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Fluchtpunkt Musik: Reflexionen eines Dirigenten zwischen Ost und West PDF

199 Pages·1994·34.57 MB·German
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FluchtpunktMusik Peter Giilke Fluchtpunkt Musik Reflexionen eines Dirigenten zwischen Ost und West Barenreiter J. B. Metzler Gemeinschafrsausgabeder Verlage Barenreieer,KasselundJ.B.Metzler,StuttgartundWeimar DieDeutscheBibliorhek- CIP-Einheitsaufnahme Gwlke,Peter: Fluchtpunkt Musik:ReflexioneneinesDirigentenzwiS(;hen OstundWestIPeterGiilke.- Kassel,Barenreiter;Stuttgart; Weimar :Metzler, 1994 ISBN 978-3-7618-1198-6 (Barenreiter) ISBN 978-3-476-01209-8(Metzler) ISBN 978-3-476-03539-4(eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03539-4 DjesesWerkeinschlieglichaller seinerTeileist urheberrechtlichgeschurzt. JedeVerwertungauBerhatbderengenGrenzendesUrheberrechtsgeseraesist chneZustimmungdesverlagesunzulassigundsteafbae.Dasgiltinsbeson dere fur Vervielfalrigungen, Dbersemmgen, Mikroverfilrnungen und die Emspeicherungund VerarbeitunginelekrrcnischenSystemen. @ 1994 Springer-VerlagGmbH Deutschland Ursprunglich erschienen bei Barenreiter-Verlag Karl Votterle GmbH & Co. KG, Kassel und J. B. Metzlersche 1994 Inhalt . , JeSUtSmon passe . 1 Dort, wo du nicht bist .. 3 Stallwarrne .. 5 Fortgehen,Ankommen .. 7 Sij'etaisroi(9.II.l992) .. 10 Aneinandervorbei .. 11 Rocco . 15 Der Wegausdem Schweigen .. 16 Allmacht und Ohnmacht .. 18 Welche Treue ?(lO.II.) . 20 Wachsen undMachen .. 21 DerPatriarch . 24 Das Quintett .. 30 Schwanengesang . 32 DieProtestantin . 33 Der leereStuhI . 37 1mRegen .. 38 Abseits . 39 Die Versammlung (1l.II.) . 42 OffeneTempi . 43 ZerbrocheneSonate, erneuerteMusik .. 45 Adagietto . 48 BiographiealsWerk,WerkalsBiographie . 51 Lobder Langsamkeit . 54 Kraft desMeinens .. 60 v Lotte (12.II.) 68 DerAbsolutist 69 Spoletta 70 SirJohn............................................................................. 72 DerEinsatzkiinstler 73 Dialogin der Grabenschiinke (13.II.) 76 DerEinverstandene 82 Verhor 83 Torquemadas klaglicheErben 88 PervertierteTrauerarbeit 92 RealeKonjunktive 96 Vorzimmertraume 100 Condottiere (14.II.) 102 Musikund Macht 104 Avantgardistisch wofiir? 107 Jubeln solltihr! 110 MusikimWiderstand 114 Beifshemmung 116 DerLiedersanger 120 Ernste Gesange.................................................................. 121 Der Schuppen (15.II.) 130 DerSchwager 132 WeimarischeFamilienchronik 141 DieWerkstatt.................................................................... 146 Tonlehre 151 Proserpina 165 Suleika 176 Fidelitedeseuenements 186 VI Der Verfasser dieser »Reflexionen- lebte und arbeitete bis zum Pruhiabr 1983 in der DDR, zuletzt als Ceneralmusikdirektor in Weimar, wo erauch geboren wurde undaufgewachsen ist. Neun Jahre nachseinem abruptenAbschiedhaterin Weimarwiederein Konzertdirigiert. Dieser Anlap, obwohlunterden neuen Umstdn den nichtmehraupergewohnlich, erschien ihm mitsamtdem Um feld- dem WiedersehenmitMusikern,Kollegen, Bekannten,Freun den,dem BesuchderklassischenStdtten,neubelebtenErinnerungen - aupergewohnlich genug, um in einem Tagebuch re{lektiert zu werden. Dessen Spuren findet der Leser in der Datierung einiger Abschnitte, die den Aufzeichnungen ein von persimlichen Begeg nungen geschaffenes Geriist geben. Die Spannweite des in den