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Fermente des Sozialen. Thermische Figuren in der Sozialtheorie PDF

484 Pages·2021·5.007 MB·German
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Elena Beregow Fermente des Sozialen Elena Beregow Fermente des Sozialen Thermische Figuren in der Sozialtheorie VELBRÜCK WISSENSCHAFT Erste Auflage 2021 © Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2021 www.velbrueck-wissenschaft.de Printed in Germany ISBN 978-3-95832-267-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Von der Metapher zur Figur . . . . . . . . . . . . 23 1.1 Metaphern und ihre thermischen Wurzeln . . . . . 23 1.2 Metaphern der Gesellschaft . . . . . . . . . . 26 1.3 Das gesellschaftliche Leben der Metaphern. . . . . 30 1.4 Gärung – Leit- oder Randmetapher? . . . . . . . 32 1.5 Figuren und Figurationen . . . . . . . . . . . 34 2. Feuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.1 Feuer und gesellschaftliche Natur-Kultur-Verhältnisse . 38 2.1.1 Feuer als Gründungsszene des Sozialen . . . 39 2.1.2 Feuer als elementares Medium. . . . . . . 44 2.1.3 Kulturtechniken . . . . . . . . . . . . 46 2.1.4 Feuer und Eis . . . . . . . . . . . . . 52 2.2 Thermopolitiken der Feuerkontrolle . . . . . . . 56 2.3 Feuer, Temporalität und Transformation. . . . . . 61 2.3.1 Mikrotransformationen . . . . . . . . . 62 2.3.2 Gesellschaftliche Transformationen . . . . . 64 3. Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.1 Maschine und Organismus: Eine Geschichte der Vermischung . . . . . . . . 71 3.2 Dampfmaschinen bei Marx . . . . . . . . . . 80 3.2.1 Maschine und Überhitzung . . . . . . . . 90 3.2.2 Entropie bei Marx . . . . . . . . . . . 94 3.3 Wunschmaschinen bei Deleuze und Guattari . . . . 100 3.4 Cyborgs bei Haraway. . . . . . . . . . . . . 108 3.5 Zwischenresümee: Vom Feuer über die Maschine zur Gärung . . . . . 120 4. Marx: ›Fermente der Entwicklung und des Untergangs‹ . . 124 4.1 Fermente der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.1 Stoffwechsel . . . . . . . . . . . . . 125 4.1.2 Metamorphosen in der Zirkulation: Vom Stoffwechsel zum Formwechsel . . . . 128 4.1.3 Die Ökologisierung der Marx’schen Theorie . . 133 4.1.4 Das Ferment der Arbeit . . . . . . . . . 142 4.1.5 Lebendige und tote Arbeit . . . . . . . . 147 4.1.6 Gärung und der ›metabolic nomos‹ . . . . . 154 4.1.7 Gothic Marxism . . . . . . . . . . . . 160 4.2 Revolutionäre Gärung . . . . . . . . . . . . 163 4.2.1 Gärung und Verfaulung . . . . . . . . . 163 4.2.2 Umwälzungsfermente . . . . . . . . . . 166 4.2.3 Die Brotfabrikation . . . . . . . . . . . 174 5. Durkheim: Efferveszenz . . . . . . . . . . . . . . 181 5.1 Die Konstitution des Sozialen. . . . . . . . . . 183 5.1.1 Die Versammlung als Gründungsszene der Efferveszenz . . . . . . . . . . . . 183 5.1.2 Intensive Transformationen . . . . . . . . 186 5.1.3 Die Magie des Sozialen . . . . . . . . . 189 5.1.4 Masse und Milieu . . . . . . . . . . . 192 5.2 Gärung zwischen Organismus und Thermodynamik . 195 5.2.1 Durkheim und die Massenpsychologie. . . . 195 5.2.2 Efferveszenz, Thermodynamik und Elektrizität . 199 5.2.3 Organismus und Organisation. . . . . . . 200 5.3 Gärung und Milieu: Anschlüsse . . . . . . . . . 204 5.3.1 Tarde: Die Masse als Wetterphänomen . . . 