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Forschungsstrategien: Ziele setzen — Entscheiden — Führen PDF

196 Pages·1993·6.948 MB·German
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RoB . Forschungsstrategien Dieter RoB Forschungsstrategien Ziele setzen - Entscheiden - Fuhren GABLER Prof. Dr. Dieter RoB ist Honorarprofessor an der Universimt Marburg sowie Unterneh mensberater, insbesondere in Fragen der Forschungsstrategie und -organisation. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ron, Dieter: Forschungsstrategien : Ziele setzen -entscheiden -fUhren I Dieter R6B. -Wiesbaden : Gabler, 1993 ISBN 978-3-409-13484-2 ISBN 978-3-322-87511-2 (eBook) DOl 10.1007/978-3-322-87511-2 Das Werk einschlieBlich alIer seiner Teile ist urheberrechtlich geschUtzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlage~ unzuliissig und strafbar. Das gilt insbe sondere fUr Vervielfiiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. H6chste inhaltliche und technische Qualitiit unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Auslieferung unserer BUcher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf siiurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annabme, daB soIche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daber von jedermann benutzt werden dUrften. ISBN 978-3-409-13484-2 Vorwort Dieses Buch ist ein Beitrag zu der Frage, wie man am besten in einer sich standig andemden Welt langfristig orientiert handelt. Die Antwort wird fur die Angewandte Forschung in einern evolutionistischen Rahmen entwickelt, der Raum fur die Unsicherheit bei dem hier notwendi gen Zeitraum von Dekaden laBt und dabei doch eine konsistente Uberstruktur des Denkens und Handelns liefert. Der reale Mensch steht im Mittelpunkt. Paradigmen ublichen Verhaltens werden diskutiert, Grenzen traditioneller Mitarbeiterfiihrung analysiert und die maximale Nutzung des Verstan despotentials als die einzig sinnvolle Entwicklungsoption fur ein traditionelles Industrieland beschrieben. Die behandelten Themen gehen uber den Bereich der Forschung hinaus, betreffen auch Unter nehmensstrategie und langfristiges politisches Handeln, z.B. im Rahmen einer staatlichen Technologiepolitik. Die Kollegen Dieter Fick und Friedrich Hensel gaben den AnstoB, mich mit Fragen, die mir aus langjiihriger Industrietiitigkeit praktisch vertraut waren, intensiver im Rahmen einer Lehrtiitig keit auseinanderzusetzen. Dafiir danke ich ihnen sehr herzlich. Meinen Studenten und den Ho rem meiner Seminare in der Industrie danke ich fur die zahlreichen Anregungen, die ich im Ge spriich mit ihnen erhielt, den Mitarbeitem des Gabler- Verlags fur die Hilfe bei der Veroffentli chung. Meiner Frau Doris schulde ich besonderen Dank fur die Liebe und Geduld, mit der sie die Entstehung dieses Manuskripts begleitete. Dieter RoB v Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung: Forschungs-Management am Scheideweg? ......................................... 1 2. Langfristig orientiert handeln ................................................................................... 5 2.1. Grundproblem ............................................................................................... 5 2.2. Zeithorizont .................................................................................................. 6 2.3. Klassisches Vorgehen bei Strategischem Handeln im Operativen Bereich ....... 7 2.4. Braucht jede Forschungsgruppe eine Forschungsstrategie? ............................ 7 2.5. Paradigmen und die Grenzen der Prognostizierbarkeit ................................... 9 2.6. Das traditionelle physikalische Weltbild und seine Ausstrahlung in die Managementlehre .......................................................................................... 12 2.7. Wie entscheidet der Mensch? ........................................................................ 13 3. Entscheidungsprozesse bei einem Forschungsprojekt ............................................. 15 3.1. Planung und realer Ablauf ............................................................................. 15 3.2. Zwang zur Entscheidung ............................................................................... 18 3.3. Langfristiges Handeln als "komplexes System" .............................................. 19 4. Das Paradigma der Pyramide ................................................................................... 21 4. 1. Organisationspyramide .................................................................................. 