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Führung durch Nichtführung am Beispiel der Schweiz: Zur Herrschaftsausübung in der Eidgenossenschaft PDF

331 Pages·2013·91.35 MB·German
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Führung durch Nichtführung am Beispiel der Schweiz Maximilian Koch Führung durch Nichtführung am Beispiel der Schweiz Zur Herrschaftsausübung in der Eidgenossenschaft Maximilian Koch St. Gallen, Schweiz Dissertation Ludwig Maximilians Universität München, 2013 ISBN 978-3-658-03403-0 ISBN 978-3-658-03404-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-03404-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in die- sem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu be- trachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Satz: D.A.S.-Büro Dr. Angelika Schulz, Zülpich, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Dank Das vorliegende Buch ist die mit den eidgenössischen Volksabstimmungsergeb nissen vom Juni 2013 ergänzte Version meiner Dissertation, welche im März 2013 von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München angenommen wurde. Die Arbeit entstand parallel zu meinen politischen Tätigkeiten in der kommunalen Exe kutive (als Gemeindepräsident von Wolthalden) und der kantonalen Legislative (als Kantonsrat von Appenzell Ausserrhoden) in der Schweiz. Es war mir dabei wichtig, wissenschaftliche Theorie und meinen persönlichen Praxisbezug zu verbinden. Ich danke an dieser Stelle ganz herzlich meinem Doktorvater Prof. Dr. Karsten Fischer (LehrstohIinhaber Politische Theorie, Ludwig-Maximilians-Uni versität, München) und dern zweitbetreuenden Prof. Dr. Helmut Willke (Lehr stohIinhaber Global Governance, Zeppelin Universität, Friedrichshafen) für die Unterstützung und konstruktive Begleitong bei der Umsetzung dieses Projektes. Weiter danke ich allen meinen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnem aus der eidgenössischen Bundespolitik, aus der schweizerischen Armeespilze und aus der Delegation der Europäischen Union in der Schweiz. Es war für mich keine Selbstverständlichkeit, mich mit amtierenden und ehemaligen Bundesrats mitgliedern austauschen zu dürfen, den Ständeratspräsidenten befragen zu kön nen und den EU-Botschafter nach einer regen Diskussion sogar zur 1. August feier nach Wolthalden einzuladen. Das Gelingen des Vorhabens wurde von meinem engen Farnilien- und Freundeskreis tatkräftig mitgetragen. Durch die vorbehaltlose Unterstützung meiner Partnerin Brigitte Koch-Kern konnte es zu einem erfolgreichen Ende ge führt werden. Maximilian Koch Inhaltverzeichnis Dank ..................................................................................................................... 5 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 9 Tabellenverzeichnis ............................................................................................ 11 1 Einleitung .................................................................................................... 13 2 Schweizwerdung: Eine historische Auslegeordnung unter dem Fokus politischer Führung• .................••••••••••••••...................... 37 2.1 Die Alte Eidgenossenschaft ................................................................ 47 2.1.1 Die Tagsatzuog als ständeübergreifendes Gremium der Staatenbünde!... ........................................................................ 53 2.1.2 Politische Organisation durch die Landsgemeinde .................. 63 2.1.3 Politische Führung durch das Patriziat .................................... 68 2.1.4 Politische Führung durch Zünfte ............................................. 71 2.1.5 Die Rolle der Klöster als politische Eliten in der Alten Eidgenossenschaft .................................................................... 75 2.1.6 Fazit: Politische Eliten in der Alten Eidgenossenschaft .......... 76 2.2 Das Ancien Regime im 18. Jahrhundert. ............................................. 81 2.3 Napoleon io der Schweiz: Die Helvetische Republik von 1798-1803 .......................................................................................... 85 2.4 Vorbereitungszeit eidgenössischer Modeme: Restauration und Regeneration ....................................................................................... 95 2.4.1 IgnazPaul Vital Troxler-har1näckigerVisionär .................. 104 2.5 1848 - Die modeme Schweiz wird organisiert ................................. 110 2.5.1 Der Sonderbundakrieg ........................................................... 111 2.5.2 Die Bundesrevisionskommission ........................................... 115 2.5.2.1 Ulrich Ochsenbeio - der Umsetzer. .......................... 116 2.5 .2.2 Die Arbeit der Bundesrevisionskommission ............ 117 2.5.2.3 Die Bundesbehörden - Kampfum Repräsentation und Macht ........................................ 122 2.5.3 Die Ratifizierung der ersten Bundesverfassung ..................... 132 2.5.4 Würdigung der ersten Bundesverfassung .............................. 