Anette Herlitzius Frauenbefreiung und Rassenideologie Anette Herlitzius Frauenbefreiung und Rassenideologie Rassenhygiene und Eugenik im politischen Programm der "Radikalen Frauenbewegung" (1900-1933) r[)fl1:\f7 DeutscherUniversitätsVerIag ~ GABlER·VIEWEG·WESTDEUTSCHERVERlAG Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme Herlitzius. Anette: Frauenbefreiung und Rassenideologie : Rassenhygiene und Eugenik im politischen Programm der "Radikalen Frauenbewegung" (1900-1933) / Anette Herlitzius. - Leverkusen : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1995 (DUV: Sozialwissenschaft) ISBN 978-3-8244-4172-3 Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation. © Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1995 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu I.ässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorarm gebleichtem und säurefreiem Papier ISBN 978-3-8244-4172-3 ISBN 978-3-322-91030-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-91030-1 Inhalt Vorwort...................................................................................... 9 Einleitung........................................................... ....................... 13 Teil A 1. Historische und gesellschaftliche Entstehungs- bedingungen der Rassenhygiene und Eugenik .................... 23 2. Wissenschaftliche Grundlagen der Rassenhygiene und Eugenik ........................................................................ 29 2.l. Rassenanthropologie und Rassentheorien ........ ............. 30 2.2. Bevölkerungsökonomie ................................ ................ 34 2.3. Darwin und Sozialdarwinismus .................................... 41 2.4. Vererbungsforschung ................................................... 48 6 Inhalt 3. Rassenhygiene und Eugenik in Wilhelminischer Zeit und Weimarer Republik. ............................................. . 55 3.1. Entstehung und Verwissenschaftlichung der Degenerationsthese... ......... .................. ........................... 55 3.2. Geburtenrückgang und differentielle Geburtenrate. ................................................................. 61 3.3. Bestimmung der Erbqualität und Etablierung der rassenhygienischen/eugenischen Wissenschaft. .............. 68 3.4. Das rassenhygienische/eugenische Programm ............... 74 3.4.1. Rassenhygienische Gesundheitspolitik ........................... 77 a) Das Ehetauglichkeitszeugnis ...................... .............. 78 b) Sterilisation und Abtreibung................... ................. 83 3.4.2. Umverteilung von Einkommen und Vermögen .............. 92 3.4.3. Siedlungs- und Migrationspolitik ................................... 95 3.4.4. Frauenpolitik ................................................................. 99 Exkurs: Die bürgerliche Frauenbewegung -Ein Überblick ... 107 Teil B 1. Helene Stöcker und die "Neue Ethik"................................. 125 2. Gründung und Programm des Bundes für Mutterschutz.... 149 3. Rassenhygienische und eugenische Elemente im tagespolitischen Diskurs der "Radikalen" ........................... 169 Inhalt 7 3.1. Die Mutterschaftsversicherung....................................... 169 3.1.1. Weibliche Autonomie .................................................... 171 3.1.2. Rassenhygienische Umdeutung und Instrumentalisierung............ ...... ...... ......... ...... ...... ......... 188 3.2. Individuelle Geburtenkontrolle und staatliche Bevölkerungspolitik............ ..... .......... .... ...... .... .... .......... 202 3.2.1. Neomalthusianische Bewegung und Empfängnisverhütung........................... ...... ........... ........ 206 3.2.2. Abtreibung .................................................................... 222 3.2.3. Staatliche Bevölkerungspolitik und bevölkerungs- politischer Diskurs der Radikalen" ................................. 249 4. Rassenhygienische und eugenische Elemente in der praktischen Sozialarbeit der "Radikalen" .......................... 281 5. Sozialtechnologie -Sozialtechnokratie? Rassenhygiene und Eugenik im Denken der "Radikalen Frauenbewegung" ................................................................. 321 5.1. Präzisierung der Fragestellung....................................... 321 5.2. Rezeption eugenischer Denksysteme.............................. 327 5.3. Rassenhygienische/eugenische Elemente und politische Deutungsmuster.. .......... .............. .... ............... 329 5.4. "Feministisches" Rassenhygiene- und Eugenik- Verständnis... . .......... ........ ............. ...... ........... ... ............ 337 5.5. Implikationen für die aktuelle Frauenforschung............. 346 Bibliographie ........................................................................... 