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Friedrich Nietzsche PDF

81 Pages·2000·42.395 MB·German
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Preview Friedrich Nietzsche

ISBN 3-499-50634-3 irlilli 111111111111111111111111 ijiiJIIJJ 9 783499 506345 OS 109.00 Friedrich Nietzsche steht ebenbürtig neben Hegel, Marx, Kierkegaard und Schopen hauer. Er ist einer der wenigen I großen Denker seines Jahrhun derts, die ihrer Zeit weit voraus waren. Der geistig Umnachtete hat den wachsenden Ruhm sei \!,n .. ner Schriften nicht mehr erlebt; I l't die Saat seiner Gedanken ging -t•Wt l! ..... "Jc'IL .... \r..Ut, lvu/1«. erst nach seinem Tode auf - im Bösen wie im Guten. Friedrich Nietzsche Ivo Frenzel Friedrich Nietzsche rowohlts monographien Friedrich Nietzsche begründet von Kurt Kusenberg herausgegeben von Wolfgang Müller und Uwe Naumann Dargestellt von lvo Frenzel Rowohlt Taschenbuch Verlag f INHALT Umschlagvorderseite: Nietzsche als Student, r867 Erziehung eines Genies 7 Umschlagrückseite: Entwurf zu <<Der Wille zur Macht», August r888 Das Elternhaus 8 Dionysos. Griechische Spitzamphora (Detail), Das Schulkind 12 um soov. Chr. Schulpforta 18 Seite 3: Friedrich Nietzsche, r887 Bonn und Leipzig 23 Seite 7: Nietzsche-Porträt von Hans Olde, r899 Bekanntschaft mit Schopenhauers Hauptwerk, mit Rohde und Wagner 30 Schopenhauers Schriften 33 Militärdienst 37 Die Berufung nach Basel 38 Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Romantik 40 Der junge Gelehrte 40 Beginn der Freundschaft mit Wagner 43 Die Geburt der Tagödie 46 Die Niederlage 55 Griechentum und deutscher Geist 58 Überarbeitete Neuausgabe Nietzsche in Bayreuth 65 Der unzeitgemäße Betrachter 3 I. Auflage. r83.-I94· Tausend Aprilzooo deutscher Kultur 67 Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Juni rg66 Wagner in der Distanz 73 Copyright© rg66, zooo by Rowohlt Taschenbuch Richard Wagner in Bayreuth 76 Verlag GmbH, Reinbek bei Harnburg Alle Rechte an dieser Ausgabe vorbehalten Krankheit 84 Umschlaggestaltung Ivar Bläsi Freundschaften und Heiratspläne 84 Redaktionsassistenz Karo/in Marhencke Aufgabe der Professur 89 Reihentypographie Darziel Sauthoff Layout Christine Lohmann Krankheitsgeschichte 90 Satz PE Proforma und Foundry Sans PostScript, Menschliches Allzumenschliches 93 QuarkXPress 4.04 Gesamtherstellung Clausen Er Bosse, Leck Aufbruch ins Land Zarathustras 102 Printed in Germany Lou Salome 107 ISBN 3 499 50634 3 Ein Buch für alle und für keinen 114 Die Schreibweise entspricht den Regeln Widerwärtige Erfahrungen 121 der neuerz Rechtschreibung. Spätzeit und Zusammenbruch 124 Das Schaffen der Spätzeit 126 Der Nihilismus als Logik Erziehung eines Genies der decadence 130 Elitegedanken 132 Letzte Rechenschaft 135 Beurteilt man die Bedeutung eines Philosophen nach der Das Ende: Wirkung, die seine Werke auf Dionysos gegen den die Nachfahren haben, so steht Gekreuzigten 137 Friedrich Nietzsche ebenbür Epilog 144 tig neben Hege!, Marx, Kierke gaard und Schopenhauer - er Anmerkungen 147 ist einer der wenigen großen Denker des rg. Jahrhunderts, Zeittafel 150 die ihrer Zeit weit voraus wa- Zeugnisse 152 ren. Die Wirkungsgeschichte Bibliographie 154 von Nietzsches Werk setzt spät ein. Der geistig Umnachtete hat Namenregister 156 den wachsenden Ruhm, der seinen Schriften schließlich zuteil ward, nicht mehr erlebt; die Saat seiner Gedanken aber hat erst Über den Autor 158 nach seinem Tode, im Bösen wie im Guten, ihre erstaunlichen Quellennachweis der Früchte gezeitigt. Gemessen an dieser Wirkung