Extrakorporale Zirkulation - Heute c. J. PreuBe, R.D. Schulte (Hrsg.) Extrakorporale Zirkulation Heute ~ Steinkopff Verlag Darmstadt Die Herausgeber: PD Dr. C. J. PreuBe Prof. Dr. H.D. Schulte Chirurgische Klinik und Poliklinik Abt. Thorax- und Kardiovaskularchirurgie Heinrich-Heine-V niversiHit MoorenstraBe 5 4000 Dusseldorf CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek ExtrakorporaJe Zirkulation heute / C. J. Preusse ; H. D. Schulte (Hrsg.). - Darmstadt: Steinkopff, 1991 ISBN-13: 978-3-642-85402-6 e-ISBN-13: 978-3-642-85401-9 DOl: 10.1007/978-3-642-85401-9 NE: Preusse, Claus J. [Hrsg.] Dieses Werk ist urheberrechtlich geschutzt. Die dadurch begrtindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrages, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfliltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zulassig. Sie ist grundsatzlich vergutungs pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Copyright © 1991 by Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1991 Verlagsredaktion: Sabine Muller - Herstellung: Heinz J. Schafer Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Verof fentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solehe Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Gesamtherstellung: Druckerei Laub, Elztal-Dallau Gedruckt auf saurefreiem Papier Vorwort Die Deutsche Gesellschaft ftir Thorax-, Herz-und GefaBchirurgie hat im Rahmen ihrer bisherigen Jahrestagungen jeweils Fortbildungsveranstaltungen fUr Kardiotechniker in enger Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft ftir Kardiotechnik e.V. durchge ftihrt. Diese Sitzungen wurden gewohnlich dem Tagungsleiter bzw. einem seiner Mit arbeiter zur organisatorischen Durchftihrung mit dem leitenden Kardiotechniker der Abteilung tibertragen. Die bisherigen Sitzungen zeichneten sich durch aktuelle The men mit kompetenten Referenten aus, so daB sie immer ein ganz auBerordentliches Interesse nicht nur bei den Kardiotechnikern, sondern auch bei den tibrigen Tagungs teilnehmern fanden. Infolge dieses groBen Echos haben wir uns entschlossen, die Beitrage 1990 zu sammeln und mit Hilfe der Referenten zu veroffentlichen. Das Titelblatt reprasentiert das Plakat zur 19. Jahrestagung 1990. Wir verdanken es Melissa Mayer-Galbraith und Thomas Sebening, Mtinchen. Nach einer Ubersicht tiber die Auswirkungen des Einsatzes der Herz-Lungen-Ma schine mit Perfusat und Hypothermie auf den Organismus, betrachtet unter physiologi schen Aspekten, wird ein uns heute besser bekannter Funktionskreis mit dem humora len System und Mediatoren angesprochen. Erganzt wurde das Kapitel zur extrakorporalen Zirkulation im Erwachsenenalter. Ein weiterer Beitrag ist der EKZ bei Neugeborenen und Sauglingen vorbehalten und gibt die wesentlichen Details fUr diese schwierige Altersgruppe wieder. Die unter Ganzkorper-Hypothermie-Bedingungen eingeleitete und durchgefUhrte Myokardpro tektion mittels Kardioplegischer Losung nach Bretschneider zeigt einige Ergebnisse der sogenannten "high volume cardioplegia" auf. Mit dem EinfluB der Narkose auf die zerebrale Durchblutung und der Primar-Volu men-Zusammensetzung auf das extrakorporale Lungenwasser werden die praktischen Aspekte abgerundet. Ein weiteres Kapitel beschliftigt sich mit der akuten Niereninsuf fizienz und ihrer BeeinfluBbarkeit. Besondere Anwendungsmoglichkeiten der EKZ ergeben sich zur Reanimation un terktihlter Patienten, zur langerfristigen Behandlung des akuten Lungenversagens mit extrakorporalem Gasaustausch und zusatzlicher sekundarer Thrombendarteriektomie