ebook img

Faust Zweiter Teil: Die Allegorie des 19. Jahrhunderts PDF

218 Pages·1998·18.02 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Faust Zweiter Teil: Die Allegorie des 19. Jahrhunderts

FAUST ZWEITER TEIL Heinz Schlaffer FAUST ZWEITER TEIL Die Allegorie des 19. Jahrhunderts Zweite, um eine Nachbemerkung erweiterte Auflage Verlag J.B. Metzler Stuttgart . Weimar Die Deutsche Bibliothek -elP -Einheitsaufnahme Schlaffer, Heinz: Faust zweiter Teil: die Allegorie des 19. Jahrhunderts / Heinz Schlaffer. -2., um eine Nachbemerkung erw. Aufl. - Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1998 ISBN 978-3-476-01619-5 ISBN 978-3-476-01619-5 ISBN 978-3-476-03273-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03273-7 Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronischen Systemen. © 1998 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1998 Das Buch von Hannelore Schlaffer über Goethes Wilhelm Meister und das von Heinz Schlaffer über Faust II sind komplementär im Kontrast. Für ihre unterschiedlichen Methoden und Ergebnisse sind nicht gegensätzliche Vorentscheidungen der Verfasser, son dern spezifische Anforderungen der poetischen Werke verant wortlich. Die Wilhelm-Meister-Philologie vertraute bislang dem zeitna hen Vordergrund des Werkes, so daß die Ikonologie seines mytho logischen Hintergrunds unentdeckt blieb. Die Faust II-Philologie hielt sich vornehmlich an den mythologisch-symbolischen Appa rat und ließ die historischen Bedeutungen unbedacht. Die vorliegenden Abhandlungen kehren die Richtung der Erkenntnis um: Die Interpretation der Wilhelm-Meister-Romane findet in verborgenen Bildern einen Sinn, der die Prosa des Wirkli chen überschreitet. Die Interpretation von Faust II entdeckt die Allegorie als die bildliehe Form der Abstraktionen, von denen Goethe das Jahrhundert bestimmt sah. Die unterschiedlichen Interpretationsverfahren berücksichtigen die historisch begründete Wandlung von Goethes ästhetischer Konzeption. Seine Wilhelm-Meister-Romane waren in der Hoff nung geschrieben, daß Erfahrungen der bürgerlichen Moderne an die Bilder wiederkehrender Mythen zurückzubinden seien. Faust II, Goethes letztes Werk, geht aus der Einsicht hervor, daß die Ansprüche der Moderne seinen Bildervorrat übersteigen und eine neue ästhetische Antwort verlangen. Die Mythen werden von der Allegorie aufgebraucht. Gerade die thematische Nachbarschaft von Wilhelm Meisters Wanderjahren und Faust II macht die geschichtliche Notwendigkeit der poetischen Alternativen be wußt. H. S., H. S. v Für einige Hinweise zum Verständnis von Faust II und für die kritische Lektüre des Manuskripts danke ich Doris Kammradt. H. S. VI INHALT Einleitung. Faust II im 19. Jahrhundert 1 1. Voraussetzungen .................................... 11 1. Goethe an Schiller, Frankfurt, 16. August 1797 .......... 13 2. Die Kritik der Allegorie im Zeitalter Goethes ............ 29 3. Die Bestimmung der Allegorie in Hegels Ästhetik ........ 39 4. Charaktermasken und Personifikationen in der Kritik der politischen Ökonomie ............................... 49 II. Allegorien und Allegorie in Faust II ................... 63 1. Der Aufzug der Allegorien. Zur Mummenschanz . . . . . . . . . 65 2. Die Entstehung der allegorischen Verhältnisse. Weitläufiger Saal mit Nebengemächern ............................ 79 3. Die Gegenwart der Vergangenheit der Antike. Helena .... 99 4. Wissen und Erscheinung. Laboratorium ................ 124 5. Die Form der Allegorie in Faust II ..................... 