FORSCHUNGEN ZUR BYZANTINISCHEN RECHTSGESCHICHTE Herausgegeben von Dieter Simon Band 9 Wulf Eckart Voß: Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike LÖWENKLAU GESELLSCHAFT E. V. FRANKFURT AM MAIN Wulf Eckart Voß RECHT UND RHETORIK IN DEN KAISERGESETZEN DER SPÄTANTIKE EINE UNTERSUCHUNG ZUM NACHKLASSISCHEN KAUF -UND ÜBEREIGNUNGSRECHT LÖWENKLAU GESELLSCHAFT E. V. FRANKFURT AM MAIN Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Alle Rechte vorbehalten © Löwenklau Gesellschaft e.v. Frankfurt am Main 1982 ISBN 3-923615-02-7 Vorwort Die Publikationsreihe ,,Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte" wurde nicht zuletzt deshalb ins Leben gerufen, um für eine neue Sicht auf bestimmte Quellenmassen zu werben. Gemeint ist das Recht der Spätantike, herkömmlich als Produkt eines Niedergangs dargestellt, den auch Justinian trotz manch beifallswfudiger Anstrengung nicht aufzuhalten vermochte. Demgegenüber sollte darauf hingewiesen werden, daß es wenigstens möglich erscheint, das spätantike Recht als den juristischen Stapellauf der Rechts ordnung des 1000-jährigen Byzanz zu betrachten. Ob eine solche Blickverände rung, welche Konstantin den Großen als Anfang begreift und Justinian nicht stereotyp einen Platz am Ende der Entwicklung zuweist, sondern ihn in ein historisches Kontinuum einfügt, für die Rechtsgeschichte letztlich fruchtbar sein wird, muß sich erst noch erweisen. Jedenfalls gibt es Gesichtspunkte, unter denen die Epoche von 324 -1453 eine so deutliche Kontinuität aufweist, daß ihre Untersuchung ausschließlich aus der Perspektive der "Klassik" des römischen Rechts nur beschränkten Informationswert besitzt. Zu diesen Gesichtspunkten gehört die unter den verschiedensten pejorativen Rubriken häufig erörterte "Rhetorisierung" des Rechts. Die Frage, ob dieser Vorgang nicht als bewußtes Ringen der Zeitgenossen um eine für Gesellschaft und Staat angemessene Sprachform des Rechts anzusehen ist, wurde bisher kaum gestellt. Eine Arbeit, die an Hand des Kaufrechts diesem Problem ausdrücklich nachgeht, schien dem Herausgeber daher ein fraglos begehrenswerter Beitrag zur byzantinischen Rechtsgeschichte zu sein. Dieter Simon MEINEN GROSSVÄTERN Danksagung Mit einer Dissertation verhält es sich wie mit einem Kinde: auch sie hat einen (Doktor-) Vater (wohl auch eine ,Mutter', die sie lange austrägt und schließlich zu Tage bringt), Geburtshelfer, Paten, Ratgeber und FÖrderer. Ihrer Aller soll zunächst mit Dank gedacht sein. Daß sich die Drucklegung dieser seit 1979 unter dem Titel "Kauf und Über eignung in den Kaisergesetzen der Spätantike" der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen vorliegenden Dissertation verzögerte, war durch meine in den Jahren 1979 - 1982 ausgeübte Tätigkeit als Richter beim Landgericht Flensburg und den Amtsgerichten Flensburg und Niebüll bedingt. Ohne das unermüdliche Mahnen und Drängen von Frau Dr. Marie Theres Fögen, Frankfurt am Main, wäre die Veröffentlichung wohl abermals laufenden Verpflichtungen, nun denen eines Hochschulassistenten, hintange stellt worden. Ihr und Herrn Dr. Ludwig Burgmann, ebenfalls Frankfurt, habe ich daher zunächst zu danken, zumal sie sich beide der zeitraubenden Korrek tur von Text und Registern, deren verborgen gebliebene Fehler ichjedoch ganz allein zu verantworten habe, unterzogen. Frau Inge Schmidt, Göttingen, und Frau Corinna Goldmann, Frankfurt, danke ich für die Mühe, die sie auf das Manuskript verwendeten. Mein besonderer Dank richtet sich an Herrn Professor Dieter