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Faust Zweiter Teil: Die Allegorie des 19. Jahrhunderts PDF

217 Pages·1981·19.04 MB·German
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Heinz Schlaffer Faust Zweiter Teil Die Allegorie des 19. Jahrhunderts FAUST ZWEITERTElL HEINZ SCHLAFFER FAUST ZWEITER TElL Die Allegorie des 19. Jahrhunderts j. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart CIP-Kurztitelaufnahmeder Deutschen Bibliothek Schlaffer,Heinz: Faust ZweiterTeil: d. Allegoried. 19.Jh. / Heinz Schlaffer.- Stuttgart: Metzler, 1981. ISBN978-3-476-00462-8 ISBN978-3-476-00462-8 ISBN978-3-476-03145-7(eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03145-7 © Springer-VerlagGmbHDeutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung undCarlErnstPoeschel VerlagGmbHinStuttgart1981 Das Buchvon HanneloreSchlafferiiber Goethes Wilhelm Meister und das von Heinz Schlaffer iiber Faust II sind kornplementarim Kontrast. Fiir ihre unterschiedlichen Methoden und Ergebnisse sind nicht gegensatzliche Vorentscheidungen der Verfasser, son dern spezifische Anforderungen der poetischen Werke verant wortlich. Die Wilhelm-Meister-Philologie vertraute bislang dem zeitna hen VordergrunddesWerkes, so daRdieIkonologieseinesmytho logischen Hintergrunds unentdeckt blieb. Die Faust II-Philologie hielt sich vornehmlich an den mythologisch-symbolischen Appa rat und lieRdie historischen Bedeutungen unbedacht. Die vorliegenden Abhandlungen kehren die Richtung der Erkenntnis urn: Die Interpretation der Wilhelm-Meister-Romane findet inverborgenen Bildern einen Sinn, der dieProsa desWirkli chen iiberschreitet. Die Interpretation von Faust II entdeckt die Allegorie als die bildliche Form der Abstraktionen, von denen Goethe das Jahrhundert bestimmt sah. Die unterschiedlichen Interpretationsverfahren beriicksichtigen die historisch begriindete Wandlung von Goethes asthetischer Konzeption. Seine Wilhelm-Meister-Romane waren in der Hoff nung geschrieben, daRErfahrungen der biirgerlichen Moderne an die Bilder wiederkehrender Mythen zuriickzubinden seien. Faust II, Goethes letztes Werk, geht aus der Einsicht hervor, daR die Anspriiche der Moderne seinen Bildervorrat iibersteigen und eine neue asthetische Antwort verlangen. Die Mythen werden von der Allegorie aufgebraucht. Gerade die thematische Nachbarschaft von Wilhelm Meisters Wanderjahren und Faust II macht die geschichtliche Notwendigkeit der poetischen Alternativen be wuRt. H. S., H. S. v Fiir einige Hinweise zum Verstandnis von Faust II und fiir die kritische Lektiire des Manuskripts danke ich Doris Kammradt, H.S. VI INHALT Einleitung. Faust IIim 19.Jahrhundert 1 I. Voraussetzungen 11 1. Goethe anSchiller,Frankfurt,16.August1797 13 2. DieKritikderAllegorieimZeitalrerGoethes 29 3. DieBestimmungderAllegorieinHegelsAsthetik 39 4. Charaktermasken und Personifikationen in der Kritik der politischen Okonomie 49 II. AllegorienundAllegorieinFaust II 63 1. DerAufzugderAllegorien.ZurMummenschanz ......... 