204 5.3.2 Mauss: Gärung und Morphologie . . . . . 207 5.3.3 Bataille und das Collège de Sociologie: Dark Durkheim . . . . . . . . . . . . 209 5.3.4 Zwischenresümee. . . . . . . . . . . . 215 6. Lévi-Strauss: Das Verfaulte. . . . . . . . . . . . . 218 6.1 Das Verfaulte zwischen Natur und Kultur . . . . . 219 6.1.1 Natur und Kultur bei Lévi-Strauss . . . . . 219 6.1.2 Gut zu denken: Das kulinarische Dreieck . . 224 6.1.3 Braten, Sieden, Räuchern – und Fermentieren? . 229 6.1.4 Die natürliche Kulturalität der Fermentierung . . 234 6.2 Von der Natur-Kultur zur Medienökologie . . . . 237 6.2.1 Bakterienkulturen. . . . . . . . . . . . 237 6.2.2 Natur-Kultur-Technik . . . . . . . . . . 239 6.2.3 Medienökologien. . . . . . . . . . . . 242 7. Serres: Der Parasit . . . . . . . . . . . . . . . . 247 7.1 Der Parasit als epistemologisches Modell . . . . . 249 7.2 Fäulnis als diskursiver Gegenstand zwischen Vermischung und Entmischung . . . . . 254 7.3 Objektives Ferment statt universelle Fermentierung. Ein Exkurs zu Bachelard . . . . . . . . . . . 258 7.4 Die materielle Kultur des Käses . . . . . . . . . 266 8. Latour: Pasteurisierung . . . . . . . . . . . . . . 275 8.1 Fermentierung vs. Ansteckung . . . . . . . . . 275 8.1.1 Das Dilemma der reinen Soziologie . . . . . 278 8.1.2 Eine Assoziologie der Vermischung . . . . . 279 8.1.3 Wer hat Angst vor Ansteckung? Das Projekt der Hygieniker . . . . . . . . 281 8.1.4 Die Analyse der Ansteckung: Die Pasteurianer. . 284 8.1.5 Die Kunst der Übersetzung: Vom Mikrokosmos zum Makrokosmos . . . 287 8.2 Die Mikrobe als Akteur . . . . . . . . . . . . 290 8.2.1 Die Mikrobe finden und festhalten . . . . . 290 8.2.2 Laborräume: Environment, Medium und Kultur . . . . . 291 8.2.3 Triggering fermentation: Die Hefe als Laborobjekt. . . . . . . . . 295 8.2.4 Aktivität delegieren: Pasteur und die Hefe zwischen Hybridisierung und Reinigung . . . 298 8.2.5 Medialisierte Manipulation . . . . . . . . 300 8.2.6 Mimikry der Mikroben . . . . . . . . . 302 8.2.7 Zwischenfazit: Ansteckende vs. fermentierende Mikroben? . . 304 8.3 Nur eine tote Mikrobe ist eine gute Mikrobe: Leben und Tod . . . . . . . . . . . . . . . 306 8.3.1 Vitalismus vs. Mechanismus. . . . . . . . 306 8.3.2 Symmetrie vs. Asymmetrie . . . . . . . . 308 8.3.3 Lebendige vs. tote Natur . . . . . . . . . 310 8.3.4 Zwischenfazit: Symmetrische Anthropologie vs. ökologische Asymmetrie . . . . . . . . . 316 8.3.5 Politiken der Pasteurisierung: Temperierung, Temporalität und Tod . . . . 318 9. Nach Pasteur: Fermentation Fever . . . . . . . . . . 336 9.1 Zur Krise des Pasteur’schen Erbes . . . . . . . . 336 9.2 Eine Feldskizze der Post-Pasteurianer:innen . . . . 341 9.3 Noma Fermentation Lab: Zurück ins Labor? . . . . 344 9.4 Baroo: Labor trifft Kloster . . . . . . . . . . . 351 9.5 Sandor Katz: Wilde Fermentierung als DIY-Projekt . 359 9.5.1 Cultural Revival: Kultur und Leben. . . . . 361 9.5.2 Umwelt, Kultur, Körper . . . . . . . . . 364 9.5.3 Kultur von unten: ›Vibrant queer culture‹ . . 370 9.5.4 Rhythmen der Fermentation . . . . . . . 373 9.5.5 Fermentierung und Tod: Eine alternative Nekropolitik . . . . . . . 377 9.6 Pascal Baudar: Mit dem »Wildcrafting« zu einer »Wilder fermentation« . . . . . . . . . 