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Führer zur Kunst PDF

331 Pages·1963·201.134 MB·German
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Heinrich Lützeler Führer zur Kunst H E R D E R - B Ü C H E R E I HEINRICH LÜTZ E LE R, geboren am 27. Januar 1902 in Bonn, studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Literatur­ geschichte. Von 1930 bis 1940 lehrte er Philosophie an der Universität Bonn. Durch die Machthaber des Dritten Reiches wurde er 1940 aus der Universität ausgeschlossen und erhielt Rede- und Schreibverbot. Seit 1945 wieder an der Universität Bonn tätig, wurde er 1946 Ordinarius der Kunstgeschichte und Direktor des Kunsthistorischen Instituts In Bonn. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen seien hier genannt: ,,Die christliche Kunst des Abendlandes“, ,,Führer zur Kunst“, ,,Die Kunst der Völker“, ,,Vom Sinn der Bauformen“, ,,Bild­ wörterbuch der Kunst“ und ,.Weltgeschichte der Kunst“. Foto: Käthe Augenstein, Bonn Die Sehnsucht nach dem Schönen ist dem Menschen an­ geboren wie das Trachten nadi Glück. Um es aber sicher zu erkennen, gilt es Blick und Empfinden dafür zu bil­ den und in der Untersdieidung von Editem und Unedi- tem zu üben. Dieser Aufgabe hat Heinrich Lützeier, der bekannte Bonner Kunsthistoriker, seine Lebensarbeit ge­ widmet. Sein „Führer zur Kunst“ ist seit Jahren eines der erfolgreichsten Bücher zur Förderung des Kunst­ verständnisses. Die Tasdienbuchausgabe, die hier vor­ liegt, ist in Text und Bild ungekürzt. Lützeier betrachtet die Kunst nicht als Anwendungs­ gebiet der verschiedenen Stile, sondern als Ausdruck und Formung einer bestimmten Lebensordnung. Er zeigt in der Kunst die wechselseitige Durchdringung von Zweck und Sinn, wodurch sie zum jeweiligen Spiegelbild ihrer Zeit wird. Ausführlich erklärt er die Entstehung der einzelnen Arten der bildenden Kunst, beginnend mit dem Haus als der „Urform der Architektur“ über die Gebrauchskunst, Ornamentik und Plastik bis zur Malerei. Mit Gründlichkeit erläutert er die verschiedenen Techni­ ken der einzelnen Kunstformen und führt schließlich den Leser an Einzelbeispielen über die Kunstbeschreibung zur Sinndeutung großer Werke. So dringt er Schritt um Schritt in das Wesen der bildenden Künste ein und trägt zu einer fundierten persönlichen Urteilsbildung bei. Man merkt es bald: Für Lützeier ist die Kunst nicht Gegenstand professoraler Betrachtungen, für ihn ist sic ein Anliegen, das den Menschen in seinem Wesen angcht. Gerade darum sprach und spricht seine Einführung so viele Kunstfreunde an. H E IN R IC H LÜTZELER FÜHRER ZUR KUNST MIT 188 BILDERN IM TEXT (H) H E R D E R -B Ü C H E R E I Veröffentlicht als Herder-Taschenbuch Umschlagzeichnung: Walter Grieder, Basel Alle Rechte Vorbehalten — Printed in Germany ^ Herder &: Co. GmbH., Freiburg im Breisgau 1938 HERDER FREIBURG • BASEL • WIEN Herder Drudt Freiburg im Breisgau 1963 Bestellnummer 01654/55 ARCHITEKTUR Rris! Endlose Straßen in verwirrender Vielfalt. Elendsviertel grenzen dicht an die großen Boulevards mit Kaufläden, Hotels, Cafes, Geschäften, Vergnügungslokalen, Theatern, Konzertsälen. Von der Eintönigkeit mittel­ ständischer Hauszeilen heben sich die gleichsam mit Elitebewußtsein er­ füllten Paläste des 18. Jahrhunderts ab, zurückhaltend vornehm und durch ihre überlegene Erscheinung das Bild ihrer Umgebung bestimmend. Herr­ liche Plätze sammeln oder beruhigen den Strom des Verkehrs: Vendome, de la Concorde, de TEtoile, des Vosges — jeder von ihnen eine Epoche und ein Schicksal, eine eigene Verdichtung des seltsam geistigen Glanzes dieser Stadt. Von ihnen führt der Weg in das Gewirbel der Alltäglichkeit, von den Markthallen zu den Fabriken, von den Banken zur Börse, von den Werkstätten zu den Bauten der städtischen und staatlichen Verwaltung. Hier die Fülle der Geschichte: das Cluny-Museum, das Pantheon, die Tui- lerien und der Louvre — sichtbare Schichtung der Jahrhunderte in unsere Gegenwart herein. Daneben das Heute in nicht minder nachdrücklicher Architektur verkörpert, manches kühn aus ihr herausragend: eine Flug­ zeughalle, vor der Stadt, der Eiffel-Turm als Meisterstück der Ingenieur­ kunst mitten in ihr. Wieviel an dunklem und hellem, frei spielendem und sklavisch gebundenem Leben ist in diesen Bauten enthalten: der ganze Mensch in Größe und Not, seine geschichtliche Mächtigkeit und sein Ver­ fallensein an die Bedürfnisse des Augenblicks! Und dann steigt plötzlich die Kathedrale auf, Notre-Dame, Insel des Friedens und der Stille; mag ihr gewaltiges Schiff von Häusern eingeengt, mögen ihre Türme von pro­ fanen Gebäuden überragt sein, ihre innere Kraft ist wirksamer als dies Äußerliche; jeder Franzose, ob Christ oder Nicht-Christ, liebt an ihr die leise und eindringliche Stimme der Ewigkeit inmitten der Weltstadt und ehrt dies als das Größte im großen Paris. Versucht man so Paris von seinen Bauten her zu sehen, dann ergibt sich, daß der Seinsgehalt und der Seinsmangel des Menschen, sein rastloses Sich- Sorgen und das Heraustreten aus der puren Sorge in Freiheit und innerer Erfülltheit sich öffentlich in der Architektur bekunden: die Existenz des Menschen und die Architektur sind eins. Was alles die Bauleute zu bauen haben und was sie eigentlich tun, wenn sie bauen, stellt sich verdichtet in den modernen Großstädten mit reicher geschichtlicher Vergangenheit — unvergleichlich in Paris und Rom — dar. Die Aufgaben der Architekten reichen von den Nutzbauten — einschließlich der Wasserleitungen (Aquä^ dukte), Festungen, Brücken, Maschinenhallen — bis zu den Stätten der Kunst und der Bildung, den Adels- und Königspalästen, den Kirchen und Tempeln, den Plätzen, Brunnen und Gärten; es gibt nur wenige Berufe, die sich Aufgaben von ähnlicher Weite zu widmen haben. Dabei sind die Werke der Architekten keineswegs alle „Kunst“. Aber der formende Wille des Menschen hat doch erstaunlich viele „Zweckmäßig­ keiten“ überzweckmäßig behandelt: auch die Börse (Valencia), die Waage (Gouda), das Kaufhaus (Freiburg i. Br.), die Festung (Burg Eltz), die Stadt­ mauer (Aigues-Mortes), die Brücke (Heidelberg) sind oft „Kunst“ ge­ worden, und zwar ohne falsche Überhöhung des Gebrauchssinnes, aus ihm und nicht gegen ihn. Mag der Architekt auch noch so sehr an Baugrund, Baumittel, Bauzwecke und Bauherren gebunden sein, diese Bindung ist ihm ein Anlaß zu besonders eindringlicher Entfaltung seiner künstlerischen Freiheit geworden. Das alles nun spielt sich in der Öffentlichkeit ab; die Architektur ist die am meisten öffentliche Kunst. Jedes Haus, ja schon die Tür und das einzelne Fenster an ihm, wendet sich nach außen und formt mit am Charakter einer Straße und einer Stadt. Wer baut, darf sich nicht mehr allein fühlen; er steht in Bezug zu den künftigen Hausgenossen, den Nachbarn, der Erde, der er die Fundamente einsenkt, und dem Himmel, gegen den er das Dach aufragen läßt. Die Worte der Dichtung und die Töne der Musik verhallen, sind nur für eine kurze Zeit in der Öffentlichkeit wirksam. Aber der Bau dauert — die ägyptischen Pyramiden nun schon fast fünftausend Jahre. So ist das Amt des Baumeisters ungeheuer verantwortlich. 