65 2. DieEntstehungderallegorischen Verhaltnisse,Weitliiufiger SaalmitNebengernachern 79 3. DieGegenwartderVergangenheitderAntike.Helena 99 4. WissenundErscheinung. Laboratorium 124 5. DieFormderAllegorieinFaustII 138 6. Grenzen der Allegorie. Der Myrhos der Natur und die ReligionderLiebe 154 7. Die Sinnlichkeit der Abstraktionen. Zur Asthetik der Alle- gorie 166 Schlup. Abstraktion, AllegorieundRealismus 175 Exkurs.WalterBenjaminsAllegorie 186 Anmerkungen 191 Personenregister 213 VII EINLEITUNG FAUST II 1M 19. ]AHRHUNDERT 1862,dreifsigjahrenachAbschlufvon Goethes »Hauptgeschaft«, erscheint Friedrich Theodor Vischers Faust. Der Tragodie Dritter Theil, »treu im Geiste des zweiten Theils des G6theschen Faust gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifi zinsky«. Ihr Motto hat die Parodie dem parodierten Werk ent nommen: »Und allegorisch, wie die Lumpen sind, / Sie werden nur urn desto mehr behagen.. [1] Vischers Faust hat im Himmel zurgelinden Strafe den Auftragerhalten, als Lehrer einer »sel'gen Knabenkolonie- GoethesFaust II zu erklaren: »Esgeht jetzt, wie gesagt, an den Homunkel, / Gebt acht, pafst auf, der Gegenstand ist dunkell- [2] Urn das Dunkel aufzuhellen, hat Faust »aus Kom mentaren, wenigstens aus zehn«, die »Deutungen- abgeschrieben: »zuerst folgt noch der Rest der ersteren, langeren Definition: Der Homunculus isr narnlich auBerdem, daB er einerseits die trockene Gelehrsamkeit, andrerseits die Liebe zum ideal Schonen ist, zugleich eine auBersttiefsinnige Anspielungaufden Vulkanismus. Indem er narnlich am Muschelwagen der Galatea-r-ec, [3] Leider werden weitere Erklarungen durch das Gebrumm von Maikafern verhindert, welche die himmlischen Kinder in der Schulstube losgelassen haben. Ergebnislos bleiben auch die Auslegungsversu che der »Gesellschaft der an Goethes Faust sich zu tot erklart habenden Erklarer«, die - geteilt nach Stoffhubern und Sinnhu bern - das Nachspiel bestreiten. Vischers Parodie, die das Werk fur unverstandlich erklart, wird 1 dem Interpretationsproblern von Faust II eher gerecht als die meisten Interpretationen, die sich unverziiglich ans Werk machen. Provozierend wirkt die Unverstandlichkeit gerade deshalb, weil Faust II offensichtlich Bedeutungen, wenngleich dunkle, enthalt und nach erhellender Deutung verlangt. Vischer fiihrt dieses Argernis szenisch vor, indem er Faust zum Ausleger seiner selbst bestellt und ihm, nachdem er bei dieser Aufgabe versagt hat, professionelle Deuter nachschickt: Faust II ist in solchem Mafse der Auslegung bediirftig, die Interpreten quasi zu seinen dramatis personae gehoren. Notwendig werden solche Ausle gungsversuche wegen der besonderen Struktur der Bilder, die sich dem wortlichen Verstand wie dernatiirlichen Anschauungverwei gern. Sie zwingen daher »zum Geistesriicktritt hinter die Erschei nung« und fiihren, zu Vischers Leidwesen, in »die Tiefen der Abstraktion«. Die Bilder seien derart »kurios und krumrn«, sie hinterder »sonderbaren Hiille [...]der BedeutungFiille- zwar versprechen, aber nicht preisgeben.[4] Vischer erfindet ein boshaftes Beispiel: nacheinander treten ein Stiefelknecht, zwei Stiefel und zehn Hiihneraugen auf, die schliefslich allesamt von einer grofsen »Null« verschlungen werden (womit Vischer seine Meinung iiber den 1deengehalt jener Bilder unmifsverstandlich kundtut). Die Distanz zwischen sinnlicher Erscheinung und ideeller Bedeutung, welche die Ausleger zu iiberbriicken trachten, aber nicht zu iiberbriicken verrnogen, siehtVischerin der allegorischen AnlagevonFaust II begriindet. »DiesesHistorium / Ist kein Brim borium, / lst Allegorium.. [5] Bereits die fingierten Verfasserna men und das Motto der Parodie kiindigen an, Goethes Werk als Allegoriecharakterisiertund kritisiertwerdensoll-als Allego rie (Allegoriowitsch), die gedeutet werden will (Deutobold), wegen der Dunkelheit ihrer Bilder (Symbolizetti) jedoch unver standlich (Mystifizinsky) bleibt.