Weimarer Tagen Erlebten und dessen, was sie anregten, war zu grop, als dap der Schreibende das Resultat noch als »Tagebucb bezeichnendiirfte.Sosahersichangewiesenaufeinensehrallgemei nen Hauptnenner, den - inhistorischen, dsthetiscben, politischen, musikalischen, privaten Re{lexionen und deren Vermischung unbescheidenbreitgefiicbertenVersucheinesausWeimarstammen den Musikers, dorthin heimzukehren. VII Je suis man passe Vor neun]ahren»gezwungen,dieDDRfreiwilligzuverlassen- (so die Formulierungeines Schicksalsgenossen) hatte ich »Fidelio« zu dirigieren.Undjetzt, imFebruar'92,wieder.Damalsdortnieganz abgefahren, hier nie ganz angekommen, konnte ich jetzt zuriick, ohneabfahrenzu miissenwiedamals;dieKategorien Abfahrtund Ankunft aber gelten nicht mehr wie vor neun ]ahren und sind dennoch unerledigt. Eben erklart der Regisseur, der Schluf des »Fidelio« habe mit Utopie und Offnung in ein besseres Morgen wenig zu tun, die da »HeilseidemTag, HeilseiderStunde« sangen,seiendazu gepreBt und sollten von eilig verteilten Blattern ablesen. Ich kenne das thearralischeSchwelgen imEntlarvenvon Hoffnungen,diePrahle rei mit vermeintlich aufgeklarter Illusionslosigkeit und miBtraue demalsFlucht nach vorn vor unsererUnfahigkeitzurNaivitatund weilessichgegenLeuterichtet,diemitdenhumanenTraumen,den erschwindelten Wahrheiten desTheaters ohnehin nichts im Sinne haben. Heute ganz und gar erscheint es mir selbstbetriigerisch toricht,ahnlichderaktuellenRedevom»EndederGeschichre«.Wir arbeitenhierkeineAutostundeentferntvonderfriiherenjugoslawi schen Grenze. Ich hore mich schwerfallig dagegenreden und registriere, daB meinen Argumenten das Umfeld gemeinsamer Erfahrungen und Begriffe fehlt: ich sei Blochianer und wiiBte, weshalb; schlieBlich gebe es das Trompetensignal etc. Mein Kontrahent verzeiht die Kindereien.DaBnichtirgendeinergesagt hat, man solieden »Trau men seiner ]ugend ... Achtung tragen« und Beethoven wie kein andererMusikereinBeispielsolcherAchtunggegebenhabe, behalte ich schon fiir mich. Unser Minimalkonsens betrifft das unheiter Angestrengte, Militante des SchluBjubels, die Nahe zum Terroris musder Gliicklichen,dieden hinausdrangen,der nichteinstimmen kann-Schillers»...undwer'sniegekonnt,derstehle/weinendsich ausdiesem Bund«,das Beethoven inder Neuntengenaugenommen 1 -unkornponiert-,vomStrophenmechanismusgedecktpassierenlieK Ein Bezugauf den politischen Fatalismus inSartres »Raderwerk« bringt uns wieder auseinander; mit dem Hinweis, daB Beethoven bei »0 Gott, welch ein Augenblick« seine Kantate auf den Tod Josephs II.zitiertund diezugehorigenWorte »dastiegendieMen schen ans Licht«nahezu horbar mitgedachterscheinen, richte ich wenig aus. Ohne noch davon zu reden, daB jeder ambitionierte Stuckschluftranszendieren,dieGrenzenderfurdiesesWerk,diesen Abend geltenden Spielverabredungtendenziell iiberspringen muB, halte ich mich an die Trompete, an »Es sucht der Bruder seine Bruder- - als Botschaften, die nicht in Zweifel gezogen werden miissen, weil vielleicht eines Tages auch des Ministers Regime degenerieren werde - vorderhand bezeichnet die Intervention des durch »des besten Konigs Wink und Willen« Entsandten den geschichtlichenAugenblickdesJosefinismus,das seinerzeit hochst ErhoffbareundErreichbare;ichvertrauedarauf,auchimGedanken an die Dresdner Auffuhrung vom Herbst '89, daB die Chiffre »Fidelio- heute wieder