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Existenz bei Fakhr ad-Dīn ar-Rāzī - Die Entwicklung des Konzeptes des wuğūd im aš‘aritischen kalām PDF

145 Pages·2005·1.01 MB·German
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Existenz bei Fahr ad-D¯ın ar-R¯az¯ı ˘ Die Entwicklung des Konzeptes des wuˇgu¯d im aˇs‘aritischen kala¯m Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakult¨at der Georg-August-Universit¨at G¨ottingen vorgelegt von Hassan Wassouf aus Homs/Syrien G¨ottingen 2005 An dieser Stelle m¨ochte ich all den Menschen danken, die mir bei der Ausar- beitung vorliegender Dissertation unentbehrliche Hilfe waren. An vorderster Stelle danke ich Herrn Prof. Dr. Tilman Nagel fu¨r seine geduldige Betreuung unddasVertrauen,daserinmichunddasEntstehendieserArbeitgesetzthat. Ohne seine pers¨onliche Anteilnahme w¨are sie nicht zustande gekommen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Peter Bachmann fu¨r seine permanente Unterstu¨tzung. Er und Herr Prof. Nagel haben wohl den gr¨oßten Anteil an meiner wissen- schaftlichen Ausbildung. Zu danken habe ich ferner Herrn Prof. Dr. Martin Tamcke fu¨r sein pers¨onliches Interesse an vorliegender Arbeit und seine Be- reitschaft, sie als Gutachter zu unterstu¨tzen. Es sei aber an dieser Stelle auch den vielen weiteren Dozenten gedankt, deren Seminare ich besucht habe und die mir Inspiration und Wissensquelle waren. Mein Dank gilt weiterhin meiner Frau Susan Abbe, die mit mir zusammen den steinigen Weg der Dissertation beschritten hat, und ohne deren Ausdau- er und Unterstu¨tzung diese Arbeit kaum m¨oglich gewesen w¨are. Insbesondere bin ich weiterhin meinen Eltern zu Dank verpflichtet, die mir mein Studium erm¨oglicht und die mit Geduld und Zuversicht mein Weiterkommen aus der Ferne beobachtet haben. Ihnen und meiner Frau sei daher dieses Werk gewid- met. Inhaltsverzeichnis 1 Einfu¨hrung 1 2 Die Mu‘tazila: das Wissen 7 2.1 Objektloses“ Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 ” 2.2 Objekthaftes“ Wissen: das Wissen von den Dingen . . . . . . 11 ” 2.2.1 Existentes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2.2 Nichtexistentes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3 Abu¯ ’l-H.usain al-Bas.r¯ıs Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3 Die Aˇs‘ar¯ıya: die Sch¨opfung 25 3.1 Die Nichtexistenz der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.2 Die Existenz der Dinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2.1 Die Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2.2 Die Existenz Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2.3 Die Existenz der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4 Die Philosophen: die Existenz 41 4.1 wuˇgu¯d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2 ‘adam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.3 Trennung von Essenz und Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.4 Gott als reiner Wuˇgu¯d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5 Zwei L¨osungsversuche 57 5.1 Al-G˙az¯al¯ı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.2 Aˇs-Sˇahrasta¯n¯ı . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6 Ar-Ra¯z¯ı: die Existenz der Sch¨opfung 71 6.1 Ar-R¯az¯ı zwischen kala¯m, Philosophie und Mystik . . . . 