Friedenserziehung Schriften zur politischen Didaktik Band 11 Die Bände dieser Reihe stehen ausschließlich in der Verantwortung ihrer Verfasser oder Herausgeber. Eine übergeordnete Gesamtredaktion erfolgt nicht. Friedenserziehung Eine Einführung Herausgegeben von Christ el Küpper im Auftrag der Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V., München Mit Beiträgen von Wolfgang Maser, Walter Tröger, Bernhard Claußen Leske Verlag Budrich Gmbl-l,Opladen 1979 + Die vorliegende Veröffentlichung wurde durch die Unterstützung der Berghof Stiftung für Friedens-und Konfliktforschung, München, ermöglicht. Der Herausgeber: Christel Küpper, Psychotherapeutin, Vorsitzende der Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V., München. Die Autoren: Dr. Wolfgang Maser, Sozialwissenschaftler (Politologe), Bensheim. Prof. Dr. Walter Tröger, Professor für Pädagogik an der Universität Regensburg. Prof. Dr. Bernhard Claußen, Professor für Erziehungswissenschaften an der Uni versität Hamburg. CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Friedenserziehung: e. Einf./hrsg. von Christel Küpper im Auftr. d. Studienges. für Friedensforschung e.V., München. Mit Beitr. von Wolfg ang Maser ... - Opladen: Leske und Budrich, 1979. (Schriften zur politischen Didaktik; Bd. 11) ISBN 978-3-322-95520-3 ISBN 978-3-322-95519-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95519-7 NE: Küpper, Christel (Hrsg.); Maser, Wolfgang (Mitarb.); Studiengesellschaft für Friedensforschung @ 1979 by Leske Verlag + Budrich GmbH, Opladen Satz: G. Beermann, Leverkusen V orwort des Herausgebers Jeder Versuch, in die Probleme der Friedenserziehung einzuführen, muß davon aus gehen, daß sich in den Auseinandersetzungen in Erziehungswissenschaft und politi scher Bildung die verschiedensten und zum Teil widersprechendsten Tendenzen zeigen. Es gibt keine Einheit der pädagogischen Theorie. Auf weiten Strecken herrscht Des orientierung und wechselseitige Diskreditierung. Dasselbe trifft zu für die Diskussion im Bereich der Friedenspädagogik, in dem in den letzten Jahren eine fast schon un lbersehbare Fülle von Publikationen in Form von Aufsätzen, Sammelbänden und Vionographien vorgelegt wurde. Trotz der intensiven wissenschaftlichen Diskussion um Inhalt und Definition des Friedensbegriffes und einer friedenspädagogischen didaktischen Theorie haben die diskutierten Denkansätze bisher noch nicht zu der Annähe~ng geführt, die es ermöglicht, von einer·· Theorie der Friedenspädagogik sprechen zu können. Von einer solchen kann darum auch die vorliegende Einführung nicht ausgehen. Sie verzichtet auch auf eine in dieser Richtung zielende Integration der drei Beiträge und beschränkt sich - ausgehend vom gegebenen Diskussionsstand im Bereich der Friedensforschung, Friedenspädagogik und Didaktik - darauf, Problem aufrisse zu einzelnen Aspekten vorzulegen, die Lehrer und Multiplikatoren verschie dener Erziehungsbereiche informieren, zur weiteren Auseinandersetzung anregen und zum überdenken und Verändern des eigenen Handeins in friedenspädagogischer Absicht motivieren sollen. Trotz der realen Lage, in der sich der Lehrer fmdet - eingebunden in eine Institution, die schwer zu bewältigenden Belastungen und wider sprüchlichen Reformabsichten ausgesetzt ist, desorientiert durch eine ungeklärte Grundlagendiskussion der Erziehungswissenschaft, auf die seine Praxis sich stützen sollte und die Diskrepanzen zwischen der wissenschaftlichen, schulpraktischen und bildungspolitischen Diskussion, konfrontiert mit einer gesellschaftlichen Realität, die durch antagonistische Entwicklungen und antinomische Ideologien charakterisiert ist - wollen die vorliegenden Beiträge Lehrern helfen, ihr pädagogisches Handeln auf den gesamtgesellschaftlichen "Lernprozeß Frieden" hin auszurichten. Diese Bemühungen können sich noch auf eine sehr begrenzte Erfahrung stützen. über ihren Erfolg oder Mißerfolg wird in den Schulräumen, mehr noch in den Lerneffekten im realen Leben der Lernenden (Schüler wie Lehrer) entschieden. Im 1. Teil des Buches