Simon, Frank furt, für seine spontane und herzlich bekundete Bereitschaft, die Arbeit in seine Reihe "Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte" aufzunehmen. Für die Bewilligung eines großzügigen Druckkostenzuschusses habe ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihren im Verborgenen wirkenden Gutachtern aufs Herzlichste zu danken. Das Meiste schulde ich meinem verehrten Lehrer, Professor Franz Wieacker. Er hatte es in seinen Seminaren verstanden, das erste von meinem Großvater mütterlicherseits anhand einer alten Gaius-Ausgabe und eines in Ehren gehaltenen Corpus Iuris schon in meiner Schulzeit geweckte Interesse am römischen Recht in ein "heißes Bemühen" um Text und Geist der Quellen zu verwandeln. Wenngleich Professor Wieackers weitgespannter Überblick und sein sicheres Gespür für den Aussagekern einer Quelle, aber auch für die Gren zen ihrer Ausdeutbarkeit unerreichbares Vorbild bleiben müssen, so waren doch seine Seminare Lehrstunden beispielhafter Textdurchdringung, die eine Fülle von Anregungen vermittelten. So geht das zentrale Thema dieser Arbeit auf ein Seminarreferat über die konstantinische Kaufrechtsreform (Fragmenta Vaticana 35) zurück. Professor Wie acker hat den Fortgang der Arbeit stets mit umsichtigem Rat und seiner unnachahmlichen Gabe zu konzentrierter Pro- IX blemverdichtung und ihrer sprachlichen Fassung begleitet und gefördert. Auch dafür sei ihnl von Herzen gedankt. Herrn Professor Okko Behrends, der mir mit der Übertragung einer Assi stentenstelle für die Dauer der Promotion die materiellen Sorgen nahm, bin ich darüber hinaus auch für seine Geduld und ständige Bereitschaft, meine Gedanken in allen Stadien ihrer Entstehung anzuhören und klärend auf sie einzuwirken, sowie für seine kenntnisreichen Hilfen tief zu Dank verpflichtet. Seine gedankliche Strenge hat mich vor manchem Irrweg bewahrt. Auch an Herrn Professor Dietrich V. Simon, Marburg, richtet sich mein Dank für seine aufmunternde Zustimmung zu den in meiner Arbeit vertrete nen Thesen und für die anregenden Diskussionen. Herzlich danke ich auch Herrn Professor Ulrich Schindel, Göttingen, für seine freundlichen Hinweise auf die Bedeutung Cassiodors als Bewahrer antiker Tradition und manchen Rat, den ich von ihm im "Lateinischen Lesekränzchen" erhalten habe. Wenn auch die vorliegende Arbeit zu einzelnen Fragen des Vulgarrechts Stel lung nimmt, so verzichtet sie doch darauf, an der allgemeinen Diskussion "Vul garrecht" und "Vulgarismus" teilzunehmen, zumal mit den Kaisergesetzen zum Kaufrecht in der Spätantike nur ein schmaler Ausschnitt aus den "Vulgar rechtsquellen" behandelt wird. Ich bin geneigt, das Bemühen um eine den Quellen nahe Beweisführung auf mein eigenes Anschauungsbedürfnis zurück zuführen, das ich dankbar als Mitgift meiner bäuerlichen Verwandtschaft väterlicherseits empfinde. Ich widme darum die Arbeit meinen beiden Großvätern, dem Reichgerichtsrat Dr. Walter Tölke und dem Bauern Claus Hinrich Voß. Göttingen, im November 1982 Wulf Eckart Voß Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis XV Eillffihnmg 1 1. Kapitel: Das Gesetzgebungsverfahren und der Einfluß der Rhetorik auf die nachklassischen Kaisergesetze 15 1. Literaturansichten zur Kontilluität der Kaisergesetze 15 11. Das Gesetzgebungsverfahren 22 1. consistorium 23 2. scrinia und adiutores 28 3. quaestor sacri palatii 33 ill. Zum Sprachgebrauch der Kaisergesetze 39 1. Literaturansichten zum Stil nachklassischer Gesetze 39 2. Stilebenen im CT und ill der IT 43 a) Die IT