der Pulmonalarterie. Den AbschluB bilden technische und menschliche Gesichtspunkte sowie die Ausbildung und Gestaltung des Berufsbildes der Kardiotechniker unter dem Leitgedanken der Sicherheit der EKZ fUr den Patienten. Vor allem die Gestaltung eines Berufsbildes und eines praktikablen Ausbildungsmodus fUr eine positive zuktinf tige Entwicklung, der gerade mit dem zustandigen Ministerium in NRW diskutiert wird, liegt dem Vorsitzenden des Verbandes der Kardiotechniker am Herzen. Diese Themenkreise reprasentieren den derzeitigen Kenntnisstand zur extrakorpo ralen Zirkulation und ihren zusatzlichen Anwendungsmoglichkeiten. Wir hoffen sehr, daB diese Zusammenfassung ein breites Echo findet und die vorgetragenen Details hier tibersichtlich und in Ruhe nachgelesen werden konnen. Vielleicht entwickelt sich aus diesem Anfang eine Buchreihe, in der die wesentlichen Aspekte der "Kardiotechniker Fortbildung" durch die Deutsche Gesellschaft fUr Thorax-, Herz- und GefaBchirurgie zusammengefaBt und erhalten werden konnen. v Ohne die Unterstutzung der Industrie ware das Erscheinen dieses Bandes nicht rnoglich gewesen. Allen, die zurn Gelingen dieser Zusammenstellung beigetragen ha ben, sagen wir unseren herzlichen Dank fUr Ihre Mitarbeit. Dusseldorf, Dezernber 1990 Die Herausgeber VI Inhaltsverzeichnis Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. v Vorbereitung und Steuerung der extrakorporalen Zirkulation aus physiologischer Sicht Singer, D., G. Hellige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1 EKZ - Humorale Systeme und Mediatoren Dapper,F.,H.Neppl,G.Wozniak,I.Strube,H.Neuhof .............. 31 Grundlagen und Durchfiihrung der extrakorporalen Zirkulation beim Erwachsenen. Diisseldorfer Verfabren. Schulte,H.D.,J. Guttier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 Die extrakorporale Zirkulation bei Neugeborenen und Siiuglingen Klovekorn, W.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 55 Eintlu8 von Alter, Hypertonus und Narkoseverfahren auf die Autoregulation der zerebralen Bluttlu8geschwindigkeit wiihrend extrakorporaler Zirkulation Renz, D., G.F. Karliczek, B. Kraus, A. Hoche, C. Huth. . . . . . . . . . . . . 59 Einleitung des kiinstlichen Herzstillstandes in der Erwachsenen-und Kinder herzchirurgie PreuBe, C.J., K. Schad, J. Guttier, G. Muller, H.D. Schulte. . . . . . . . . .. . 71 Extravaskuliires Lungenwasser nach Vorfiillung der Herz-Lungen-Maschine mit 4% Humanalbumin Korb, H., A. Hoeft, A. Borowski, U. Mehlhorn, H. Stephan, E.R. de Vivie. . .. 81 Aktuelle Aspekte der akuten Niereninsuffizienz unter Beriicksichtigung der Hiimo mtration und der Hiimodialyse wiihrend der EKZ Kallerhoff, M.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Extrakorporaler Gasaustausch zur Behandlung des schweren akuten Lungen versagens Barth, H. W., K.J. Falke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 97 Behandlung einer lebensbedrohlichen Hypoxie nach akutem kardiopulmonalem Versagen bei thromboembolisch bedingter pulmonaler Hypertonie mit dem "high-tlow"venovenosen extrakorporale Bypass mit anschlie8ender Thromben arteriektomie der Pulmonalarterien Knoch, M., S. Iversen, B. Hartel, J. Kussmann, Ch. Sangmeister, H. Lennartz ... 107 VII Reanimation unterkiihIter Patienten mit der Herz-Lungen-Mascbine Schistek,R.,J. Albes,F. Chmelizcek, O. Dapunt, R. Hollinger,F. Unger. ..... 