gibt Maser einen zusammenfassenden überblick über geschicht liche Versuche und Orientierungen im Hinblick auf die Erhaltung des Friedens und analysiert die gegenwärtig bestimmenden Wirklichkeiten. Er stellt Entwicklung, Problemstellungen und Ansätze der Friedensforschung dar und die verschiedenen Modellvorstellungen zur Friedenssicherung. Sein überblick mündet in die "Erziehung" als eine der Strategien der Friedenssicherung, eine Strategie langfristig wirksamer Bewußtseins- und Einstellungsänderung und der Befähigung, an der Weiterentwicklung der eigenen Gesellschaft sowohl im Bereich der interpersonalen Kommunikation wie im gesellschaftlichen und politischen Bereich mitzuarbeiten. 5 Troeger geht im 2. Kapitel "Lernziel Friede" davon aus, daß die Einsicht in Form und Ursachen von Unfrieden alle Institutionen, somit auch die Erziehung herausfordert, sich für diesen Lernprozeß zu engagieren. Friedenserziehung ergibt sich seiner Auf fassung nach nicht nur als Konsequenz aus der Friedensforschung, sondern auch aus den Intentionen der Erziehung. Erziehung für das Leben muß heute Erziehung für den Frieden bedeuten. Da Friede zur überlebensbedingung in unserer Zeit geworden ist und Voraussetzung für alle anderen denkbaren Erziehungsaufgaben, ist er schlechthin die wichtigste aller Erziehungsaufgaben. Es gibt kaum ein anderes Erziehungsziel, das auf allen Ebenen des pädagogischen Denkens so anregend und fruchtbar sein kann. Troeger macht gleich zu Beginn seiner Ausführungen deutlich, daß überlegungen zur Friedenserziehung viel mit Wahrscheinlichkeiten und Vermutungen arbeiten müssen, da Friede und seine Gegenbegriffe Krieg und Gewalt heute höchst komplex und vieldimensional verstanden werden müssen und viele der empirischen und normativen Voraussetzungen von Friede ungeklärt sind. Dies wird besonders deutlich in den Abschnitten, in denen es um die antropologischen Voraussetzungen und Motive für Friedenserziehung und um das Problem der Begründung von Teilzielen der Friedenser ziehung geht. Claussen stellt in dem Kapitel "Zur Didaktik der Friedenserziehung" den Bezug zur kritisch emanzipatorischen Wissenschaft und ihrem Begriffsverständnis her. Dabei setzt er gewisse grundlegende Kenntnisse der didaktischen Theorie voraus und prüft die verschiedenen didaktischen Modelle auf ihre Verwendbarkeit für die Friedenserziehung. Er charakterisiert eine Didaktik der Friedenserziehung als eine "integrative Didaktik, die von der Erkenntnis ausgeht, daß es sich bei organisierten Lernprozessen um ein vielschichtiges Beziehungsproblem handelt, welches durch Intentionen, Objekte, Methoden und Medien strukturiert wird und verschiedenen Bedingungsfaktoren unter liegt". Dabei verhindert der normative Charakter friedenspädagogischer Didaktik, "eben durch die oberste Normsetzung, daß die didaktischen Strukturelemente will kürlich präzisiert und zueinander in Beziehung gesetzt werden". Claussen sieht Frie denserziehung im Zusammenhang mit der Didaktik politischer Bildung und diskutiert - ähnlich wie Troeger - auch die Reichweite und Grenzen einer politischen Friedens erziehung. Die pädagogisch-didaktischen überlegungen dieses Buches sind vorrangig für den Bereich Schule dargestellt, sind aber zum großen Teil transferierbar auf andere Er ziehungsbereiche. Die neuerdings stärker ins Blickfeld gerückte Notwendigkeit kon kreten Friedenshandelns durch Entwicklung alternativer Modelle in übersehbaren regionalen Räumen konnte noch nicht in die überlegungen des Buches aufgenommen werden und bedürfte 3.uch im Blick auf die in Entwicklung begriffene Aktions- und Handlungsforschung einer gesonderten Darstellung. Der Herausgeber dieses Buches, die Studiengesellschaft für Friedensforschung, legte 1976 ein Papier "Zur Strategie der friedenspädagogischen Arbeit der Studiengesell schaft" vor, das nicht nur als Aussage über ihre sachliche und strategische Position, sondern auch als Unterlage für eine gemeinsame Reflexion praxisorientierter Arbeit gedacht war. Sie hält es im Zusammenhang mit den Aufsätzen dieses Buches für sinn voll, dieses Papier am Schluß des Buches abzudrucken. 