71 6.2 Ar-R¯az¯ı und der Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6.3 Das Konzept des ‘adam bei ar-Ra¯z¯ı . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.4 Das Konzept des wuˇgu¯d bei ar-Ra¯z¯ı . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.4.1 Die Existenz als Quiddit¨at. . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.4.2 Die Existenz im Verstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6.4.3 Die Existenz und die Quiddit¨at der Gesch¨opfe. . . . . . 92 i ii Inhaltsverzeichnis 6.4.4 Die Existenz Gottes und die der Gesch¨opfe . . . . . . . 98 6.4.5 Die Existenz Gottes und Seine Quiddit¨at . . . . . . . . 108 6.4.6 Zwei Problempunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.4.6.1 Existiert die Existenz? . . . . . . . . . . . . . 114 6.4.6.2 Wie existiert Gott? . . . . . . . . . . . . . . . 118 6.4.7 Ein Beweis aus den Modalit¨aten der Existenz . . . . . . 120 7 Schlussbetrachtung 125 8 Literatur 131 Kapitel 1 Einfu¨hrung Als die Arbeit an diesem Projekt begann, war das Ziel eine Analyse des ge- samten zweiten rukn – der zweiten S¨aule“ – in einem von Fahr ad-D¯ın ar- ” ˘ R¯az¯ıs bekanntesten Werken, dem Kit¯ab Muh.as.s.al afka¯r al-mutaqaddim¯ın wa- ’l-muta’ahhir¯ın min al-‘ulam¯a’ wa-’l-h.ukama¯’ wa-’l-mutakallim¯ın (etwa: Die ˘˘ ” Summe der Gedanken der Fru¨heren und der Sp¨ateren von den Gelehrten und den Philosophen und den spekulativen Theologen“). In diesem Buch – so ar- R¯az¯ı selbst in seiner Einleitung – ging es ihm um eine Zusammenfassung der Lehrendeskala¯m,diedessenGrundlagenundGrundregelnumfasst.1 Diezwei- te S¨aule reservierte er fu¨r das, was gewusst werden kann: al-ma‘lu¯m‘a¯t. Hier handelte er eine Vielzahl von Punkten ab, die einer allgemeinsten Thematik untergeordnet werden k¨onnen: Es geht zun¨achst im weitesten Sinne um das Existente und um jenes, was nicht existiert, insbesondere dann aber um ver- schiedene Aspekte in der Welt als Sch¨opfung Gottes. W¨ahrend also der erste rukn eine Einfu¨hrung in die Grundlagen rationaler T¨atigkeit (muqaddima¯t) gibt, der dritte einer Betrachtung des g¨ottlichen Seins (ila¯h¯ıya¯t) gewidmet ist, unddervierteverschiedeneaufderU¨berlieferungbasierendeFragen(sam‘¯ıya¯t) behandelt,gehtesar-Ra¯z¯ıimzweitenrukn umeinerationaleAnalysederWelt, wiesievonGottgeschaffen wurde,undumdieFrage,inwelcher Weisesichdas geschaffene Sein derGesch¨opfe vom ungeschaffenen Sein Gottes unterscheidet. Dabei stellt der Autor die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Philoso- phen und der spekulativen Theologen (mutakallimu¯n) einander gegenu¨ber, so dass die verschiedenen Sichtweisen auf die Sch¨opfung und ihr Verh¨altnis zum Sch¨opfer recht deutlich aufscheinen. NunhatsichderSchwerpunktdieserArbeit–wiedieswohloftimRahmen der intensiven Auseinandersetzung mit einer Materie der Fall ist – ver¨andert. Die vorliegende Arbeit besch¨aftigt sich mit einem einzigen Aspekt, den Fahr ˘ ad-D¯ın ar-R¯az¯ı in dieser zweiten S¨aule anspricht, mit dem wuˇgu¯d n¨amlich, der – je nach Kontext – als Existenz“ oder Sein“ wiederzugeben ist. Die Dis- ” ” kussion, die ar-Ra¯z¯ı dem wuˇgu¯d als solchem widmet, verdient eine separate 1Ar-Ra¯z¯ı, Muh.a.ss.al, S. 2,6-7. 