war Nietzsches Abbildungen 158 Leben kaum bedeutend: wenige Jahrzehnte eines Gelehrtenda seins, das von Anfang an etwas Außenseiterisches hatte und das unter dem Signum stand, einsam und unverstanden zu sein. Keine Tat steigerte und bestimmte dieses Leben, und keine wirklich äußeren Ehren begleiteten es. So scheint Nietzsche Recht zu haben, wenn er in Ecce Homo schreibt: Das eine bin ich, das andere sind meine Schriften.' Die vielfachen Interpretationen dieser Schriften aber zei gen alle Stadien zwischen blinder Verehrung und erbitterter Kritik. Reine Werkanalyse ist zweifellos möglich, sie hat auch zu einer Reihe bedeutender Studien geführt. Aber die philoso phischen Probleme, die so oft ein unpersönliches Eigenleben zu führen scheinen, haben im Falle Nietzsches stets einen ganz persönlichen Grund, der im Leben dieses Mannes nachweisbar ist. Selten hat ein Denker so selbstbezogen philosophiert wie er; die emphatische Subjektivität seiner Behauptungen und 7 1796 Prognosen erinnert an die von Religionsstiftern und Prophe ten. Die Werke von Aristoteles, Kant und Hege! sind auch zu begreifen ohne eine Schilderung des Lebens dieser Denker. Anders ist es bei Nietzsche: die Lektüre seiner Schriften führt zwangsläufig immer wieder zur Begegnung mit höchst per sönlichen und privaten, nur aus der jeweiligen Situation ver ständlichen Gedanken des Autors. Die Kenntnis der Lebens umstände Nietzsches ist deshalb ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis seiner sich wandelnden Lehren. Der Satz aus dem Ecce Homo, demzufolge Person und Werk zu trennen seien, gehört wohl eher in die Reihe jener Selbstbekenntnisse, die häufig nur beweisen, wie sehr Menschen bei Aussagen über sich selbst zu irren vermögen. Es gibt unter den großen Den kern des Abendlandes wenige, bei denen so wie bei Nietzsche Person und Werk zusammen gesehen werden müssen, weil sie sich gegenseitig erhellen. Das Geburtshaus in Röcken bei Lützen DAS ELTERNHAUS Nietzsches Elternhaus war ein Hort protestantischer Fröm sitz. Nach dem Tod seiner Frau, die ihm sieben Kinder hinter migkeit, durch Generationen war die Familie dem lutheri ließ, heiratete er eine junge Witwe, die auch aus einer Pfarrers schen Glauben verbunden: geachtet, gottesfürchtig, recht familie kam. Dieser zweiten Ehe entstammen drei weitere Kin schaffen und provinziell, verkörperte sie alle Tugenden und der: zunächst zwei Mädchen, die später als Tante Auguste und Überzeugungen des deutschen Pfarrhauses, von denen ihr be Tante Rosalie in Nietzsches Elternhaus eine teilweise dominie gabtester Spross sich im Laufe seines Lebens so weit und nach rende Rolle spielen sollten, schließlich noch ein Sohn, Carl drücklich entfernen sollte. Schon der Großvater väterlicher Ludwig, Nietzsches Vater. Von den sieben Stiefgeschwistern seits, Friedrich August Ludwig Nietzsche, brachte es zum Su aus erster Ehe bleibt bemerkenswert, dass eines von ihnen in perintendenten und war ein rühriger Gottesmann. r796, als England zu Wohlstand kam und der Familie ein Vermögen ver Kants Kritizismus und westliches Freigeisterturn im Gefolge erbte. Diesem Umstand verdankte es Nietzsche, dass er später, der Französischen Revolution deutsche Gemüter verschrecken wohin ihn auch immer sein Schicksal treiben mochte, nie mochten, schrieb dieser Großvater ein Buch mit dem Titel Angst vor materieller Not zu haben brauchte. «Gamaliel oder über die immerwährende Dauer des Christen Nietzsches Vater, r8r3 geboren, war zunächst Hauslehrer, thums, zur Belehrung und Beruhigungbey der