Spezielle Anorganische Chemie Band 2 SPEZIELLE ANORGANISCHE CHEMIE in Einzeldarstellungen Herausgegeben von Prof. Dr. Armin Schneider, DaisendorflMeersburg BAND 2 FLUORUND FLUORVERBINDUNGEN DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG DARMSTADT 1980 FLUOR UND FLUORVERBINDUNGEN Von Prof Dr. Dieter Naumann Universitat Dortmund Abteilung Chemie Mit 20 Abbildungen und 10 Tabellen DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG DARMSTADT 1980 Aile Rechte vorbehalten (insbesondere des Nachdrucks und der Dbersetzung) Kein Teil dieses Buches darfin irgendeiner Form (durch Photokopie, Xerographie, Mikrofilm, unter Verwendung elektronischer Systeme oder anderer Reproduktionsverfahren) ohne sehrift liehe Genehmigung des Verlages reproduziert werden. Bei Herstellung einzelner VervieWilti gungsstiieke des Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist nach § 54, Abs. 2 URG eine Vergii- tung an den Verlag zu entrichten, iiber deren Hohe der Verlag Auskunft erteilt. © 1980 by Dr. Dietrich SteinkopffVerlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Naumann, Dieter: Fluor und Fluorverbindungen / von Dieter Naumann. - Darmstadt: Steinkopff, 1980. (Spezielle anorganische Chemie in Einzeldarstellungen; Bd. 2) ISBN-\3:978-3-7985-0565-0 e-ISBN-\3 :978-3-642-72344-5 001: \ O. 1007/978-3-642-72344-5 ISSN 0340-2509 (2) Herstellung: Graphischer Betrieb Konrad Triltsch, Wiirzburg Zweck und Ziel der Reihe Die Anorganische Chemie hat in den letzten vier lahrzehnten eine au13erordentlich lebhafte Entwicklung durchschritten: neue Stoftklassen (z.B. metallorganische Verbindungen und intermetallische Phasen, Fluor chemie und Hartstoffe und viele andere) stellen eigene Kapitel dar, die auch in den modemen, umfangreicheren Lehrbtichem praktisch keine Er wahnung find en konnen, die ihrer Bedeutung entsprache. Ihre systemati sche Darstellung ist nur moglich unter Berticksichtigung der parallel ent wickelten, neuen Bindungstheorien auf quantitativer Basis sowie einer modemen Festkorperchemie. - Dazu kommen die Ergebnisse, die aus einer thermochemischen Klassifizierung der Verbindungen bzw. aus der thermodynamischen Gleichgewichtslehre fur das Verstandnis der Existenz und der Stabilitat von Verbindungen z.B. anomaler Wertigkeit oder bei extrem niedriger bzw. hoher Temperatur erwachsen sind. - Allein der Temperaturbereich zwischennahe dem absoluten Nullpunkt und Tempe raturen weit tiber 2000 °C, der heute experimentell mit neuen Methoden beherrscht wird, gibt der Anorganischen Chemie ein vollig neues und ei genes Geprage. Die Aufgabe, die sich F. Ephraim's Lehrbuch der Anorganischen Che mie (letzte 5. vermehrte und verbesserte Auflage, Verlag Theodor Stein kopfJ, Dresden und Leipzig, 1934, englisch 1926 -1956) gestellt hatte, ist heute praktisch von einem einzelnen Autor nicht mehr zu bewaltigen: namlich, "die ersten Kenntnisse chemischer Tatsachen als bekannt voraus zusetzen", und dann "die zahlreichen Einzeltatsachen durch sinngemaJ3e Gruppierung in logischen Zusammenhang einzuordnen". - Die moder nen, komplizierten experimentellen Methoden, die Ftille der Einzeltatsa chen und der neu bekannt gewordenen Verbindungen, sowie die quantita tive Auswertung dieses gesamten Erfahrungsmaterials verlangen vielmehr neben dem einfuhrenden Lehrbuch ein kompetentes Spezialwissen von . Sachbearbeitem und eine aus dies em gewonnene Darstellung der einzel nen bestimmten Teilgebiete. Das Sammelwerk solI also - unter der Voraussetzung