381 9.7 Zaubertrank: Fermentation und Magie . . . . . . 393 9.8 Zwischenresümee: Die Fermentierung der Gesellschaft . 399 9.8.1 Natur-Kultur-Knoten . . . . . . . . . . 402 9.8.2 Fermentive Thermopolitik . . . . . . . . 404 9.8.3 Zukünfte fermentieren. . . . . . . . . . 406 10. Haraway: Kompost . . . . . . . . . . . . . . . 410 10.1 Fermenting Feminism . . . . . . . . . . . . 410 10.2 Vom Anthropozän zum Chthuluzän . . . . . . . 413 10.3 Humusismus statt (Post-)Humanismus . . . . . . 416 10.4 Symbiogenese im Kompost . . . . . . . . . . 419 10.5 Exkurs: Der Kompost als geschlossene Ökologie . . 423 10.6 Die Kosmopolitik der Kompostist:innen . . . . . 426 10.7 Ein neuer Organizismus? Der Cyborg als Störstoff . . 431 10.8 »Dying well«: Die Debatte um Haraways Biopolitik im Chthuluzän . . . . . . . . . . . . . . . 434 10.9 Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . 440 11. Konklusion: Von den Fermenten des Sozialen zu einer fermentierten Soziologie . . . . . . . . . . 443 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Einleitung »It can be appealing to think of certain things in stark, absolute categories. There’s good and bad, hot and cold, clean and dirty; […] In reality most things are not black and white; they exist as in-between shades of grey, or really all over the color spectrum. […] Con- sider our skin: It is an edge that separates that which is within us from that which is outside us. Yet sunlight absorbs it; sweat and sometimes blood and pus come out of it; mosquitoes and countless other creatures can pierce it; infections, toxins, and other conditions cause it to rot; heat and cold and many chemicals can burn it; and bacteria, fungi, viruses, and other micro- organisms inhabit every bit of it, existing in elaborate, dense communities that vary with the environmental conditions of different parts of our bodies. […] Even beyond our skin, each of us is host to a microbial force field, a unique microbial signature that emanates with our body heat.« (Katz 2020: 1ff.) Mit diesen Worten beginnt der Fermentierungsaktivist Sandor Ellix Katz sein kürzlich erschienenes Buch Fermentation as Metaphor. Von Fermen- tierung – der enzymatischen Transformation organischer Materie in Säu- re, Gase oder Alkohol – ist hier zwar noch nicht die Rede, aber wir ler- nen ihre Agenten kennen: Bakterien, Pilze und Hefen. Sie wohnen in der thermischen Umgebung unserer Haut, bevölkern unser warmes Körper- inneres und im Grunde auch alles andere auf der Welt. Sie treten in Ge- meinschaften auf, sind unendlich klein und unendlich viele. Dass Katz Fermentierung als Metapher für das Soziale entfalten wird, kündigt sich hier mit dem Gemeinschaftsbegriff an. Gemeint sind entgegen der klas- sisch soziologischen Gewissheit Gemeinschaften, von denen Menschen zwar Teil sind, die sich aber nicht nur um sie drehen. Und noch an einem anderen Punkt wird die metaphorische Kraft der Fermentierung im Zi- tat deutlich: Sie provoziert das dualistische Denken von heiß und kalt, sauber und schmutzig, und fordert neue Modelle des Nachdenkens über das Soziale ein. Diese Überlegung von Katz trifft den Kern der vorliegen- den Arbeit, die sich einer Soziologie des Thermischen widmet. Für ihre Ausrichtung ist die Fermentierung