gegenwärtigen dann Erzieher der Töchter des Herzogs zu Altenburg; später Gährung in der theologischen Welt», und r8o4 hieß eine sei erhielt er auf Weisung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen die ner Schriften «Beyträge zur Beförderung einer vernünftigen Pfarrstelle des Dorfes Röcken bei Lützen im preußischen Sach Denkensart über Religion, Erziehung, Unterthanenpflicht und sen. Dorthin zog er mit seinen beiden unverheirateten Schwes Menschenleben». Was der Enkel verachtungsvoll zerstörte, tern, mit Auguste, die den Haushalt leitete, und Rosalie, die war dem Großvater unbezweifelbarer und schutzwürdiger Be- christliche Wohlfahrtseinrichtungen förderte. Diesem häus- 8 9 11844 liehen Regiment altjüngfer~ r844, im Jahr von Nietzsches Geburt, licher Schwägerinnen hatte - lernen sich Marx und Engels in Paris kennen, sich Nietzsches Mutter zu un~ - veröffentlicht Heinrich Heine sein terwerfen. Sie war die jüngste Versepos «Deutschland- ein Tochter des im sächsischen Wintermärchen>>, mit dem er den <<eingefrorenen» Zustand seiner Poblen ansässigen Landpfar~ Heimat kritisiert, rers Oehler und bei ihrer - kommt es mit dem Aufstand der Hochzeit mit Carl Ludwig schlesischen Weber zum ersten Mal in Deutschland zu sozialen Nietzsche im Jahr 1843 sieb~ Unruhen in der Folge von Lohn~ zehn Jahre alt. Im Jahr darauf, kürzungenund Arbeitszeit am rs. Oktober I844. wurde verlängerungen. den jungen Pfarrersleuten zu Röcken ein Knabe geboren, just am Geburtstag des preußischen Königs, der sich dem Vater gegenüber als so wohltätig erwiesen hatte. Dieser Vater war ein zwar musischer, aber wohl auch sehr schwärmerischer, weichherziger Mann, für dessen Hang zum Sentimentalen die Rede zur Taufe seines Sohnes bezeichnend Der Vater: ist: «Du gesegneter Monat Oktober, in welchem mir in den ver Carl Ludwig Nietzsche schiedenen Jahren alle die wichtigsten Ereignisse meines Le bens geschehen sind, ist doch das Größte, das Herrlichste, mein Kindlein soll ich taufen' Oh seliger Augenblick, oh köstliche häuslichen Welt auf: Großmutter, zwei Tanten, die junge Mut Feier, oh unaussprechlich heiliges Werk, sei mir gesegnet im ter und die Schwester bestimmten das Klima. Die eigenwillige Namen des Herrn!- Mit tiefbewegtem Herzen spreche ich es Großmutter Nietzsches veranlasste wohl auch im April r8so. aus: So bringt mir denn mein liebes Kind, daß ich es dem Herrn als das Röckener Pfarrhaus aufgegeben werden musste, den weihe. Mein Sohn, Friedrich Wilhelm, so sollst Du genennet Umzug der Familie nach Naumburg an der Saale, wo die alte werden auf Erden, zur Erinnerung an meinen königlichen Dame vor ihrer Ehe gelebt hatte und im Kreise alter Freunde Wohltäter, an dessen Geburtstag Du geboren wurdest.» 2 Hof halten konnte. Friedrich Wilhelm, mit Rufnamen Friedrich oder familiär Bei aller Biederkeit mangelte es der Familie aber nicht an auch Fritz genannt, sollte noch zwei Geschwister bekommen. einer gewissen weltläufigen Lebensart. Nietzsches Vater besaß r846 wurde die Schwester Elisabeth geboren, 1848 ein Bruder, ein erhebliches musikalisches Talent, er komponierte selbst, Joseph, der aber, gerade zweijährig, wenige Monate nach dem wusste vortrefflich auf dem Klavier zu improvisieren und war Tod des Vaters starb. Das Unglück begann im August 1848, als in höfischen Kreisen wohlgelitten. Großvater Oehler aber, der der Vater sich als Folge eines Sturzes eine Gehirnerkrankung sich um eine große Familie zu plagen hatte, liebte die Jagd, das zuzog, der er elf Monate später erliegen sollte. Nietzsche