anders, konkreter gelesen wird und der Hoffnungsdruck,dervor200JahrenBouillyfTreitschkesKolporta ge adelte, zugleich denjenigen formuliert, der die Menschen in Leipzig, Berlin, Prag auf die Strafsen trieb. Da war die zunachst scheinbar chancenlose, -unrealistische-Hoffnung nicht mehr nur entschuldbar -rnenschlich-, sondern, indem sie Realitaten schuf, klug und realistisch.Und die friihere, Entfremdungen ausgesetzte Hoffnungwarkeinegrundsatzlichandere,auch sie-gurig-geschaf tig-,aufrichtend, trostend, getreten, verbogen, gewif zu mancher rettendenSelbsttauschungund dazu einladend,einLebenalsunei gentlich und vorlaufigzubegreifen, das jetztalsschwerverstandli cher Irrtum,eine krude Fehlinvestition, als kostspieligerTreppen witzder Geschichteerscheintund dazu auffordert,Verantwortung fur diesesStuck Leben loszuwerden. »Je suis mon passe- - aber welches? Die DDR vom Friihjahr 1983 wareineanderealsdiesechsjahresparerdelirierende,dieich, obwohl ausgeschlossen, ebenfalls fur mein »passe- beanspruche. Die mit Mauer, Wachturmen, Stacheldraht, Laufhunden gegen mich abgesperrte Heimat war eine andere als die, in die ich nun jederzeitreisenkann- selbstwenn ichdiejiingstenVeranderungen ubersahe,UnddieselbenUmstande,Ereignisse,Erlebnisse hattenje 2 andere Gesichter fur den, der dort lebte, ftir den Fortgegangenen und fur den, der wie ein Kartenhaus zusammenbrechen sah, was vordemlebenslanglichverordnetschien.Ergehortezuihrwiesiezu ihm,ermufsie,allennunmehrerwiesenenScheinhaftigkeitenzum Trotz,alsgeweseneWirklichkeitbejahen,nachSinn undNotwen digkeitbefragen,urnsein»passe«,seineGeschichteaufzufinden,urn sich in einander tiberkreuzenden, widersprechenden Geschichten zusammenzusuchen. Dart, wo du nicht bist TiefurthattemichschonvorzweiJahrenbelehrt,welcheHeimkehr esnichtgibt, Ich hattedie Stadtostlichumfahren und ebendiesen Einstieggesucht,der vornLebensklimadesHofesder AnnaAmalia am meisten bewahrt. Die Sonne hing ziemlich tief im milchig dunstigen Himmel; SchloB, Kirche und kahle Baumewarfen, vom Hang oberhalb des Ilm-Bogens gesehen, lange Schatten tiber die groBeWiese,dasgrimgelbeLicht paBtezudemSchwefelgeruch,der sich aufdieBrustlegte. Die Idylle lageingezogen,wie unerreichbar unter der Dunstglocke; das heruntergekommene Musentempel chen, wo Corona Schroter die »Fischerin« kreiert hatte, stand verloren,von der eigenenOrtlichkeitimStichgelassen.Vormirdie gurgelnde,schnellflieBende Ilm, aufder sich Enten treiben lieBen, jetztvorallemder heraklitischeFluB:»Wirsteigenindenselbenund dochnichtindenselben;wirsindes(noch)undsindesdochnicht.. Fatale Emigranten-Wehmut, die auf die Unerreichbarkeit der Heimat angewiesen ist, auf ein von storenden Realien gereinigtes Erinnerungsbild,dasanderheraklitischenErfahrungvorbeimogeln hilft und der von Schiller nachsichtig denunzierten »Riihrung nahekommt: »...bezeichnetdiegemischteEmpfindungdes Leidens und der Lust am Leiden. Ruhrung kann man also nur dann tiber eigenes Ungliickempfinden,wennderSchmerztiberdasselbegema Bigtgenugist,urnderLustRaumzulassen,dieetwaeinmitleidender Zuschauerdabeiempfindet.DerVerlusteinesgroBenGutesschlagt uns heute zu Boden, und unser Schmerz riihrt den Zuschauer; in einemjahrerinnernwir uns dieses LeidensselbstmitRuhrung.. Schillers »Lust- arbeitet dem Heimweh trefflich zu: Enten im 3

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