Mi-Kyong Kim Frauenarbeit im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie Mi-Kyong Kim Frauenarbeit im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie Arbeits- und Lebenssituation von Lehrerinnen und Lehrern in Südkorea Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Gedruckt mit Unterstützung der Heinrich-Böli-Stiftung Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für die Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 978-3-8100-3098-6 ISBN 978-3-663-10100-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-10100-0 © 2000 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienin bei Leske + Budrich, Op1aden 2000 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Vetwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Leske + Budrich, Opladen Inhalt Tabellenverzeichnis .. .. .. .. .. .. .. ....... .. .... ............................................ .. ......... 7 Danksagung . ........... ... ................................... .. ............. ............................. 9 1. Einleitung .................................................................................... . 11 1.1. Fragestellung ................................................................................ . 11 1.2. Doppelter Vergesellschaftungsprozeß südkoreanischer Frauen im geschlechtsspezifischen Bildungssystem .................... . 15 1.3. Ziel und Aufbau der Arbeit .......................................................... . 22 2. Theorien zur Frauenarbeit im Kapitalismus ........................... . 25 2.1. Thesen zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ...................... . 25 2.2. Frauenarbeit zwischen Subsistenzproduktion und Erwerbstätigkeit - feministische Debatte um die politische Ökonomie ..................................................................... . 31 2.3. Feministische Erklärungsansätze zur Frauenarbeit. ...................... . 36 2.4. Strukturbegriff zur Erklärung der Frauenarbeit.. .......................... . 39 2.5. Arbeitsmarkttheoretische Ansätze ................................................ . 45 3. Entwicklung der Frauenarbeit in Südkorea (seit 1960) .......... . 49 3.1. Frauenarbeit im Wirtschaftsstrukturwandel ................................. . 49 3.1.1. Die Spaltung der weiblichen Arbeitskräfte ................................... . 49 3.1.2. Geschlechtshierarchische Segregation des Arbeitsmarktes im Industrialisierungsprozeß ........................................................ . 54 3.1.3. Frauen auf dem Arbeitsmarkt seit den 80er Jahren- Feminisierung der Dienstleistungsarbeit ...................................... . 57 3.2. Entwicklung der Dienstleistungsarbeit ......................................... . 62 3.2.1. Merkmale der Dienstleistungsarbeit im Kapitalismus .................. . 62 3.2.2. Frauenarbeit im Dienstleistungsbereich ....................................... . 66 3.3. Qualifizierte Frauen auf dem Arbeitsmarkt................................... 69 3.3.1. Frauen zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem ................ 70 3.3.2. Entwicklung der Frauenarbeit in qualifizierten Berufen ............... 74 5 4. Grundlagen der empirischen Untersuchung ............................ . 77 4.1. Untersuchungsmethode ................................................................ . 77 4.1.1. Untersuchungsziel ........................................................................ . 77 4.1.2. Lehrerinnenberuf als Untersuchungsobjekt.. ............................... .. 78 4.1.3. Einige Überlegungen zur Feldforschung ...................................... . 79 4.2. Datenerhebung .............................................................................. . 81 4.2.1. Auswahl der Interviewpartnerinnen ............................................. . 81 4.2.2. Schulform und Unterrichtsfach der Interviewpartnerinnen .......... . 81 4.2.3. Interviewsituationen ..................................................................... . 83 4.3. Auswertungsmethode ................................................................... . 83 4.4. Zusammenfassung der Fragebögen zu Personaldaten .................. . 