6 Inhalt Vorwort des Herausgebers. . . . . . . . . . . 5 I. Wolfgang Maser; Das Problem Frieden Vorbemerkung .................•................ 9 1. Friedensideen und Friedenssicherung in der Geschichte . . . . . . . . . 9 2. Friede als Lebensbedingung der heutigen Welt . . . . . . . . . . 13 3. Friede als Thema der Wissenschaft. . . . . . . • . . . . . . . . . . ..... . 17 3.1 Anfänge der Wissenschaft vom Frieden . . . . . . . . . . . .... . 17 3.2 Fragestellungen und Ansätze in der Friedensforschung . . . . .. . 19 3.3 Fragen nach den Ursachen des Krieges. . . . . . . . . . ......• 22 3.3.1 Aggressionstheorien .......................... . 22 3.3.2 Ebene der Nationalstaaten ........................ . 25 3.3.3 Struktur des internationalen Systems .......•........... 25 3.4 Friedensdefmition bei Galtung, Czempiel, Dencik und Frei .•..••.... 26 4. Strategien der Friedenssicherung .••..••.•.•...•..•.....•••... 29 4.1 Friede durch Abschreckung ........•...........•....... 29 4.2 Friede durch Abrüstung und Rüstungskontrolle ..... . ....... . 32 4.3 Friede durch soziale Verteidigung oder gewaltlosen Widerstand .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 35 4.4 Friedenssicherung durch Völkerrecht .. , ................•.. 38 4.5 Friede durch Erziehung ........... . 41 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Literaturverzeichnis . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 11. Walter Tröger; Lernziel Frieden Vorbemerkungen ....................................... . 59 1. Zur Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............ . 60 2. Die bisherige Entwicklung der Friedenserziehung .........•.... 61 2.1 Drei Ansätze .................. . ........... . 62 2.2 Das Verhältnis der Ansätze zueinander ............... . 63 2.3 Zum gegenwärtigen Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Dimensionen des Friedens im Blickpunkt der Pädagogik ......... . 65 3.1 Vom negativen zum positiven Frieden ..........•...... 65 3.1.1 Die Unterscheidung im Ablauf der Erziehung. . . . . . ...... . 66 3.1.2 Die wechselseitige Abhängigkeit ................... . 66 3.1.3 Die neue Situation: die ökologische Krise .............. . 67 3.2 Vom "Frieden im eigenen Haus" zum Frieden im Großen .... . 68 3.2.1 Friede im sozialen Mikro-Bereich •................... 68 3.2.2 Der Frieden im Großen ........................ . 70 4. Ziele der Friedenserziehung: Friedensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Vorbemerkung ................................. . 71 4.1 Anthropologische Voraussetzungen ............... . 72 4.2 Motive ................................ . 74 7 4.2.1 Angst und Furcht vor dem Krieg .... 74 4.2.2 Konstruktive Bedürfnisse: homo faber . 75 4.2.3 Wege zur Gerechtigkeit 76 4.3 Um orientierung . . . ... 76 4.4 Kritisches Bewußtsein .. 77 4.5 Langfristige Perspektiven 78 5. Zielbereiche im einzelnen .... 79 5.1 Das Problem der Begründung von Teilzielen . 79 5.2 Die Suche nach durchgehenden (übergreifenden) Dispositionen 80 5.2.1 Erziehung zur Ich-Stärke 81 5.2.2 Wandlungsfähigkeit .. 83 5.2.3 Umgang mit Konflikten . 85 5.2.4 Politisches Engagement . 89 5.2.5 Ausweitung der Solidarität 90 5.3 Information und Aufklärung 92 5.3.1 Friedens-Information als ,,Aktionswissen" 92 5.3.2 Technik und Zukunft: die ökologische Krise 94 6. Konsequenzen für die Erziehungspraxis ..... . 95 6.1 Friedenserziehung als ungelöste Aufgabe . 95 6.2 Wandel im Stil der Autorität 96 6.3 Suchendes Lernen .... 97 7. Chancen der Friedenserziehung . 97 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . 100 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . 105 III. Bernhard Claußen;Zur Didaktik der Friedenserziehung Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Friedenserziehung im Demokratisierungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . 111 1.1 Gesellschaftlich-politische und individuelle Aspekte des Friedens 112 1.2 Frieden als konkrete gesellschaftliche Utopie . . . . . . . . . • . . 