[6] Denn eben der augenscheinli che Widerspruch von unsinniger Erscheinung und unsinnlicher Bedeutung, aufdem Vischers Kritik insistiert, ist ein Kennzeichen derAllegorie.Urnden Widerspruchaufzulosen, wirdder »Geistes riicktritt hinter die Erscheinung- erforderlich. Die Allegorie ist demnach eine ungesattigte Form, die der Erganzung durch den Interpreten bedarf. Solche Bediirftigkeit verletzt jedoch die Norm jener asthetischen Autonomie, die zumindest seit dem 18. jahr hundert, nicht zuletzt durch das Vorbild von Goethes klassischer 2 Dichtung, allgemeine Geltung beansprucht. OafSGoethe noch im 19. Jahrhundert in eine derart iiberholte Dichtart zunickfallen konnte, urn »Cespenster- zu erfinden, die hochstens »aus faulem Kirchenschutte [...]allegorisch zu erklaren- sind[7]- dies mufste Vischers Uberzeugung verstoren, dag die literaturgeschichtliche Entwicklung zielbewufst und unumkehrbar zu einer immer sinn falligeren Darstellung menschlicher Wirklichkeit fortschreite. Urn eine Deutung der Allegorie in Faust II will sich Vischer auch deshalb nicht berniihen, weiI er von vornherein eine Form fur verfehlt halt, die in Verstandesabstraktionen aufgelost werden kann. Wegen ihrer theoretischen Eindeutigkeit schien Vischer der »astherischeWert<' derAllegoriegering: ihre »Helleist im Grunde Verstandeshelle, Bewulitsein von Zweckrnaliigkeit: das letztere freilich nur, wenn das tertium einleuchtend gewahlr ist; doch, wenn dies nichtderFall, so wird man erstrechtin das Verstandes gebietverwiesen, urn zu suchen, zu raten.« [8] - Gerade durchsei ne Aversionen deckt Faust III die ungewohnliche Konstruktion vonFaust II, seine Sonderstellungin derLiteraturdes 19.Jahrhun derts und seine Herausforderung an die Interpreten auf: der ge meinsame Index dieser Eigentiimlichkeiten ist die Allegorie. Was Vischer und die meisten Kritiker im 19. Jahrhundert vor allem an Faust II irritierte, war das Wiederaufleben der seit langem fur tot erklarten Form der Allegorie. Sie wufsten sich keinen anderen Rat, als Faust II fur ein totgeborenes Werk zu erklaren. Ein 1835 abgelegtesBekenntnif5iiber den 2ten Theil von Gothes Faust lautet: »Ein prononcirt allegorisches Gedicht kommt mir immer mehr oder weniger vor wie der Leichenzug irgend einer verblichenen Wahrheit, die die neun Musen mit langen Flohren und Citronen in den Handen, auf der Bahre tragen.«[9] Die Diskrepanz zwischen den asthetischen Prinzipien des Werks eines bereits kanonischen Autors und der Kritik, die dieses Werk ebenso gern kanonisiert harte wie seine fruheren, kame es nur nicht in soleh fragwiirdiger Gestalt einher - diese Diskrepanz fordert eine Erklarung, Nimmt man beide, Goethe und seine Kritiker, ernst, so liegt eine doppelte Vermutung iiber den Ursprung ihres Konflikts nahe: 1.JederAkt der unerwarteten Wiederaufnahme geschieht bewulster als einer der traditionellen Weiterfuhrung. Goethes ungewohnlicher Entscheidung fur die Allegorie sind eventuell Erkenntnisse iiber den >Weltzustand, vor aufgegangen, die der asrhetischen Produktion seiner Zeit fremd 3

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