115 Sicberbeitsaspekte bei der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) Lauterbach, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 VIII Vorbereitung und Steuerung der extrakorporalen Zirku lation aus physiologiseher Sieht D. Singer, G. Hellige*) Abteilung Vegetative Physiologie und Pathophysiologie und Abteilung Experimentelle Kardiologie, Physiologisches Institut der Universitat Gottingen Einleitung Die extrakorporale Zirkulation (EKZ) erlaubt einen zeitlich befristeten Ersatz der physiologischen Hauptfunktionen von Herz und Lunge. Dabei ergeben sich eine Reihe von Wechselwirkungen zwischen der Maschine "an sich", dem geforderten Perfusat und dem zu versorgenden Organismus (Abb. 1). Die maschinellen Komponenten konnen einen wirksamen Gasaustausch und eine suffi ziente Perfusion gewahrleisten, vermogen aber die humoralen Nebenaufgaben des Herzens (z. B. die Bildung des atrialen natriuretischen Peptids) und der Lunge (z. B. die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II) nicht zu ersetzen. Das Perfusat, das durch seine Zusammensetzung die Versorgung des Organismus wesentlich beein fluBt, ist seinerseits durch den maschinellen Transport diversen Schadigungen (z.B. Hamolyse, Gerinnungsstorungen, Komplementaktivierung) ausgesetzt. MASCHINE Pump en, Oxygenator, Warmeaustauscher, Schlauchsystem I I HVPOTHERM'IE" ./' PERFUSAT ------...~. ORGANISMUS Blut + Versorgungsbedarf: "priming volume" -Gasaustausch -" Spuleffekt" Abb. 1. Die extrakorporale Zirkulation als komplexes Wirkungsgefiige aus Maschine, Perfusat und Organismus; die Hypothermie als zentraler zusatzlicher EinfluBfaktor 1 Bine wichtige Rolle in diesem Wirkungsgeflige spielt femer die Hypothermie, die einerseits den Versorgungsbedarf des Organismus reduziert und damit eine zusatzliche Absicherung der EKZ bewirkt. Da jedoch iiber die adaquaten physiologischen Ver hiiltnisse bei emiedrigten Korpertemperaturen noch kaum verbindliche Richtwerte vorliegen, stellt die Hypothermie andererseits auch einen "Problemfaktor" hinsichtlich der Fiillung und Steuerung der Herz-Lungen-Maschine dar. Deshalb, und weil auf diesem Gebiet in jiingerer Zeit einige neue Einsichten gewonnen werden konnten, solI die Hypothermie mit ihren Effekten auf das Zusammenspiel "Perfusat - Organismus" im Mittelpunkt der folgenden Ausflihrungen stehen. Versorgungsbedarf des Organismns in Normo-nod Hypothermie Komponenten des Versorgungsbedarfes Da die Gewebe im menschlichen Organismus - im Gegensatz zu ihren Substratvorra ten - nur iiber geringe Sauerstoffreserven verfiigen, sind sie von einer kontinuierlichen OrZufuhr abhiingig. Wird die Durchblutung unterbrochen, setzt binnen weniger Se kunden die anaerobe Glykolyse (Milchsauregarung) ein. Da diese den Bnergiebedarf nur teilweise zu decken vermag, sinkt die Stoffwechselrate fortschreitend ab, wodurch zunachst die Organfunktionen erloschen und schlieBlich - nach Unterschreitung des sogenannten Strukturerhaltungsumsatzes - irreversible Gewebsschiiden eintreten (22, 41). Falls nur die 02-Versorgung ungeniigend wird, die Durchblutung jedoch erhalten bleibt, entwickeln sich diese Schiiden langsamer, weil die sauren "Stoffwechselschlak ken", deren Anhiiufung im Gewebe anderenfalls wesentlich zur Schadensentwicklung beitragt, abtransportiert werden. Hieraus folgt, daB der Perfusion - neben ihrer Tra gerfunktion fiir Sauerstoff - eine wichtige Eigenbedeutung zukommt, die auch als "Spiileffekt" bezeichnet wird. Voraussetzung flir dessen dauerhafte Wirksamkeit ist allerdings die erhaltene Funk tion zentraler Organe - insbesondere der Leber - mit ihrer Fahigkeit, angefallenes Laktat wieder in Glukose umzuwandeln (Glukoneogenese). Wenn diese Funktion, beispielsweise infolge