Rolf Porst Fragebogen Studienskripten zur Soziologie Herausgeber: Prof.Dr.Heinz Sahner, Dr.Michael Bayer und Prof.Dr.Reinhold Sackmann begründet von Prof.Dr.Erwin K.Scheuch† Die Bände „Studienskripten zur Soziologie“ sind als in sich abgeschlossene Bausteine für das Grund- und Hauptstudium konzipiert.Sie umfassen sowohl Bände zu den Methoden der empirischen Sozialforschung,Darstellung der Grundlagen der Soziologie als auch Arbei- ten zu so genannten Bindestrich-Soziologien,in denen verschiedene theoretische Ansätze, die Entwicklung eines Themas und wichtige empirische Studien und Ergebnisse dargestellt und diskutiert werden.Diese Studienskripten sind in erster Linie für Anfangssemester gedacht, sollen aber auch dem Examenskandidaten und dem Praktiker eine rasch zugängliche Infor- mationsquelle sein. Rolf Porst Fragebogen Ein Arbeitsbuch Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. Die 1.–8.Auflage erschien im Teubner Verlag 9.,überarbeitete Auflage März 2002 10.,durchgesehene Auflage Juni 2005 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Lektorat:Frank Engelhardt Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15178-6 Vorbemerkung Liebe Leserin, lieber Leser, das vorliegende Buch ist ein „Praxisbuch“ im wahrsten Sinne des Wortes. Als ich es begonnen habe, konnte ich bei ZUMA1 auf eine zwanzigjährige Bera- tungspraxis mit dem Schwerpunkt „Fragebogenberatung“ zurückblicken, in deren Verlauf ich – über den Daumen gepeilt – etwa 2.500 Fragebogen beraten, mitentwickelt oder entwickelt habe. Ob das für Deutschland einzigartig ist, weiß ich nicht, aber eine gewisse Erfahrung im Bereich von Fragebogen kann man mir sicherlich nicht absprechen. Möglicherweise war diese lange währende Beschäftigung mit Fragebogen auch der Grund, „endlich“ mal zusammenzuschreiben, was mir in all diesen Jahren im Zusammenhang damit wichtig erschienen ist und heute noch wichtig erscheint. Aber ich wollte nicht nur ein weiteres Fragebogen-Buch schreiben und es in die Reihe der – zugegebenermaßen wenigen „echten“ – Fragebogen- Bücher einreihen, sondern ich will mit dem Buch ganz konkreten Personen, die ganz konkrete Fragebogen entwickeln wollen, ganz konkret und im Detail prak- tische Hilfestellung leisten. Auch aus diesem Grund halten Sie heute ein „Pra- xisbuch“ in der Hand. Ich will Ihnen helfen, Ihren Fragebogen auf der Basis dessen zu entwickeln, was wir heute zum Thema Fragebogen wissen. Dabei simuliere ich ganz bewusst eine Art Fragebogenberatung in Buch- form, sehr praktisch und so geschrieben, dass die Leserinnen und Leser (oder sagen wir besser die Anwenderinnen und Anwender) wirklich damit arbeiten können, wenn sie einen Fragebogen entwickeln müssen (oder sagen wir lieber: dürfen), mit vielen Beispielen, wie man etwas falsch und wie man es richtig macht. Mit der Entscheidung zu einer Art Fragebogenberatung in Buchform ver- binde ich eine für Lehrbücher etwas ungebräuchliche Vorgehensweise dahinge- 1 Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim, bis März 2007 selbständige Service-Einrichtung für die empirische Sozialforschung unter dem Dach der Gesellschaft sozi- alwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS), seit April 2007 als GESIS-ZUMA übergegangen in die GESIS. Näheres zu GESIS und GESIS-ZUMA finden Sie auf http://www.gesis.org/ und http://www.gesis.org/zuma/ 6 Vorbemerkung hend, dass ich Sie im Verlaufe des Textes immer wieder konkret ansprechen werde. Nicht: „verwendet man am besten eine endpunktbenannte 7er-Skala“ werden Sie lesen, sondern „verwenden Sie am besten eine endpunktbenannte 7er-Skala“. Nicht anders spräche ich mit Ihnen, wenn Sie zur Beratung Ihres Fragebogens bei mir vor Ort wären. Auch wenn ich das Buch alleine geschrieben und demzufolge auch alles zu verantworten habe, was darin steht, möchte ich doch einigen Menschen meinen herzlichen Dank sagen. Zu Dank verpflichtet bin ich natürlich und in erster Linie all jenen Kolle- ginnen und Kollegen, die mir im Laufe der letzten 20 Jahre ihre Fragebogen- entwürfe zur Bearbeitung vorgelegt haben. Dabei bin ich immer und immer wieder auf Fehler gestoßen (davon finden wir auch welche in diesem Buch), die zu entdecken und zu beheben mich über die Summe weiter gebracht haben als die jeweils konkret Betroffenen selbst. Auch wenn nicht wenige Fragebogen- Entwürfe, mit denen ich konfrontiert gewesen bin, Reaktionen in mir geweckt haben, die ich besser nicht schriftlich zum Ausdruck bringe – jeder Entwurf, egal wie gut oder schlecht er letztendlich gewesen ist, hat zu einer Erweiterung meines eigenen Wissens zum Thema geführt, und dafür danke ich sehr herzlich. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Michael Blohm, Christa von Briel, Dagmar Campen, Carina Leesch, Peter Prüfer, Margrit Rexroth und Christin Sophia Weißgerber (alle GESIS-ZUMA), Simone Braun (Mannheim) und Anke Steffen (Zürich). Mannheim, im November 2007 Inhalt Vorbemerkung.................................................................................................. 5 1. Einleitung................................................................................................. 9 2. Kognitionspsychologische und kommunikative Grundlagen der Befragung......................................................................................... 17 2.1 Die gestellte Frage verstehen.......................................................... 18 2.2 Informationen aus dem Gedächtnis abrufen.................................... 23 2.3 Ein Urteil bilden ............................................................................. 