S3C6H R NATURWISS VER SCHLESW-HOLST 7 0S C H M Ö36L-C5K5 E U N KDie Nl IXKIIU-2L0IN08A REVIEW Fischhaltung im antiken Rom und ihr Ansehenswandel im Licht der politischen Situation U. Schmölcke Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schleswig E. A. Nikulina Institut für Geowissenschaften an der Christian-Albrecht-Universität, Kiel Die ersten Hinweise auf die Haltung von Nutzfischen im antiken Italien stammen aus dem 2. Jh. v. Chr. Zunächst waren es Süßwasserbecken, in denen Bauern Fische zum Verzehr zogen. Zu Anfang des 1. Jh. v. Chr. begann die kommerzielle Zucht von marinen Fischen in Meerwasserbe- cken von Angehörigen der Oberschicht. Schon bald wurden Fische darin vor allem zur Zierde gehalten. Die Meerwasserbecken erreichten in der Folge immer größere Ausmaße und nahmen im 1. Jh. n. Chr. weite Ab- schnitte der mittelitalienschen Westküste ein. Während der Betrieb eines Süßwasserteiches durchweg ein positives Image hatte, unterlag das An- sehen von Meerwasserbecken einem Wandel. Zunächst galt das öffentli- che Bekenntnis zur Haltung von teuren Zierfischen als eine Provokation oder als Protest gegen überkommende Vorstellungen von Tugend und Anstand. Damit wurden die Fischhalter Personifizierungen der gravieren- den Strukturveränderungen innerhalb der römischen Oberschicht. Sie schufen mit ihrem Handeln eine neue Mode, der immer mehr Wohlhaben- de nacheiferten. Der Betrieb von Meerwasserbecken entwickelte sich seit der Mitte des 1. Jh. v. Chr. zu einem Statussymbol einer elitären Ober- schicht. Für etwa einhundert Jahre wurde Fischhaltung ein integraler Be- standteil gehobener römischer Lebensweise, nicht selten mit Hang zur Verschwendung und Dekadenz. In der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. forderte die neue Flavische Dynastie Bescheidenheit und Sparsamkeit. Nachfolgend verlor die Fischhaltung als Mode rasch an Bedeutung. Piscinarii, Kulturgeschichte, Vivarien, Römische Republik, Römische Kaiserzeit EINLEITUNG Fischhaltung war ein wichtiger quellen aus der Epoche von 100 v. Bestandteil der antiken römischen Chr. bis 100 n. Chr. Einzelheiten Kultur. Dafür sprechen zahlreiche römischer Fischhaltung und techni- archäologische Befunde und Schrift- sche Details zur Anlage von Fisch- SCHRIFTEN DES NATURWISSENSCHAFTLICHEN VEREINS FÜR SCHLESWIG-HOLSTEIN EINGEGANGEN 20-09-2008 REVIDIERT 11-12-2008 ONLINE 18-12-2008 © 2008 Autoren FISCHHALTUNG IM ANTIKEN ROM 37 becken überliefern insbesondere dieser Aspekt der antiken Kultur in Varro (Rerum rusticarum de agri der modernen Forschung nur einen cultura), Columella (De re rustica) bescheidenen Platz. Wenige For- und Plinius Maior (Naturalis historia). schungsbeiträge befassen sich mit In dieser Zeit bestanden bedeutende dieser Thematik. Diese wissenschaft- Kenntnisse über Bau und Unterhal- lichen Abhandlungen stellen histori- tung der Becken sowie hinsichtlich sche Persönlichkeiten (Kajava 1998- der Bedürfnisse der darin gehaltenen 1999; Blanck 1999), archäologische Fische. Befunde (Giacopini et al. 1994; Hig- Während der römischen Antike ginbotham 1997; Belelli Marchesini war Fisch durch alle gesellschaftli- 1999) oder einzelne Arten (Corcoran chen Schichten eines der wichtigsten 1963) ins Zentrum ihrer