Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Gedanken zur Reform des physikalischen Unterrichts: Erste Göttinger Tagung 6.–8. Januar 1955

GEDANKEN ZUR REFORM DES PHYSIKALISCHEN UNTERRICHTS ERSTE GöTTINGER TAGUNG 6.-8. JANUAR 1955 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH I Bestell-Nr. 903 Beihefte für den physikalischen Unterricht herausgegeben von Oberstudiendirektor Rudolf Brenneke und Oberstudienrat Leo=Werner Wolski Heft 3 Redaktionelle Bearbeitung Diplom=Mathematiker Kurt Wullschläger' Alle Rechte vorbehalten Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Fiedr. vieweg & sohn, braunschweig 1955. ISBN 978-3-663-00560-5 ISBN 978-3-663-02473-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-02473-6 VORWORT DER HERAUSGEBER Die Bemühungen um eine Förderung des physikalischen Unterrichts müssen bei der Ausbildung des Lehrernachwuchses beginnen. Dabei ist zu berück= sichtigen, daß die Ausbildung in den einzelnen Bundesländern - entsprechend ihrer unterschiedlichen kulturpolitischen und wirtschaftlichen Nachkriegs= entwicklung - nicht einheitlich gehandhabt wird. Ein umfassender Erfahrungs= ·und Meinungsaustausch auf Bundesebene ist daher notwendig, bevor Förderungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Die Ergebnisse müssen darüber hinaus auch der öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit diesen Fragen die Aufmerksamkeit gewidmet wird, die ihr im Interesse unserer Jugend zukommt. Wenn die Initiative, eine solche Aufgabe auf breiter Basis zu verfolgen, im vorliegenden Falle von einem Mann ausgegangen ist, der nicht Behörden= vertreter, beamteter Fachlehrer oder Beauftragter einer fachlichen Berufs= organisation ist, sondern eine namhafte Persönlichkeit der Lehrmittelindustrie, so könnte vielleicht mancher befürchten, daß hier Werbung und Reklame den Vorrang haben könnten vor einer fachlichen Behandlung der vorliegenden Probleme. Sollten wir nicht versuchen, Bedenken solcher Art zurückzustellen und möglichst frei von Vorurteilen zu sagen, daß es unwesentlich ist, wer den ersten Schritt tut? - Entscheidend ist, daß ein Anfang gemacht ist. Die Teilnehmer der "Göttinger Tagung" haben sich mit den Problemen des physikalischen Unterrichts ernsthaft auseinandergesetzt, sie haben in aller Ausführlichkeit ul1gezwungen diskutieren können. - Es dürfte kaum jemand gegeben haben, der nicht mit neuen Anregungen für seine weitere Arbeit zurückgefahren ist, die Vertreter der Ministerien sowohl wie die Seminarleiter, die Hochschulprofessoren wie auch die Fachleiter. Die vorliegende Schrift soll diese Anregungen weitertragen. Sie soll darüber hinaus eine Grundlage bilden für weitere Gespräche. Die Herausgeber glauben nicht nur im Namen der Teilnehmer der Göttinger Tagung zu sprechen, wenn sie Herrn Dr. Leimbach für das Zustandekommen der Tagung danken. Es war sicher kein leichtes Unterfangen, diese Veranstal= tung vorzubereiten, zu organisieren und endlich auch durchzuführen, ganz abgesehen von den erheblichen Mitteln, die aufgebracht werden mußten. Abschließend sei noch erwähnt, daß Herausgeber und Verlag bereit sind, weitere Veröffentlichungen dieser Art herauszubringen, und es sehr begrüßen würden, von den zuständigen Fachorganisationen geeignetes Material zu erhalten. Ha n n 0 ver, im November 1955 Brenneke Wolski Leiter: Tag 1. Professor Dr. Hans Kopfermann Physikalisches Institut der Universität Heidelberg