1 2 Einfu¨hrung und detaillierte Analyse, insbesondere da sich im aˇs‘aritischen kala¯m die Sicht auf die Existenz als solche nach der Auseinandersetzung mit den Konzepten der Philosophen, die im 11. Jahrhundert begann, ver¨andert hat. W¨ahrend die fru¨heren“ Aˇs‘ariten bei ihrer Analyse der Sch¨opfung und deren Verbindung ” zumSch¨opfer dieentscheidendeTrennliniezwischen derUrewigkeit (Gottes) – dem qidam – und der zeitlichen Erschaffung der Welt – dem ih.d¯at oder h.udu¯t ¯ ¯ – setzten, trennten die sp¨ateren“ jenes, das aus seinem eigenen Wesen heraus ” notwendigerweise existiert (w¯aˇgib al-wuˇgu¯d bi-d¯atihi), von demjenigen, das in ¯ sich selbst nur m¨oglich oder kontingent ist (mumkin al-wuˇgu¯d bi-d¯atihi). Das, ¯ was manalso fru¨herdurchdieTrennungderUrewigkeit Gottes von demzeitli- chenBeginnderWelterreichte,musstenundurchdieSeparationderExistenz- notwendigkeit des Sch¨opfers von der Kontingenz – oder: Existenzm¨oglichkeit – der Gesch¨opfe erreicht werden. Dieser neue Blickwinkel auf die Welt und ihr Verh¨altnis zu Gott machte es aber notwendig, den wuˇgu¯d als solchen ei- ner Analyse zu unterziehen. Diese von ar-Ra¯z¯ı durchgefu¨hrte Analyse und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sollen in dieser Arbeit nachvollzogen und er¨ortert werden. Um nun das, was in der Diskussion ar-Ra¯z¯ıs neu ist, ad¨aquat einordnen zu k¨onnen,erscheintessinnvoll,die¨alterenKonzeptezusammenzutragen.Daher werdennochvorderDiskussionderAusfu¨hrungenar-Ra¯z¯ısjenefru¨herenSicht- weisen auf die Existenz in separaten Kapiteln er¨ortert, um eben die m¨oglichen Einflu¨sse auf unseren aˇs‘aritischen Autor identifizieren zu k¨onnen. Zun¨achst werden die Vorstellungen zur Existenz und Nichtexistenz in der Mu‘tazila als der ¨altesten theologischen Schule, die zu ar-Ra¯z¯ıs Zeiten aber nach wie vor in unterschiedlichen Regionen des islamischen Reiches aktiv war, zusammen- getragen (Kapitel 2). Sodann muss natu¨rlich die Aˇs‘ar¯ıya und ihre Sicht auf die Existenz behandelt werden, da einerseits ihr Konzept der Existenz als ei- ne Antwort auf die Mu‘tazila zu werten ist und da andererseits ar-Ra¯z¯ı selbst Aˇs‘aritwarundnaturgem¨aßinvielenPunktendenaˇs‘aritischen Pfadbeschritt (Kapitel 3). Es folgt eine knappe Er¨orterung des wuˇgu¯d bei den islamischen Philosophen, vor allem bei Ibn S¯ına¯, denn der sp¨atere aˇs‘aritische kala¯m glie- derte bekanntermaßen einige philosophische Konzepte in das eigene System ein (Kapitel 4).2 Diese Eingliederungphilosophischer Elemente in diespekula- tive Theologie wurde laut Ibn Haldu¯n von Fahr ad-D¯ın ar-R¯az¯ı noch ad¨aquat ˘ ˘ beherrscht. Im Gegensatz zu den Gelehrten sp¨aterer Generationen sei es ihm gelungen, die philosophischen Lehren von jenen des kala¯m zu trennen, auch wenn seine Sprache nicht mehr der ¨alteren Aˇs‘ar¯ıya entsprach, sondern philo- sophisch gepr¨agt war.3 Bevor dieser philosophischen Pr¨agung ar-Ra¯z¯ıs nach- gegangen werden kann,erscheint es allerdings noch notwendig, zwei Gelehrten im Umfeld des aˇs‘aritischen kala¯m das Wort zu geben, undihreAussagen zum wuˇgu¯d zu betrachten (Kapitel 5). Ein kurzer Abschnitt soll dabei al-G˙az¯al¯ı 2Siehe dazu Ibn Haldu¯n, al-Muqaddima, S.835-837! 