Betrachtun- Nahrungsmittel. Zahlreiche Fisch- gen. Corcoran (1959) und Kron knochen, Zubehör der Fischerei und (2008) beleuchten überdies ökono- Überreste fischverarbeitenden Ge- mische Fragen der Fischhaltung. werbes belegen dies. Seit etwa 80 v. In der vorliegenden Studie sollen Chr. wurden einige Fischarten auch einige weitere Teilaspekte erfasst zu Haustieren, die man außer aus werden, die bislang in der Forschung kommerziellen auch aus Mode- und wenig Beachtung fanden. Zunächst Prestigegründen hielt (Blanck 1999). werden die Methodik der antiken Fischhaltung wurde zu einem weit Fischhaltung sowie die damals ge- verbreiteten gesellschaftlichen Phä- haltenen Fischarten dargestellt. Im nomen (Higginbotham 1997). Mittelpunkt stehen jedoch Untersu- Im Gegensatz zur damaligen Be- chungen zum öffentlichen Ansehen deutung der Fischhaltung findet dieses kulturellen Aspektes. BAUART UND BESTIMMUNG RÖMISCHER FISCHBECKEN Bauart und Einrichtung nissen, die geometrischen Formen waren auch der Funktionalität der Die Römer hielten ihre Fische Becken geschuldet, zum Beispiel, stets in gemauerten oder betonierten um eine gleichmäßige Durchströ- Bassins, die allgemein vivaria oder mung mit frischem Wasser sicher- speziell auf Fische bezogen piscina zustellen. genannt wurden. Die meisten Be- Ein häufiger Bestandteil größerer cken waren langgestreckt und recht- Fischbecken waren die dem Haupt- eckig, es gab aber auch runde, halb- teich nebengeordneten und mit ihm kreis- sowie rauten- oder ф-förmige sowie untereinander verbundenen (Giacopini et al. 1994; Higginbotham Zusatzbecken. Sie finden sich so- 1997). Wie es dem Architekturstil der wohl bei Süßwasser- als auch bei Zeit entsprach, waren die Fischteich- Meeresbecken und wurden ebenfalls anlagen durchweg von strenger streng geometrisch, zum Beispiel Symmetrie (Abb. 1, 2). Damit folgte rautenförmig, um den Hauptteich man nicht nur ästhetischen Bedürf- herum angelegt. Diese kleinen Sepa- 38 SCHMÖLCKE UND NIKULINA Abbildung 1 Grundriss eines römischen Fischbeckens aus Monteverde bei Rom, frühes 1. Jh. v. Ch. In die Wände sind amphorenförmige Nischen als Verstecke für die Tiere integriert. Die kreisförmige Anlage in der Mitte wurde nachträglich in das Becken gebaut. (Mancini 1924) rationsbecken sind typisch für kai- kultivierenden Fischarten wurden serzeitliche Teichanlagen, aber man- sandige oder felsige Küstenabschnit- che Fischhalter haben entsprechen- te gewählt. In besonders strömungs- de Unterteilungen schon Mitte des starken Bereichen sind die Becken 1. Jh. v. Chr. angelegt und genutzt meerseitig mit aufgemauerten Barrie- (Plinius Nat. 9, 171; Varro Rust. 3, ren versehen, um sie vor Brandung 17, 3-4). Obwohl die antiken Quellen zu schützen (Columella Rust. 8, 17, über ihre Funktion wenig Auskunft 3; Giacopini et al. 1994; Belelli Mar- geben, deuten sie auf eine Trennung chesini 1999). Oftmals sind in felsi- verschiedener Arten hin (Varro Rust. gen Küstenabschnitten auch natürli- 3, 17, 3-4). che Klippen oder Felsenriffe in die Der Errichtung von Meerwasser- Anlage integriert (Giacopini et al. becken gestaltete sich im Vergleich 1994). Auf den pontinischen Inseln zu Süßwasserteichen wesentlich Ventotene und Ponza vor der Küste komplizierter. Zumeist