Harald Straube Ferrum Noricum und die Stadt auf dem Magdalensberg Mit Beitragen von Heimo Dolenz und Gernot Piccottini SpringerWienNewYork em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Harald Straube Technische Universitat Wien, Osterreich Univ.-Doz. Dr. Gernot Piccottini Landesmuseum fur Kiirnten, Klagenfurt, Osterreich Mag. Dr. phil. Heimo Dolenz Villach, Osterreich Gedruckt mit Unterstiitzung des Fonds zur Fiirderung der wissenschaftlichen Forschung, Wien Das Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ahnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1996 Springer-VeriagIVVien Umschlagbild: Luftaufnahme der Ausgrabungen auf dem Magdalensberg (Foto: S. Tichy) Datenkonvertierung: H. Meszarics . Satz & Layout. A-1200 Wien Druck und Bindearbeiten: Ferdinand Berger & Siihne Ges.m.b.H., A-3580 Horn Graphisches Konzept: Ecke Bonk Gedruckt auf saurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier - TCF Mit 86 Abbildungen Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ferrum Noricum und die Stadt auf dem Magdalens berg/Harald Straube. Mit Beitr. von Heimo Dolenz und Gernot Piccottini. - Wien : New York: Springer, 1996 NE: Straube, Harald; Dolenz, Heimo; Piccottini, Gernot ISBN-13: 978-3-211-82789-5 e-ISBN-13: 978-3-7091-6890-5 DOl: 10.1007/ 978-3-7091-6890-5 In memoriam o. Univ.-Prof Dr. Rudolf Egger o. Univ.-Prof Dr. Hermann Vetters Prof Dr. Qtto Schaaber Vorwort Die vorliegende Arbeit enstand auf Anregung von Hermann Vetters, dem langjahrigen Leiter der Ausgrabungen auf dem Magdalensberg. Schon sein Vorganger Rudolf Egger hatte anhand von Funden iiberzeugend nachgewie sen, dafi hier sehr betrachtliche Mengen von Halbzeug und Fertigprodukten aus dem ob seiner hervorragenden Qualitat geruhmten norischen Eisen umgeschlagen und in weite Teile des Imperiums exportiert worden waren. Otto Schaaber, der seinerzeitige Leiter des Instituts fur Hartereitechnik in Bremen, untersuchte ab Anfang der sechziger Jahre eine grofie Zahl derartiger Fundstiicke vom Magdalensberg und konnte die Ursache fur die iiberlegenen Eigenschaften feststellen: Ferrum noricum war kohlenstoffhaltiger, hartbarer Stahl und die norischen Schmiede beherrschten dank ihrer Erfahrung die Kunst der richtigen, auf den Verwendungszweck abgestimmten Werkstoff wahl und -behandlung. Diese bemerkenswerte Erkenntnis warf jedoch eine Reihe von neuen, die Archaologen und die Metallurgen gleichermafien inter essierenden Fragen auf. Eigene Versuche, die zum Ziel hatten, zur Beantwor tung dieser Fragen beizutragen, fuhrten zu Ergebnissen, die mit einigen seit J ahrzehnten als Lehrmeinung bestehenden Ansichten in krassem Wider spruch standen und sie widerlegten. Diese mit den thermodynamischen Grundlagen in vollem Einklang stehenden neuen Einblicke in den Verfah rensablauf im Rennofen ermoglichten H. Vetters eine nunmehr von wesentli chen Unstimmigkeiten befreite Ubersetzung des die Eisenerzeugung betref fend en Teils der naturalis historia von Plinius. Die Richtigkeit der durch die Reduktionsversuche auf dem Magdalens berg nachgewiesenen Moglichkeit, im Rennofen auch kohlenstoffhaltiges Eisen zu erzeugen, ist inzwischen durch mehrere analoge Versuche aber auch durch aus RennOfen stammende, nicht weiter verarbeitete Fundluppen bestatigt. In Anbetracht der Bedeutung der Eisengewinnung fur die Entwick lung der Zivilisation und der Rolle des norischen Stahls und des Handelszen trums Magdalensberg gab H. Vetters den Anstofi zu dieser Arbeit, die von einem Archaologen und einem Metallurgen gemeinsam geschrieben werden sollte. Langandauernde Krankheit erlaubten es ihm nicht, die Verfassung des ihm zugedachten historischen Teils in Angriff zu nehmen. H. Vetters ist nun nicht mehr unter uns, sein Wirken und sein geistiges Vermachtnis leben aber mit seinen Freunden und Schiilern weiter fort. Der Verfasser sah es als eine ihm iibertragenen Pflicht an, die von ihm iibernommene Arbeit zum Abschlufi zu bringen und ist dankbar, dafi Univ.