86 4.4.1. Familienstand ............................................................................... . 86 4.4.2. Alter .............................................................................................. . 86 4.4.3. Kinder ........................................................................................... . 87 4.4.4. Finanzielle Situation ..................................................................... . 87 4.4.5. Familiäre Herkunft ....................................................................... . 89 4.4.6. Wohnverhältnisse ........................................................................ .. 89 Exkurs: Spezifische Betroffenheit der Lehrerinnen in Südkorea im Vergleich zu den Lehrerinnen in der BRD .......................... 90 5. Vergesellschaftungsprozeß der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung............................................................................... 95 5 .1. Arbeitsteilung der Eltern ........... ... ... . . .. ....... .... .. .. ...... ...... .. .. .. ... .... .. 96 5.2. Sozialisation in der Kindheit......................................................... 104 5.3. Motive für die Berufswahl............................................................. 111 5.4. Berufliche Werdegänge und die Qualifizierung............................ 116 6. Arbeits-und Lebenssituation und Problembewußtsein über die Doppelbelastung der Frauen in Berufund Familie........................................................................ 127 6.1. Arbeitssituation .... .. .. .. .. .. .. .. ....... .. .............. .... .. .. .. .. .. .... ......... .. .. ... .. 127 6.2. Lebenssituation.............................................................................. 144 6.3. Problembewußtsein über die Doppelbelastung der Frauen in Beruf und Familie.......................................................... 165 7. Zusammenfassung und Schußfolgerung.................................... 183 8. Anhang: Fragebogen und Interviewleitfaden ........................... 191 9. Literatur....................................................................................... 197 6 Tabellenverzeichnis Tabelle 1-1: Anteil der Ledigen bzw. Verheirateten bei abhängig beschäftigten Frauen.......................................................... 12 Tabelle 1-2: Sektorale Beschäftigungsentwicklung in Südkorea 1957-1995...................................................... 13 Tabelle 1-3: Formen der Altersfürsorge 1994 ........................................ 16 Tabelle 1-4: Jährliche Ausgaben für Bildungszwecke in 1965, 1975, 1985 und 1990................................................ 16 Tabelle 1-5: Schülerinnenanteil der Ober-und Berufsschulen nach Geschlecht und Schultypen 1995............................... 17 Tabelle 1-6: Anteil von Studentinnen an Universitäten nach Studienfächern 1975, 1985 und 1993 ........................ 18 Tabelle 1-7: Grund für elterliche Unterstützung des Studiums 1993 .. ... 19 Tabelle 1-8: Erwerbsquote von Frauen nach Familienstand und Schulabschluß 1992..................................................... 19 Tabelle 3-1: Kennziffer des Einkommensunterschieds in Südkorea in den 60er Jahren nach Wirtschaftssektoren ..... 50 Tabelle 3-2: Verteilung der Erwerbstätigen in modernem und traditionellem Sektor.......................................................... 51 Tabelle 3-3: Weibliche Erwerbstätige nach Beschäftigungsverhältnissen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .... .. .. .. .. . .. .. .. 53 Tabelle 3-4: Beitrag der Chemie-, Schwer -und Leichtindustrie zur industriellen Wertschöpfung ........................................ 55 Tabelle 3-5: Auszubildende in Bildungsstätten nach Geschlecht in den Jahren 1978, 1979, 1981 und 1985.......................... 56 Tabelle 3-6: Durchschnittlicher Monatslohn nach Beruf und Geschlecht................................................................... 56 Tabelle 3-7: Die sektorale Verteilung der Beschäftigung nach Geschlecht ....... ... ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. . .. .. 56 7 Tabelle 3-8: Weibliche Erwerbstätige nach Beruf.................................. 