befanden sie Kampaniens mit ihren besonders sich an flachen Küstenabschnitten, steilen Küsten sind die Becken sogar die künstlich planiert und verfestigt als künstliche Höhlen in das anste- wurden (Abb. 3; Columella Rust. 8, hende Gestein hineingesetzt (Hig- 17, 3). Je nach Spektrum der zu ginbotham 1997). Diese Form eines FISCHHALTUNG IM ANTIKEN ROM 39 Fischbeckens mit gewölbter Decke, die Wände eingemauerte Amphoren umlaufendem Wandelgang, unsicht- oder andere Tongefäße (Abb. 1), bar durch den Felsen verlaufenden kleine höhlenartige Aussparungen im Versorgungskanälen und Treppen- Gemäuer oder seitliche Vorsprünge zugang zur zugehörigen Villa stellt des Beckenrandes (Abb. 2). Es wird die teuerste und aufwändigste Form deutlich, dass bereits im Vorfeld römischer Fischteichanlagen dar geplant wurde, welche Arten in dem (Higginbotham 1997). Augenfälliger zu errichtenden Becken gehalten waren jedoch die großen auf Mas- werden sollten. Dementsprechend senhaltung angelegten Meeresbe- variieren Größe und Gestalt der cken, die im 1. Jh. v. Chr. an man- schattenspendenden Elemente. chen mittelitalienischen Küstenab- Columella, von dem genaue An- schnitten mehr Raum einnahmen, als weisungen für Fischkulturen überlie- die naturbelassenen Strandabschnit- fert sind, rät zudem, nach Abschluss te (Horaz Carm. 2, 15, 2-4). des Baus und vor dem Einsetzen der Auf die Einrichtung der Becken Tiere Felsen, die möglichst mit Al- wurde besonderer Wert gelegt (Co- genbewuchs bekleidet sind, im Be- lumella Rust. 8, 17). Dabei ging es cken zu verteilen, damit die einge- vor allem um bauliche Maßnahmen schlossenen Fische die Gefangen- zum Schutz der Fische vor direkter schaft möglichst wenig spüren Sonneneinstrahlung. Dazu dienten in (Columella Rust. 8, 17, 6). Abbildung 2 Fischbecken bei Circeo, südöstlich von Rom. Die Anlage ist in sieben mit Gittern getrennte, unterschiedlich große und mit zahlreichen Wandnischen ausge- stattete Einzelbecken unterteilt. Die Gitter ließen sich entfernten. Durch eine bodenna- he Öffnung (A) konnte bei Bedarf frisches Brackwasser in das Becken geleitet werden. Kombiniert mit einem oberflächennahen Abfluss (B) war eine stetige Durchströmung des Beckens möglich. (Chiappella 1965) 40 SCHMÖLCKE UND NIKULINA Abbildung 3 Komplex von Meerwasserbecken auf Zypern. Das Zentralbecken (1) hatte drei Zuleitungskanäle (2), deren Eingänge bewegliche Steinplatten zur Regulati- on des Einstroms aufweisen. Bei zwei Zuleitungstunneln (3) befinden sich diese Schleusen an der Einmündung ins Zentralbecken. Hier ist das Becken durch künstli- che Vorbauten (4) gegen starke Brandung abgesichert. Ein weiteres Becken (5) be- fand sich neben einem Kanal, ein drittes unterteilte vermutlich einen Kanal. (Nicolaou and Flinder 1976, verändert) Wasserversorgung Archäologische Befunde, die Higginbotham (1997) und Giacopini Die Qualität des Wassers war et al. (1994) zusammengetragen ha- von entscheidender Bedeutung für ben, erlauben, die Wasserversor- eine längerfristige Fischhaltung. gung der Becken zu rekonstruieren. Aufgrund der hohen Besatzdichte Reine Süßwasserbecken auf dem verschmutzte es rasch, und in der Lande waren an einen nahen Fluss sommerlichen Hitze litten die Fische oder eine Quelle angebunden. In