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Für eine Grammatik mit Augen und Ohren, Händen und Füßen — am Beispiel der Präpositionen: 213. Sitzung am 16. Juni 1976 in Düsseldorf PDF

31 Pages·1976·1.121 MB·German
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Rheinisch -Westfälische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vorträge· G 217 Herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften HARALD WEINRICH Für eine Grammatik mit Augen und Ohren, Händen und Füßen - am Beispiel der Präpositionen Westdeutscher Verlag 213. Sitzung am 16. Juni 1976 in Düsseldorf © 1976 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag GmbH ISBN 978-3-663-01825-4 ISBN 978-3-663-01824-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-01824-7 Die Geschichte der Grammatik kann - etwas vereinfacht, aber sicher nicht ganz unzutreffend - als eine nun schon über zwei Jahrtausende währende Auseinandersetzung zwischen Analogisten und Anomalisten dargestellt wer den. Zu manchen Zeiten - in der Neuzeit gilt das etwa für die Aufklärung finden die Analogisten mehr Gehör mit ihrer Auffassung, das Sprechen sei vor allem Ausdruck des Denkens und somit den analogie stiftenden Gesetzen der Vernunft unterworfen ("ratio sive oratio"). Zu anderen Zeiten, bei spielsweise in der Romantik, dringen eher die Anomalisten mit ihrer Mei nung durch, in den verschiedenen Sprachen und Sprachepochen gehe es ziem lich willkürlich und gesetzlos zu, wie es dem Sprachgebrauch gerade gefällt ("usus tyrannus"). Der historische Kompromiß zwischen beiden Positionen heißt: Regel. Denn die grammatische Regel, zu der immer die Ausnahmen gehören, enthält im Prinzip soviel Analogie wie rational möglich und soviel Anomalie wie empirisch nötig!. I. Die Wissenschaft darf sich jedoch mit diesem Kompromiß niemals zu frieden geben. Sie muß notwendig, wenn sie Wissenschaft bleiben will, mit der Vernunft paktieren und daher unaufhörlich versuchen, die Demarka tionslinie zwischen der Analogie und der Anomalie in der grammatischen Regel zugunsten der Analogie zu verschieben, wo immer das von den Fakten her möglich ist2. Bei diesen Versuchen, die den Alltag des Linguisten be- 1 Vgl. L. Lersm: Die Sprachphilosophie der Alten, dargestellt an dem Streite über Analo gie und Anomalie der Sprache. Bonn 1838. Nachdruck in Ders.: Die Sprachphilosophie der Alten. Drei Teile in einem Band, Hildesheim 1971 (Documenta Semiotica, Se ries Ia). - F. H. Colson: The analogist and anomalist controversy. The Classical Quarterly 13 (1919), S. 24-36. - V. De Marco: La contesa analogia - anomalia. 1. Sesto Empirico. Rendiconti della Accademia di Armeologia, Lettere e Belle Arti di Napoli 32 (1957), S. 129-148. - H. Arens: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart, Freiburg 1955, Tasmenbumausgabe in 2 Bdn., Frankfurt 1974 (Fi smer Athenäum Tasmenbümer 207712078, besonders Bd. I, S. 18ff.). In der neue ren Wissensmaftstheorie wird dieses Problem in besonders interessanter Weise von Thomas S. Kuhn aufgegriffen und als allgemeines Problem der Wissen- 6 Harald Weinrich stimmen, leisten die Anomalien unterschiedlichen Widerstand. Verhältnis mäßig leichten Erfolg versprechen etwa die Konjunktionen. Kaum ein Lin guist kann sich da der (nicht ganz unbedenklichen) Versuchung entziehen, die temporalen Konjunktionen auf die mehr oder weniger reine An schauungsform der Zeit und die kausalen Konjunktionen auf die seit eh und je als bekannt angenommene Kategorie der Kausalität zu beziehen. Und wenn einmal eine Sprache, wie unser Deutsch, mit ihrer Konjunktion oder nicht zwischen den logischen Relationen der Adjunktion und der Disjunk tion unterscheidet, so kann man doch wenigstens auf die lateinische Sprache verweisen, die mit ihren Konjunktionen vel und aut genau diese Unter scheidung nachbildet (oder vorbildet). Das aussichtsloseste Terrain für alle Versuche, Sprache und Vernunft zu einer übereinkunft zu bringen, scheinen die Präpositionen zu bieten. Die minimal gerechnet 20, maximal gerechnet 261 Präpositionen, die man bei spielsweise in der deutschen Sprache gezählt hat3: In welches System soll man sie bringen, außer daß man sie in Unterklassen einteilt, je nach den Kasus, mit denen sie sich obligatorisch oder fakultativ verbinden4? Und welche Bedeutung soll man etwa der Präposition in zuschreiben, wenn man sie in allen möglichen Bedeutungszusammenhängen verwenden kann: in der Stadt (lokal), im Mittelalter (temporal), in Freiheit (modal) - und in vielen idiomatischen Wendungen, die sich gegen jede Systematik zu sperren schei nen. Kein Wunder, daß die Präpositionen im Sprachunterricht, zumal im Fremdsprachunterricht, als besonders schwieriger Lernstoff gelten, der nur mit allerhand Drillmethoden zu bezwingen ist5• Muß das so sein? Hat die Linguistik hier gar keine Hilfe anzubieten? schaftsgeschichte behandelt. Der Begriff Analogie wird bei ihm vertreten durch die Begriffe Paradigma und normale Wissenschaft. Anomalien sind Störungen eines Para digmas und der auf ihm beruhenden Normalforschung und können, wenn sie gehäuft auftreten bzw. wahrgenommen werden, zum Sturz des "herrschenden" Paradigmas füh ren (The structure of scientific revolutions [1962], deutsch: Die Struktur wissenschaft licher Revolutionen, Frankfurt 1967, Suhrkamp Taschenbuch 1973). 3 Minimal: Zählung der bekannten Merkverse in zahlreichen Schulgrammatiken, z. B. HolmiSteinert: Mein Sprachbuch, Hannover 1953, S.96, 107, 122. Maximal: K.-G. Schweisthal: Präpositionen in der maschinellen Sprachbearbeitung. Methoden der ma schinellen Inhaltsanalyse und der Generierung von Präpositionalphrasen, insbesondere für reversible Maschinenübersetzung. Bonn 1971 (Schriftenreihe zur kommunikativen Grammatik, 1), S. 7. 4 Die "Rektion" der Präpositionen ist beispielsweise für die Duden-Grammatik (vgl. § 3340ff.) der Hauptgesichtspunkt bei der Besprechung der Präpositionen. 5 Ein typisches Lernbuch für Präpositionen ist etwa: W. Schmitz: Der Gebrauch der deut schen Präpositionen. München 1964,81974 (Deutsche Reihe für Ausländer). Vgl. für das Englische I. B. Heaton: Prepositions and adverbial particles. London 1965, 91975. - L. A. Hill: Prepositions and adverbial particles. An interim classification: semantic, Für eine Grammatik mit Augen und Ohren, Händen und Füßen 7 Den Forschungsstand der Linguistik zum Problemkreis der Präpositionen kann ich am einfachsten darstellen, wenn ich in Kürze referiere, wie der französische Grammatiker Nicolas Beauzee (1717-1789) im Jahre 1767 das Problem sieht6• Nachdem Beauzee, der sich zu den Rationalisten oder sagen wir zu den Analogisten rechnet, nach seiner Zählung 35 Präpositionen der französischen Sprache aufgezählt und nach ihren verschiedenen Verwen dungen beschrieben hat, stellt er sich die nachdenkliche Frage: "Ne seroit-il a pas avantageux de penser reduire sous un point de vue unique et general, tous les usages d'une meme Preposition"7? Kaum hat er diesen Gedanken ausgesprochen, schrickt er jedoch vor den Konsequenzen zurück und be kennt sein Unvermögen, die Analyse durchzuführen. Immerhin macht er am Beispiel der französischen Präposition vers ,gegen' deutlich, daß man einer Präposition nicht alle Bedeutungen und Bedeutungsnuancen anlasten darf, die ihre textuelle Umgebung hat. übertragen auf das Beispiel der deutschen Präposition in: Man darf dieser Präposition nicht eine lokale und eine temporale und ich weiß nicht wie viele modale Bedeutungen unter schieben, wenn die Bedeutung offensichtlich von der Art ist, daß diese Prä position mit einem Nomen von lokaler Bedeutung ("Stadt") oder einem Nomen von temporaler Bedeutung ("Mittelalter") oder einem Nomen von irgendeiner modalen Bedeutung ("Freiheit") verbunden werden kanns. Diese Bedeutung also, die jenseits ihrer lokalen, temporalen oder sonstigen Ver wendung liegt, ist es, die gesucht werden muß. Ob sie aber auch gefunden werden kann? Beauzee sieht das so: "Mais les reflexions precedentes doivent a faire esperer, que cette solution ne sera pas impossible quiconque saura bien faire usage de l'analyse; et quand ce ne seroit de ma part qu'un prejuge, a il ne faut pas, par un prejuge contraire, renoncer une recherche dont le succes auroit de grands avantages."9 structural, and graded. London 1968. - Für das Französische W. Gottschalk: Die fran zösischen Präpositionen. München 1959, 71975. - A. Raasch: La preposition dans la phrase. Un guide pratique. Frankfurt 1968. Man beachte die hohen Auflagen! 6 Nicolas Beauzee: Grammaire generale ou exposition raisonnee des elements necessaires du langage, pour servir de fondement a l'hude de toutes les langues (1767), hg. von Barrie E. Bardett, 2 Bde., Stuttgart-Bad Cannstatt, 1974 (Grammatica Universalis 8). Zur Präposition vgl. besonders Bd. I, S. 515ff. 7 »Wäre es nicht vorteilhaft, daran zu denken, alle Verwendungen einer und derselben Präposition unter einen einzigen und allgemeinen Gesichtspunkt zu bringen?" (a. a. 0., Bd. I, S. 535). 8 »Modal" ist in der Grammatik ein viel gebrauchter und selten definierter Begriff für eine Restkategorie, die bei den Präpositionen alle Bedeutungen umfaßt, die nicht ein deutig räumlich oder zeidich bestimmt sind. Aus den folgenden Ausführungen ergibt sich, daß eine Definition tatsächlich überflüssig ist. 9 "Aber die voraufgehenden überlegungen dürften hoffen lassen, daß diese Lösung nicht unmöglich ist, wenn einer nur von seinem analytischen Verstand rechten Gebrauch 8 Harald Weinrich Im 20. Jahrhundert sind diese Bemühungen, übrigens ohne Kenntnis der Grammatik von Beauzee, unter dem Zeichen des Strukturalismus wieder aufgenommen worden10• Der dänische Sprachwissenschaftler Louis Hjelms lev war hier der große Anreger. In einem Buch zur Theorie der Kasus aus dem Jahre 1935 gab er sich nicht damit zufrieden, den verschiedenen Kasus (und analog dazu den verschiedenen Präpositionen in anderen Spramen) je weils mehrere Bedeutungen zu unterschieben, sondern er suchte für jeden Kasus und jede Präposition die Bedeutung, die er auch "Grundbedeutung" (signification Jondamentale) nenntl1• Diese Anregungen wurden insbeson dere von Roman Jakobson12, Viggo BmndaJ13 und Bernard Pottier14 auf gegriffen und zu einer umfassenden Systematik der Kasus, mehr noch aber der Präpositionen weiterentwickelt. Ich will diese Versuche hier nicht im einzelnen referieren, sondern sie generell nur durch die Bemerkung charakte risieren, daß die Präpositionen (und Kasus) bei diesen Autoren - Roman Jakobson ausgenommen - höchst abstrakte Grund- oder Gesamtbedeutungen erhalten, deren Merkmale durchweg aus der Logik oder einer Quasi-Logik15 stammen und, wenn überhaupt, nur noch geometrisch anschaulich gemacht werden können. So wird also beispielsweise die Präposition in oder ihre Äquivalente in anderen Sprachen durch solche Begriffsmerkmale gekenn- macht; und falls dies von meiner Seite nur ein Vorurteil sein sollte, so darf man dennoch nicht um eines Gegenvorurteils willen auf eine Forschung verzic:hten, deren Erfolg große Vorteile böte" (a. a. 0., Bd. I, S. 535). 10 Die generative Grammatik hat keinen erwähnenswerten Beitrag zur Erforsc:hung dieses Problems geleistet. Sie hat in der Bedeutung und Funktion der einzelnen Präpositionen nicht einmal ein Problem gesehen. 11 L. Hjelmslev: La Categorie des cas, Etude de grammaire generale, 2 Bde., Aarhus 1935/ 1937,2. Auflage in einem Band, Münc:hen 1972 (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik, 25). Dort sc:hreibt Hjelmslev: "Il paratt en effet que les prepositions constitu ent un systeme dont les dimensions sont les memes que le systeme casuel" (5. 