DIE WISSENSCHAFTLICHE AUSBILDUNG DER LEHRAMTSKANDIDATEN AUF DEN HOCHSCHULEN Erstes Referat: Professor Dr. Franziska Seidl Phys. Institut der Universität Wien Zweites R~ferat: Professor Dr. Georg Schmitz Phys. Institut der Techn. Hochschule Aachen Zusammenfassung der Diskussion ERSTES REFERAT Professor Dr. Franziska Seidl In meinen heutigen Ausführungen möchte ich berichten, wie ich auf Grund der Erfahrungen, die ich während meiner langen Lehrtätigkeit an der Wiener Uni= versität gewonnen habe, die praktische Ausbildung der Lehramtskandidaten durchführe. Wenn ich von praktischer Ausbildung spreche, so möchte ich dazu bemerken, daß ich einen wesentlichen Unterschied mache zwischen praktischer Ausbildung der Lehramtskandidaten an der Hochschule und der Berufs= ausbildung, die die Lehramtskandidaten erst nach Ablegung ihrer Prüfungen erhalten. Es wurden vielfach bereits wertvolle Vorschläge hinsichtlich einer Reform gemacht, die auch die wissenschaftliche Ausbildung der Lehramtskandidaten betrifft. Doch scheint es mir, daß die praktische Ausbildung der Lehramts= kandidaten viel zu wenig Beachtung findet. An allen österreichi schen Universitäten hört der Lehramtskandidat zwei Semester hindurch die Vorlesung über Experimentalphysik, die von allen Studierenden der Naturwissenschaften und den Pharmazeuten besucht wird. Darauf folgt eine viersemestrige Vorlesung aus der Experimentalphysik, die nur für Lehramtskandidaten und für diejenigen Studierenden bestimmt ist, die das Doktorat anstreben. Außerdem ist der Besuch einer viersemestrigen Vorlesung über theoretische Physik vorgeschrieben. Für die praktische Aus= bildung ist das zweisemestrige Anfänger=Praktikum zu absolvieren. Die Auf= nahme in dieses Praktikum, das - und zwar möchte ich es unterstreichen - rein meßtechnisch geführt wird, erfolgt erst im 3. Semester. Nach dem 6. Seme= ster ist das Lehramtskandidaten=Praktikum zu besuchen, für das vorschrifts= mäßig nur ein Semester vorgesehen ist. Somit besteht die gesamte praktische Ausbildung der Lehramtskandidaten drei Semester hindurch, von denen nur ein Semester für ein mehr beruflich ausgebildetes experimentelles Arbeiten zur Verfügung steht. Man ist bereits zu der Einsicht gekommen, daß die praktische Ausbildung um ein Semester zu verlängern ist. Diese Forderung wurde auch von der österreichischen Physikalischen Gesellschaft gestellt. Eine Studien= erweiterung dieser Art ist zweifellos sehr erfreulich, doch finde ich es persönlich 3 bedauerlich, daß dafür der Besuch des Praktikums für Fortgeschrittene in Aussicht gestellt wurde, in dem wieder meßtechnisch, und zwar mit Apparaten, die einem Schulphysiker fast niemals zur Verfügung stehen, gearbeitet wird. Was der Schulphysiker an Meßtechnik benötigt, das lernt er im Lehramts= kandidaten=Praktikum kennen. Ich bin unbedingt dafür, daß das Lehramts= kandidaten=Praktikum mindestens zwei Semester durchgeführt wird, und daß es jedem Kandidaten natürlich frei steht, außerdem noch das Praktikum für Fortgeschrittene zu besuchen. Im Jahre 1945 wurden mir die Vorlesungen und das Lehramtskandidaten= Praktikum des 1. Physikalischen Instituts übertragen. In dieser Zeit legte ich mir die Frage vor, wie man die praktische Ausbildung der Lehramtskandidaten erfolgreich gestalten könnte. Reifliche überlegungen führten mich zu folgen= dem Plan: Im 6. Semester eine Vorlesung aus Experimentierkunde - natürlich inhaltlich