135 2.6 Die USA als Pate für die moderne Schweiz ...................................... 137 8 Inhaltverzeichnis 3 Das politische System Schweiz ................................................................ 153 3.1 Politische Systeme ............................................................................ 154 3.1.1 Parlamentarische Demokratie ................................................ 157 3.1.2 Präsidentielle Demokratie ...................................................... 158 3.1.3 Politische Repräsentation ....................................................... 160 3.2 Der Sonderfall Schweiz .................................................................... 164 3.2.1 Die Bundesverfassungs-Revisionen nach 1848- Fokus auf die Staatsleitung .................................................... 178 3.3 Regierungsrefonnbemühungen der letzten 25 Jahre ......................... 183 4 Mitregieren im Halhschatten der Verfassung ....................................... 193 4.1 Netzwerke und Verbände .................................................................. 201 4.1.1 Wirtschafts-Lobbying io der Politik ...................................... 206 4.2 Parteien io der Schweiz ..................................................................... 213 4.2.1 Partei-Populismus io der Schweiz ......................................... 222 4.3 Medien io der direkten Demokratie .................................................. 225 4.3.1 Instrumentalisierung und Einfluss der Medien ...................... 233 4.3.2 Personalisierung und Inszenierung ........................................ 236 4.3.3 Die Medien als eidgenössisch-strukturelle Opposition .......... 239 4.4 Einfluss der Bundesverwaltung auf die Politik ................................. 242 5 Politi.che Führung in der Schweiz ......................................................... 249 5.1 Zur Begrifllichkeit der Eliten ............................................................ 256 5.1.1 Politische Eliten io der Schweiz ............................................ 258 5.2 Die Rolle der Kantone io der eidgenössischen Politik ...................... 267 5.2.1 Föderalismusdebatten auch in anderen Ländern .................... 271 5.3 Die konstitutionellen Institutionen als Führungsgremien ................. 276 6 Mögliche Lö.ungsansätze für eine zeitgemäße eldgenös.l.che Führung .................................................................................................... 279 6.1 Stärkung der parlamentarischen Führung ......................................... 281 6.1.1 Milizparlament versus Berufsparlament ................................ 288 6.2 Stärkung der exekutiven Führung ..................................................... 293 6.2.1 Die SVP-lnitiative zur Volkswahl des Bundesrates ............... 296 6.3 Eidgenossenschaft 3.0 ....................................................................... 303 6.3.1 Vo1ksrechte ............................................................................ 308 6.3.2 Parlament ............................................................................... 308 6.3.3 Bundesrat ............................................................................... 309 6.3.4 Bundesverfassungsgericht ..................................................... 309 7 Bilanz: Politische Führung durch Nicht-Führung in der Schweiz? ..... 311 8 Literaturverzeichni. ................................................................................. 325 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Konzeption Demokratiebarometer ............................................ 28 Abbildung 2: Die neuen helvetischen Kantone ............................................... 89 Abbildung 3: Die politische Struktur auf Bundesebene ................................ 172 Abbildung 4: Phasenmodell im Gesetzgebungsprozess ................................ 195 Abbildung 5: Kommunikationsdreieck unter Abwesenden nach Fuhse 2003 .................................................................... 228 Abbildung 6: Bildungsspiegel des Parlamentes, hier des Nationalrates, Legislatur 2011-2015 .............................................................. 262 Abbildung 7: Bildungsspiegel des Parlamentes, hier des Ständerates, Legislatur 2011-2015 .............................................................. 262 Abbildung 8: Bildungsspiegel des Parlamentes, hier der Bundesversammlung, Legislatur 2011-2015 .......................... 263 Abbildung 9: Ziele und Instrumente der schweizerischen NFA 2008 .......... 275 Abbildung 10: Anteil Stimmberechtigter fiir Volksinitiativen und Gesetzesreferendum in % ....................................................... 285 Abbildung 11: Professionalisierungsgrad im eidgenössischen Parlament ...... 289 Abbildung 12: Parteienverteilung im National-und Bundesrat von 1848-2011 ........................................................................ 