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Geisteswissenschaften: Vorträge · G 291 PDF

35 Pages·1987·1.006 MB·German
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Rheinisch-Westfalische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vortrage . G 291 Herausgegeben von der Rheinisch-Westfalischen Akademie der Wissenschaften HEINZ GOLLWITZER Internationale des Schwertes Transnationale Beziehungen im Zeitalter der "vaterlandischen" Streitkrafte Westdeutscher Verlag 313. Sitzung am 15. Juli 1987 in Dusseldorf CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gollwitzer, Heinz: Intemationale des Schwertes: transnationale Beziehungen im Zeitalter der .vater liindischen" Streitkrifte / Heinz Gollwitzer. -Opladen: Westdeutscher Verlag, 1987. (Vortrige / Rheinisch-WestfaIische Akademie der Wissenschaften: Geistes wissenschaften; G 291) NE: Rheinisch-WestfaIische Akademie der Wissenschaften (Diisseldorf): Vortrige / Geisteswissenschaften Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann. © 1987 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag Satz, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Boss-Druck, Kleve ISSN 0172-2093 ISBN-13: 978-3-531-07291-3 e-ISBN-13: 978-3-322-85757-6 DOl: 10.l007/978-3-322-85757-6 Inhalt Heinz Gollwitzer, Munster Internationale des Schwertes Transnationale Beziehungen im Zeitalter der "vaterHindischen" Streitkrafte 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Traditionelle Militarinternationalitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Imperialistische Militarinternationalitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 18 4. Folgerungen ......... .................................... ...... 25 Zusammenfassung der Diskussion ............... ....... ....... ...... 29 D. GENERALLEUTNANT A. RODIGER VON REICHERT zum 18.August 1987 1. Einleitung Weder hat mein Vortrag die Geschichte einer Verschworung zum Gegenstand noch schwebt mir vor, den bereits fast uniibersehbar erorterten sogenannten militarisch-industriellen Komplexl in seiner internationalen Verflechtung zu durchleuchten. Ais Historiker geht es mir zunachst nur urn etliche Aspekte eines hinter uns liegenden Abschnitts der Militargeschichte. An dem quantitativen und qualitativen Sprung, den die Historiographie in der zweiten Halfte unseres Jahr hunderts gemacht hat, ist auch die Militargeschichtsschreibung nicht unbeteiligt geblieben. Flankiert von Politikwissenschaft und Soziologie ist sie daran gegangen, insbesondere das Verhaltnis von Militar und Gesellschaft, von Militar und Politik griindlicher als bisher zu studieren. Vielleicht gelingt es mir, durch Kombination einiger Beobachtungen dazu einen Beitrag zu leisten und einen neuen Akzent zu setzen. Es soIl gezeigt werden, wie wmrend der nationalen Ara der Streitkratte traditionelle Faktoren weiterwirkten und andererseits Vorgriffe auf ein Phanomen edolgten, das man neuerdings als "ubiquitaren Militarismus" bezeichnet hat.2 AIle Berufe entwickeln eine fachspezifisch internationale Dimension und Solidaritat. In dieser Richtung hat sich auch die Professionalitat des Soldatentums gerade in der Zeit seiner fast ausschlieBlich nationalen Sinngebung fortwwend bereichert und differenziert. Ferner haben in den allgemeinen internationalen Beziehungen liegende Sachzwange ein Gegengewicht zur nationalen Orientierung der Streit kratte geschaffen, iiber das im folgenden ein Uberblick gewonnen werden soIl. Meine Beispiele sind