bedeutsam, weil sie uns lehrt, dass das Thermische nicht nur aus dem Heißen und dem Kalten besteht. Warum aber eine Soziologie des Thermischen? Temperatur wird im Zuge der Klima- und Umweltkrisen der Gegen- wart als gesellschaftlich brisante Frage immer präsenter und damit auch 9 EINLEITUNG interessant für die Soziologie. Aber Wärme und Kälte, so die soziologi- sche Intuition, sind selbst noch nicht diskursiv, sie erscheinen als vor- sprachliche und vorsoziale universelle Kräfte. Abseits der etablierten Umweltsoziologie steht eine Soziologie des Thermischen bislang aus. Eine solche Soziologie würde sich zunächst für die übergreifende Frage interessieren, wie das Thermische die Textur des Sozialen von der mi- kroskopischen zur globalen Skala durchdringt; von der Zigarettenpause zum Waldbrand, von der Klimaanlage zur Serverbank im norwegischen Fjord, von der Wetter-App zur Infrarotkamera, von der Autositzheizung zum Social Freezing, vom Mikrowellenpopcorn zur drohenden Nuklear- katastrophe. Diese endlos erweiterbare Aufzählung verdeutlicht die All- gegenwart thermischer Phänomene, aus der sich die implizite Auffassung einer Universalität des Thermischen speist. Dadurch aber wird der Blick auf die Arten und Weisen verstellt, in denen das Soziale in sowohl bei- läufigen als auch in hochgradig kontrollierten Weisen durch Tempera- turphänomene strukturiert und transformiert wird. Einer Soziologie der Temperierung würde es daher neben der systematischen Untersuchung solcher vielfältigen thermischen Phänomene als empirischer Dimension der sozialen Wirklichkeit darum gehen, das sozialtheoretische Denken auf seine bislang versteckten thermischen Gehalte hin zu analysieren und sich reflexiv darauf einzustellen. Denn Sozialtheorien bleiben als Teil der sozialen Wirklichkeit keineswegs unbehelligt von der thermischen Tex- tur der Welt, sondern nehmen diese in Relation zur jeweils spezifischen gesellschaftlichen Erfahrung energetisch-klimatischer Prozesse und Kri- sen ihrer Zeit in sich auf. Diese Arbeit möchte einen Schritt in die Richtung einer solchen So- ziologie der Temperierung unternehmen, indem sie anhand dreier aus- gewählter Figuren – des Feuers, der Maschine und schließlich schwer- punktmäßig der Gärung – der Produktivität thermischer Prozesse für das sozialtheoretische Denken nachgeht. Das Feuer und seine Fort- setzung in der Maschine bilden im Feld weiterer thermischer Figuren wie dem Eis, der Sonnenwärme oder der organischen Wärme die viel- leicht zentralsten Figuren, die sowohl die Entstehung des Sozialen als auch seinen Zusammenbruch – d.h. soziale Ordnung und Unordnung – als inhärent thermische Dynamiken ins Bild setzen. In wechselseitiger Verflechtung, aber auch in diversen Grenzziehungen ermöglichen die drei Figuren das Denken sozialer Beziehungen von ihrer Konstitution (Feuer) über ihre Transformation (Maschine) bis zu ihrer Neuordnung und Auflösung (Gärung).1 Während über das Feuer und die Maschine 1 Diese Zuordnung ist hier analytisch zugespitzt formuliert. Wie sich in den Kapiteln zeigen wird, spielt etwa das Moment der Transformation in allen drei Figuren eine zentrale Rolle, ebenso wie Momente der Auflösung über- all wichtig werden. 10

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