-Doz. Dr. Gernot Piccottini, der nun mehrige alleinverantwortliche Leiter der Ausgrabungen auf dem Magdalens- VIII Vorwort berg auch die Nachfolge von H. Vetters als Verfasser des Abschnittes iiber die hier bestandene Stadt iibernommen hat. Der Beitrag von Mag. Dr. phil. Heimo Dolenz stellt eine sinnvolle Abrundung dieser dem norischen Stahl gewidmeten Arbeit dar und ist zugleich Einbindung der jungen Archaologen Generation im Sinne der Pflicht zur Ubernahme des von ihren Lehrern hin terlassenen Erbes. An dieser Stelle sei den Damen Silvia Korner und Heidemarie Knoblich fur die Erstellung des Typoskripts und die wertvolle Hilfe bei der Anfertigung der Bildunterlagen gedankt. Besonderer Dank gilt dem Springer-Verlag fur die angenehme Zusammenarbeit und das verstandnisvolle Eingehen auf Anliegen des Autors. Der osterreichische Fonds zur Forderung der wissenschaftlichen For schung hat der vorliegenden Arbeit grof3ziigige Unterstiitzung angedeihen lassen, wofur auch an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt sei. Wien, im Februar 1996 Harald Straube Inhalt 1. Der lange Weg von den Naturwerkstoffen zur Bronze NaturwerkstojJe - NatU1'kupfer: Entstehung, alteste Funde, Giejltechnik schon im 4. Jtsd. v. Chl'. - Kiinstlich e1'2eugtes Kupfer aus Malachit und aus sulfidischem E1'2 - Ente "Bt'onze" aus anemTichem El'Z: Anen-Kupfel' - Zinllbronze: Rohstoffe, Zusam mensetzung, Eigenschaften - Verwendung von Eisenel'z als Fluflmittel. 2. Der Obergang zur Eisenzeit 11 Vom Nebellpl'odukt del' Kupferwel'kstoffe zur gezielten Eisenhmtellung - Griinde fiir die Verd,'angung del' Bronze durch Eisen - Eigenschaften kohlenstofJfreien Eisens und Uberlegenheit kohlenstojJhaltigen Stahls - Mete07'iteneisen - Natiil'liches Eisen von Disco - Platze altestel' Eisene1'2eugung - Altester Fund kiinstlichen Eisens. 3. Vom Beginn der Eisenzeit bis zur R6mischen Kaiserzeit 17 Weite Vel'ln'eitzmg von Eisen schon zur Hallstattzeit - Fzmde aus Ost-, 1l1ittel- zmd WesteuTopa - RemzoJen: Hel'kunft zmd Bauformen, V071:eile gegeniiber dem RennJeuel' - Stand del' Eisenhiittentechnik zur l'ijmischen KaiSCl'Zeit, ijl1:lich unterschiedliche Pro duktqualitat, Hinweise von Pli71ius - NOl'icum: wichtiger Stahllieff1'ant des Impel'iums - Uberlegenheit des norischen Stahles in del' Beschl'Cibzmg zeitgeniissischer Autoren. 4. Die Stadt auf dem Magdalensberg - Norischer Stahl 26 Del' Magdalensberg als GrofSha1ldelspiatz lind reichel' FU1ldort von Halbzeug llnd Fer tigprodukten flUS Izol'ischem Eisen - Funduntersuchllngen belegen den hohen Stal1d del' Hiittentechnik, fen7l11l nOl'icum ist hartbarel' Stahl, seine Wahl und Behandlung rich tete sich nach Produkt und dessen Verwendzmg - Ojfene FT'agen Zllr Herkullft des Stah les und Widerspriiche beziiglich des El'Zeugungnveges. 5. Beitrage zur Metallurgie des Rennofens durch Versuche 33 /n flinklang mit E,'gelmisse77 vIJn Reduktiol1svenuchen bis ]962 bestehende Lehrmei lZll17g: kohlenstofffreies Weicheisen ist das t),pische RennoJene1'2ellglZis, Stahl dagegen sel tenes Zufall>produkt - Metall stets im feste1l odel' teigige1l Zustand - Unz Stahl zu el'halten, ist nachtrdgliche Aujkohlu1lg des RennoJe1leisens e1forderlic/; - WideTSpriiche Zll A llssagen aus Fmzden - J1otivatiol1 flit' l1elle VeTSuche und deren Ziele. 