des Stoffs tib licher Lehrbticher - fortgeschrittene Studierende der Chemie und be nachbarter Facher (Physik, Mineralogie, Htittenwesen, Glas, Keramik etc.) bekannt mach en mit den verschiedenen Sondergebieten der Anorga nischen Chemie und deren Problemen, Methoden und Ergebnissen. leder Band solI einzeln erworben werden konnen und somit auch Fach genossen der Industrie zur Einarbeitung und erst en Ubersicht tiber neue V Entwicklungen auf Spezialgebieten dienen. - Zum weiterfUhrenden Ver sUindnis solI besonderer Wert auf eine jeweils moglichst vollstandige Zu sammenstellung der einschlagigen neuesten Literatur gelegt werden. Die Reihe der Einzeldarstellungen ordnet sich somit ein zwischen die bekannten einfUhrenden Lehrbucher und die erschopfenden Literaturaus wertungen der Handbucher wie z. B. Gmelin's Handbuch der Anorgani schen Chemie. - Damit ergibt sich auch die Aufgabe fUr Herausgeber und Verlag, durch laufende Erganzung der erschienenen bzw. in Vorberei tung befindlichen Bande sich der aktuellen, letzten Entwicklung des Er kenntnisstandes der Anorganischen Chemie anzupassen. Herausgeber und Verlag VI Vorwort Das Element Fluor nimmt unter allen Elementen aufgrund seiner extre men Eigenschaften eine Sonderstellung ein. Seine hohe Elektronegativitat und die kompakte Elektronenhiille bewirken besondere Bindungsverhiilt nisse in den anorganischen und organischen Fluorverbindungen. Daher hat sich die Fluorchemie schon langst zu einem eigenstandigen Gebiet entwickelt. Nachdem elementares Fluor auch kommerziell erhaltlich ist, und bedingt durch die Entwicklung fluorresistenter und leicht bearbeitba rer Materialien sowie durch die Verbesserung und Entdeckung zahlreicher Analysenmethoden hat die Fluorchemie in den letzten 30 Jahren eine stiirmische Entwicklung erlebt. Ziel des vorliegenden Bandes soIl es daher sein, die heutigen Kenntnisse in iibersichtlicher, leicht verstandlicher Form zusammenzufassen und auch demjenigen einen schnellen Uberblick zu verschaffen, der noch nicht so vertraut mit der Fluorchemie ist. So werden im 1. Teil dieses Buches einige allgemeine Aspekte behandelt, im 2. und 3. Teil werden die Fluor verbindungen der Haupt- und Nebengruppenelemente beschrieben. Zahl reiche Literaturzitate sollen es dem Leser erleichtern, sich in die jeweiligen Spezialgebiete einzuarbeiten. Urn den Umfang in einem iiberschaubaren Rahmen zu halten, kann auch die angegebene Literatur, die z. T. bis Ende 1978 beriicksichtigt ist, nicht vollstandig sein. Hier sei auf die Ubersichts artikel verwiesen. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof Dr. Dr. h. c. M. Schmeif3er flir viele wertvolle Diskussionen und die kritische Durchsicht des Manuskrip tes sowie Frau M. Pieper flir das Schreiben dieser Arbeit. Dortmund, im Sommer 1979 D. Naumann VII Inhalt v Zweck und Ziel der Reihe Vorwort . ...... . VII Erster Teil: Allgemeine Eigenschaften von Fluor und Fluoriden 1.1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Vorkommen, Herstellung und Reinigung von elementarem Fluor. . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3. Eigenschaften von Fluor. . . . . . . 5 1.4. Handhabung von Fluor und Fluoriden 9 1.5. Fluorierungsmittel . . . . . . . . . 11 1.6. Analytische Bestimmung von Fluor und Fluoriden 13 Zweiter Teil: Fluoride der Hauptgruppenelemente 15 2.1. Fluorwasserstoff 15 2.2. Halogenfluoride. 18 2.3. Edelgasfluoride. 32 2.4. Sauerstoffiluoride und Fluoroxyverbindungen 42 2.5. Fluoride von Schwefel, Selen und Tellur . . . 