21 4.2. Paradigmatische Wirkung ............................................................... '" ............ 22 4.3. Organisationsformen in Grol3finnen ............................................................... 25 4.4. Planwirtschaft und die Grenzen einer Pyramide .............................................. 27 4.5. Struktur und Fiihrung in sehr grol3en Organisationen ..................................... 29 4.6. Die Struktur der japanischen "Gruppen" ........................................................ 31 4.7. Offene und geschlossene Gesellschaft ............................................................ 33 5. Das Paradigma der Evolution ................................................................................... 36 5.1. Das klassische Problem: Sinn oder Zufall? ..................................................... 36 5.2. Evolutionstheorie .......................................................................................... 37 5.3. Weltwirtschaft in Analogie zum Biosystem; Selbstahnlichkeit des Paradigmas .................................................................................................... 38 5.4. Wichtige und iibertragbare Erkenntnisse der Evolutionstheorie ...................... 40 5.4.1. Grundregeln der Evolution im Biosystem ........................................ 40 5.4.2. Voraussetzungen fur allgemeine, unbegrenzt evolutionsfahige Systeme .......................................................................................... 44 5.4.3. Bedingungen fur optimale Evolution ............................................... 45 5.5. Evolution in der Wirtschaft ............................................................................ 46 5.5.1. Evolutionsregeln allgemeiner komplexer Systeme ............................ 46 5.5.2. Evolution einer Branche unter Konkurrenz ...................................... 48 5.5.3. Innovation als Analogie zur Mutation .............................................. 49 5.6. Besondere Eigenschaften evolutionarer Systeme ............................................ 51 5.7. Der fur Selektion notwendige Innovationsvorteil ........................................... 53 5.8. Nachhilfe bei geringem Innovationsvorteil ..................................................... 54 5.9. Kann man Ziele einer Evolution setzen? ......................................................... 55 5.10. Steuerung der Evolution; Selbstorganisation .................................................. 56 5.11. Infonnationskapazitat im Laufe der biologischen Evolution ........................... 57 5.12. Schnelle Innovation; Analogie Forschung! Biologie ....................................... 59 VII 6. Wann ist eine Fonchungs-Innovation fUr das Unternehmen relevant? ................ 62 6.1. Bezugspunkt im Unternehrnen ....................................................................... 62 6.2. Zeithorizontl Wachstuml Strukturanderung ................................................... 63 6.3. Was ist strategisch relevant? .......................................................................... 64 6.4. Bewertung der Forschung ............................................................................. 65 7. Strategie ..................................................................................................................... 67 7.1. Strategisches und opportunistisches Handeln ................................................. 67 7.2. K1assisches Vorgehen bei strategischem Handeln ........................................... 68 7.3. Die Entwicklung des strategischen Prozesses seit 1945 .................................. 71 7.4. Strategie a1s Weg zum Ausschalten des Gegners ............................................ 73 7.4.1. Null-Summen-Spiel ....................................................................... 73 7.4.2. K1assiker der Strategie: SUN TZU und MUSASm ......................... 73 7.4.2.1. Sun Tzu ............................................................................ 74 7.4.2.2. Musashi ............................................................................ 77 7.4.3. Wie ernst ist die Analogie zur Strategie der Kriegfiihrung zu nehmen? ......................................................................................... 81 7.5. Orientierung des heutigen Handelns an der Antizipation der Zukunft ............. 82 7.5.1. Strategie a1s Planung aus der Gegenwart heraus .............................. 82 7.5.2. Strategie einer optimalen, langfiistigen Evolution ............................ 82 7.6. Hierarchie von Strategien .............................................................................. 