war Kartenspiel, die Musik und förderte Liebhaberbühnen. Insge noch nicht fünf Jahre alt, als er seinen Vater verlor. Fortan samt war die Familie stolz auf ihre Traditionen und Eigenarten wuchs er in einer ausschließlich von Frauen beherrschten, und schuf sich sogar ihre eigene Legende: besonders die Tan- 10 11 Die Mutter: Franziska Das Haus Nietzsche, Weingarten 18 geb. Oehler in Naumburg ten Auguste und Rosalie pflegten zu erzählen, dass es unter te in der rauen Welt derer, die seine Spielkameraden werden den Vorfahren einen edlen polnischen Grafen gegeben habe, sollten und mit denen er sich nicht anfreunden konnte. Erst in der sein Heimatland um seines Glaubens willen verlassen einerprivaten Anstalt, die Kinder für das Domgymnasium vor musste. Dieses angebliche Erbteil an Adel und fremdem Blut bereitete, schien es ihm besser zu gehen. Dort gewann Nietz schien die Nietzsches in ihren Augen über ihre bäurisch-pro sche auch seine ersten Freunde: Wilhelm Finder und Gustav vinzielle Umgebung hinaus zu erheben. Die Geschichte war Krug, Juristensöhne aus dem Bekanntenkreis der Großmutter. nicht beweisbar, aber sie verlieh der Familie das Bewusstsein Mit ihnen zusammen trat Nietzsche im Alter von acht Jahren einer Besonderheit, welches sich früh auch auf den jungen in das Domgymnasium ein. Er tat sich nicht leicht in der Schu Fritz übertrug, ihn nie wieder verließ und noch in späteren le, das Lernen von Regeln und jedes Sich-fügen-Müssen waren Selbstzeugnissen ausdrücklich erwähnt werden sollte. 3 ihm im Grunde zuwider. Doch zeigte sich die große Begabung des sensiblen Kindes schon in dieser Zeit. DAS SCHULKIND Die künstlich und geziert wirkende Atmosphäre im Nietzsche hat uns selbst berichtet, wie hart ihn der Umzug Naumburger Familienkreis mit dessen hohen religiösen und vom ländlichen Pfarrhaus in die Enge der Naumburger Stadt moralischen Ansprüchen brachte es mit sich, dass der junge wohnung ankam. Das Kind hatte in einer nun plötzlich als Friedrich Nietzsche wenig an den unbefangenen Spielen ande feindlich erlebten Umwelt Schwierigkeiten, die sich noch stei rer Kinder teilhatte und sich schon früh auf gelehrte Weise gerten, als der Knabe auf Geheiß der Großmutter die städtische schreibend die Zeit vertrieb. Mit zehn Jahren komponierte er Bürgerschule zu Naumburg besuchen sollte. Nietzsche versag- eine Motette und schrieb immerhin schon fünfzig Gedichte. 12 13 Ohne Anlehnung an Vorbilder bemühte er sich um großartige wichtigstes väterliches Erbteil, ist früh und ausgeprägt ent Naturszenen, versuchte Seestürme und Feuersbrünste me wickelt. Mazart und Haydn, Schubert und Mendelssohn, Beet trisch zu bezwingen. Vier Jahre später, I 8s8, begann er sein Ta hoven, Bach und Händel sind die Bausteine seiner musika gebuch mit einer überaus altklugen Autobiographie. Faszinie lischen Bildung in den Naumburger Jahren. Der «Zukunfts rend sind diese Blätter des Vierzehnjährigen noch heute zu le musik» eines Berlioz oder Liszt steht der Knabe skeptisch ge sen: neben allem kindlichen Geschwätz, mit dem er sein genüber. Hier, bei der Musik, überhaupt in der Betrachtung der bisheriges Leben in der Familie schildert, bricht die eminente Kunst, fühlt sich Nietzsche wohl, wird er glücklich wie sonst sprachliche Fähigkeit durch, stehen selbstkritische Gedanken nur in den Ferien bei den Großeltern Oehler in Fobles, wo es von einer Hellsicht, die den künftigen Nietzsche verrät. So et wohl weniger vornehm zuging als in Naumburg und er zu wa, wenn er über die vier Jahre zurückliegenden lyrischen