant von Leszczynski. 24. Vormarſch auf Dijon. 25. General Werder bei Tiſche und am Krankenbett. 26. Gegen Ende des Jahres. 27. Bei Villerſexel. 28. Der letzte Kampf 29. Nachſpiel. IV. Abtheilung: Des Vaterlandes Dank. I. Einzug in der neuen Heimat. II. Deutſchlands Ehrengaben. III. Im badiſchen Oberland. IV. Ein Gruß aus Schwaben. V. Zum Gedächtniß des großen Sieges bei Montbeliard. Ein Schlußwort. - I. Abtheilung. Aus der Kindheit goldenen Tagen. * D. Höcker, General von Werder. 1 Pserisch C.- - - Diothek ro - Erſtes Kapitel. Zur Einführung. Aus den Tagen der ſchweren Noth. – Danzigs Fall und der Klage ſchrei des Rittmeiſters von Werder. – Prophetiſche Worte einer Königin.–Franzöſiſche Gewaltherrſchaftund NapoleoniſcherEigen dünkel. – 2 Moſ. 20, 5. Es iſt ein gar trübes und trauriges Bild deutſcherGeſchichte, das ſich zu Anfang unſeres Buches vor unſeren Augen entrollt; und dennoch dürfen wir nicht leichtfertig darüber hinweg huſchen, weil in dieſe Zeitperiode deutſcher Schmach und Schande die Ge burt unſeres Helden fällt, der von der Vorſehung mit dazu aus erſehen war, die Rolle eines Rächers zu ſpielen gegenüber der franzöſiſchen Nation, welche dereinſt ſo viel Elend über unſer deutſches Vaterland gebracht. Wir verſetzen uns in das Jahr 1807 zurück und find-en das preußiſche Volk, deſſen ruhmreiche Vergangenheit in den Regie rungsperioden des großen Kurfürſten und des alten Fritz wurzelt, nach den eigenen Worten der Königin Luiſe „auf den Lorbeern Friedrichs des Großen eingeſchlafen.“ Die unglückſelige Schlacht von Jena iſt geſchlagen und immer weiter dringt das ſiegreiche Kriegsheer des erſten Napoleon verwüſtend in Preußen vor. Ein feſter Platz nach dem andern fällt in des Korſen Hände, zumeiſt 1. 4 auf für die preußiſche Beſatzung unrühmlichſte Weiſe. Friedrich Wilhelm III. ſieht ſich von dem übermächtigen Eroberer bis in die nördlichſte Stadt ſeines Reiches, bis nach Memel gedrängt. Trüben Blicks und mit gebrochenem Herzen ſieht der Vater - landsfreund der nächſten Zukunft entgegen. Alle Feſtungen haben endlich kapitulirt, nur das tapfere Colberg unter Gneiſenau's Führung und Danzig halten ſich noch. Allein nicht lange währt es, ſo kommt die Hiobsbotſchaft, daß auch Danzig „über“ ſei. „Die preußiſche Beſatzung dieſer Feſtung wird“ – ſo lautet ein weiterer Zuſatz der Unglückspoſt – „in Anerkennung der glänzenden Vertheidigung nicht kriegsgefangen, ſondern in gewiſſe für neutral erklärte Landſtriche verlegt werden.“ Zu der Danziger Beſatzung gehörte das Dragonerregiment von Rouquette, und einer ſeiner hervorragendſten Offiziere war der Rittmeiſter Hans Chriſtoph von Werder, welcher bereits in dem Rheinfeldzuge des Jahres 1794 eine ſolcheTapfer keit an den Tag gelegt hatte, daß er den Orden pour le mérite erhielt. Dem wackern Rittmeiſter ſtanden die Thränen im Auge, als Danzigs Bollwerk die weiße Fahne aufzog, und mit geballten Fäuſten verließ er ſammt ſeinem Zuge die Feſtung. „Was ſoll aus unſerm armen Lande, was ſoll aus König und Heer werden,“ rief er ſchmerzlich bewegt, „wenn Gott nicht endlich unſere Waffen ſegnet!“ Dieſer Schmerzensſchrei verband ſich noch mit vielen tauſend anderen, die ſich der geängſtigten Bruſt des armen Preußenvolks entrangen, – allein der bittere Leidenskelch war noch immer nicht voll, und die tiefgebeugte Königin Luiſe hatte nur zu Recht, an ihren Vater zu ſchreiben: „Mit uns iſt es aus; wenn auch nicht für immer, doch für jetzt. Es wird mir immer klarer, daß Alles ſo kommen mußte, wie es gekommen iſt. Die göttliche Vorſehung leitet unverkennbar neue Weltzuſtände ein und es ſoll eine andere Ordnung der Dinge werden, da die alte ſich überlebt hat und als abgelebt in ſich ſelbſt zuſammenſtürzt. Der Napoleonismus wird die ſchmerzliche Bahnung des Weges zu einem beſſeren Ziele ſein. 5 Ich finde Troſt, Kraft und Muth in dieſer Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Iſt doch Alles in der Welt nur Uebergang! Wir müſſen durch.“ Dieſe Worte ſind glänz-end in Erfüllung geg-angen; leider war es der edeln Königin nicht vergönnt, die Tage des Ruhms zu erleben. Zur Zeit, mit welcher unſer Buch beginnt, herrſchte in deſſen noch Napoleon über Preußen und mit ihm waren Noth, Kummer und Finſterniß. Kein Wunder, daß Land und Volk nach Frieden lechzten, kein Wunder, daß FriedrichWilhelm III. ſich be mühte, einen ſolchen anzubahnen, und kein Wunder, daßderſelbe– als er endlich am 9. Juli 1807 in Tilſit zu Stande kam – für Preußen außerordentlich kläglich ausfiel; dictirte ihn ja doch Na poleon, der ehrgeizigſte aller Menſchen, deſſen Endziel in nichts Geringerem beſtand, als nach und nach die ganze Welt zu er obern. Der abgeſchloſſene Frieden änderte wenig oder nichts in Preußen, vielmehr ſtieg die Noth der armen, ſchwergeprüften Be völkerung auf's Höchſte. Immer deutlicher trat die Abſicht des Eroberers hervor, dem Theile von Preußen, welchem erein Schein leben gelaſſen, alle Adern zu öffnen, damit es ſich verblute. Un erſchwinglich waren die Contributionen; dazu kam außerdem der Uebelſtand, daß die franzöſiſche Armee noch immer im Preußen lande hauſte, den Bürgern zur Qual, in deren Häuſern es ſich Offiziere und Soldaten auf die Strapazen des Krieges hin wohl ſein ließen. Wehe dem Quartiergeber, welcher den harten Forde rungen nicht Genüge zu leiſten vermochte, denn er ſah ſich den gemeinſten Mißhandlungen ausgeſetzt. Mit einem Worte, nach wie vor herrſchte der Franzmann im Preußenland, ja, der übermüthige Sieger gab ſogar nicht einmal die eroberten Feſtungen zurück, wie er gelobt hatte, ſteigerte da gegen mehr und mehr die Kriegskoſten, ſo daßdas arme Preußen binnen wenigen Jahren nahezu dreihundert Millionen Thaler zahlen mußte. Und trotz alledem war derGrauſamkeit Napoleon's noch immer nicht Genügegethan. Das neueSyſtem ſeiner Gewaltherrſchaftlegte