84 7.6.1. Zeitliche und strukturelle Hierarchie in einem Konzemteil ............... 84 7.6.2. Zuordnung der Forschungsziele im Gesamtkonzem ......................... 85 7.7. Berucksichtigung des Gegners ....................................................................... 86 8. Spieltheorie und Strategie ......................................................................................... 88 8.1. Spieltheorie ................................................................................................... 88 8.2. Spiele unterschiedlicher Ordnung ................................................................... 89 8.3. Spiele hOhererKomplexitat ........................................................................... 90 8.4. Zusammenfassung ......................................................................................... 94 8.5. Spezmsche, einfache Strategien ..................................................................... 96 8.5.1. Economy of Scale (EOS) ................................................................ 96 8.5.2. Orientierung am Vorbild .................................................................. 98 9. Lernkurvenstrategie .................................................................................................. 100 9.1. Erfahrungskurven, Lemkurven ...................................................................... 100 9.2. Theoretische Lemkurve ................................................................................. 103 9.3. Prinzip der Lemkurvenstrategie ..................................................................... 105 9.4. Lemkurvenstrategie mit wachsender Rendite ................................................. 107 9.5. Sind die Prinzipuberlegungen zur Lemkurvenstrategie realistisch? ................. 109 9.6. Wie packt man eine Lemkurvenanalyse an? ................................................... 111 9.7. Was ist relevant fur die Erfahrung? ................................................................ 114 9.8. Was unterscheidet Lernkurvenstrategie von Kostensenkung? ......................... 115 9.9. Lemkurvenstrategie und Spieltheorie ............................................................. 116 9.10. Kann man die Lemkurvenstrategie aufbrechen? ............................................. 116 10. Orientierung, Ziele und Strategien der Fonchung in einem Konzern .................... 119 10.1. Rolle der Forschung in einem Konzem .......................................................... 119 10.1.1. Traditionelle Legitimationsargumente fur eine Zentrale Forschung ....................................................................................... 119 10.1.2. Finanzierung Zentraler Forschung .................................................. 121 VIII 10.1.3. Zentrale Forschung als strategisches Instrument zur Sicherung langfristiger Orientierung ................................................................. 122 10.1.4. Zeitliche Entwicldung des Verstandnisses Zentraler Forschung ....... 123 10.2. Voraussetzungen fur die Forschung als strategischer Gespriichspartner .......... 125 10.3. Strategische Orientierung der Forschung im Unternehmen ............................. 127 10.3.1. Beispiele fur bekannte strategische Unternehmensziele .................... 127 10.3.2. Hilfskonstruktionen bei Nichterkennbarkeit strategischer Langfristziele .................................................................................. 130 10.3.3. Wo sind groBe Bedtirfuisfelder und groBe alternative Betiitigungsfelder? .......................................................................... 131 11. Pragmatische Denkansatze. ....................................................................................... 137 11.1. Einfache Fragestellungen ............................................................................... 137 11.2. Denken in Alternativen .................................................................................. 137 11.3. Was machen wir, wenn alles funktioniert? ..................................................... 139 11.4. Gap-Analyse ................................................................................................. 141 11.5. Grenzdenken ................................................................................................. 142 11.6. Logische Fallen im PlanungsprozeB ............................................................... 144 11.7. Leverage ....................................................................................................... 