Ver· sammen mit seiner Schwester in alten Kleidern wild in Feld suche des Zehnjährigen schreibt: Auch fallen in diese Zeit meine und Garten herumtoben durfte. ersten Gedichte. Das, was man in diesen ersten zu schildern pflegt, Von solchen Ferienfreuden abgesehen aber entwickelte sind gewöhnlich Naturszenen Wird doch jedes jugendliche Herz von sich ein ernstes, nachdenkliches Kind, das sich in der Bibel gut großartigen Bildern angeregt, wünscht doch jedes diese Worte am auskannte und von rührender Frömmigkeit war, sodass Nietz liebsten in Verse zu bringen! Grauenhafte Seeabenteuer, Gewitter sche später einmal schreiben konnte, er habe mit zwölf Jahren mit Feuer waren der erste Stoff zu diesen. Ich hatte keine Vorbilder, Gott in seinem ganzen Glanze gesehen. Den Vätern der Naum konnte kaum mir denken, wie man einen Dichter nachahme, und burger Freunde Wilhelm Finder und Gustav Krug verdankte formte sie, wie die Seele sie mir eingab. Freilich entstanden da auch Nietzsche einiges, was ihm der zu früh gestorbene eigene Vater sehr mißlungene Verse und fast jedes Gedicht hatte sprachliche Här· nicht mehr hatte geben können: Finders Vater hatte große li ten, aber diese erste Periode war mir dennoch bei weitem lieber als die terarische Neigungen, durch ihn wurde Goethe den Jungen na zweite, die ich erwähnen will. Überhaupt war es stets mein Vorha· he gebracht. Geheimrat Krug aber war nicht nur ein persön ben, ein kleines Buch zu schreiben und es dann selbst zu lesen. Diese licher Freund Mendelssohns und anderer Musiker der Zeit, er kleine Eitelkeit habe ich jetzt immer noch; aber damals blieben es im· selbst komponierte und soll ein guter Virtuose gewesen sein. mer nur Pläne, selten wurde ein Anfang gemacht. 4 Und wenige Sei· In beiden Häusern verkehrte Nietzsche gern und häufig, und ten später: Ein gedankenleeres Gedicht, das mit Phrasen und Bil so kam er durch die Väter der Freunde in einem für sein Alter dern überdeckt ist, gleicht einem rotwangigen Apfel, der im Innern ungewöhnlichen Maße mit Literatur und Musik in Berührung. den Wurm hat. Redensarten müssen in einer Dichtung vollständig Die Freunde Wilhelm und Gustav bildeten zusammen mit fehlen; denn der häufige Gebrauch von Phrasen zeugt von einem Nietzsches Schwester Elisabeth einen Zirkel, dessen Mittel Kopf, der nicht fähig ist, selbst etwas zu schaffen. s punkt Nietzsche war. Finder, der wohl in bewundernder Nach In dieser Selbstdarstellung steckt aber nicht nur die ahmung ebenfalls als Vierzehnjähriger seine Autobiographie gekünstelte Artigkeit des Musterknaben, der von frömmeln schrieb, zitiert Elisabeth, wie Fritz auf die Freunde wirkte: «Er den, selbstgerechten Frauen erzogen wird und sich mit grei beschäftigte sich als kleiner Knabe mit mancherlei Spielen, die senhaft anmutender Geste eine kleine Eitelkeit, die er immer noch er selbst erdacht hatte, und dies zeugte von einem lebhaften, habe, eingesteht und damit selbstgönnerisch verzeiht. Es erfindungsreichen und selbständigen Geist. So leitete er auch stecken darin auch schon Sensibilität, gesteigerte Beobach alle Spiele, gab neue Methoden darin an.» Aber es heißt auch: tungsgabe und Töne jenes wilden, herrischen Zwanges, etwas «Von frühester Kindheit an liebte er die Einsamkeit und hing Eigenes schaffen zu wollen. Auch das Verhältnis zur Musik, da seinen Gedanken nach, er mied gewissermaßen die Gesell- 14 15 1857 1858 schaftder Menschen und suchte die von der Natur mit erhabe Freistelle in der berühmten Anstalt Schulpforta vorgeschlagen ner Schönheit