1. AUFGABEN In der Vielgestaltigkeit der architektonischen Aufgaben hält sich eine ge­ schichtlich durch: das Haus. Gewiß lassen sich nicht alle Erscheinungen der Architektur vom Hause ableiten; gleichwohl bildet es die unverrückbare Mitte im Wandel der Zeiten. Der Palast ist nichts anderes als das Haus des Großen, der Grabbau nichts anderes als das Haus des Toten; Tempel und Kirchen sind Häuser Gottes; die Herrschaft des Hauses reicht von der Hütte des Urmenschen bis zu den größten Leistungen der Baukunst. Um zu erfahren, was Architektur sei, kann man sich also am ehesten an dieser ihrer Grundform orientieren. Das Haus ist Kristallisationspunkt aller architektonischen Probleme, so daß sich von ihm aus am leichtesten die einzelnen Fragen und Möglichkeiten des Bauschaffens überblicken lassen. Das Haus birgt. Es schützt vor Regen und Kälte, Sonne und Hitze, aber auch vor den Augen der Neugier oder den anspruchsvollen Zugriffen der Außenstehenden. My home is my castle: meine vier Wände gehören mir; hier bin ich sicher, hier bin ich Mensch und darf es sein. Das Haus ordnet. Es bezieht die Räume der Arbeit, des Schlafes, der Muße und des Festes aufeinander. Es hebt bestimmte Räume hervor, z. B. den Herdplatz oder das Schlafzimmer. Gewöhnlich für mehrere, meist für viele Menschen bestimmt, regelt es die Weise ihres Zusammenseins und drückt in dfir Anordnung und Abfolge der Zimmer eine jeweils verschiedene Aufgliederung und Auffassung der Gesellschaft aus. In einem italienischen Palazzo der Renaissance mit offenem Säulenhof „lebt es sich** anders als in einem deutschen Biedermeierhaus; eine pompejanische Villa verrät, auch nachdem ihre Bewohner längst gestorben sind, einen ebenso eindeutigen Lebensstil wie ein Stadtwohnhaus des französischen Adels aus dem 18. Jahr­ hundert. Schon eine Treppe — etwa die Wendeltreppe der Gotik im Ver­ gleich mit dem geräumigen Treppenhaus deutscher Barockschlösser — sagt etwas über die gesellschaftliche Ordnung aus: von welcher Art die Men­ schen waren, die über diese Treppe gingen, wie sie es taten, ob sie dabei gesehen und bewundert sein wollten, vielleicht gerade im Schreiten den Sinn ihres Daseins darstellend, oder aber ob ihnen diese Bewegung etwas Neben­ sächliches, eben nur den Wechsel von einem Geschoß zum nächsten, bedeutete. Das Haus stellt manchmal die in ihm waltende Ordnung auch nach außen hin dar, z. B. in einem Sonnenrad, einer Madonna, einem Wappen. Das Haus öffnet. Es öffnet den Innenraum zum Außenraum, damit zu­ gleich die innere Welt des Menschen zur äußeren Welt. Es „schaut** aus den Fenstern, und wie es schaut, ob aus Butzenscheiben oder aus Fenstern des italienischen Cinquecento mit ihren rahmenden Laibungen und steigernden Bekrönungen, macht bereits den inneren Bezug zur Außenwelt deutlich. Das Haus tut die Tür auf, um ein- und auszulassen, und es gibt ebenso viele Formen der Tür, wie es Gebärden des Einladens und der Erwartung gibt. Das Haus ordnet sich ein. Es steht