27 2.4 Das Urteil in ein Antwortformat einpassen .................................... 27 2.5 Das Urteil editieren ........................................................................ 27 3. Die Titelseite .......................................................................................... 31 4. Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens........................................... 45 5. Arten von Fragen................................................................................... 51 6. Arten von Skalen.................................................................................... 69 6.1 Skalenniveaus ................................................................................. 69 6.2 Skalen für sozialwissenschaftliche Fragebogen.............................. 75 7. Question Wording – Zur Formulierung von Fragebogen-Fragen..... 95 8. Besondere Fragentypen und Formate................................................ 115 8.1 Quantifizierungen.......................................................................... 115 8.2 Der Einfluss der Vergleichsrichtung beim Vergleich von Objekten................................................................................. 119 8.3 Warum ist Werner Wilken bekannt, aber nicht beliebt? – Fiktive Fragen............................................................................... 121 8.4 Heikle Fragen................................................................................ 124 8.5 Der Einfluss des grafischen Formats auf die Daten...................... 129 8 Inhalt 9. Zur Dramaturgie des Fragebogens.................................................... 133 9.1 Fragensukzession.......................................................................... 133 9.2 Regeln für die Einstiegsfrage........................................................ 135 9.3 Allgemeine Regeln zur Dramaturgie des Fragebogens ................ 142 10. Interviewer- bzw. Befragtenhinweise ................................................ 145 11. Filter ..................................................................................................... 151 12. Die „letzte Seite“ ................................................................................. 157 13. Zum Layout des Fragebogens ............................................................ 165 14. Befragungshilfen.................................................................................. 173 15. Ausblick: Plädoyer für systematische Pretests.................................. 185 Literaturverzeichnis .................................................................................... 187 Glossar ........................................................................................................ 191 Personenregister .......................................................................................... 193 Sachregister ................................................................................................. 195 1. Einleitung Einen Fragebogen zu entwickeln ist „ein einfach Ding“. Das merkt man spätes- tens dann, wenn einem wieder mal ein „Fragebogen“ irgendeines Zeitschriften- verlags in’s Haus flattert, ein Fragebogen im Kaufhaus ausliegt oder – „zur Sicherstellung der Kundenzufriedenheit“ – den Aufenthalt in Ihrem Urlaubsho- tel zu verschönern verspricht. Wir finden dann Fragen wie2: Wie haben Sie das Gästehaus mit Hilfe unserer Wegbeschreibung gefunden? (cid:136) auf Anhieb (cid:136) umständlich (cid:136) durchschnittlich (cid:136) ich kannte den Weg bereits (cid:136) ________________________ Oder: Waren Sie mit der Ankunft/Schlüsselübergabe zufrieden? (cid:136) ja (cid:136) nein (cid:136) befriedigend (cid:136) ________________________ 2 Die in diesem Buch verwendeten Beispielfragen (egal ob aus dem Originalfragebogen einge- scannt oder wie im folgenden einfach noch einmal abgeschrieben) sind fast ausnahmslos real existierenden Fragebogen entnommen bzw. stammen aus Fragebogenentwürfen, die dem Au- tor zur Begutachtung vorgelegen haben. Wo dies nicht der Fall ist, wo also Fragen zur besse- ren Verdeutlichung von Sachverhalten vom Autor selbst konstruiert worden sind, wird darauf hingewiesen. Woher die negativen Beispiele stammen, werden Sie aus Gründen der Vertraulichkeit nicht erfahren. 10 1 Einleitung Oder: War Ihr Appartement bei der Ankunft sauber und gelüftet? (cid:136) sauber (cid:136) befriedigend (cid:136) unsauber (cid:136) ________________________ Oder, jetzt aus akademisch organisierten Umfragen: Hat Sie schon einmal jemand durch Kritisieren Ihres Alkoholtrinkens ärgerlich gemacht? ja (cid:136) nein (cid:136) Oder (aus einer Liste von Tätigkeiten, die man verrichten kann): Für sich selbst sorgen: Ich habe keine Probleme, für mich selbst zu sorgen (cid:136) Ich habe einige Probleme, mich selbst zu waschen oder anzuziehen (cid:136) Ich bin nicht in der Lage, mich selbst zu waschen oder anzuziehen (cid:136) Oder: Sind Sie (zurzeit) nicht, nur geringfügig bzw. unregelmäßig erwerbstätig, wel- cher Status trifft auf Sie zu? Hausfrau (cid:136) Schüler/in, Student/in (cid:136) usw. Sie sehen, so schwierig kann das mit dem Entwickeln von Fragebogen gar nicht sein. Ich erinnere mich genau an eine Diskussion im Rahmen der wissenschaftli- chen Tagung „Pretest und Weiterentwicklung von Fragebogen“ beim Statisti- schen Bundesamt im April 1996 (Statistisches Bundesamt, Hrsg., 1996), in deren Verlauf ein Kollege mit Ironie, aber auch mit Bedauern in der Stimme sich etwa folgendermaßen ausdrückte: