MASTERARBEIT Titel der Masterarbeit „Islamistischer Terrorismus“ Verfasser Raphael Wimmer, BA angestrebter akademischer Grad Master of Arts (MA) Wien, im Juni 2014 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 066 824 Studienrichtung lt. Studienblatt: Politikwissenschaft Betreuer: Univ.-Doz. Dr. Johann Wimmer Islamistischer Terrorismus Raphael Wimmer Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .............................................................................. 3 2 Islamischer Fundamentalismus .............................................. 7 2.1 Religiöser Fundamentalismus ............................................................. 8 2.1.1 Fundamentalismus und Gewalt im Monotheismus?.................. 10 2.1.2 Islamischer Fundamentalismus, Islamismus oder Politischer Islam? ....................................................................................................... 21 2.1.3 Gründe für Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus ........................................................................... 32 2.1.4 Die historischen Wegbereiter ................................................. 40 2.1.4.1 Islamische Revolution ........................................................ 40 2.1.4.2 Wahhabismus ...................................................................... 45 2.1.4.3 Muslimbruderschaft ............................................................ 58 2.1.4.4 Deobandi ............................................................................. 64 2.1.5 1970er Jahre: Islamismus im Aufschwung ..................................... 73 2.1.6 Neofundamentalismus .................................................................... 75 3 Der Dschihad als radikalisierte Ideologie ............................ 83 3.1 Dschihad ............................................................................................. 83 3.2 Wahhabitische Dschihadisten ........................................................... 92 3.3 Dschihadismus als Herausforderung für Europa ............................. 95 4 Islamistischer Terrorismus ................................................. 99 4.1 Definition im Wandel ....................................................................... 100 4.2 Abgrenzung zu anderen Formen nichtstaatlicher Gewalt ............. 107 4.3 Transnationale Wende ..................................................................... 122 4.3.1 Nationaler Terrorismus ............................................................ 122 4.3.2 Internationalisierung des Terrorismus .................................... 123 4.3.3 Transnational: Osama bin Laden und al-Qaida ...................... 127 4.4 Rekrutierung .................................................................................... 134 4.5 Interessiert unterstellte Dritte und Bezugsgruppen ....................... 139 4.6 Neue Gefahr: Home-grown terrorism ............................................. 144 1 Inhaltsverzeichnis 4.7 Terrorismusfinanzierung ................................................................. 144 4.8 Rechtliche Instrumentarien ............................................................. 152 4.8.1 Resolutionen 1368 und 1373 des UN-Sicherheitsrats .............. 152 4.8.2 Europäische Union ................................................................... 153 4.8.3 Österreich .................................................................................. 155 4.9 Conclusio: Territoriale Rückzugsmöglichkeiten .............................. 159 Literaturverzeichnis ............................................................... 165 Abbildungsverzeichnis .......................................................... 177 Anhang .................................................................................. 179 Abstract ................................................................................ 179 Persönliche Erklärung ............................................................. 