an einer Straße oder auf einem Platz, als ein Teil von ihnen; gleicht sich den Nachbarn in Traufhöhe und Dach­ form an oder aber unterscheidet sich charaktervoll von ihnen; gliedert sich dem Bewegungszug einer Straße ein, vielleicht als ein entscheidendes Inter- vall in einem großen Rhythmus. Das Haus betätigt sich als Zoon politikon, als Gemeinwesen. Das Haus hat schließlich einen Bezug zu Himmel und Erde. Es grün­ det im Boden, macht sich schwer oder leicht von ihm frei, schmiegt sich in breiter Lagerung ihm an oder strebt schlank empor, grenzt sich vom Garten ab oder geht in ihn über. Im rustizierten Sockelgeschoß reicht die Erde in das Haus hinein. Sockel, Basis der Säule oder des Pfeilers und Treppen­ stufen sind der vorzügliche bauliche Ausdruck solchen Bezuges zum Boden. Das Haus hat Verbindung auch mit dem Himmel: auf Stein oder Putz spiegelt es das Licht, hell oder gebrochen; mit betontem Gesims versagt es sich als ausgesprochenes Werk des Menschen der unformbaren Weite, mit steilem Dach strebt es den Wolken zu, mit schön schwingendem gleicht es sich, wie in China, dem Geäst der Bäume an. Im Bau eines Hauses schafft sich der Mensch die ihm zugehörige Welt und richtet sie sich zum Bewohnen ein. Er bringt die Dinge, die Natur und die Mitmenschen zu sich hin; sie sind ihm nicht mehr gleichgültig oder fremd, sondern öffnen sich ihm. Wo früher „stummer‘‘ Wald war, stehen, seitdem der Bauer mit seinem Gehöft vom Boden Besitz ergriff, „redende‘‘, mit ihm verbundene Bäume. Wo in der Straße sich eine Baulücke schließt, ist ein neuer Zusammenhang da. Im Bauwerk kommt das indifferente Außen in fruchtbaren Bezug zur gestaltenden Innerlichkeit des Menschen. Die Archi­ tektur ist Kunst der menschlichen Bezüge schlechthin. Damit sind die Aufgaben der folgenden Kapitel umrissen: wir haben vom Außenbau und vom Innenraum zu sprechen, von der städtebaulichen und der kosmischen Funktion der Architektur; wir haben sie zu verstehen nicht als aufgeschönten Zweckbau oder als Anwendungsgebiet der sogenannten Stile — romanisch, gotisch, barock usw. —, sondern als Formung einer Lebensordnung und eines jeweils wechselnden Verhältnisses zur Welt. Wir müssen erkennen, wie im Bau „alle Dinge ihre Weile und Eile, ihre Ferne und Nähe, ihre Weite und Enge bekommen‘‘ wie durch ihn Geburt und Tod, Ruhe und Bewegung, die verschiedenen Formen der Gesellung ihren Ort empfangen. Kein Zeitalter hat die Architektur als Kunst der menschlichen Bezüge so reif und mannigfaltig vergegenwärtigt wie das holländische 17. Jahrhun­ dert auf den Interieurbildern seiner großen Meister. Pieter de Hooch z. B. weiß in einem einfachen Hof-Bild die ganze Welt des Hauses und des Hausens auszudrücken (1). Wir sehen einen rechteckigen gepflasterten Hof, im Mittelgrund einen auf einen bewaldeten Weg führenden Tordurchgang, rechts ein typisch holländisches Ziegelhaus mit Klappläden und hohen Fenstern. Ein sitzender Mann raucht, eine bei ihm stehende Frau trinkt, ein kleines Kind steht abseits — das ist alles; über dem Ganzen der weite Himmel, in der Nachbarschaft ein Kirchturm. Dieses Bild macht das Haus zum Inbegriff der bürgerlichen Lebensordnung: es atmet die Freude am Gespräch, das Glück darüber, daß Mann und Frau aneinander Gefallen ^ Martin Heidegger: Holzwege. Frankfurt a. M. 1950. S. 34.

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