58 Tabelle 3-9: Weibliche Erwerbstätige nach Familienstand und Beruf 1983, 1986 und 1989................................................ 58 Tabelle 3-10: Erwerbstätige nach Beschäftigungsverhältnis.................... 59 Tabelle 3-11: Erwerbstätige nach Geschlecht und Beschäftigungsverhältnis 1980, 1985 und 1990................. 60 Tabelle 3-12: Erwerbsquote von Frauen nach Familienstand in den Jahren 1981- 1990 ................................................... 61 Tabelle 3-13: Beschäftigte nach Industrie, Geschlecht und Familienstand im Jahre 1992.............................................. 64 Tabelle 3-14: Anteil der Sozial-und Militärausgaben am Jahresbudget................................................................. 65 Tabelle 3-15: Durchschnittliche Arbeitszeit, Arbeitstage und Lohn im Monat nach Geschlecht und Beruf 1992.............. 67 Tabelle 3-16: Schulabschluß nach Beruf und Geschlecht im Jahre 1992..................................................................... 68 Tabelle 3-17: Weibliche Teilzeitsbeschäftigte nach Familienstand und Beruf 1990................................................................... 68 Tabelle 3-18: Einstellungsquote nach Bildungsniveau und Geschlecht................................................................... 72 Tabelle 3-19: Einstellungsquote nach Studienfach und Geschlecht......... 72 Tabelle 3-20: Lohnabhängige Akademikerinnen nach Geschlecht und Beruf im Jahre 1993 .................................................... 75 Tabelle 4-1: Frauen im Lehrerinnenberuf 1970, 1980 und 1990............ 78 Tabelle 4-2: Verteilung der interviewten Lehrerinnen nach der gewerkschaftlichen Mitgliedschaft bzw. der Schulstufe..................................................................... 81 Tabelle 4-3: Interviewte Lehrerinnen nach der Geschlechtertrennung der Schule....................................... 82 Tabelle 4-4: Alter der interviewten Lehrerinnen.................................... 87 Tabelle 4-5: Einkommen der Familie..................................................... 88 Tabelle 4-6: Wohnverhältnisse der Lehrerinnen ........................ .. ....... ... 90 8 Danksagung Das Thema der vorliegenden Dissertation, "Doppelbelastung von Frauen durch Berufs- und Familienarbeit", entstand aus meiner eigenen Betroffen heit als studierende Mutter. An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich meiner Doktormutter Frau Prof. Ilse Lenz dafür danken, daß sie mir für die Arbeit Mut und Selbstver trauen gab und mich hilfsbereit unterstützte. Mein Dank geht auch an die Frauen, die mich im Kolloquium motivierten und mir guten Rat schenkten. Ganz besonders danke ich Christiane, Martina und Ulrike, die bei der An fangsphase des Schreibens ihre kostbare Zeit zum Lesen nahmen, und auch Choon-Kweon und Kai, die in der Endphase die Arbeit lasen. Ich bedanke mich ebenfalls bei der Heinrich-Böli-Stiftung und dem Graduiertenkolleg (DFG) für die finanzielle Unterstützung. Vor allem möchte ich meiner lieben Familie Dank sagen, sie hatte viel Geduld während meines langjährigen Auf enthalts in Deutschland. Mit der Hoffnung, daß diese kleine Arbeit zur Chancengleichheit von Frauen in der südkoreanischen Gesellschaft beitragen möge, widme ich sie meiner Mutter und meiner Tochter. 9 1. Einleitung 1.1. Fragestellung Der südkoreanische Staat initiierte Mitte der 60er Jahre eine Industrialisie rung, die gern als "exportorientierte Industrialisierung" bezeichnet wird. Da bei war- neben etlichen exportfördenden Maßnahmen1 -die Mobilisierung von besonderen Arbeitskräften augenfällig, die sich von der traditionellen Arbeiterschaft folgendermaßen unterschieden: jung, weiblich, billig, ledig und damit vorübergehend (die Arbeiterinnen arbeiteten nur bis zur Ehe) und immer ersetzbar. Die jungen Frauen wurden vom Land, auf dem die wirt schaftliche Lage sehr schlecht war, auf den Arbeitsmarkt gedrängt. Die Frau en, die vom südkoreanischen Staat als "Heidinnen der Nation" gefeiert wur den, arbeiteten in den Fabriken der Exportindustrie (Textilien, Schuhe sowie Elektronikteile und -geräte) unter extrem harten Arbeitsbedingungen, zu "Hungerlöhnen" und mit patriarchalischen und autoritären