50 2.6. Stickstoffiluoride . . . . . . . . . . . . . 60 2.7. Fluoride von Phosphor, Arsen, Antimon und Wismut 64 2.8. Kohlenstoffiluoride. . . . . . . . . . . . . . 75 2.9. Fluoride von Silizium, Germanium, Zinn und Blei. . 78 2.10. Borfluoride. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2.11. Fluoride von Aluminium, Gallium, Indium und Thallium. 91 2.12. Erdalkalimetallfluoride 97 2.13. Alkalimetallfluoride. . . . . . . . . . . . . . . .. 100 Dritter Teil: Fluoride der Nebengruppenelemente 103 3.1. Fluoride von Kupfer, Silber und Gold 103 3.2. Fluoride von Zink, Cadmium und Quecksilber 108 IX 3.3. Fluoride von Scandium, Yttrium, Lanthan und den Lanthaniden . . . . . . . . . . . . . . 110 3.4. Fluoride der Aktiniden 113 3.5. Fluoride von Titan, Zirkonium und Hafnium 118 3.6. Fluoride von Vanadin, Niob und Tantal 124 3.7. Fluoride von Chrom, Molybdan und Wolfram 132 3.8. Fluoride von Mangan, Technetium und Rhenium 140 3.9. Fluoride von Eisen, Kobalt und Nickel 146 3.10. Fluoride der Platinmetalle . . . . . . 151 Allgemeine Literaturhinweise 158 Abkurzungen . 158 Formelregister . 159 Sachregister. . 169 x ERSTER TElL Allgemeine Eigenschaften von Fluor und Fluoriden 1.1. Einleitung Fluor bildet mit allen Elementen auBer den leichten Edelgasen Helium, Neon und Argon eine Vielzahl von Verbindungen. Als elektronegativstes Element iiberhaupt liegt Fluor in allen Verbindungen ausschlieBlich in der formalen Oxidationsstufe - 1 vor. Element-Fluor-Verbindungen wer den daher stets als Fluoride der betreffenden Elemente bezeichnet; die Element-Fluor-Bindungen konnen jedoch von weitgehend ionisch bis hin zu weitgehend kovalent variieren. Fluor ist in der Lage, Elemente in Ver bindungen in ihren hochstmoglichen Oxidationsstufen zu stabilisieren. Obwohl die Existenz von Fluoriden schon lange Zeit vorher bekannt war, konnte elementares Fluor wegen seiner extremen Reaktivitat erstmals am 26.6. 1886 von H. Moissan isoliert werden. In den folgenden lahren bis etwa 1940 haben dann insbesondere H. Moissan und spater auch O. Ruff zahlreiche anorganische Nichtmetall- und Metallfluoride synthetisie ren und charakterisieren konnen. Viele thermochemische Untersuchungen wurden von H. von Wartenberg durchgefuhrt. Diese Pionierarbeiten sind besonders bemerkenswert, da fur die Handhabung von Fluor und den meisten Fluoriden erst spezielle Arbeitstechniken entwickelt werden muB ten. Wahrend des 2. Weltkrieges erfuhr die anorganische und organische Fluorchemie einen enormen Aufschwung. Natururan wurde als Uran hexafluorid in seine Isotopen getrennt; zahlreiche fluorierte Ole, Fette und Polymere wurden entwickelt, die gegen Fluor und Fluorverbindungen resistent sind; die Ausnutzung der hohen Oxidationskraft von Fluor und Fluorverbindungen fur Antriebsstoffe wurde untersucht, etc. Die wahrend dieser Periode gemachten Entdeckungen wurden nach Kriegsende einem groBeren Kreis von Forschungsgruppen zuganglich. Elementares Fluor kam in Stahlflaschen in den Handel, so daB das Arbeiten mit Fluor er leichtert wurde. Daher konnten viele Probleme der Fluorchemie erst in den letzten dreiBig lahren in Angriff genommen und geklart werden. Erst Anfang der 50er Jahre gelang es, die Bindungs-Dissoziations-Energie des Fluormolekiils experimentell zu bestimmen. Die Aufklarung von Struktu ren und Mechanismen wurde durch die Entwicklung neuer und die Ver besserung schon bekannter Analysenmethoden erleichtert. Apparative