114 1.3 Friedensfähigkeit und politische Sozialisation ............ 117 1.4 Strukturelle Momente und Positionen aktueller Friedenserziehung 119 1.5 Emanzipatorische Dimensionen einer kritischen Friedenserziehung 122 1.6 Zusammenfassung.......................... 123 2. Friedenserziehung als didaktisches Problem. . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.1 Von der Notwendigkeit einer Didaktik der Friedenserziehung 124 2.2 Aspekte der Synchronisation didaktischer Theorien und kontroverser Friedensvorstellungen ............... 127 2.3 Kritische Theorie des Subjekts, der Gesellschaft und der Pädagogik als Bezugsdisziplin einer Didaktik der Friedenserziehung 130 2.4 Das Verhältnis von Didaktik und Methodik im friedenspädagogischen Kontext. . . . . . . . . . . . . 132 2.5 Allgemeine Probleme und Prinzipien der Konstituierung und Organisation friedensrelevanter Lernprozesse 133 2.6 Zusammenfassung................. 136 3. Didaktik der Friedenserziehung und politische Bildung 136 3.1 Friedenserziehung als intentionaler Beitrag zur politischen Sozialisation. . . . . . . . . . . . . . 136 3.2 Die Wert-und Zielproblematik politisch motivierter Didaktik der Friedenserziehung ..•......... 139 3.3 Friedenserziehung als curricularer Zusammenhang. . 141 3.4 Gedanken zur Verknüpfung von Bedürfnis, Betroffenheit und Erfahrung. 146 3.5 Bedingungen, Reichweite und Grenzen politischer Friedenserziehung. 149 3.6 Zusammenfassung................... 151 4. Kritik der Didaktik der Friedenserziehung im Lichte einer ganzheitlichen Anthropologie des Menschen . . . . . . 151 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Zur Strategie der friedenspädagogischen Arbeit der Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V. 161 8 I.Das Problem Frieden Wolfgang Maser UA. Vorbemerkung Dieses Kapitel soll dem in der Praxis stehenden Pädagogen eine übersicht über die in den letzten Jahren fast unüberschaubar gewordene Literatur zu Problemen der Friedens forschung und über Strategieansätze zur Verwirklichung des Friedens geben. Die bei den einleitenden Abschnitte stellen einen Bezug zwischen den heutigen Bemühungen um den Frieden und den bereits seit der Antike im abendländischen Denken vorhan denen Friedensideen her (1.1 Friedensideen und Friedenssicherung in der Geschichte) und weisen die Abhängigkeit menschlicher Existenz überhaupt von der Friedens sicherung heute und in Zukunft auf (1.2 Friede als Lebensbedingung der heutigen Welt). Im anschließenden Teil wird die wissenschaftliche Aufarbeitung der Kriegs und Friedensproblematik (1.3 Friede als Thema der Wissenschaft) in ihrer Entstehung, Institutionalisierung, in ihren unterschiedlichen Ansätzen und Fragestellungen sowie Friedensdefmitionen dargestellt. Der letzte Abschnitt bringt eine kritische Ausein andersetzung mit den wichtigsten Strategien der Friedenssicherung (1.4). In der Zu sammenstellung wurde versucht, die wichtigsten Ansätze zu erfassen, es wird jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. 1. Friedensideen und Friedenssicherung in der Geschichte Von 1480-1941 wurden in Europa 278 Kriege unter Beteiligung großer Staaten ge führt (1). Von etwa 3400 Jahren urkundlich belegbarer Geschichte sind bis heute nur 243 Jahre ohne Krieg in irgendeinem Gebiet der bekannten Welt zu verzeichnen. Die Idee der Verwirklichung des Friedens und der Wunsch nach einer besseren, gerechteren Welt ohne Gewalttätigkeit sind die Folge der Erfahrungen des Krieges. Kriegsführung und Friedensideen sind unmittelbar aufeinander bezogen, ob sie sich in einem kon kreten Friedensschluß oder im Entwurf einer gesellschaftlichen Utopie ohne Krieg ausdrücken. Der folgende kurze Abriß historischer Friedensideen und Friedensstrategien beschränkt sich auf den europäischen Kulturkreis. Besonders in ihm wurden technische, wirt schaftliche, kulturelle und soziale Instrumente entwickelt, die auf Eroberung, Beherr schung und Ausbeutung gerichtet waren. Diese aktivierten aber auch das Bedürfnis nach Frieden und weckten Kräfte, die der Gewalt entgegenwirken sollten. 