den in den Becken leicht an Sauerstoff- Städten erfolgte eine Versorgung mangel und Hitzestress. Aus diesem über das innerstädtische Frischwas- Grund legen antike Quellen nahe, sersystem mit seinen Zisternen und sowohl den Ort als auch die Ausstat- Abwasserkanälen. Für die Anlage tung eines Teiches sorgfältig zu von Meeresbecken galten ähnliche planen (Columella Rust. 8, 17). Grundvoraussetzungen. Als geeig- FISCHHALTUNG IM ANTIKEN ROM 41 nete Standorte galten ruhige, aber Formen annehmen (Abb. 3). Auf- wind- und strömungsbeeinflusste grund der bei den Römern verbreite- Buchten im Mündungsgebiet eines ten Ansicht, dass sich Fische in ver- Flusses, der die Versorgung der dünntem Meereswasser wohler fühl- Becken mit Wasser gewährleistete ten (Columella Rust. 8, 16, 2-3), (Giacopini et al. 1994; Belelli Mar- wurde künstlich Süßwasser in die chesini 1999). Meeresbecken geleitet. Die Erklä- Über speziell angelegte Rohre rung für diese Meinung könnte die floss frisches Wasser zu und ver- ständig steigende Salinität in den schmutztes und überhitztes ab. Da- Becken sein, die aus der hohen durch wurde eine stetige leichte Verdunstungsrate resultierte. Bei Strömung innerhalb des Beckens schlechtem Wasseraustausch konnte erzeugt. In manchen Fällen gelangte das in kurzer Zeit zu Übersalzung das durch einen Kanal herangeführte der Becken führen. Die Zuleitung von Frischwasser zunächst in ein vorge- Süßwasser sollte die Verdunstungs- schaltetes Sedimentationsbecken. verluste kompensieren. Zur Sicher- Über die Kante dieses Absatzbe- stellung der Süßwasserversorgung ckens lief das Wasser in den eigent- auch während des niederschlagsar- lichen Fischteich (Pedley 1990). men Hochsommers wurden zum Teil Meist aber finden sich die Einströ- spezielle Zisternen errichtet, die über mungsöffnungen der Rohre im Zuleitungen an die Meeresbecken archäologischen Befund an der Basis angebunden waren (Giacopini et al. der Fischbecken, so dass der 1994; Belelli Marchesini 1999). Bei Frischwassereinstrom am Grunde einigen Anlagen finden sich strahlen- des Beckens erfolgen sollte (Higgin- förmig angelegte Kanalsysteme botham 1997; Abb. 2). Der Brauch- (Abb. 3), die vermutlich den Eintritt wasserablauf am oberen Beckenrand von frischem Meereswasser bei stellte den ständigen Wasseraus- unterschiedlichen Wind- und Strö- tausch sicher (Columella Rust. 8, 17, mungsrichtungen sicherstellen soll- 3). Dem Entkommen der Fische ten (Belelli Marchesini 1999). Um beugte man durch Einsetzen bron- marine Fischarten auch in Teichan- zener Gitter (Columella Rust. 8, 17, lagen auf dem Land halten zu kön- 6) oder perforierter Steinplatten (Be- nen, wurde in Einzelfällen Seewas- lelli Marchesini 1999) in den Kanal- ser über größere Distanzen und eingang vor. Das Zu- und Ablei- durch geologische Hindernisse land- tungssystem konnte bei Meeresbe- einwärts geleitet (Varro Rust. 3, 17, cken ausgesprochen komplizierte 9; Plinius Nat. 9, 170). DIE FISCHARTEN Varro, Columella und Plinius Meeresfische. Namen von Süßwas- Maior, jene drei antiken Autoren, die serfischen, die für die Teichwirtschaft sich ausführlich mit der Teichfisch- geeignet sind, werden in den Quellen haltung beschäftigen, nennen im nicht genannt. Die damals in der Kontext von