3Ibn Haldu¯n, al-M˘uqaddima, S.837. ˘ Einfu¨hrung 3 gewidmet werden, da er in der Geschichte der Aneignung philosophischer Ele- mente durch den aˇs‘aritischen kala¯m eine zentrale Rolle spielt. Aˇs-Sˇahrasta¯n¯ı wurdeschließlich als ein weiteres Zwischenglied zwischen IbnS¯ına¯undar-Ra¯z¯ı eingefu¨gt.Interessanterweiseweistn¨amlichseineBehandlungdeswuˇgu¯d einige Besonderheiten auf, die auch bei ar-R¯az¯ı zu finden sind. Keines dieser zum eigentlichen Thema hinfu¨hrenden Kapitel erhebt den Anspruch auf eine ersch¨opfende Behandlung der jeweiligen Konzepte. Es geht vielmehr darum, ein Fundament zu legen, das eine ad¨aquate Einordnung der Sichtweise ar-R¯az¯ıs erm¨oglicht. Dessen Behandlung des wuˇgu¯d wird im um- fangreichsten, sechsten Kapitel im Detail analysiert. Eingeleitet wird diese Analyse von zwei allgemeinen Abschnitten zur Stellung ar-Ra¯z¯ıs gegenu¨ber den verschiedenen Schultraditionen (Abschnitt 6.1) und zu seiner Sicht auf denMenschen (Abschnitt 6.2). Bereits hier wird deutlich werden,dass ar-Ra¯z¯ı in vielen Punkten¨altere aˇs‘aritische Positionen u¨berdachte. Im Anschluss dar- anfolgteineAnalysederAussagenar-Ra¯z¯ıs zurNichtexistenz (Abschnitt6.3). Dieser Abschnitt wurde noch vor der Behandlung des wuˇgu¯d eingefu¨gt, da – dies wird vor allem in den Kapiteln zur Mu‘tazila und Aˇs‘ar¯ıya deutlich – der Statusnichtexistenter DingebeiderSichtaufdieWeltalseineSch¨opfungGot- tes eine zentrale Rolle spielt. Erst danach wird ar-Ra¯z¯ıs Konzept der Existenz analysiert.DieAbschnitte6.4.1( DieExistenzalsQuiddit¨at“)und6.4.2( Die ” ” Existenz im Verstand“) geben dabei eine Antwort auf die allgemeine Frage: WasistdieExistenz?“.DieAbschnitte6.4.3( DieExistenzunddieQuiddit¨at ” ” der Gesch¨opfe“), 6.4.3 ( Die Existenz Gottes und die der Gesch¨opfe“) und ” 6.4.5 ( Die Existenz Gottes und Seine Quiddit¨at“) behandeln das Verh¨altnis ” der Existenz zum Wesen des existenten Dinges, so wie es ar-Ra¯z¯ı konzipierte. Schließlich er¨ortert Abschnitt 6.4.6 zwei Problempunkte, die sich aus dieser Konzeption ergeben. Den Abschluss (Abschnitt 6.4.7) bildet ein Beweis, der gleich zwei Ziele verfolgt: Einerseits soll die Existenz eines einzigen Gottes belegt werden, andererseits soll die zeitliche Erschaffung der Welt bewiesen werden. Zwar stellt dieser von Fahr ad-D¯ın gefu¨hrte Beweis nicht die Existenz ˘ alssolche indenMittelpunkt.Aberdafu¨rspielen dieModalit¨aten derExistenz – Notwendigkeit und M¨oglichkeit – die zentrale Rolle. Außerdem wird anhand dieses Beweises ar-R¯az¯ıs strikt syllogistische Vorgehensweise deutlich. Jener Fahr ad-D¯ın ar-R¯az¯ı (st. 1210 A.D.)4 galt nun bereits zu Lebzei- ˘ ten als eine der großen Autorit¨aten der Aˇs‘ar¯ıya.5 Seine Werke, so liest man 4IndenbiographischenWerkenwerdenunterschiedlicheTodesdatengenannt:IbnHallik¯an gibt ‘¯Id al-fi.tr des Jahres 606h. an, was mit dem 29.3.1210 A.D. korrespondiert (W˘ afay¯at al-a‘ya¯n, Bd. 4, S. 252,16-17); das gleiche Datum findet sich bei Ibn Ab¯ı Us.aibi‘a (‘Uyu¯n al-anb¯a’ f¯ı .tabaqa¯t al-a.tibb¯a’, S. 466,23) und as-Subk¯ı (T.abaqa¯t aˇs-ˇsa¯fi‘¯ıya al-kubr¯a, Bd. 5, S. 39,1-2); Ibn al-Qift.