ausgestatteten Gegenden auf.» Und Elisabeth wurde. Der vierzehnjährige Nietzsche verließ Naumburg und hat eine merkwürdige Äußerung festgehalten, die Nietzsche ging im Oktober r858 als Zögling nach Pforta. Dieses Ereignis getan haben soll, als beide Ostern r857 gute Schulzensuren er brachte aber nicht nur eine äußere Wendung in Nietzsches Le halten hatten: «Als aber Fritz und ich[. .. ] allein zusammen wa ben, es bedeutete zugleich das Ende seiner Kindheit, über die er ren, fragte er mich, <ob es nicht merkwürdig sei, daß wir beide in einem späteren Lebenslauf (r864) noch einmal schrieb: so gut lernten und manches wüßten, was andere Kinder nicht Sicherlich hatte ich vortreffliche Eltern; und ich bin überzeugt, wüßten>.» 6 daß gerade der Tod eines so ausgezeichneten Vaters, wie er mir einer Selbst wenn man den Aufzeichnungen Finders und der seits väterliche Hilfe und Leitungfiir ein späteres Leben entzog, ande Schwester mit Vorsicht begegnen muss, verraten sie doch zu rerseits die Keime des Ernstes und Betrachtenden in meine Seele legte. sammen mit Nietzsches Autobiographie, wie stark Eigentüm Vielleicht war es nun ein Übelstand, daß meine ganze Entwick lichkeiten im Denken und Verhalten Nietzsches bereits damals lung von da an von keinem männlichen Auge beaufsichtigt wurde, beim Kinde ausgeprägt waren. Das Bewusstsein des Anders sondern daß Neubegier, vielleicht auch Wissensdrang mir die man seins und die Einsamkeit, das Zarathustra-Motiv, wenn man so nigfachsten Bildungsstoffe in größter Unordnung zufiihrte, wie sie will, das intensive Verhältnis zur Kunst, die Schwierigkeit, sich wohl geeignet waren, einen jungen, kaum dem heimatlichen Nest ent anzupassen, der Hang, einen kleinen Kreis Gleichgesinnter zu schloffenen Geist zu verwirren und vor allem die Grundlagen fiir ein majorisieren, das feine Gefühl für die Sprache, selbst das später gründliches Wissen zu gefährden. So kennzeichnet diese ganze Zeit bei ihm so häufige Motiv des Wanderers, alles das ist mit den vom neunten bis zum fiinfzehnten Jahr eine wahre Sucht nach einem ersten Jugendschriften da. Das war die Verfassung des jungen «Universalwissen», wie ich es zu nennen pflegte; auf der anderen Nietzsche, der sich, obwohl häufig kränkelnd, nun doch all Seite wurde das kindliche Spiel nicht vernachlässigt, aber doch auch mählich so sehr in der Schule auszeichnete, dass er für eine mit fast doktrinärem Eifer betrieben, so daß ich z. B. über fast alle Spiele kleine Büchlein geschrieben habe und sie meinen Freunden zur Kenntnisnahme vorlegte. Durch einen besonderen Zufall aufgeweckt, begann ich im neunten Jahre leidenschaftlich die Musik, und zwar so gleich komponierend, wenn anders man die Bemühungen des erreg ten Kindes, zusammenklingende und folgende Töne zu Papier zu bringen und biblische Texte mit einer phantastischen Begleitung des Pianoforte abzusingen, komponieren nennen kann. Desgleichen machte ich entsetzliche Gedichte, aber doch mit größter Beflissenheit. Ja, ich zeichnete sogar und malte. Wie ich nach Pforte kam, hatte ich so ziemlich in die meisten Wissenschaften und Künste hineingeguckt und fohlte eigentlich fiir alles Interesse, wenn ich von der allzu verstandesmäßigen Wissen schaft, der mir allzu langweiligen Mathematik absehe. Gegen dieses planlose Irren in allen Gebieten des Wissens empfand ich aber mit der Zeit einen Widerwillen; ich wollte mich zu einer Beschränkung Naumburg zwingen, um einzelnes gründlich und innerlich zu durchdringen. 7 16 17

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