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Gärten der Lust: Eine Geschichte erregender Lektüren PDF

340 Pages·1997·31.369 MB·German
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Gärten der Lust FÜR MAX Carolin Fischer Gärten der Lust Eine Geschichte erregender Lektüren Mit 35 Abbildungen J. Verlag B. Metzler Stuttgart. Weimar Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fischer, Carotin: Gärten der Lust: eine Geschichte erregender Lektüren / Carolin Fischer. - Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1997 ISBN 978-3-476-01563-1 ISBN 978-3-476-01563-1 ISBN 978-3-476-03713-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03713-8 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1997 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1997 Inhalt Lustlektüren. Eine Einführung 1 Laszivität und Muße 25 Kuppler war das Buch 95 L'Age d'or 163 Nach Sade 245 Literaturverzeichnis 309 Lesehinweise 326 Register der Autoren und Werke 328 Lustlektüren. Eine Einführung Die Erotik boomt, oder, vor sichtiger und wahrscheinlich treffender formuliert, das Geschäft mit der Erotik. Als postsozialistische Rückständigkeit belächelt wurden die langen Schlangen vor den ersten ostelbischen Filia len von Deutschlands erfolgreichster Rotlichtversenderin. Scherzhaft hieß es, die vibrierende Gummibanane sei in den neuen Bundesländern noch begehrter als die tropische Frucht. Die Schlangen waren jedoch nicht kürzer, als selbige Unterneh merin sechs Jahre später im Westen der wiedervereinigten Hauptstadt ein Erotik-Museum eröffnete. Mit barbusigen Schönheiten - früher dezent auf Seite drei plaziert, und lediglich in Blättern, die der Bildungsbürger eige nen Angaben zufolge niemals aufschlagen würde - zieren inzwi schen selbst seriöse Zeitschriften ihre Titelblätter zu passenden wie unpassenden Themen. Auch das Hamburger Magazin, des sen Glaubwürdigkeit durch die regelmäßige Erwähnung seiner Artikel in den Sonntagabendnachrichten unterstrichen wird, sorgt sich um unser sexuelles Wohl in Leitartikeln über Cyber Sex, Prostitution, nachlassende Fruchtbarkeit, Bi-Sexualität und anderes mehr. Kaum ein Fernsehsender verzichtet auf seine Sendereihe über die Freuden des Liebesspiels, selbst das öffentlich-rechtliche Wochenende wurde monatelang mit der Schönsten Sache der Welt eingeläutet. Falls eines dieser Machwerke Paare tatsächlich ani miert haben sollte, früher als gewöhnlich das Bett aufzusuchen, dann höchstens aus purer Verzweiflung über das Fernsehpro gramm. Im Kino scheinen Äonen vergangen, seit eine blonde Sünderin, die sekundenkurz ihre Nacktheit präsentiert, Protest stürme entfesselte. Schlafzimmerakrobatik in Breitwandformat, Verführung pur, sadistische Quälereien, Liebeslust bis in den 1 Lustlektüren. Eine Einführung gemeinsamen Tod, Showgirls, die ihre makellosen Körper an den Stangen der Animierbar reiben, beim lab-dance die schlan ken Glieder bis zum Orgasmus des Kunden schwenken - es gibt immer mehr zu sehen. Sogar die Volkshochschule, bekannt für Weiterbildung in allen Bereichen, bietet Veranstaltungen zum BerufH ure an. Ist nun die Erotikwelle, die uns derzeit überrollt, das unver kennbare Zeichen der schon so lange propagierten sexuellen Befreiung, der Erotisierung des Alltags oder gar Vorbotin uni versaler Glückseligkeit? Wenn Platon recht hat und wir nur nach dem streben, was uns mangelt, dann besteht Grund zur Sorge. Welches die wahre Ursache ist, das entscheide ein jeder für sich und die Soziologen für uns alle. Fest steht jedenfalls, daß die Schamschwelle sich deutlich gesenkt hat. Dies macht eine sehr viel sachlichere Auseinandersetzung mit dem Thema möglich. Zwar ist besagtes Erotik-Museum durch die Gründerin wie den Standort im Rotlichtmilieu angesiedelt; doch die Berichterstattung fand im Feuilleton statt. Gleichzeitig öffnen die traditionellen Horte der Kultur der unverblümten Darstellung von Sexualität ihre Pforten. Die Ausstellung Mascu linfiminin mit Courbets Origine du monde als Mittelpunkt im Centre Pompidou ist ein herausragendes Beispiel. Die Pariser Ausstellungsmacher waren offen genug für den Untertitel Le sexe dans l'art. Die Verbindung mit Kunst hat es ihnen leichter gemacht, nicht auf die gängige Bezeichnung >Erotik< zurückzu greifen, die wir meist dort finden, wo von Kunst nicht mehr viel übrig ist. Gern wird sie als hübsche Hülle für nackte Tatsachen genommen, denn Sexualität gemahnt an schnöden Vollzug, während Erotik Geheimnis und Leidenschaft verheißt - nur gibt es leider allzu viele Mogelpackungen. Dieser euphemistische Sprachgebrauch, gewissermaßen ein Vorläufer der political correctness, zeugt außerdem von den nach wie vor existierenden Tabus. So hat Jesse Sheidlower dem F-Word ein ganzen Buch gewidmet. Als Norman Mailer seiner zeit vorsichtig »fug« schrieb, erntete er hämischen Spott der Kollegen. An jeder Straßenecke kann man es hören, die New York Times aber druckt es