iiberwiegend, nicht ausnahmslos, der deutschen Geschichte entnommen und beziehen sich mehr auf Friedens-als auf Kriegszeiten. Zur zeit- I Wir greifen heraus: Sarkesian S. c. (Hg.), The Military-Industrial-Complex. A Reassessment, Beverly Hills 1972; Medick M., Das Konzept des Military-Industrial-Complex und das Problem einer demo kratischen Kontrolle, in: Berghahn V.R. (Hg.), Militarismus, Koin 1975,347-377; Kaldor M., Der all mahliche Aufbau eines Militarisch-Industriellen Komplexes, in: Jahrbuch fUr Friedens-und Konflikt forschung V (1977), 47ff.; Hansen E. W., Zum "Mi\itarisch-Industriellen Komplex" in der Weimarer Republik, Diisseldorf 1978, 101-120; Bredow W. Y., Moderner Militarismus. Analyse und Kritik, Stuttgart etc. 1983, passim. Bredow meint, der Begriff .Militarisch-industrieller Komplex" sei unfruchtbar fUr wissenschaftljche Fragestellung. 2 Bredow, a. a. 0., 111-113. 8 Heinz Gollwitzer lichen Begrenzung meines Operationsfeldes: ich behandle die Epoche zwischen der militarischen Internationalitat Alteuropas, die personliche Bindung an den Kriegs herrn weit Uber die nationale Zugehorigkeit stellte, und der zeitgenossischen Kriegsmaschinerie nach 1945, die in weltweiten gesellschaftspolitisch-ideologisch bestimmten Paktsystemen verankert ist, oder, wenn auch nur ganz marginal, bereits in globalisierter Form auftritt; ich meine in diesem Fall die Friedenstruppe der Vereinten Nationen, die unmittelbar unter der Leitung der Weltorganisation steht. 1m Hinblick auf die riesigen militarischen Integrationssysteme unter FUh rung der Supermachte wird heute von "internationaler Militarordnung" gespro chen, und ein fuhrender zeitgenossischer Politologe bezeichnet die militarischen Spitzen von heute als "kosmopolitische Eliten".3 Die von mir thematisierte Epoche zwischen der Franzosischen Revolution und dem Zeitalter der Weltkriege4 ist - dies habe ich vorwegzunehmen - primar durch eine N ationalisierung der Armeen und Flotten in folgendem Sinn gekennzeichnet: Staat und Gesellschaft finden seit 1789 unter dem gemeinsamen Nenner der Nation zusammen. Wehrdienst wird mehr und mehr als Betatigung vaterlandischer Pflicht, weniger als FUrstendienst gefordert und gerechtfertigt und von der Masse der Bevolkerung auch so verstanden. Wehrpflicht tritt neben die Schulpflicht und das Wahlrecht als konstituierende Einrichtung der modernen Gesellschaft auf ihrem Weg zur Demokratie. GewiB leistet der Soldat seinen Fahneneid noch auf den Monarchen als obersten Kriegsherrn, aber die Offentlichkeit sieht den moti vierenden Impuls fur Wehrdienst im Frieden wie im Krieg fast ausschliemich im Schutz des Vaterlandes oder auch in den Zielsetzungen einer expandierenden Nation. Die Vorstellung von der Armee als "Schule der Nation" konnte erst seit der Franzosischen Revolution, erst seit der Einfuhrung allgemeiner Wehrpflicht in Kraft treten. U nzahlige Male hat man in unserem Berichtszeitraum die Streitkrafte als "Pflanzschule des Nationalgefuhls und des nationalen Stolzes" geriihmt. DaB auch heute noch das NationalgefUhl in den Armeen und Flotten der meisten - nicht aller - Staaten einen vorrangigen Faktor bildet, darf als bekannt voraus gesetzt werden. W 0 blieb nun angesichts dieser Sachlage noch Raum fUr mili tarische Internationalitat? 3 Zu "internationale Militarordnung" vgl. Kaldor M. und Asbj¢rn E., The World Military Order, London 1979. - "Kosmopolitische Eliten": Schwarz H.