6. Einfuhrung in die Grundlagen des Reduktionsvorgangs im Rennofen 40 RI'Zvorko1llnzen - Das Zilstandl'schllilbild F.isCll-Sauerstoff- Auig;abe del' Reduktioll - Remzofenschlacke: Zusll71l11lel1Setz,llug und Folge17mgen - Das Zustandsschaubild FeO SiO, - ReduktiollsstUJeU - Direkte und indiukte Reduktioll, dlls BoudollaJ'd-Diagramnz - Das Ball1·-Glaes.l7ler-Sc/;aubild, BedingungCll jill' die Aujkoblung V017 Eisen - Ge11leinSllnze Dantellllllg do' Gleichgewicbtsdiaw-anznze O-Fe lind Fe-Fe1C und die 11log1ichen Elldlap,-eJI del' Reduktiol1 - /\'inflll{J Ilndem' Oxide aufdie Redllktion lind das x Ferrum Noricum ------ ------- ------- ------ Verhalten von Nichteisenmetallen sowie von Schwefel und Phosphor - Grundsdtzliche Miiglichkeit der direkten Erzeugung von Stahl im Rennofen. 7. Reduktionsversuche auf dem Magdalensberg 59 Aufgabe - Vmuchsofen und EinsatzstoJfe - Ablauf der Versuche - Ergebnisse: Lage und Aussehen des Reduktionsgutes, Gefoge und KohlenstoJfgehalte des gewonnenen Eisens, Zusammensetzungen von Schlacken und nichtmetallischen Einschliissen. 8. Diskussion der Versuchsergebnisse und Foigerungen 90 Erste1' expel'imeuteller Nachweis direkter Stahlerzeugung im Rennofen - Vorgdnge im Schacht: Vorwdrm1l11g Imd Trocknung des Erzes, erste Bildung kleiner Eisenteilchen durch indirekte Reduktion in ca. 113 der SchachthiJ"he, bald nachher beginnende Aufkoh lung, Schmelzen des kohlenstoffreichen Eisens und Ansammlung in Bodenndhe, unter dort vorhandenen oxidierenden Bedingungen: Entkohlung und Wiedererstarrung - Hinweis auf gute Verhiittbal'keit auch armer Erze im Rennofen - Widerlegung dltel'er Hypothesen. 9. Ergebnisse aus Funden und anderweitigen Reduktionsversuchen 97 Fundluppen vom Magdalensberg: Chemische Zusammensetzung und Gefoge - Hinweise auf Eisenerzverhiittung nahe dem Magdalensberg und der seinerzeit praktizierten direkten Stahlgewinnung - Bestdtigung des schon von R. Mitsche vermuteten bewuflten Hinarbeitens auf hohe KohlenstoJfgehalte und Erhdrtung der Aussagen aus den Reduk tionsversuchen iiber den Veifahrensablauf - Zeugnisse for bedeutenden antiken Eisen hiittenplatz im nahen GO·l'tschitztal - Untersuchllng von einschldgigen Funden vom Magdalensberg durch O. Schaabel' - Funde kohlenstoffbaltigen Eisens aus dem Burgen- land und andel'en Gebieten auflel'halb der Region Noricum - Analoge Ergebnisse zum Magdalensberg bei jiingeren ReduktionsvnTltchen selbst bei Verwendung manganarmen El-zes. 10. Interpretation zeitgen6ssischen Schrifttums aufgrund der Ergebnisse 115 vom Magdalensberg Naturalis historia von Plinius, del' alten Ubersetzung zllgrundeliegende Ansichten, Annahmen iiber Plinius' Arbeitsweise - Dem Eisen geltender Originaltext und die neue Ubersetzung von H. Vetters - Hinweise im Urtext auf harten Stahl aus dem Rennofen und Verfliissigung des Eisens - Verbleibende schwer deutbare Textstellen, Erkldrungs versuche - Meteorologica von Aristoteles. 11. Geklarte und offene Fragen 122 Noch offine Fragen betreffin die l'echt homogene Kohlenstoffverteilung in den meisten Fundluppen, die Gl'iinde for das Vorhandensein mit Schlacke umgebenel' Primdrpro dukte aus dem Rennofen im Stadtgebiet und die Arbeitsweise for das Frischen des sehr kohlenstoffreichen Zwischenproduktes. 