138 6. Grenzen der Allegorie. Der Mythos der Natur und die Religion der Liebe .................................. 154 7. Die Sinnlichkeit der Abstraktionen. Zur Ästhetik der Alle- gone.............................................. 166 Schluß. Abstraktion, Allegorie und Realismus ............. 175 Exkurs. Walter Benjamins Allegorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Anmerkungen ........................................... 191 Personenregister 213 VII EINLEITUNG FAUST 11 IM 19. JAHRHUNDERT 1862, dreißig Jahre nach Abschluß von Goethes »Hauptgeschäft«, erscheint Friedrich Theodor Vischers Faust. Der Tragödie Dritter Theil, »treu im Geiste des zweiten Theils des Götheschen Faust gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifi zinsky«. Ihr Motto hat die Parodie dem parodierten Werk ent nommen: »Und allegorisch, wie die Lumpen sind, / Sie werden nur um desto mehr behagen.« [1] Vischers Faust hat im Himmel zur gelinden Strafe den Auftrag erhalten, als Lehrer einer »sel'gen Knabenkolonie« Goethes Faust II zu erklären: »Es geht jetzt, wie gesagt, an den Homunkei, / Gebt acht, paßt auf, der Gegenstand ist dunkel!« [2] Um das Dunkel aufzuhellen, hat Faust »aus Kom mentaren, wenigstens aus zehn«, die »Deutungen« abgeschrieben: »zuerst folgt noch der Rest der ersteren, längeren Definition: Der Homunculus ist nämlich außerdem, daß er einerseits die trockene Gelehrsamkeit, andrerseits die Liebe zum ideal Schönen ist, zugleich eine äußerst tiefsinnige Anspielung auf den Vulkanismus. Indem er nämlich am Muschelwagen der Galatea -«. [3] Leider werden weitere Erklärungen durch das Gebrumm von Maikäfern verhindert, welche die himmlischen Kinder in der Schulstube losgelassen haben. Ergebnislos bleiben auch die Auslegungsversu che der »Gesellschaft der an Goethes Faust sich zu tot erklärt habenden Erklärer«, die - geteilt nach Stoffhubern und Sinnhu bern - das Nachspiel bestreiten. Vischers Parodie, die das Werk für unverständlich erklärt, wird 1 dem Interpretationsproblem von Faust II eher gerecht als die meisten Interpretationen, die sich unverzüglich ans Werk machen. Provozierend wirkt die Unverständlichkeit gerade deshalb, weil Faust II offensichtlich Bedeutungen, wenngleich dunkle, enthält und nach erhellender Deutung verlangt. Vischer führt dieses Ärgernis szenisch vor, indem er Faust zum Ausleger seiner selbst bestellt und ihm, nachdem er bei dieser Aufgabe versagt hat, professionelle Deuter nachschickt: Faust II ist in solchem Maße der Auslegung bedürftig, daß die Interpreten quasi zu seinen dramatis personae gehören. Notwendig werden solche Ausle gungsversuche wegen der besonderen Struktur der Bilder, die sich dem wörtlichen Verstand wie der natürlichen Anschauung verwei gern. Sie zwingen daher »zum Geistesrücktritt hinter die Erschei nung« und führen, zu Vischers Leidwesen, in »die Tiefen der Abstraktion«. Die Bilder seien derart »kurios und krumm«, daß sie hinter der »sonderbaren Hülle [. ..] der Bedeutung Fülle« zwar versprechen, aber nicht preisgeben. [4] Vischer erfindet ein boshaftes Beispiel: nacheinander treten ein Stiefelknecht, zwei Stiefel und zehn Hühneraugen auf, die schließlich allesamt von einer großen »Null« verschlungen werden (womit Vischer seine Meinung über den Ideengehalt jener Bilder unmißverständlich kundtut). Die Distanz zwischen sinnlicher Erscheinung und ideeller Bedeutung, welche die Ausleger zu überbrücken trachten, aber nicht zu überbrücken vermögen, sieht Vi scher in der allegorischen Anlage von Faust II begründet. »Dieses Historium / Ist kein Brim borium, / Ist Allegorium.