145 12. Japan: Was ist anders? Was konnen wir davon lernen? ......................................... 149 12.1. Japan als "Spielmacher" ................................................................................. 149 12.2. Japan, eine homogene Nation ........................................................................ 149 12.3. Japan, eine homogene Kultur.. ....................................................................... 150 12.4. Kulturell bedingte Verhaltensweisen .............................................................. 151 12.5. Heutige Besonderheiten ................................................................................. 152 12.6. Verhaltensweisen in Firmen ........................................................................... 152 12.7. Typisches Firmenverhalten ............................................................................ 153 12.8. "Japan Corporation" ...................................................................................... 154 12.9. Quintessenz ................................................................................................... 155 13. Optimale Nutzung des Humankapitals; Mitarbeitendhrung .................................. 157 13.1. Mitarbeiterfuhrung im Umbruch .................................................................... 157 13.2. Die Rolle des Mitarbeiters in den 5 Phasen strategischer Orientierung ............ 157 13.3. Grundfragen der Menschenfuhrung ................................................................ 159 13.4. Warum sind die bisherigen Ftihrungstechniken nicht ausreichend? .................. 165 13.5. Ftihrungsinstrumente zur bestmoglichen Verstandes-Nutzung ....................... 167 14. Was ist zu tun? .......................................................................................................... 171 14.1 GroBe, globale Evolutionslinien ..................................................................... 171 14.1.1 Bevolkerungsexplosion ................................................................... 171 14.1.2 Erosion des global en Know-how-Vorsprungs ................................. 171 14.1.3 Der Aufstieg Chinas ........................................................................ 173 14. 1.4 Die Bedeutung des Lemens............................................................. 174 14.1.5 Das Wachstum der Komplexitiit ................................ .. ........... 175 14.2 Optionen der Untemehmen ............................................................................ 177 14.3 Optionen des Staates ..................................................................................... 178 14.4 Zielrichtungen der Forschungsstrategie .......................................................... 180 Stichwortverzeichnis ....................................................................................................... 182 Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 189 IX 1. Einleitung: Forschungs- Management am Scheideweg? Viele Jahrzehnte lang war das Management von Forschung, ob in der Industrie oder beim Staat, relativ problemlos. Man war grundsitzlieh iiberzeugt, daB Forschung gut, notwendig und insgesamt lohnend sei und daB die Friiehte der Forschung langfristiger, im Einzelnen nieht direkt zu rechtfertigender Natur seien. Der quantitative Aufwand war, wegen seiner im Ver gleich zum Gesamtaufwand geringen GroBe, nur insofem ein Thema, als der natiirliche Appetit der Forscher auf Wachstum ebenso begrenzt werden muBte, wie der jeder anderen An spruchsgruppe. Das wesentliche Entscheidungsargument fur ein bestimmtes Projekt war Qua litiit, gemessen an der Zustimmung der Fachwelt. Dies hat sich griindlich geiindert. In den letzten Jahren biirgerte es sich zunehmend ein, daB der Staat Aufwendungen fur Forschung im Einzelfall durch planerisch vorzeigbare, wirtschaftliche Ergebnisse quantitativ rechtfertigt. In den Untemehmen wurde Forschung zunehmend in das Korsett der betriebswirtschaftlichen Methodik gezwiingt und als ein kurzfristig zu beurtei lender, in seiner Kosten! Nutzen- Relation zweifelhafter Kostenfaktor betrachtet. Heute wer den die yom Staat finanzierten Forschungseinrichtungen durch Budgetkiirzungen einer Hun gerkur mit abnehmenden Portionen unterworfen. Untemehmen verkleinem traditionsreiche Forschungslaboratorien oder fungieren sie in ihrer Zielsetzung zu Entwicklungslaboratorien urn. Als Konsequenz sehen ganze Jahrgiinge hochqualifizierter Hochschulabsolventen keine rechte Zukunftsperspektive mehr. Was ist schiefgelaufen? Natiirlich sitzt weItweit in den traditionellen Industriestaaten das Geld heute nieht mehr so lok ker wie vor 10 oder 20 Jahren. Die zunehmende, globale Konkurrenz macht den Untemehmen das Leben schwer. Mit dem steigenden Know-how- Stand in frOheren Entwicklungsliindem schrumpft der Bereich industrieller Tiitigkeit, wo im intemationalen Vergleich hohe Per sonalkosten und niedrige Arbeitszeit durch einen eigenen Know-how- Vorsprung kompensiert werden konnen. Der langfristig orientierte Spielraum beim Staat wurde durch ausufemde Ausgaben, in Reaktion auf kurzfristig orientierten Interessentendruck und ganz aktuell in der Bundesrepuhlik Deutschland (BRD) durch die Kosten der Wiedervereinigung begrenzt Sind das aber gute Griinde dafur, in der Forschung primiir die Kosten und ihre moglichst kurz fristige Rentabilitiit herauszustellen und langfristig orientierte Industrieforschung iiberhaupt in Frage zu stellen?1 Wird nicht andererseits allgemein dariiber geklagt, daB der Know-how- Vorsprung der klassi schen Industrieliinder, insbesondere auch der Bundesrepublik Deutschland, erodiert oder schon verloren gegangen ist und daB in Japan als der heute qualitativ und zunehmend auch quantitativ fuhrenden Wirtschaftsmacht Untemehmen und Staat mit langfristiger, strategischer Orientie rung und mit groBem Aufwand fur Forschung und Entwicklung dabei sind, den Rest der Welt in den Wachstumsgebieten abzuhiingen2? Das in diesem Zusammenhang in der BRD kritisierte Versagen des Managements kann doch nicht darin bestehen, daB man 0,5% des Gesamtaufwands (das sind typischerweise die For schungskosten in der Industrie) nicht optimal im quantitativen Sinn eingesetzt hat! lz.B. J.J.Gilman "Research Management today" PHYSICS TODAY (Marz 1991) S. 42 und "The R&D Dilemma: The High Cost of Cutting Back" Harvard Business School Bulletin (April 1993) S. 34 2z.B. H.J.Queisser Phys. Blatter 49 (1993) 5 S.385 Es muB also ein qualitative! Problem vorliegen! Es ist nach meiner Meinung drei Quellen zu zuordnen: • Den Entscheidungstrigem: Mit der Einfiihrung immer weiter verfeinerter Methoden der Informations- Sammlung und -Auswertung fUr das tiigJiche Management erschien es konsequent, auch Forschung zu nehmend nach den gleichen Methoden quantitativ zu managen. Mangels eigener, fUr die Unternehmensfiihrung uberzeugender Konzepte fand dieses oberflachlich einsichtige Be streben kaum Widerstand bei den Forschern selbst. Damit verlagerte sich der Schwerpunkt von Erwartung und Beurteilung von qualitativen zu quantitativen Kriterien. • Den Politikern In der langandauernden Wachstumsphase nach dem 2. Weltkrieg verbreitete sich allgemein der Eindruck, gesellschaftliche und technische Entwicklungen lieBen sich relativ gut vorhersehen und mit Eingriffen "von Oben" steuern. Er wurde in der BRD in der Phase der sozialliberalen Koalition verstarkt, aufgrund des in der sozialistischen Tradition wurzelnden Glaubens an die Folgerichtigkeit und damit Planbarkeit historischer Entwicklungen. F orschung und Entwicklung erschienen als geeignete Mittel einer durch relativ wenig Geld finanzierbaren Lenkung von Wirtschaft und Gesellschaft in eine erwiinschte Strukturrich tung, bei hoher Hebelwirkung (Schliisseltechnologien; Blaupausen-Export). • Den Fonchern Sie griffen die sich daraus ergebenden M6gJichkeiten zu zusatzlichem Wachstum ihrer per s6nlichen EinfluBsphare und zur Verwirklichung sehr groBer Objekte bereitwillig auf Die inzwischen geforderte, quantitative Begrundung ihrer T1itigkeit mit voraussichtlichem volkswirtschaftlichem oder mittelfristig unternehmensinternem Nutzen auch bei eindeutig langfristigen Projekten wurde entweder beiderseitig naiv gegJaubt oder erforderte zunlichst ledigJich dialektisches Geschick, da ja bis zur Verifizierung der Planaussagen Zeit war. Das konnte nicht gut gehen! Inzwischen ist evident, daB der Staat natOrlich nicht weiB, wel che Ergebnisse der von ihm beeinfluBbaren Forschung innerhalb deren Zeithorizont tatslichlich volkswirtschaftlich relevant sein werden. In den Unternehmen werden die unter betriebswirt schaftlicher Systematisierung des Forschungsmanagements erzielten Resultate der Forschung von den Firmenleitungen im allgemeinen nicht enthusiastisch beurteilt. Eher haben sich Zweifel eingestellt, ob langfristige Forschung uberhaupt ein Thema fUr Unternehmen ist. All dies fUhrte zu groBer Unsicherheit und Verwirrung und zu der Frage, ob wir heute For schungsmanagement ganz neu lernen mussen, wobei zu begrunden ware, warum Methoden, die gestern richtig erschienen, heute unzureichend sein sollen. Einig scheint man sich in der BRD zu