12. Eisenverarbeitung auf dem Magdalensberg (von Heimo Dolenz) 140 Ro"mische Zivilschmieden, Terminologie und zeitgeniissische Darstellung - Werkstojf- funde aus Wildbach Einod (Steiermal'k), Ulaka (Slowenien) und Auerberg (Schwaben) - Funde eisenverarbeitender Anlagen auf dem Magdalensberg, dortige Schmiedetdtig- keit (Halbzeug, Schmiedewerkzeug, Absatzmdrkte, Kennzeichnung der Fertigprodukte) - Wandel der Bedeutung der Eisenverarbeitung im Zuge der Stadtentwicklung. Inhalt XI ------------_._--------- 13. Die Stadt auf dem Magdalensberg. Geschichte - Handel - Kultur 168 (von Gernot Piccottini) Lage, Bliitezeit, Beziehungen zu Rom - Ansiedlung italischer Handler - Eisenverar beitung in der Anfangsphase - Entstehung des Forums, die vier Bauperioden, Baukon zepte - RitzinschriJten, Export von Bergkristallen, italische Importe - kulturelle Impulse aus dem Siiden - Bauten im Handlerviertel, Werkstatten for Metallwaren - aus sagungskraftige Funde - ballliche Veranderungen nach friedlicher Besetzung - Prasenz riimischer Militars und von Verwaltungseinrichtllngen - Goldbarren for Rom - Nell bauten in der Spatzeit, Grofie der Stadt - Allfgabe der Stadt und Neuansiedlung im Tal. 1. Der lange Weg von den Naturwerkstoffen zur Bronze Kiinstlerisches Schaffen und Suchen nach technischen Losungen entspringen kennzeichnender Veranlagung des Menschen. Schon in seiner Friihgeschichte drangt es ihn zur Darstellung der fur sein Leben bestimmenden Geschopfe und Vorgange. Zeugnisse soleh altesten Kunstschaffens liegen aus allen Zonen unseres Erdballs vor, in den en Funde von vorgeschichtlichen menschlichen Gemeinschaften kiinden. Eher noch friiher ist das Bestreben zu datieren, durch Verwendung naturgegebener oder selbst hergestellter Hilfsmittel das Leben leichter und erfolgreicher zu gestalten. Diese Schaffung und Nutzung von arbeitserleichternden Geraten war und ist eine der wichtigsten, wenn nicht iiberhaupt die mafigeblichste aller Voraussetzungen fur die Entwicklung unserer Zivilisation. Mehr noch: Werkzeuge, ihre standige Verbesserung und systematische und stets erweiterte Anwendung bilden den tragenden Sockel fur die Sonderstellung des homo sapiens in dieser Welt. Sie sind aber auch charakteristisch fur die Ambivalenz vieler technischer Errungenschaften, die das Leben verbessern oder ihm gar eine Grundlage bieten sollten, denen aber Voreingenommenheit und Ablehnung zuteil werden, die sich unbegriindet gegen ihre Existenz statt gegen den falschen oder mifibrauchlichen Einsatz richten. So gehoren schon zu den ersten Werkzeugen die fur die nahrung schaffende Jagd ersonnenen, aber auch zur Totung von Menschen verwende ten Gerate, also Waffen, und die Bibelerzahlung von der Ermordung Abels ist vermutlich die alteste erhalten gebliebene Beschreibung eines Waffen- und damit Werkzeuggebrauchs. Funktionstiichtigkeit, Leistungsfahigkeit und Betriebssicherheit auch ein fachsten technischen Gerates werden in hohem Mafie durch die Verfugbarkeit und richtige Wahl geeigneter Werkstoffe bestimmt und dies erklart, warum die Geschichte der Zivilisation und Technik eng mit der iiber sehr lange Pha sen nur schubweise verlaufenden Entwicklung der Werkstoffgewinnung, -her steHung und -verarbeitung verbunden ist. Die bestehende Wechselwirkung ist uniibersehbar und kommt auch in der nach wie vor sinnvollen, von Chr. J. Thomsen zu Beginn des 19. J ahrhunderts eingefuhrten Bezeichnung der grofien Entwicklungsabschnitte nach den Basiswerkstoffen Stein, Bronze und Eisen deutlich zum Ausdruck, die neuerdings eine Erganzung durch die der Bronzezeit vorausgehende Epoche sich ausbreitender Verwendung von Kup fer erfahrt, fur die die Bezeichnungen Kupferzeit (Aneolithikum) fur den europaischen Raum und Kupfersteinzeit (Chalkolithikum) fur den vorderen Orient eingefuhrt wurden [1, 2]. Die Benennung so langer Zeitabschnitte nach Werkstoffen bedeutet aber nur, dafi mit deren Verfugbarwerden neue