bis heute nicht einmal in Zitaten. Trotz aller Freizügigkeit auf der Leinwand bleibt der Genital bereich ebenfalls ein Tabu. Erinnern wir uns an die Empörung, 2 Lustlektüren. Eine Einführung die Basic Instincts hervorrief, weil man angeblich Sharon Stone beim Übereinanderschlagen der Beine zwischen dieselben schauen konnte. Erfolgreicher Werberummel, und ich beneide jeden, der wirklich etwas gesehen hat, nicht etwa wegen des An blicks, sondern wegen seiner Adleraugen. Es sollen also soviel Fleisch und soviel Lust wie irgend mög lich vorgeführt werden, allerdings in strikter Abgrenzung zur >schmutzigen< Pornographie. »Pervers ist alles, was wir nicht genießen können«, schreibt Sally Tisdale (98). Dieser Logik zu folge ist Pornographie in der Tat hochgradig pervers, denn wer von uns ist schon in der Lage, rückhaltlos in den ungehemmten Ekstasen zu zerfließen, die sie uns vorführt. »Pornographie de finiert uns allein durch ihre Existenz als sexuelle Lebewesen« (23). Indem sie auf unseren Körper abzielt, untergräbt sie all un sere Anstrengungen, als homo sapiens unser Leben rational zu steuern, ja, sie ist sogar »darauf angelegt, den Verstand so gut wie möglich zu umgehen.« Damit versucht sie, den Teil von uns auszutricksen, dem wir traditionell die Kontrolle übertragen haben, und genau deshalb beunruhigt sie uns, macht uns Angst. »Sex besitzt ewigen Reiz für den Körper - eine immerwährende organische Gefangenschaft«, die all unseren Vorstellungen von freiem Willen, vom selbstbestimmten Individuum gröblichst zuwiderläuft. Wenn nun Pornographie tatsächlich »von der Leine gelassener Sex« (23) ist, so erklärt dies unsere ungeheuren Schwierigkeiten im Umgang mit ihr. Dessen ungeachtet sind in den vergangenenJahren eine Viel zahl von Büchern neuaufgelegt worden, die lange Zeit als Por nographie ausgegrenzt waren. Als eine seiner ersten Amtshand lungen öffuete Präsident Mitterand 1981 den Enfer der Bibliotheque Nationale, jene Hölle, in die als besonders frevel haft erachtete Schriften verbannt worden waren. Dem folgten Neudrucke der berühmtesten französischen Erotika des 17. und 18. Jahrhunderts, die auch in andere Sprachen übersetzt wur den. Gleichzeitig wuchs das wissenschaftliche Interesse an die sen Texten, was sich einerseits durch die allgemeine Erweite rung des Kanons, andererseits durch den erleichterten Zugang erklärt. Zu Beginn der 90er Jahre schließlich kam es zu einer wahren Flut erotischer Publikationen. So erschien beispiels weise die zauberhafte Erzählung Point de lendemain von Vivant 3 Lustlektüren. Eine Einführung Denon kurz nach ihrer Wiederentdeckung in vier verschiede nen Ausgaben. Dissertationen werden den nicht mehr verbote nen Texten gewidmet, und Crebillons zugegebenermaßen >harmlose< Romane werden ediert und sogar zum Thema der »aggregation« (1995), der Zulassungsprüfung für Gymnasial und Hochschullehrer. Selbst Lina's aufrichtige Bekenntnisse oder die Freuden der Wollust, der wahrscheinlich einzige derartige deutschsprachige Text des 18. Jahrhunderts, wurde aus seinem Dornröschenschlaf in der Wiener Staatsbibliothek geweckt. In der zeitgenössischen deutschen Literatur registrierten die Kriti ker Mitte der 90er, daß ohne ein gerüttelt Maß an Fleischeslust wohl gar nichts mehr ginge, während sich im nachfrankistischen Spanien gleich mehrere Dutzend Autorinnen der literarischen Erotik verschrieben haben. Wie kommt es, daß die Liberalisierung gegenüber der Litera tur besonders ausgeprägt ist, daß selbst Bücher, denen der Schwefelgeruch des Obszönen anhaftet, keinen Anstoß mehr erregen? Das liegt wohl in erster Linie am sogenannten Kunst vorbehalt, dem zufolge alles, was richterlicherseits als Kunst anerkannt wird, nicht böse sein kann und deshalb Freiheit ge nießt.! Älteren Werken kommt außerdem die historische Di stanz zu Hilfe. Entscheidend ist aber ein anderer Faktor, näm lich die veränderte Bedeutung des Buches in unserer Gesell schaft. Wir sind weit davon entfernt, in die Klage um den Untergang der Gutenberg-Galaxie einzustimmen. Jeder Besu cher der Frankfurter Herbstmesse kann sich davon überzeugen, daß diese Sorge mehr einem end zeitlichen Phänomen zur J ahr tausendwende denn einer realen Bedrohung entspricht. Wir wissen, daß der Computer die Produktion bedruckten Papiers nicht etwa reduziert, sondern erheblich gesteigert hat; selbst das Internet macht dem Buch vorerst keine ernsthafte Konkurrenz. Diese Angst vor dem Ende eines kostbaren Kulturguts hat das Trotz der im Grundgesetz verankerten Kunstfreiheit hat das Verwal tungsgericht Köln 1983 im Prozeß gegen die Histoire d'O die Indizierung des Romans als jugendgefährdend bestätigt, obwohl ihm »der Charakter eines Kunstwerks« zugebilligt wurde. Am 27. November 1990 verkün dete das Bundesverfassungsgericht schließlich: »Ein pornographischer Roman kann Kunst im Sinne von Art. 5 Abs 3 Satz 1 GG sein.« 4

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