295 TabeUenverzeichnis TabeOe 1: Bundesmandate der Parteien im Vergleich 2007 und 2011 .......... 16 TabeOe 2: Govemance Indicator ..................................................................... 29 TabeOe 3: Bündnispartoer der Alten Eidgenossenschaft 1291-1798 ............... 54 TabeOe 4: Beziehungs-und Orgaoisationsform der Alten Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert .......................................... 62 TabeOe 5: Historische Orgaoisationsübersicht von Legislative und Exekutive in der Eidgenossenschaft bis zum Bundesstaat 1848 ... 131 TabeOe 6: Primäre und supplementäre Merkmale von parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemen ....................................... 156 TabeOe 7: Parlamentarische, präsidentielle und hybride Regierungsformen in sechsunddreißig Ländern ........................... 173 TabeOe 8: Versuch einer SWOT- Analyse des heutigen politischen Systems Schweiz .......................................................................... 177 TabeOe 9: Meilensteine der Staatsleitungs-und Volksrechtsreformen der Bundesverfassung ......................................................................... 181 TabeOe 10: Auszug der im Bundeshaus durch die wild cards vertretenen Interessengruppierungen ............................................................... 207 TabeOe 11: Zweckartikel aller Bundesratsparteien inkl. GLP ......................... 216 TabeOe 12: Gegenseitige Erwartungen und Abhängigkeiten .......................... 230 TabeOe 13: Marktanteile der größten Medienkonzeme in der Deutschschweiz ............................................................................ 233 TabeOe 14: Bundesdepartemente ..................................................................... 245 TabeOe 15: Dimensionen der föderalen Finaozautonomie an ausgewählten Ländern .................................................................. 273 TabeOe 16: Anzahl Volksinitiativen und Referenden seit 1848 ...................... 284 TabeOe 17: Argomentstionslinien Mi1izparlament vs. Berufsparlament ......... 293 TabeOe 18: Hybrid V bei Volkswahl des Bundesrates .................................... 300 TabeOe 19: Botschaft des Bundesrates. Vor-und Nachteile einer Volkswahl des Bundesrates .......................................................... 301 1 Einleitung Die Schweiz im Allgemeinen und die schweizerische Politik im Besonderen ma chen unruhige Zeiten durch. Außenpolitisch ist die Schweiz unter enormem Druck im Nachgang der globalen Finanzkrisen Ende der letzten Dekade und der darauf folgenden SchuIden- und Währungskrisen. Exemplarisch seien hier die faktische Abschaffung des Bankgeheimnisses sowie der geforderte automatische Bankkuudendatenaustausch genannt, welcher zwischenzeitlich mit den USA fak tisch installiert wurde. Andere bereits mit Drittstaaten ausgehandelte Doppel besteuerungsabkommen wurden in einzeluen Nachbarstaaten der Schweiz jedoch nicht akzeptiert. Der Finanzplatz Schweiz ist permanenter Kritik ausgesetzt und die Politik müsste unter großem internationalen Druck zeitnah handelu können. Doch gerade auf rasches Handelu ist das System Schweiz nicht ausgelegt. Damit isoliert sich der helvetische Kleinstaat aber immer mehr. Zum Ende des Jahres 2010 gab der luxemburgische Premierminister und vormalige Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, der deutschen ZEIT ein Interview, in weI chem er den möglichst raschen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union EU befürwortete: ,,Es bleibt ein geostrategisches Unding, dass wir diesen weißen Fleck auf der euro päischen Landkarte haben. [ ... ] Die Schweiz ist ohne Zweifel ein europäisches Kern1and. Was um sie herum passiert, betriffi die Schweiz, direkt oder indirekt. Vie les, von dem die Schweizer denken, es sei ureidgenössisches Denken, ist auch in europäischen Landstrichen vertreten. Ein EU-Beitritt würde die Schweiz stabilisie ren [ ... ]"1. Dass ein Nicht-Schweizer die Stabilität derselben in Frage stellte, war ein verba ler Fauxpas, der denn auch umgehend entsprechende Reaktionen und Protestno ten auslöste. Insbesondere der rechtspopuIistische Flügel der Schweizerischen Volkspartei SVP fühlte sich berufen, auf den eben zitierten Artikel in aller Schärfe zu reagieren. Die Schweiz verliert zusehends die Möglichkeiten und Fä higkeiten, aufbilatera1em Wege mit der EU zu kooperieren. Auch eine Mitglied- Interview on1ine unter: http://www.zeit.deI2010/51/CB-Interview-Juncker (20.01.2011). M. Koch, Führung durch Nichtführung am Beispiel der Schweiz, DOI 10.1007/978-3-658-03404-7_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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Die Schweiz gilt als demokratisches Lehrmodell der politischen Egalität und ausgeprägten Mitspracherechte des Stimmvolkes. Ursprünglich während Jahrzehnten durch eine kollegiale Einparteienregierung geführt, wurde diese erst im Laufe der Zeit zu einer relativ stabilen konkordanten Mehrparteienr
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