Experimentiertechnik - im 7. und 8. Semester Besuch des Praktikums und Abhaltung von Unterrichtsvorführungen (Experimentiervorführungen). Die versuchsweise Einführung bewies die Bewährung des Planes. Da das zweite Semester Praktikum, das ich so sehr wünsche, noch nicht obligat eingeführt ist, kam es oft vor, daß die Kandidaten freiwillig ein zweites Semester im Lehramtskandidaten=Praktikum gearbeitet haben. Die Vorlesung aus Experimentierkunde soll einerseits die Vorbereitung auf das Lehramts= kandidaten=Praktikum darstellen, andererseits soll in dieser Vorlesung das Wichtigste in bezug auf Experimentiertechnik vorgebracht werden. In den Vorlesungen über Experimentalphysik lernt der Kandidat wohl viele Experi= mente kennen, doch erfährt er bloß den Aufbau der Versuchsanordnung und nichts von den näheren Umständen, unter denen der Versuch gelingt oder eben nicht gelingt. In der Experimentierkunde soll dagegen darauf aufmerksam gemacht und gezeigt werden, mit welcher Sorgfalt gerade einfache Versuche durchgeführt werden müssen. Besonders notwendig und wertvoll ist es, optische Versuche, die erfahrungsgemäß den Kandidaten die größten Schwierigkeiten bereiten, zu demonstrieren, um auf die Arbeitsweise aufmerksam zu machen und näher einzugehen. Das Praktium wird in zwei großen Räumen, von denen der eine verdunkelt werden kann, abgehalten. Die Arbeitstische sind mit Schalttafeln ausgestattet, zu denen von einer Verteilertafel, die sich im Praktikumsraum befindet, Leitungen führen. Den Kandidaten muß die Möglichkeit gegeben werden, mit modernen Lehr= mitteln zu arbeiten. Dies ist unbedingt zu berücksichtigen, denn der Kandidat soll die Lehrmittelerzeugnisse kennenlernen und ebenso ihre Verwendung, um 4 bei gelegentlicher Anschaffung von Apparaten auf Grund eigener Erfahrung informiert zu sein. Es wäre auch sehr erwünscht, und zwar nicht zuletzt im Interesse der Erzeuger, Lehrmittel für die praktische Ausbildung der Lehr= amts kandidaten der Hochschule zur Verfügung zu stellen. Der Schulphysiker wird zunächst diejenigen Apparate, mit denen er während der Studienzeit gearbeitet hat, für einen Ankauf in Aussicht nehmen. Im Zeitalter des technischen Fortschritts soll man dafür sorgen, daß die Lehr= mittel nicht nur gediegen, sondern auch technisch ästhetisch ausgeführt sind. Hinsichtlich der Lehrmittelerzeugung soll es immer heißen: Für die Schule ist das Beste gerade noch gut genug. Diese Bemerkung lenkt meine Gedanken auf die Aufbauphysik. Die erhält= lichen Aufbauteile zeichnen sich in der Tat durch Gediegenheit und technische Ästhetik aus. Ihre Verwendung im Physikunterricht ermöglicht es, die Appa= rate vor den Augen der Schüler aufzubauen. Es soll aber niemand behaupten, daß die Verwendung von Aufbauteilen keine Vorbereitung benötigt. Die Vor= bereitungszeit wird nur ganz außerordentlich gekürzt. Erst ein gut vorbereiteter Versuch, der mit Ruhe und Sicherheit ausgeführt wird, wirkt überzeugend. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß das Stunden= ausmaß des Schulphysikers mit Rücksicht auf die notwendige Vorbereitungs= zeit für den experimentellen Physikunterricht herabgesetzt wird. Im Lehramtskandidaten=Praktikum wird jeder Arbeitsplatz nur von einem Kandidaten belegt. Ausnahmsweise werden bei größerer Hörerzahl Gruppen von höchstens zwei Kandidaten gebildet. über die Ausführung der Versuche ist ein Protokoll zu führen, das so gefaßt werden soll, daß es dem Kandidaten für seine spätere Lehrtätigkeit als Nachschlagewerk dienen kann. Der Kandidat erfährt acht Tage früher das experimentell zu behandelnde Thema. Solange nur ein Semester für das Praktikum zur Verfügung steht, ist es wohl zweckmäßig, hauptsächlich Versuche aus den Gebieten der Elektrizität und der Optik machen zu lassen. Ohne genügende Erfahrung ist ein erfolgreiches Experimentieren weder auf dem einen noch auf dem anderen Gebiet zu erwarten. Außerdem sind die e!ektrischen Meßgeräte bei unsachgemäßer Be= handlung einer Beschädigung ausgesetzt. In der Mechanik, Akustik und Wärme wird sich ein weniger experimentell erfahrener junger Lehrer leichter, d. h. mit weniger Hemmungen, zurechtfinden. Es ist allgemein das Bestreben vorhanden, Schul versuche 50 einfach wie möglich zu gestalten. Gewiß soll der Kandidat einfache Versuche kennen= lernen, doch ist es meines Erachtens notwendig, daß er während seiner Studienzeit auch komplizierte Versuche aufbauen lernt. Wer schwierigere Experimente beherrscht, wird auch einfache zusammenbringen. Wer aber 5 nur einfache Versuche ausführt, wird mit komplizierteren Schwierigkeiten haben. Es genügt nicht, die Kandidaten auf die gute Vorbereitung eines Ver= suches aufmerksam zu machen. Sie müssen es selbst erleben, von welchem Wert eine gute Vorbereitung ist und welche Nachteile eine schlechte Vorberei= tung bringt. Bei den Unterrichts vorführungen (Experimentiervorführungen) handelt es sich nicht um eine' Unterrichtsvorführung im üblichen Sinne, denn das Auditorium wird nicht von Schülern, sondern von Studienkollegen ge= bildet, die als Kritiker an der Vorführung teilnehmen. Der Kandidat soll auch beurteilen können, welche Vorkenntnisse zum Verständnis eines Versuches notwendig sind. Diesbezüglich ist es sehr wertvoll, komplizierte Versuchs= anordnungen analysieren zu lassen. Bei den Unterrichts vorführungen lernt der Kandidat den Wert der Aufbauphysik kennen. Es lassen sich aber nicht alle Versuche durch bloßes Zusammenfügen von fertigen Aufbauteilen durch= führen. Meist wird den Kandidaten gelegentlich der Unterrichtsvorführungen oder während ihrer Experimentiervorführungen erst recht klar, daß ihre Experimentiertechnik noch verbessert werden muß. Diese Erkenntnis allein beweist schon den Wert der Einführung von Experimentiervorführungen. Es ist mir vollkommen klar, daß Gesetze aus Meßreihen erarbeitet werden müssen, doch glaube ich, daß der Lehramtskandidat im Lehramtskandidaten= Praktikum besser demonstrieren als messen lernen muß. Im Mittelpunkt des Physikunterrichts steht das Experiment. Meßtechnisch arbeitet jedoch der Lehramtskandidat bereits durch zwei Semester zu Beginn seiner Studien. Man ist immer wieder bestrebt, Vorschläge für einen neuen Lehrplan zu machen, aber selbst der beste Lehrplan wird für den Unterricht nicht erfolg= reich sein, wenn man nicht vorher die Ausbildung der Lehramtskandidaten in Erwägung zieht. Immer wieder führen die Hochschullehrer Beschwerde über mangelhaftes Wissen, das die Hörer von der Schule mitbringen. Hier kann nur Abhilfe geschaffen werden durch eine entsprechende Ausbildung der Lehr= amtskandidaten an der Hochschule. Nicht nur die Entwicklung der Lehrmittel, sondern auch die Ausbildung der Lehramtskandidaten möge nach der Er= kenntnis erfolgen, daß für die Schule gerade das Beste gut genug ist. 6

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.