eines protrahierten Kreislaufschocks, durch starke Kiihlung oder in der voriibergehenden "anhepatischen" Phase bei Lebertransplantationen einge schrankt ist, machen sich zunehmende metabolische StOrungen bemerkbar. Insofem bleibt die EKZ auf das Zusammenspiel mit "intrakorporalen" Stoffwechselprozessen angewiesen. Abhiingigkeit des Sauerstoffverbrauches vom Korpergewicht Die wichtigste Determinante des Sauerstoffverbrauches unter Ruhebedingungen ist das K6rpergewicht. Nach der von Kleiber (62) angegebenen Formel steht der Grund umsatz (~ zur K6rpermasse (M) von Saugetieren in der Beziehung: E ~ Ml,75. Wiirde der Exponent nicht 0,75, sondem 1 betragen, so bestiinde eine direkte Propor tionalitat zwischen Energieumsatz und K6rpergewicht. Der Umstand, daB er kleiner 2 als 1 ist, hat demgegeniiber zur Folge, daB der Grundumsatz mit wachsendem Korper gewicht relativ abnimmt - und umgekehrt (Abb. 2, links). Dieser Zusammenhang, der sich im gesamten Tierreich nachweisen laBt, wird fur Warmbliiter im allgemeinen damit erklart, daB kleinere Organismen wegen ihrer groBeren relativen Korperober fHiche und des entsprechend hoheren Warmeabstromes eine intensivere endogene Warmeproduktion benotigen, urn ihre Korperkemtemperatur aufrechtzuerhalten ("Oberflachenregel"). In Wahrheit handelt es sich aber auch nicht urn eine reine Oberflachenpropo~ionalitat (bei der nach geometrischen Erwagungen der Exponent 0,67 betragen miiBte), sondem eher urn eine Art "KompromiBlosung" zwischen der Oberflachen- und der Gewichtsproportionalitat; insofem sind auch die in der Praxis iiblichen oberflachenbezogenen Normalwerte fur verschiedene KreislaufgroBen ledig lich als Naherungswerte zu verstehen, die den zugrundeliegenden Naturzusammenhang nur unvollkommen wiedergeben. Unabhangig von der "mathematisch exakten" For mulierung gilt jedoch die Regel, daB sowohl der Sauerstoffverbrauch als auch das Herzzeitvolumen - bezogen auf das Korpergewicht - bei kleineren Individuen deutlich hoher liegen als bei groBeren oder erwachsenen Organismen (Abb. 2, rechts), was zugleich eine "iiberproportionale" Leistungsfahigkeit der Herz-Lungen-Maschine fur Kleinkinder erfordert (27, 29,115) . E[~J Y. o. Gkmg.mloi2nU Q Gkmg·lBmlulfllJ 100 10 200 E"3. MO•75 Vo2" 10. M-o.25 !1N::0l:Z::§c/;;I1 ) ) 10 ,:;/~,'/- :/iF/- ,(,, , , , :~eIII1I>UcIzDIIII/1::::I: 846 6 .. 200 'M-O,25 11862000 :!.>UUNN:0zI.::I;.I: :).II !!I :UzI: , , , /i~ ~ 2 40 , , , 0 0 10 100 10 100 KORPERMASSE M [kg] KORPERMASSE M [kg] Abb. 2. Abhangigkeit des "Versorgungsbedarfes" vom Korpergewicht; Forme1n gerundet nach Calder (29), Kleiber (62) und Schmidt-Nielsen (115). Auf der linken Seite ist die physiologische Beziehung zwischen Grundumsatz und Korpermasse im Vergleich zur reinen Gewichts-(bzw. Massen)proportionalitat aufgetragen (im doppeltlogarithmischen Diagramm wird der Exponent der Potenzfunktion zur Steigung der Geraden). Auf der rechten Seite wird anhand von Sauerstoffverbrauch und Herzzeitvolumen verdeutlicht, wie die gewichts-(bzw. mas sen)bezogenen Normalwerte mit sinkender Korpermasse zunehmen. Wahrend des Schlafes sinkt die Stoffwechselrate infolge der weitgehenden Entspan nung der Skelettmuskulatur sowie einer leichten Emiedrigung der Korperkemtempe ratur unter den Grundumsatz ab (64). Demgegeniiber hat die Narkose - einem weit verbreiteten Vorurteil zum Trotz - keinen zusatzlichen stoffwechselsuppressiven Ef fekt; auch bei guter Allgemeinanasthesie werden Stoffwechselraten zwischen dem Grund- und dem Schlafumsatz im allgemeinen nicht unterschritten (83). 3