-P., Nutzen und Nachteile der vorherrschen den universalistischen Perspektive, in: Europa-Archiv, Folge 15 (1983), 435. 4 Von wenigen Ausnahmen abgesehen ruhren die Darlegungen nur bis 1918. Der Zweite Weltkrieg und seine Vorgeschichte zeitigten Erscheinungen, die als Ubergang zur gegenwartigen militarischen Situation aufgefaBt werden konnen. U nter anderem leitete die internationale militarische Parteigan gerschaft im zweiten Weltkrieg und schon vorher im Spanischen Biirgerkrieg eine neue Phase der poli tischen Militargeschichte ein. Das Zustandekommen weltweiter militarischer Blocke unter ideologi schen Vorzeichen ging quantitativ und qualitativ weit tiber alles hinaus, was in dieser Hinsicht friiher bereits zutage getreten war. Internationale des Schwertes 9 2. Traditionelle Militarinternationalitat Der Ubergang des miles perpetuus von einem Instrument des Souverans und Landesherrn zu einer nationalen Institution voHzog sich langsam und von Staat zu Staat mit betrachtlichen Phasenverschiebungen. Ein Vielvolkerstaat wie das Habs burgerreich behielt im Grunde bis 1918 eine Armee und Flotte von gesamtstaat lich-dynastischem Charakter. 5 Von der sich keines besonderen Rufes erfreuenden Armee des Konigreichs Neapel im 19. Jahrhundert schrieb ein zeitgenossischer Kenner der Verhaltnisse: "Der Grundfehler war, daB die Armee eine rein dyna stische, keine nationale war". 6 Der Kritiker huldigte also wie die meisten seiner Zeitgenossen der Auffassung, die Modernitat einer Armee hange nicht zuletzt yom Grade ihrer Nationalisierung abo Widerstand gegen solche Nationalisierung der Streitkrafte leistete vor aHem ein dynastisch bestimmter Spatabsolutismus, der in nationaler Motivierung und Gesinnung der bewaffneten Macht militarischen Jakobinismus witterte. Man beflirchtete im antinationalen Lager Koppelung des nationalen mit demokratischem BewuBtsein, VerfaH der Disziplin und das Ende der Moglichkeit, Soldaten zur Niederhaltung freiheitlicher Volksbewegungen ein zusetzen. Reaktionare Regime bildeten indessen nicht das einzige Gegengewicht gegen die Nationalisierung der Streitkrafte. Aus ganz anderen Grunden lieB sich der bereits erwahnte Professionalismus des Kriegshandwerks nicht auf nationale Fixierung ein. Nie hat es an Interesse und Anerkennung fUr berufliche Tlichtigkeit und Fortschrittlichkeit in anderen Streitkraften gefehlt. Auf dem Boden purer Professionalitat gedieh auch noch im 19. J ahrhundert haufig Wehrdienst unter fremden Fahnen. Nicht gering die Zahl der prominenten TruppenfUhrer und Generalstabler, die sich damals in SpitzensteHungen fremder Armeen innerhalb und auBerhalb Europas, in der Tlirkei sogar gelegentlich mit formeHem Obertritt zum Islam verbunden, einen Namen machten. Wahrend die Mehrheit der ausschieBlich professioneH denkenden Militars sich ideologischer Inanspruchnahme mehr oder minder abhold zeigte, unterschied eine Minderheit bei aHem Bedlirfnis nach beruflicher Abwechslung immerhin, ob sie sich einer progressiven oder einer konservativen Sache verdingte. Als Beispiel erwahne ich zwei ideologisch entgegengesetzt zu verortende Personlichkeiten. Der 5 Vgl. Kiszling R., Das Nationalitatenproblem in Habsburgs Wehrmacht 1848-1918, in: Donauraum 4 (1959), 82ff.; Allmayer-Beck J. Chr., Habsburgs Wehrmacht im Spiegel des Nationalitatenproblems 1815-1918, in: Gedenkschrift fUr H. Steinacker, Miinchen 1966, 240ff.; ders., Die Fiihrung viel sprachiger Streitkrafte. Die k. u. k. Armee als Beispiel, in: Heere International 1 (1982), 235-248; Schmidt-Brentano A., Die Armee in Osterreich. Militar, Staat und Gesellschaft 1848-1867, Boppard 1975. 