9 Die griechische Antike kannte, neben der lange herrschenden Heroisierung des Krieges z.B. durch Homer, bereits kritische Einstellungen zum Krieg bei Hesiod und Thu kydides (2), einem aktiven Heerführer und Geschichtsschreiber des Peloponnesischen Krieges (424 v. Chr.). Die philosophische Schule der Sophisten entwickelte Ideen eines Weltfriedens. Aristo teles untersuchte die Bedingungen innerstaatlicher Unruhen und forderte als Voraus setzung für den Frieden eine gerechte Verfassung. Platon sah als Instrument zur Verwirklichung des Friedens den autoritären Staat (3). Während es in der griechischen Antike nicht zu einer länger währenden realen Friedens ordnung kam, wurde im römischen Imperium versucht, diese Idee zu verwirklichen. Die imperiale Friedensordnung der Pax Romana beruhte auf dem Gedanken des durch einheitliches Recht gesicherten Friedens, .der allen Unterworfenen Frieden und Frei heit bringen sollte. Die Pax Romana war mit militärischen Mitteln erzwungen und durch sie garantiert. Sie war nicht Friede und Gleichberechtigung zwischen allen Bür gern des Römischen Reiches, sondern erzwungener Herrschaftsfriede, der schließlich auch mit militärischen Mitteln nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Die Friedensideen des christlichen Mittelalters wurden auf der Grundlage der Theo logie von Kirchenvätern wie Augustinus, Thomas von Aquin und Marsilius von Padua formuliert. Gewaltverzicht gegenüber christlichen Staaten wurde gefordert, das Recht auf Krieg gegen Nichtchristen wurde legitimiert. Ähnlich wie in der Antike traten neben die Vorstellungen, daß weltlicher Friede nicht möglich sei, Gedanken, die Frieden als positiven Zustand ungestörten sozialen Lebens (Marsilius von Padua) bezeichneten; als Instrument praktischer Friedenssicherung schlug Dante eine über den jeweils kämp fenden Fürsten stehende neutrale Schlichtungsinstanz vor (4). Um die Jahrtausendwende versuchte der kirchliche Reformorden der Cluniacenser die sich mehrenden Land fehden wenigstens auf bestimmte Tage und Jahreszeiten einzuschränken (5). Erasmus von Rotterdam bezeichnete den Krieg als "Verstoß gegen die dem Menschen von der Natur gegebene Vernunft" wie gegen die Grundsätze der christlichen Lehre (6). Mit dem Ende des Spätmittelalters und dem Anbruch der Neuzeit, dem Auseinander fallen christlicher und staatlicher Einheit und der Herausbildung souveräner Terri torialstaaten vervielfachten sich die Konfliktherde und Interessengegensätze und damit der Umfang kriegerischer Auseinandersetzungen. Die Interessen der Territorialstaaten wurden nicht mehr in Kategorien des Glaubens, sondern in solchen der Staatsräson bestimmt; Machtpolitik und die Durchsetzung territorialer Ansprüche waren Haupt motive zwischenstaatlicher Beziehungen. In den Vordergrund des Friedensdenkens und der Friedensvorschläge traten Versuche, durch verschiedene Methoden die staat liche Machtpolitik als Ursache des Krieges einzudämmen. In die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts und beginnenden 17. J ahrhundet:ts fallen die ersten Ansätze in Spanien durch Suarez und in Holland durch Grotius, das Völkerrecht zu entwickeln; es sollte über dem Recht auf Kriegsführung stehen, das ein Kernstück des Begriffs der Staatssouveränität ist. Die ersten Schritte auf diesem Wege galten dem Bemühen, die Erscheinungsformen des Krieges in rechtlich Hxierte Formen zu fassen und den Krieg - wenn er schon nicht abzuschaffen war - kontrol lierbarer und kalkulierbarer zu machen. Wie wichtig diese Zielsetzung war, hatten die Greuel des Dreißigjährigen Krieges und die Verwüstungsfeldzüge Ludwig XIV in der Pfalz am Ende des 16. Jahrhunderts gezeigt (7). Andere Friedensvorschläge setzten auf der politischen Ebene des Verhältnisses der Staaten untereinander an. Der Grundsatz des Machtgleichgewichts, eine von England über Jahrhunderte befolgte außenpolitische Maxime, sollte durch Schutzbündnisse der Schwachen untereinander den Starken die Lust an kriegerischen Aktionen 10