piscinae insgesamt 15 Teichwirtschaft genutzten Arten 42 SCHMÖLCKE UND NIKULINA waren mit großer Wahrscheinlichkeit Die antike Angabe, im nördlichen die häufigen und weitverbreiteten, in Gallien lebende Muränen hätten auf jedem Bach, Fluss und See leben- der rechten Seite sieben Flecken den und somit jedem antiken Leser (Plinius Nat. 9, 76), führte im 20. Jh. ohne Namensnennung unmittelbar zu der Behauptung, bei den murena vorschwebenden Arten. Hier zeigt der römischen Fischhalter handele sich, dass es in erster Linie Meeres- es sich um Neunaugen (Petromyzon- fisch war, den die Römer schätzten tidae; Corcoran 1963; Higginbotham (Plinius Nat. 32, 20). 1997; Kajava 1998-1999). Neunau- Am häufigsten wird die murena gen sind jedoch schwierig zu halten- genannt, ein in großen Stückzahlen de Nahrungsspezialisten, die sich zu haltender (Varro Rust. 3, 17, 3; von Blut und Gewebe lebender Fi- Plinius Nat. 9, 171) und besonders sche ernähren, an denen sie sich geschätzter Speisefisch (Columella festsaugen. Diese charakteristische Rust. 8, 16, 10 und 8, 17, 8). Mit ihrer und ungewöhnliche Art der Nah- Kultivierung verbinden die antiken rungsaufnahme wird von den antiken Autoren eine ganze Reihe von Anek- Autoren nicht erwähnt. Sie nennen doten, in denen oft die Extravaganz vielmehr eine Mischung frisch gefan- mancher Halter thematisiert wird gener Kleinfische und Krebse sowie (Seneca De ira 3, 40, 2; Plinius Nat. ausnahmsweise getrocknetes Brot 9, 23, 76; Cassius Dio Hist. Rom. 54, und Obst als Nahrung von murena 23, 1-2; Plutarch Soll. anim. 976a; (Columella Rust. 8, 17). Überdies Macrobius Sat. 3, 15, 3; Aelian Nat. sind die adulten Neunaugen außer- anim. 8,4). Auch die große Menge halb der mit ihrem Absterben enden- der kurzfristig lieferbaren Tiere ist ein den Laichzeit Einzelgänger, die nur wiederkehrender Aspekt (Plinius Nat. voneinander separiert in Becken zu 9, 23, 76 und 9, 171; Cassius Dio halten wären. Die mehrfach erwähn- Hist. Rom. 54, 23, 1-2). Murena wird te Zutraulichkeit der über viele Jahre als eine anpassungsfähige Art der gehaltenen antiken murena ist ein Felsenküsten beschrieben (Columel- charakteristisches Verhalten von la Rust. 8, 16, 10 und 8, 17, 8), von Muränen, nicht aber von Neunaugen aalförmiger Gestalt und ohne Flos- (Klös und Lange 1988). Auch die sen und Kiemen (Plinius Nat. 9, 73). erwähnte Lebensdauer eines Einzel- Diese Merkmale passen zu der Mit- tieres von über 60 Jahren (Plinius telmeermuräne Muraena helena Nat. 9, 167) schließt Neunaugen aus, Linnaeus, 1758. Bei diesen Fischen die ein maximales Alter von etwa elf sind Brust- und Bauchflossen voll- Jahren erreichen (Hardisty 1986). ständig reduziert und die übrigen Aale (Anguilla anguilla Linnaeus, miteinander derart zu einem fleischi- 1758) wurden aufgrund ihres zeit- gen Saum verwachsen, dass der weise massenhaften Auftretens an Eindruck entstehen kann, das Tier den italienischen Küsten ebenfalls habe keine Flossen. Andere aalför- als murena in Betracht gezogen mige Fischarten des Mittelmeer- (Higginbotham 1997). Eine Gleich- raums können bei genauer Betrach- setzung von Muränen und Aalen ist tung ihrer Biologie und ihrer Morpho- den antiken Autoren nicht zu unter- logie ausgeschlossen werden. stellen. Vielmehr