6 Weber Chr., Liberaler Katholizismus. Biographische und kirchenhistorische Essays von Franz Xaver Kraus, Tiibingen 1983,283. 10 Heinz Gollwitzer unter seinem Autorenpseudonym "Der verabschiedete Lanzknecht" (sic!) in die Literaturgeschichte eingegangene Fiirst Friedrich Schwarzenberg (1800-1870)7 fUhrte diese Bezeichnung insofern zu Unrecht, als er seine Dienste nicht wahllos jedem Kriegsherrn anbot. Schwarzenberg begann seine Laufbahn in der osterrei chischen Armee, beteiligte sich 1830 an der franzOsischen Expedition gegen Algier, kampfte spater im spanischen Biirgerkrieg auf Seiten der Karlisten, in deren Reihen er es zum Brigadier brachte; 1847 sieht man ihn in der Fiihrungsspitze der Schwei zer Sonderbundsarmee, 1848 kampfte er in Siidtirol als einfacher Landesschiitze gegen Insurgenten und kehrte anschlieBend in den regularen osterreichischen Mili tardienst zuriick. Als Komplementarfigur auf liberaler Seite kann man den gebiirti gen Hamburger August FreiherrnJochmus von Cotignola bezeichnen,8 der sich nach militanschen Studien in Frankreich den europaischen Freiwilligen anschloB, die im griechischen Freiheitskampf gegen die Tiirken fochten. Er avancierte dort zum Hauptmann und Adjutanten des britischen Oberbefehlshabers der griechi schen Landmacht und war spater im griechischen Kriegsministerium tatig; 1835 trat er in die englisch-spanische Legion ein, die auf Seiten der Christinos gegen die Karlisten kampfte, und stieg zum General auf. 1840 hat man ihm die Stelle eines Generalstabschefs der vereinigten englisch-osterreichisch-tiirkischen Armee im Libanon anvertraut mit dem Rang eines tiirkischen Divisionsgenerals und Paschas mit zwei RoBschweifen. Marz bis Dezember 1849leitete er das AuBenministerium der Paulskirchenregierung in Frankfurt. Er beschloB seine militarische Laufbahn als Feldmarschall-Leutnant der osterreichischen Armee. Ein Eldorado fUr fremde Offiziere bildete noch im 19. Jahrhundert - allerdings vorziiglich in dessen erster Halfte - die Armee des Habsburgerreichs, die schon auf grund der Zusammensetzung dieses Staatswesens einen multinationalen Charakter trug, aber noch zusatzlich und iiberaus haufig solchen Offizieren eine militarische Laufbahn eroffnete, die nicht aus der Donaumonarchie stammten. Der oster reichische Berufsoffizier Ferdinand Fenner von Feneberg, 1848/49 Befehlshaber erst der Wiener, dann pfalzischer Insurgenten, hat sich in seinem damals Aufsehen erregenden Buch "Osterreich und seine Armee" (1847) bitter dariiber beklagt, daB im Heer der Habsburger Hunderte von Englandern (tatsachlich wohl vor allem Iren und Schotten) und Franzosen der Karriere der einheimischen Offiziere im Wege stiinden.9 National geschlossene Offizierskorps ungarischer oder italieni- 7 Belke H., Autobiographie und Zeitgeschichte. Friedrich Fiirst zu Schwarzenberg als Schriftsteller, Diisseldorf 1971. I Podgraischek L., Ein bewegtes Soldatenleben: Feldmarschall-Leutnant August Freiherr Jochmus von Cotignola, in: Zschr. f. Heeres-und Uniformkunde 100 (1937), 49-53. 9 Fenner von Feneberg F., Osterreich und seine Armee, Leipzig 1847, 96-99: "Es ist Tatsache, daB bei den ungarischen Regimentern, besonders jedoch bei der Kavallerie, kaum ein Zehntel der Offiziere geborene, der Sprache kundige Ungarn sind, und die Husarenregimenter des Konigreichs sind zu

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