181 2 Einleitung 1 Einleitung Wer die letzten Jahre aufmerksam die westliche (respektive deutschsprachige) Medienlandschaft verfolgte, wird festgestellt haben, dass terroristische Anschläge bis auf wenige Ausnahmen primär dem islamistischen Terrorismus zuzurechnen sind. Lediglich die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) konnte hier ebenfalls traurige Berühmtheit erlangen. Am aktivsten ist der Terrorismus in Pakistan, Irak und Afghanistan. Aber auch Indien als permanenter Hotspot und seit 2011 auch in zunehmendem Maße Syrien, erscheinen erwähnenswert. Insbesondere Syrien, welches den Irak als Tummelplatz für Dschihadisten abgelöst hat, ist für Europa von großer Relevanz. Erst unlängst ließ ein mutmaßlicher Dschihadist und Syrienrückkehrer, welcher in Syrien für die terroristische Vereinigung ISIS tätig war, mit der Ermordung dreier Menschen im Jüdischen Museum in Brüssel aufhorchen. An diesem konkreten Fall sind zwei Aspekte herausstechend: Erstens handelt es sich bei dieser Tat um den ersten von einem aus Syrien zurückgekehrten Dschihadisten durchgeführten Anschlag in Europa. Zweitens wirft es die Frage nach einem passenden Umgang mit zurückgekehrten Dschihadisten auf. Dass diese Personen nach ihrer Rückkehr ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen (Anschlags-, aber auch insbesondere Rekrutierungsrisiko), liegt auf der Hand. Rechtlich scheint die Sache bisher schwer zu handhaben, da die Spuren der Akteure nur bedingt nachvollzogen werden können (die Standardroute für westliche Dschihaddisten führt über das türkische Adana, wo sich die Spur oft verliert). Durch verschiedene spektakuläre Fälle von minderjährigen im Westen aufgewachsenen Menschen ist die Thematik durchaus im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen (rund 43 Prozent der Deutschen gaben 2013 an „große Angst“ vor terroristischen Anschlägen zu haben) (statista 2013). 3 Einleitung Doch für die Weltbevölkerung fungiert vor allem ein Datum als Beginn dieser Gefahr: der 11. September 2001. Die Anschläge von 9/11 haben das Phänomen Terrorismus für eine große Weltbevölkerung sichtbar und omnipräsent gemacht (Dostal 2008: 189). Dass es sich bei diesen Anschlägen um den Beginn des islamistischen Terrorismus handelt und der Tag gar eine historische Zäsur darstelle, ist natürlich Nonsens. Wie wir bereits gesehen haben (Kap. 2.1), waren die Anschläge von 9/11 keineswegs die Geburtsstunde eines neuen Phänomens, wohl aber waren sie der Auslöser für eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik. Nicht, dass es nicht auch zuvor schon Anschläge in New York City gegeben hätte. Doch letztendlich stellte 9/11 ein gewisses Novum dar: Die Zerstörung der Twin Towers im Herzen der größten Metropole der USA, symbolträchtig für das ganze Land, in Kombination mit der hohen Opferzahl von 3000 Menschen (Schneider 2007: 802) schockierte und veränderte die westliche Öffentlichkeit maßgeblich. US-Präsident Bush reagierte zum einen mit einer Militäroperation in Afghanistan (Operation Enduring Freedom), wo Talibanführer Mullah Omar al-Qaida rund um Osama bin Laden Unterschlupf gewährte, zum anderen mit einer Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen (Gründung der Homeland Security usw.). Auch in der Terrorismusforschung führte dies zu einer regelrechten Explosion an Literatur. Ebenso in der Medienlandschaft, wo es zu einer umfangreichen Thematisierung von Terrorismus kam, sei es in unzähligen Zeitungsartikeln, Journals, TV-Sendungen, Filmen usw. Fast alle Menschen und Institutionen setzen sich mit den potentiellen Gefahren des Terrorismus auseinander. Dies ist darin begründet, dass die evidenten Auswirkungen des Terrorismus (Furcht, Tod und Leid) und zweitens die aus seiner Bekämpfung resultierenden Maßnahmen (verschärfte Sicherheitsvorschriften, mehr Überwachung), das Leben eines jeden Einzelnen tangieren können. Die Begrifflichkeit hat sich im Laufe des frühen 