werden sie dort FISCHHALTUNG IM ANTIKEN ROM 43 hinsichtlich des Körperbau und der Festessen fehlen durften (Plinius Lebensweise gegenübergestellt und Nat. 35, 162), galt mullus als exquisi- entsprechend anguilla beziehung- te Delikatesse (Plinius Nat. 9, 64-66). sweise murena genannt (Aristoteles Mullidae kommen mit zwei Arten in Hist. Anim. 489, 2, 8; Aristoteles den Küstengewässern des Mittel- Part. Anim. 4, 13, 696a; Plinius Nat. meeres vor, von denen die Streifen- 9, 20/21, 73-74). barbe Mullus barbatus Linnaeus, Die Angabe bei Plinius über 1758 heute denselben lateinischen nordgallische Muränen mit Merkma- Namen trägt wie in der Antike. Ihr len, die manche moderne Autoren an wohlschmeckendes Fleisch und ihre Neunaugen denken ließ (Corcoran Fähigkeit zu raschem Farbwechsel 1963; Higginbotham 1997; Kajava trugen zu ihrer großen Beliebtheit in 1998-1999), wird auf die ungeprüfte wohlhabenden Kreisen bei (Colu- Übernahme des Berichtes eines mella Rust. 8, 17, 7; Plinius Nat. 9, 6 antiken Gallienreisenden zurückzu- und 9, 66-67). Meist scheiterten die führen sein. wiederholten Versuche, sie in Be- Außer murenae werden in den cken zu halten, an der hohen Emp- antiken Schriftquellen vor allem lupus findlichkeit dieser Art. Die wenigen und mullus als Teichfische genannt. Tiere, die das Umsetzten in ein Lupus, zu Deutsch „Wolf“, wird als Fischbecken überlebten, wurden mit ein gefräßiger Schwarmfisch mit zwei besonderer Sorgfalt gepflegt (Colu- Rücken-, sowie Bauch- und After- mella Rust. 8, 17, 7; Plinius Nat. 9, flossen beschrieben, von dem es 64; Varro Rust. 3, 17, 6-8). ungefleckte und gefleckte Varianten Darüber hinaus werden von Co- gab (Aristoteles Hist. Anim. 1, 5, 26; lumella planus piscae, also Plattfi- Columella Rust. 8, 17, 7-8). Um ihn sche (Pleuronectidae, Bothidae und auch im Binnenland verfügbar zu Soleidae), erwähnt. Für sie gab es haben, wurde der lupus in der ersten spezielle, besonders flache und Hälfte des 1. Jh. v. Chr. mit geringem brandungsgeschützte Beckenanla- Erfolg in Süßwasserseen und Flüs- gen (Rust. 8, 16, 7 und 8, 17, 9-11). sen ausgesetzt (Columella Rust. 8, Die Bedeutung der übrigen in 16, 2-4; Varro Rust. 3, 3, 9), ab der künstlichen Becken gehaltenen Mitte des 1. Jh. v. Chr. wurde lupus Fischarten war vermutlich gering, dann ein beliebter Fisch in Brack- denn sie werden in den Schriftquel- wasserbecken (Columella Rust. 8, len lediglich vereinzelt oder im Zu- 16, 1; Plinius Nat. 35, 162). Bei die- sammenhang mit außerordentlicher ser Art handelt es sich sehr wahr- Extravaganz genannt. Zumindest zu scheinlich um den bis heute in Italien Beginn der Teichwirtschaftszeit in zu den beliebtesten Speisefischen der ersten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. zählenden Seebarsch oder Wolfs- hatte der als träger Schwarmfisch barsch Dicentrarchus labrax (Lin- charakterisierte mugil eine gewisse naeus, 1758). Er ist sicher identifi- Attraktivität (Columella Rust. 8, 16, 1 zierbar auf dem bekannten pompe- und 8, 17, 8; Plinius Nat. 9, 185; jianischen Mosaik Nr. 9997 im Natio- Varro Rust. 3, 3, 9). Diese Meer- nalmuseum Neapel. äschen der Art Mugil cephalus Lin- Während Seebarsche bei keinem naeus, 1758 sind anadrome Brack- 44 SCHMÖLCKE UND NIKULINA wasserfische der Küstengebiete. dingungen als Besonderheit (Seneca Gemeinsam mit den von den Rö- Nat. quaest. 