Ideologien aufge- Dazu gehörten u.a.: - Abwertung der südkoreanischen Währung, um die Exporte zu verbilligen - unbegrenzter Zugang und Zollbefreiung für Rohstoffe, Zwischengüter und Inve- stitionsgüter, die für den Exportzweck eingeführt werden - weitgehende Steuerbefreiung und Steuersenkungen für alle Firmen, die exportieren wollen (z.B. fünfzigprozentige Reduzierung der Steuern auf Einkommen, die durch den Export erzielt werden) - verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, Rabatte und Subventionen für Trans portkasten sowie Monopolrechte für Firmen mit deutlichen Exporterfolgen - Zinssubvention bei Krediten, die zum Aufbau der Exportindustrien aufgenommen werden - staatliche Förderanstalten für den Export sowie staatliche Fonds für die Exportun- terstützung - Subventionen für die Kosten bei der Erschließung des neuen Weltmarktes Vg l. B. Cumings, Ursprünge und Entwicklung der politischen Ökonomie in Nord astasien: Industriesektoren, Produktzyklen und politische Konsequenzen, in: U. Men zel (Hg.), Im Schatten des Siegers: Japan, Bd. 4, Weltwirtschaft und Weltpolitik, Frankfurt am Main 1989, S. 87ff., hier S. 122; U. Menzel, In der Nachfolge Europas. Autozentrierte Entwicklung in den ostasiatischen Schwellenländern Südkorea und Taiwan, München 1985, S. 104f. 11 muntert.2 Nicht zuletzt dank dieser besonderen Arbeitskräfte3 konnte das Land ein "Wirtschaftswunder" vorweisen, über das die Welt eine Zeitlang staunte.4 Und die jungen weiblichen Arbeitskräfte waren zentrale Stütze des "Wirtschaftswunders" in seiner ersten Phase. Doch seit Anfang der 80er Jahre zeigte sich in der Beschäftigungsstruk tur der Frauen eine bemerkenswerte Tendenz: Bei abhängig beschäftigten Frauen nahm der Anteil der Verheirateten von 14,4% im Jahre 1980 auf 37,5% 1992 deutlich zu (vgl. Tabelle 1-1). Tab. 1-1: Anteil der Ledigen bzw. Verheirateten bei abhängig beschäftigten Frauen (in %) 1980 1985 1989 1992 Ledige 85,6 79,3 68,7 62,5 Verheiratete 14,4 20,7 31,3 37,5 Quelle: Ministry of Labor, Survey Report on Wage Structure, fortlaufend. Die Zunahme hängt mit dem Strukturwandel der Wirtschaft zusammen. Dank der erfolgreich durchgeführten Industrialisierungsstrategie ist Südkorea in kurzer Zeit nicht nur von einer armen Agrargesellschaft zu einer Industriena tion aufgestiegen, sondern tendiert seit einiger Zeit zu einer Dienstleistungs gesellschaft.5 Während der Anteil der Beschäftigten im sekundären Sektor seit 1990 zu schrumpfen begann,6 weitete sich der Anteil des tertiären Sektors beträchtlich aus- von 43,5% im Jahre 1980 auf 64,0% 1995, also eine Stei gerung von über 20 Prozentpunkten innerhalb anderthalb Jahrzehnten. Der 2 V gl. I. Lenz, Frauen und das globale Fließband, in: Beiträge zur feministischen Theo rie und Praxis, Heft 3, 1980, S. 98f. 3 Die Existenz solcher Arbeitskräfte hatte für Japan ebenfalls eine gewichtige Bedeu tung, denn die weiblichen Arbeitskräfte in der Leichtindustrie, vor allem der Textilin dustrie mit ihrem hohen Frauenanteil, verdienten einen Löwenanteil der notwendigen Devisen für den Aufbau der Schwerindustrie und den Technologietransfer. Siehe I. Lenz, Die unsichtbare weibliche Seite des japanischen Aufstiegs: Das Verhältnis von geschlechtlicher Arbeitsteilung und kapitalistischer Entwicklung, in: U. Menzel (Hg.}, Im Schatten des Siegers: Japan, Bd.3, Ökonomie und Politik, Frankfurt am Main 1989, S. 227ff., hier S. 232ff. 4 Natürlich verschwand diese Bewunderung mit der Finanzkrise. 5 Vgl. K. G. Zinn, Dienstleistungsgesellschaft oder Krise des tertiären Sektors? Zur qualitativen Analyse der Entwicklung reifer Volkswirtschaften, in: WSI-Mitteilungen l/1993, S. 6. 6 Die Rationalisierungswelle seit Anfang der 90er Jahre einerseits und die Verlagerung der arbeitsintensiven Industrie ins Ausland andererseits waren dafür verantwortlich. Die einstigen Frauenindustrien im Land sind also mit der allgemeinen Lohnsteige rung größtenteils verschwunden. Dafür globalisieren sich die südkoreanischen Ver hältnisse: Viele Textilunternehmen aus Südkorea setzen seit Jahren in Ländern wie China, den Philippinen, Vietnam, Guatemala usw. zum Teil noch schlimmere Ver hältnisse als früher in Südkorea durch. 12