« [5] Bereits die fingierten Verfasserna men und das Motto der Parodie kündigen an, daß Goethes Werk als Allegorie charakterisiert und kritisiert werden soll-als Allego rie (Allegoriowitsch), die gedeutet werden will (Deutobold), wegen der Dunkelheit ihrer Bilder (Symbolizetti) jedoch unver ständlich (Mystifizinsky) bleibt. [6] Denn eben der augenscheinli che Widerspruch von unsinniger Erscheinung und unsinnlicher Bedeutung, auf dem Vischers Kritik insistiert, ist ein Kennzeichen der Allegorie. Um den Widerspruch aufzulösen, wird der »Geistes rücktritt hinter die Erscheinung« erforderlich. Die Allegorie ist demnach eine ungesättigte Form, die der Ergänzung durch den Interpreten bedarf. Solche Bedürftigkeit verletzt jedoch die Norm jener ästhetischen Autonomie, die zumindest seit dem 18. Jahr hundert, nicht zuletzt durch das Vorbild von Goethes klassischer 2 Dichtung, allgemeine Geltung beansprucht. Daß Goethe noch im 19. Jahrhundert in eine derart überholte Dichtart zurückfallen konnte, um »Gespenster« zu erfinden, die höchstens »aus faulem Kirchenschutte [. ..] allegorisch zu erklären« sind [7] - dies mußte Vischers Überzeugung verstören, daß die literaturgeschichtliche Entwicklung ziel bewußt und unumkehrbar zu einer immer sinn fälligeren Darstellung menschlicher Wirklichkeit fortschreite. Um eine Deutung der Allegorie in Faust II will sich Vischer auch deshalb nicht bemühen, weil er von vornherein eine Form für verfehlt hält, die in Verstandesabstraktionen aufgelöst werden kann. Wegen ihrer theoretischen Eindeutigkeit schien Vischer der »ästhetische Wert« der Allegorie gering: ihre »Helle ist im Grunde Verstandeshelle, Bewußtsein von Zweckmäßigkeit: das letztere freilich nur, wenn das tertium einleuchtend gewählt ist; doch, wenn dies nicht der Fall, so wird man erst recht in das Verstandes gebiet verwiesen, um zu suchen, zu raten.« [8] - Gerade durch sei ne Aversionen deckt Faust III die ungewöhnliche Konstruktion von Faust II, seine Sonderstellung in der Literatur des 19.Jahrhun derts und seine Herausforderung an die Interpreten auf: der ge meinsame Index dieser Eigentümlichkeiten ist die Allegorie. Was Vischer und die meisten Kritiker im 19. Jahrhundert vor allem an Faust II irritierte, war das Wiederaufleben der seit langem für tot erklärten Form der Allegorie. Sie wußten sich keinen anderen Rat, als Faust II für ein totgeborenes Werk zu erklären. Ein 1835 abgelegtes Bekenntniß über den 2ten Theil von Gäthes Faust lautet: »Ein prononcirt allegorisches Gedicht kommt mir immer mehr oder weniger vor wie der Leichenzug irgend einer verblichenen Wahrheit, die die neun Musen mit langen Flöhren und Citronen in den Händen, auf der Bahre tragen.« [9] Die Diskrepanz zwischen den ästhetischen Prinzipien des Werks eines bereits kanonischen Autors und der Kritik, die dieses Werk ebenso gern kanonisiert hätte wie seine früheren, käme es nur nicht in solch fragwürdiger Gestalt einher - diese Diskrepanz fordert eine Erklärung. Nimmt man beide, Goethe und seine Kritiker, ernst, so liegt eine doppelte Vermutung über den Ursprung ihres Konflikts nahe: 1. Jeder Akt der unerwarteten Wiederaufnahme geschieht bewußter als einer der traditionellen Weiterführung. Goethes ungewöhnlicher Entscheidung für die Allegorie sind eventuell Erkenntnisse über den >Weltzustand< vor aufgegangen, die der ästhetischen Produktion seiner Zeit fremd 3

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.