3, 18; Plinius Nat. 9, mern als aurata bezeichneten Dora- 66). Ähnliches gilt für mulli (Mulli- den (Sparus aurata Linnaeus, 1758) dae), die als sehr kompliziert zu waren sie angeblich die ersten Fi- halten galten (Columella Rust. 8, 17, sche, die in künstlichen Becken kulti- 7-8) und aufgrund ihres Preises und viert wurden (Columella Rust. 8, 16, ihrer Seltenheit überdies ein Symbol 2). Doraden galten später wegen für Reichtum und Prahlsucht waren ihres Farbwechsels unter Stressbe- (Plinius Nat. 9, 67-68). ANSEHENSWANDEL DER RÖMISCHEN FISCHHALTUNG Sowohl die Anfänge römischer ten Schriftquellen keine genauen Fischhaltung als auch ihr Ende sind Angaben machen, ist bislang unklar, aufgrund der unzureichenden Quel- wann mit dem Bau von Fischteichen lenlage schwer fassbar. Schriftliche oder -becken begonnen wurde. Aber und archäologische Zeugnisse las- schon für Varro, der im ersten vor- sen lediglich für die Zeit zwischen christlichen Jahrhundert lebte, ist 100 v. Chr. und 100 n. Chr. verlässli- Fischhaltung eine der landwirtschaft- che Aussagen zu. Diese Periode lichen Traditionen der Ahnen (Varro umfasst mehrere Phasen, in denen Rust. 3, 3, 6). Für seine Zeit zählt das öffentliche Ansehen von Fisch- Varro Teiche als Bestandteil einer haltern einem mehrfachen Wandel einfachen Hoftierhaltung auf, die unterliegt. dem Eigentümer Ertrag und Vergnü- gen verschaffe (Varro Rust. 3, 3, 1). Frühe praktische In die Teiche wurden aus Flüssen und unpolitische Phase entnommene Fische gesetzt (Varro Rust. 3, 3, 5). Da aber bei den Rö- Fisch als wichtiges Grundnah- mern im Allgemeinen Meeresfische rungsmittel aller gesellschaftlichen höher geschätzt wurden als Süß- Schichten war in der römischen Anti- wasserfische, versuchte man um die ke eine bedeutende Handelsware Wende vom 2. zum 1. vorchristlichen (Blanck 1999). Gleichzeitig kam es Jahrhundert, diese künstlich in Seen bei schlechter, keinen Fischfang und Flüssen anzusiedeln, entweder zulassender Witterung, sowie im durch Einsetzen ausgewachsener Winter, wenn die Meeresfischerei Tiere oder, wie Columella berichtet, eingestellt wurde, regelmäßig zu das Einbringen von Laich (Columella Versorgungsengpässen. Bereits früh Rust. 8, 16, 1-2). Solche Versuche wurden deshalb erste Versuche scheiterten, da die meisten dieser unternommen, Fische in künstlichen Fische im Süßwasser bald eingingen Anlagen zu halten, um sie ständig in und die wenigen Überlebenden ge- frischer Form verfügbar zu haben schmacklich nicht mit artgleichen (Blanck 1999). Da archäologische Tieren aus dem Meer mithalten Zeugnisse fehlen und die überliefer- konnten (Varro Rust. 3, 3, 9; Colu- FISCHHALTUNG IM ANTIKEN ROM 45 Abbildung 4 Römisches Souvenirfläschchen aus Glas mit der Darstellung des Küs- tenabschnittes bei Baiae am Golf von Neapel. Abgebildet sind besondere Sehenswür- digkeiten, hier die Quadriga auf einem Bogen, der die Hafenmole schmückt. Die Rückseite zeigt angrenzende Anlagen zur Fischhaltung (Abb. 5) und Austernzucht (Abb. 6). Höhe des Gefäßes 18,4 cm, Durchmesser 12,3 cm. (Corning Museum of Glass, New York)
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