sein, daB der groBe Aufwand der letzten Jahrzehnte fUr die Grundlagenforschung3, ob offen als solche deklariert, wie z.B. in den Instituten der Max Planck- Gesellschaft oder zwischenzeitlich unter der Flagge einer langfristigen Anwendungs orientierung segelnd, wie in manchen Groftforschungsinstituten und bei vielen Sondervorhaben der Hochschulen, zu einem hohen Stand des Grundlagenwissens gefUhrt hat. 3Wir detinieren bier vorlliutig: • Grundlagen/orschung: Es ist unbekannt und nur spekulativ vennutbar, fUr die Realisierung welcher Ziele zukiinftige Ergebnisse verwendet werden; Motivation ist die allgemeine Erweiterung des Wissens • Angewandte Forschung: EnnOglicht durch die Schaffimg neuen Wissens die Realisierung eines bekanntes Ziels (zielorientierte Forschung). Das Ziel rechtfertigt den Aufwand • Entwicklung: Schaftt neue Produkte auf der Basis vorhandenen Wissens. Das planerisch berechenbare Ergebnis rechtfertigt den Aufwand. 2 Beklagt wird in Politik und Offentlichkeit, daB es nicht gelingt, dieses Wissen schnell und ef fektiv in volkswirtschaftlich relevante Produkte oder Werte umzusetzen. Das Problem Iiegt also primlir im Bereich der angewandten oder zielorientierten Forschung, die seit je typisch fur groBe Untemehmen ist und die zunehmend auch zu einer Zielsetzung der staatlichen Geldgeber fUr die von ihnen finanzierten Forschungsstltten wurde. Ein neuer BMFT (Buntiesminister for Forschung und Technologie der BRD) setzte dement sprechend vor kurzem an erster Stelle seiner Prioritlitenliste4 • "auf die Beschleunigung des Umsetzungsprozesses von guter Grundlagenforschung in weltmarktftihige Produkte" und • "auf den strategischen Dialog zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft" Wer wird dies nicht fUr wiinschenswert halten? 1st das aber ein realistisches Ziel und vor a1lem, ist das die heute optimale Option staatlicher Technologiepolitik oder wird bier eine neue Runde planifizierender Wunschvorstellungen eingeleitet? Wie durchdacht sind denn die Strategien auf Seiten des Staates, der Wirtschaft und der Wissenschaft? So, daB aus diesem Dialog etwas strukturell Neues, Besseres herauskommen kann? Auf die Untemehmensebene iibertragen, konnte man die beiden Forderungen so formulieren: • Verkiirzen des Forschungsprozesses • Strategische Ausrichtung der Forschung Hier wiire primiir zu klliren, was Forschung heute in einem Untemehmen bewirken soli und was Firmenstrategie in Bezug auf Forschung bedeutet. Zu fragen ist dann, ob sich die erste Forderung mit der zweiten vertriigt. Die groBte Schwierigkeit bei solchen Uberlegungen ergibt sich aus der Langfiistigkeit des Zeit raums zwischen der Entscheidung fUr oder gegen ein bestimmtes Forschungsprojekt und der moglichen wirtschaftlichen Nutzung seiner Ergebnisse, aus seinen inhlirenten Unsicherheiten und aus der mit der Langfiistigkeit des Ablaufs zusammenhiingenden Nichtwiederholbarkeit bei Fehlentscheidung. Diese Eigenschaften treffen wir ganz a1lgemein bei langfiistig angelegten Programmen an, bei Untemehmensstrategien, bei langfiistig ausgerichteter Zielverfolgung in Staat und Gesellschaft. Insofem sind unsere fUr die Forschung formulierten Uberlegungen cum grano salis auf solche Fragestellungen iibertragbar. Als fest begrundet angesehene Meinungen und Grundsiitze sind in diesem Problemkreis heute unsicher geworden. Es lohnt sich daher, die Basis des eigenen Handelns zu durchdenken, bis herige Denkmuster in Frage zu stellen und neue Ansiitze zu suchen und zu begrunden. Zu einer solchen Aufgabe hat Hans Matthofer5 kiirzlich trefilich formuliert: "Es gibt nichts Schwie rigeres, als in normalen Zeiten festgefogte Meinungen und das Verhalten von Erwachsenen zu ande rn. Man stoj1t schon bei dem Versuch, einfache und leicht einsehbare Zusammenhtinge zu vermitteln, auf tie.fverwurzelte und mit starken Gefohlen besetzte Vorurteile. Wir miissen es gleichwohl unablassig versuchen". Dies gilt bereits fur eine Veriinderung der eigenen Betrachtungsweise! Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Entscheider (Manager), in Untemehmen, Politik, Wissenschaft, und an den sich selbst verantwortlichen Forscher. Dies ist ein Personenkreis mit breitem Wissen und mit wenig Zeit. Dementsprechend wurde darauf verzichtet, zu den einzel nen Uberlegungen jeweils Hintergrundwissen in wissenschaftlicher GrUndlichkeit darzustellen. Zitate wurden begrenzt auf wenige Monographien, aus denen wesentliche Uberlegungen oder 4Mattbias Wissmann Phys. Blatter 49 (1993) 5 S.434 5Hans MattMfer "Agenda 2000" Dietz, S.201 3

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