21. Jahrhunderts im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und festgesetzt. Dass der einzelne Bürger jedoch nur eine grobe und unzureichende Vorstellung von der tatsächlichen Semantik dieser Begrifflichkeit besitzt, lässt sich mitunter durch den fast schon inflationären 4 Einleitung Gebrauch dieses Wortes in der globalisierten Medienlandschaft erklären. Dies hängt auch eng damit zusammen, dass sich Terrorismus inzwischen als politischer Kampfbegriff etabliert hat. Folglich wird der Begriff auch zur Denunziation bestimmter Gruppierungen verwendet. Die Motivation dafür ist, Gruppierungen in Zusammenhang mit Terrorismus bzw. Terroristen zu setzen, um diese so abzuwerten und ihnen ihre Unterstützungsbasis – etwa im Ausland - streitig zu machen. Zugleich können dadurch auch rigide Anti- Terror-Maßnahmen mit ausreichender Legitimation ausgestattet werden (Schneckener 2006: 31). So werden unterschiedlichste Ereignisse mit dem Etikett Terrorismus versehen, welche unter genauerer Betrachtung jedoch existenzielle Charakteristika des Terrorismus vermissen lassen. So werden unterschiedliche Geschehnisse wie ein Bombenattentat auf die Infrastruktur eines Landes, die vorsätzliche Vergiftung oder Verunreinigung von Lebensmitteln, die Verunreinigung von Arzneimitteln oder die Ermordung eines Staatsoberhauptes (z.B. Tyrannenmord) unter dem Begriff des Terrorismus subsumiert (Hoffman 2006: 21). Präziser und das Wesen des Terrorismus treffender ist hierbei die folgende Definition, welche Terrorismus als „[…] eine Gewaltstrategie nichtstaatlicher Akteure, die aus dem Untergrund agieren und systematisch versuchen, eine Gesellschaft oder bestimmte Gruppen in Panik und Schrecken zu versetzen, um nach eigener Aussage politische Ziele durchzusetzen“ charakterisiert (Schneckener 2006: 21). Was nun tatsächlich als Terrorismus einzustufen ist, ist also lediglich im Rahmen eines Minimalkonsenses gedeckt. Unbestritten ist die Tatsache, dass es sich beim Terrorismus um einen durch und durch „politischen Begriff“ (Hoffman 2006: 23) handelt. Aus dieser Tatsache resultieren zwei relevante Schlussfolgerungen: Erstens besteht ein enger Zusammenhang zwischen Macht und Terrorismus. Es geht bei Terrorismus immer auch um Macht. Zweitens ist ein Kampf rund um die Deutungshoheit des Terminus ubiquitär. Konkret heißt dies, dass Terrorismus und die ihm nachfolgenden Begrifflichkeiten (z.B. terroristische Vereinigung) je nach Interessenslage 5 Einleitung des Definierenden ausgestaltet werden. Am deutlichsten treten diese Unterschiede im Rahmen der Definition von terroristischen Organisationen zu Tage. So wird etwa die libanesisch-schiitische Partei und Miliz Hisbollah von den Vereinigten Staaten in ihrer Gesamtheit als terroristische Organisation eingestuft (US-Department of State 2014). In dem vom Rat der Europäischen Union an die Öffentlichkeit artikulierten gemeinsamen Standpunkt fehlt die Hisbollah hingegen. Seit dem 22. Juli 2013 wird jedoch der militärische Arm der Hisbollah, namentlich die Hisbollah-Miliz, als terroristische Organisation geführt. Dem ging ein Jahr zuvor ein Terroranschlag auf israelische Touristen im bulgarischen Burgas voraus (Busse/Rössler 2013). Der von der Europäischen Union gelebte Grundsatz, wonach man keine hinreichenden Gründe für eine Klassifizierung der Hisbollah als terroristische Organisation ausmachen könne, steht hierbei vollkommen diametral zur US-amerikanisch/israelischen Linie. Die tatsächliche Definition kann hierbei also große Schwankungen (z.B. USA: terroristische Organisation; Iran: Widerstandsorganisation) aufweisen, je nachdem welcher Akteur befragt wird. Ähnlich kompliziert verhält es sich folglich mit der Abgrenzung zu ähnlichen Phänomenen nicht-staatlicher Gewalt. Was unterscheidet den Terroristen vom Widerstandskämpfer, was vom Guerillero? Diesen fein schraffierten Unterscheidungen werden wir in Folge auf den Grund gehen. 6
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