355 Vorwort Mit Beginn der neunziger Jahre lassen sich auch in Deutschland verstärkt bedenkliche Auswirkungen des Bemühens um "politische Korrektheit" registrieren. Was als Antidiskriminierungsstrategie gedacht war und gesell schaftliche Minderheiten schützen wie auch sozial Benachteiligten helfen sollte, entpuppt sich unversehens als Sprachregelungsanspruch, wenn nicht gar als Denkverbot und führt häufig zu vorauseilender Selbstzensur. Die Gefahr besteht insbesondere dann, wenn historische Analysen der Entstehung und Entwicklung sozialer und politischer Bewegungen zu Zwecken der Traditionsstiftung mißbraucht werden. Mit (un)schöner Regelmäßigkeit werden die dunklen Kapitel verdrängt, es wird geklittert und abgeleugnet. Eine Legende entsteht. Dieses Buch leistet einer Legendenbildung um Ursachenzusammenhänge der Frauenbewegung nicht nur keinen Vorschub, es thematisiert ausdrücklich jene Diskrepanzen, Ambivalenzen und Widersprüche der scheinbar unverträglichen Kombination rassenhygienisch-eugenischen und frauenemanzipatorischen Denkens der als "Radikale" bezeichneten 'linken' Gruppierung der Ersten deutschen Frauenbewegung. Um die Amalgamierung fortschrittlicher frauenpolitischer und konserva tiv-rassistischer Elemente in der Position der "Radikalen" schwerpunktmä- 10 Vorwort ßig am Beispiel Helene Stöckers analysieren zu können, werden vorab auch heute heftig umstrittene Themen des rassenhygienisch-eugenischen Diskurses erörtert. Nach der Darstellung der historischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Grundlagen von Rassenhygiene und Eugenik und ihrer Entwicklung in Wilheminischer Zeit und in der Weimarer Republik wird im Gegensatz zur weit verbreiteten Sichtweise der soziologische Hintergrund des üblicherweise einseitig als biologistisches Legitimationsmuster etikettierten Sozialdarwinismus betont und der Nachweis des Wissenschaftschaftscharakters von Rassenhygiene und Eugenik geführt. Nach der Rekonstruktion des Zusammenwirkens dieser Wissenschaften mit Sozialpolitik, Sozialkontrollinstanzen und Gesellschaftspolitik als moderner Form von Herrschaftsausübung erfolgt eine Darlegung der gesellschaftssanitär-"ausmerzenden" Zielsetzungen im Rahmen der politisch fortschrittlichen Gesundheitspolitik. Rassenhygiene und Eugenik werden als Sozialtechnologie im Bereich der Frauenpolitik bestimmt und mit der Verortung der "radikalen" frauenpolitischen Position im Kontext der Ersten deutschen Frauenbewegung verknüpft. Das Spezifische der Amalgamierung rassenhygienisch-eugenischer Programmpunkte mit frauenpolitischen Stratgien wird exemplarisch an Helene Stöcker, die eine Schlüsselposition innerhalb der Gruppe der "Radikalen" einnahm, durch die Analyse von scheinbar inkompatiblen Elementen ihres Gesamtprogramms sichtbar gemacht. So etwa bei der Deutung der 'frauenspezifischen' evolutionstheoretischen Sicht von Ehe, patriarchaler Geschlechterbeziehung und Gesellschaftsordnung als Vermittlungsmoment der von den Frauen selbst initiierten 'Rassenveredlung' . Die Behandlung der Beziehungen von Forderungen zu Vorwort 11 Frauenbefreiung, zur Liberaliserung der Abtreibungspraxis und zur Eugenik (sog. feministisches Eugenikverständnis) und der Problematik des "Dilemmas der Feministinnen", also des Widerspruchs zwischen "Menschen-Ökonomie" und der Frauenpolitik, greift in nach wie vor aktuel le Ethik- und Politik-Debatten ein. Die Darstellung feministischer Sexualforschungsbestrebungen, praktischer Sexualberatung und der entste henden empirischen Sexualforschung (Magnus Hirschfeld) thematisiert Versuche ihrer Instrumentalisierung im Dienst staatlicher Sozialkontrolle. Hervorgehoben werden jene sozialaristokratischen Denkmuster der "Radikalen", die ihrer heute reibungslosen Einordnung in Traditionsbestände der feministischen Frauenbewegung im Wege stehen. Es wird bei der Betrachtung des bislang eher verschwiegenen beachtlichen Anteils "radikaler" Frauen am präfaschistischen rassenhygienisch-eugeni sehen Diskurs deutlich, daß "keine genuin weibliche Immunisierung die Einbeziehung des Lebendigen in den ökonomischen Rationalismus verhin derte." Im Gegenteil, die "Radikalen" popularisierten nicht nur rassenhy gienische Deutungsmuster und Zielvorgaben, sie leisteten direkt Zu arbeit für die fachwissenschaftliche Professionalisierung von Rassenhygiene und Eugenik, die nach 1933, von 'linken' Ansätzen gereinigt, ihre fatalen Triumphe feierte. Aus dieser pessimistischen Folgeneinschätzung des 'frauenspezifischen' Rassenhygiene-Denksystems werden dann jedoch weiterweisende Schlußfolgerungen für eine nicht verkürzte, undogmatische Analyse der historischen Frauenbewegung im Rahmen soziologischer Frauenforschung gezogen. Carsten Klingemann Einleitung Seitdem die fortschreitende Perfektionierung von Reproduktions- und Gentechnologie uns mit der Möglichkeit eines wissenschaftlich geleiteten Eingriffs in den Entstehungsprozeß menschlichen Lebens ein medizinisch technologisches Instrumentarium zur Steuerung des Selektionsprozesses an die Hand gibt, scheint sich der langgehegte Traum von der "Verbesserung" der menschlichen Art zu erfüllen. Mit jeder Utopie einer rationalen Selbstzüchtung des Menschen durch den Menschen ist jedoch unweigerlich ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozeß über die Wertbezüge und Leitbilder dieser Selektion verbunden, der die Qualifizierung von erhaltens wertem und vernichtungs würdigem Leben sowie ethische Prinzipien erfor dert, nach denen die Umsetzung der Auslesemaßnahmen erfolgen soll. Als diesbezügliche Fragen Anfang der 80er Jahre zum Konfliktstoff zwischen den verschiedenen Fraktionen von BefürworterInnen und GegnerInnen der Fortpflanzungstechnologie gerieten, begaben sich kritische Wissenschaftlerlnnen auf die Suche nach den ideengeschichtlichen, wissen schaftstheoretischen und politisch-praktischen Wurzeln von Menschenzüchtungs- und -vernichtungskonzepten, deren Ursprung sich bis in die Antike zurückverfolgen läßt. Sie stießen dabei auf das Modell bevöl-
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