als Stil schulung für die Gesetzesabfassung im Rechtsunterricht 43 b) Aus der IT erkennbare Fächer des Rechtsunterrichtes 48 3. Gesetzgebungstechnik ill der Rhetorikausbildung 50 4. Die Lehre von der Gesetzesabfassung 52 a) Die genera dicendi 52 b) Die Anwendung der genera dicendi auf die Redaktion der Gesetzestexte bei Cassiodor 54 5. Stilmittel der Kaisergesetze 57 a) Allgemeines 57 b) Das verbum proprium 61 c) Variation 62 d) Substantivierung von Adjektiven 64 e) Tropen 65 aa) Die Metonymie 66 bb) Die Metalepsis 67 cc) Die Katachrese 68 dd) Allegorie 69 f) purgatio legum 70 IV. Legitimation und Propaganda in der Rhetorik der Kaiser- gesetze 72 1. Der Legitimationszweck der Staatsideologie 72 2. Die propagandistischen Aufgaben der Rhetorik 77 V. Zusammenfassung 80 XI 2. Kapitel: Kauf und Übereignung in den nachklassischen Kaiser- gesetzen 81 1. Der nachklassische Kauf 81 1. Der nachklassische Kauf als Barkaufund Simultanaktin der Auffassung von LEVY und KASER 81 2. Das Prinzip emptione dominium transfertur nach GALLO 83 3. Die kaufr echtliche Terminologie in den Quellen zum Dop peltatbestand und zum principium "emptione dominium transfertur" 85 a) aus der konstantinischen Dynastie 87 b) aus dem späteren Westreich 96 c) aus dem Ostreich 101 d) Zusammenfassung 113 11. Der obligatorische Kaufvertrag in der Nachklassik 115 1. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Übereignung 116 2. Die Verpflichtung des Käufers zur Kaufpreiszahlung 121 3. Sonstige Hinweise auf den obligatorischen Charakter des Kaufvertrages 125 4. Kaufpreiszahlung als Voraussetzung des Vertragsschlusses 128 5. fides als Grundlage der Vertragsbindung 129 6. Zusammenfassung 130 III. Die Übereignung im nachklassischen Kauf 131 1. Das Verhältnis von Kauf und mancipatio bzw. traditio in der Nachklassik: Meinungsstand 131 2. Die Übereignung von Grundstücken nach FV 35 (313) 135 a) Meinungsstand 135 b) Paraphrase 138 c) Der Sachverhalt 140 d) Beibehaltung getrennter Übereignungsarten bei fundus Italicus und ager provincialis in FV 35 § 4 (313) 148 e) Die Verbindung von Grundstücksmanzipation und corpo- ralis traditio bei der Übereignung von fundus Italicus 153 aa) Die Grundstücksmanzipation 153 bb) Die corporalis traditio 155 f) Das Nachbarnzeugnis 158 aa) Die demonstratio adfinium in republikanischer und klassischer Zeit als Vorläufer des konstantinischen Nachbarnzeugnisses 158 bb) Das Nachbarnzeugnis bei Konstantin 164 XII g) Zur Datierung des Gesetzes 168 h) Zusammenfassung 173 3. Die Übereignungserfordernisse in den nachfolgenden Kai- serge setzen 177 a) Übereignungswille 177 b) causa traditionis 178 aa) Allgemeines 178 bb) Zur Terminologie 180 c) Übergabe 186 aa) in vacuam possessionem introductio 186 bb) Übertragung beweglicher Sachen 188 4. Die Kaufpreiszahlung 190 a) Literaturübersicht 190 b) Die Quellen 191 5. Schriftform 196 6. Zusammenfassung 198 3. Kapitel: Die Reglementierung von Kaufvorgängen aus öffentli- chen Motiven 200 1. Überleitung 200 H. Die Vertragsparteien und standesrechtliche Sonderregelungen 200 1. Senatoren 201 2. Beamte 202 3. Dekurionen 204 4. Soldaten 206 5. navicularii 207 6. pistores, catabolenses 208 7. metallarii 209 8. negotiatores, mercenarii, rustici 210 9. coloni 211 10. kirchliche Amtsträger 213 11. Sonderregelungen gegenüber religiösen Minderheiten 214 a) Heiden 214 b)Juden 214 c) Sekten 215 d) apostatae 217 III. Sonderrecht der Kaufobjekte: Auswirkungen der öffentlich rechtlichen Inanspruchnahme von Sachgütern auf das Kaufrecht 217 XIII