107). Die gleic:he Problemlage für Kasus und Präpositionen ergibt sic:h auc:h aus seiner Kasus Definition: "Est cas une categorie qui exprime une relation entre deux objets" (5.96). 12 R. Jakobson: Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre. Gesamtbede/$tungen der russischen Kaslls (1936), in Ders.: Form und Sinn. Sprachwissenschaftliche Betrachtungen. München 1974 (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik 13), 5.77-124. Jakobson er setzt Hjelmslevs Begriff der Grundbedeutung durch den der "Gesamtbedeutung" (5.81). a 13 V. Br0ndal: Theorie des prepositions. lntroduction une semantique rationnelle (dänisc:h 1940), Kopenhagen 1950. - Vgl. Ders.: L'originalite des prepositions du Iranl;ais mo derne, in Ders.: Essais de linguistiques generale, Kopenhagen 1943, S. 81-89. 14 B. Pottier: Systematique des elements de relation. Etude de morphosyntaxe structurale romane. Paris 1962 (Bibliotheque fran~aise et romane, A2). - Vgl. Ders.: Espacio y tiempo en el sistema de las preposiciones. Boletfn de Filologfa de la Universidad de Chile 8 (1954/55), S. 347-354. 15 Hjelmslev spricht von einem "systeme sublogique" (a. a. 0., S. 136). Für eine Grammatik mit Augen und Ohren, Händen und Füßen 9 zeichnet wie: Richtung, Kohärenz, Kontakt (Hjelmslev)16, Symmetrie, Transitivität, Konnexität, Variabilität, Pluralität, Generalität (Br0ndal)17, Dynamik, Limitierung, Interiorität, Inklusion (Pottier)18 - ein ganzer Wald von Begriffen, in dem man seine Not hat, die Präpositionen wiederzufinden. Die Denkanstrengungen, die sich hinter diesen und zahlreichen anderen Be griffen verbergen, sind jedoch beträchtlich. Aber haben sich diese Anstren gungen auch wohl gelohnt? Kann man mit diesen hochabstrakten Begriffen den Gebrauch der Präpositionen besser lernen und lehren oder, wenn beides nicht der Fall ist, wenigstens besser verstehen? Oder sollen wir doch im 20. Jahrhundert lieber zu den Anomalisten unsere Zuflucht nehmen, bei spielsweise zu dem Schweden Karl-Gunnar Lindkvist, der bei der englischen Präposition in allein für ihren lokalen Gebrauch nicht weniger als sieben verschiedene Unterbedeutungen und 26 weitere Spezifikationen gefunden '6 Innerhalb des Begriffs Richtung (direction) unterscheidet Hjemlslev die Unterbegriffe Annäherung (rapprochement) und Entfernung (eloignement), die ihrerseits in dem drit ten Unterbegriff Ruhe (repos) neutralisiert werden können. Mit Hilfe dieser Unter + + begriffe kann er zwischen in Akkusativ (Merkmal: Annäherung) und in Dativ (Merkmal: Ruhe) unterscheiden. Auch innerhalb des Begriffes Kontakt (contact) unter scheiden sich diese bei den als verschieden angenommenen Präpositionen nach den Unter + begriffen Kontaktnahme (prenant contact avec) bei in Akkusativ und Kontakthal + tung (hant en contact avec) bei in Dativ. Der letztgenannte Unterbegriff ist wie derum neutral gegenüber einer Opposition der Unterbegriffe Kontaktnahme und Kon taktverlust (cessant d'erre en contact avec). Die Unterbegriffe Entfernung und Kon taktverlust, die bei den beiden Präpositionen in nicht verwendet werden, dienen zur Be deutungsbeschreibung der Präposition aus. Im Begriff Kohärenz, der bei anderen Prä positionen ebenfalls nach Unterbegriffen differenziert werden kann, unterscheiden sich diese drei Präpositionen nicht. (Vgl. besonders die Matrix a. a. O. S. 130.) 11 Im Begriff der Symmetrie unterscheidet Brendal die Unterbegriffe symmetrisch (rever sible) und asymmetrisch (irreversible), deren Opposition ähnlich wie bei Hjelmslev neu tralisiert werden kann, und zwar als "asymmetrisch-symmetrisch". Dieses Merkmal kommt der deutschen Präposition in zu. (Vgl. besonders a. a. 0., S. 34f. und 134.) '8 Pottier, der an der französischen (und spanischen) Sprache argumentiert, unterscheidet zwei Präpositionen en und zwei Präpositionen dans. Aus den oben erwähnten Begriffen bildet er die Definition für Präposition en'. Sie lautet: »mouvement franchissant une limite d'interiorite; la situation au terme du mouvement inclut les limites" . Diese Merk mal-Definition wird durch das folgende Schema "anschaulich" gemacht (im Vergleich die Schemata der drei Präpositionen en2, dans' und dans2): v °t,* ] en' en! dans' dans! (Vgl. besonders a. a. 0., S. 214ff.) Die geometrischen Elemente des Schemas en' bedeuten, von links nach rechts gelesen: Anfang einer Bewegung, Gesichtspunkt (point de visee = v), Bewegung, Begrenzung, überwundene Begrenzung, Einschluß der Begrenzung, Endpunkt einer Bewegung, Begrenzung. 10 Harald Weinrich haben will19? Ich denke hier an die bedauernswerten Sprachschüler und die nicht minder bedauernswerten Sprachlehrer, die notwendig nach bei den Sei ten hin die Lust an der Grammatik verlieren müssen. Entweder geht in den Begriffsverästelungen die Anschauung oder in den Beleganhäufungen der Geist der Sprache verloren, und man kann gar nicht mehr verstehen, daß Kinder schon im Alter von vier, fünf Jahren ihre Präpositionen mit großer Sicherheit zu gebrauchen wissen. Welcher Sinn leitet sie dabei? Es muß doch, so meine ich, ein sehr klarer, sehr einfacher und jedenfalls ein menschlicher Sinn sein, und wenn wir ihn zu erfassen suchen, müssen wir uns von dem Prinzip leiten lassen, daß die Grammatik von den Linguisten nicht schwieri ger gemacht werden darf, als sie für Kinder, die ihre erste Sprache lernen, natürlicherweise ist. Wenn ich also im folgenden einen neuen Versuch mache, die Präpositionen zu verstehen, so nehme ich mir vor, bei meinen Er klärungen die äußerste Einfachheit zu wagen und meine Lehre von den Präpositionen der deutschen Sprache schon dann als falsifiziert zu betrach ten, wenn ich nicht plausibel machen kann, daß Kinder im Alter von vier, fünf Jahren nach diesen Regeln sprachlich handeln können. H. Ich stelle mir also vor, wie das ist, wenn zwei (oder mehr) Menschen mit einander reden. Man nennt das heute gern eine Kommunikations-Situation, und man findet seit einigen Jahren schon in den Lehrplänen der Schulen das Modell einer solchen Situation abgebildet: Da ist auf der einen Seite ein Sender und auf der anderen Seite ein Empfänger; sie haben beide an einem gemeinsamen Kode Anteil und schicken durch einen Kommunikationskanal ihre Informationen: den Text20• Dieses Modell ist nicht falsch, und es hat 19 K.-G. Lindkvist: Studies on the local sense of the prepositions ,in', ,at', ,on' and ,to' in modern English (Lund 1950), NeudeIn (Liechtenstein) 1968. Zur Präposition in vgl. S. 1-104. Vgl. auch Ders.: The local sense 0/ the prepositions ,over', ,above' and ,ac ross', studied in present-day English. Stockholm 1972 (Stockholm Studies in English, 25). Ähnlich anomalistisch ist für die zeitliche Bedeutung dieser Präpositionen das Buch von H. Sandhagen: Studies on the temporal senses 0/ the prepositions ,at', ,on', ,in', ,by' and ,/or' in present-day English. Uppsala 1956. 20 Zum Beispiel: Schulreform Nordrhein-West/alen. Arbeitsmaterialien und Berichte. Heft 2 II: Curriculum Gymnasiale Oberstufe Deutsch, 2. Ausgabe, Düsseldorf 1973, S. 35. Ich selber habe diese Darstellung nicht verschmäht, etwa in meinem Buch Sprache in Texten, Stuttgart 1976, S.44. Eine hochkomplizierte Form des Kommunikationsmodells findet man bei E. GÜlich/W. Raible: Oberlegungen zu einer makrostrukturellen Textanalyse - J. Thurber, The Lover and his Lass, in: E. GÜlich/K. Heger/W. Raible (Hg.): linguisti sche Textanalyse, Hamburg 1974 (Papiere zur Textlinguistik, 8), S. 77.

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