¯ı nennt dagegen den Monat Du¯ ’l-H.iˇgˇga des selben Jahres, der am ¯ 27.5.1210 A.D. begann (Ta¯r¯ıh al-h.ukama¯’, S. 292,9), und Ibn as-S¯a‘¯ı den 15. Ramad.¯an, was mit dem 13.3.1210 A.D.˘korrenspondiert (al-Gˇ¯ami‘ al-muhta.sar f¯ı ‘unwa¯n at-tawa¯r¯ıh ˘ ˘ wa-‘uyu¯n as-siyar, S.308,11-12). 5EinesehrguteU¨bersichtu¨berar-R¯az¯ısKarrierebietetKholeif,AStudyonFakhr al-D¯ın al-R¯az¯ı, S.9-22. 4 Einfu¨hrung bei Ibn Hallika¯n, verdr¨angten die Bu¨cher der ¨alteren Autoren.6 Und in sei- ˘ nen Lehren und Predigten sei er so u¨berzeugend gewesen, dass er zahlreiche Anh¨anger der Karra¯m¯ıya zum Sunnitentum bekehrt habe.7 Wenn dies stim- men sollte, dann k¨onnte dies ein Grund fu¨r die Feindschaft dieser Gruppe gegenu¨ber Fahr ad-D¯ın sein. Sicher wissen wir jedenfalls von der Flucht ar- ˘ R¯az¯ıs im Jahr 599h.8 aus F¯ıru¯zku¯h im heutigen Zentral-Afghanistan, damals eine Hochburg der Karra¯m¯ıya, nachdem er dort die Gemu¨ter in einer Diskus- sion mit einem popul¨aren Karra¯m¯ı gegen sich aufgebracht hatte.9 Ar-R¯az¯ıs Opposition zu dieser theologischen Gruppe ist im U¨brigen vermutlich Aus- gangspunkt eines Berichtes, demzufolge er ungef¨ahr sechzigj¨ahrig nicht eines natu¨rlichenTodesstarb,sondernvonAnh¨angernderKarra¯m¯ıyavergiftet wur- de.10 Wieviel Wahrheit diese Nachricht tr¨agt, ist nicht gewiss. Wenn religi¨ose Opposition ein Mordmotiv sein sollte, dann k¨amen nicht nur Karra¯miten als T¨ater in Betracht. Bereits vorher – als ar-Ra¯z¯ı in Khwarazm und in Trans- oxanien verweilte – hatte er es sich mit der Mu‘tazila verscherzt, so dass er auch dort gezwungen war, das Land zu verlassen.11 Und schließlich wurde ihm von traditionalistischer Seite vorgeworfen, die Menschen von der Sunna des Propheten abzulenken, und ihnen statt dessen die Philosophie n¨aher zu bringen.12 So warf ihm beispielsweise auch Ibn Taim¯ıya vor, in seinem Koran- kommentar findesich alles, nurebenkein Kommentar.13 Natu¨rlich fandensich genugGelehrte, diear-Ra¯z¯ı verteidigten. Taq¯ı ad-D¯ın as-Subk¯ı(st. 756h./1355 A.D.)14 antwortete zumBeispiel aufIbnTaim¯ıyas Vorwurfdamit,dasssich im Korankommentar ar-Ra¯z¯ıs zusammen mitdem Kommentar ebenalles finde.15 Bevor aber nun in die Diskussion eingestiegen werden soll, mu¨ssen noch ein paar Vorbemerkungen zum Sprachgebrauch gemacht werden. In den fol- genden Er¨orterungen werden die Begriffe wuˇgu¯d und mauˇgu¯d auf der einen, und‘adam undma‘du¯m aufder anderenSeite eingehend betrachtet. Das erste Begriffspaar bereitet nun im ersten Moment keine U¨bersetzungsschwierigkei- ten: Der wuˇgu¯d ist je nach Kontext als Existenz“ oder Sein“ wiederzugeben, ” ” und mauˇgu¯d heißt zun¨achst existent“ oder seiend“. Fu¨r die Wiedergabe ” ” 6Ibn Hallik¯an, Wafay¯at al-a‘ya¯n, Bd. 4, S. 249,17-18. Siehe auch as-Subk¯ı, T.abaqa¯t aˇs- ˘ ˇsa¯fi‘¯ıya al-kubr¯a, Bd. 5, S.35,12-13! 7Ibn Hallik¯an, Wafay¯at al-a‘ya¯n, Bd. 4, S. 249,21-250,1. 8Begin˘nt mit dem 20.9.1202 A.D. 9Siehe EI2, s.v. Karr¯amiyya“; siehe auch Kholeif, A Study on Fakhr al-D¯ın al-R¯az¯ı, S. ” 19. 10So z.B. as-Subk¯ı, T.abaqa¯t aˇs-ˇsa¯fi‘¯ıya al-kubr¯a, Bd. 5, S. 35,14; ebenfalls Ibn al-Qift.¯ı, Ta¯r¯ıh al-h.ukama¯’, S. 292,5-9. Das Geburtsdatum gibt Ibn Hallik¯an mit dem 25. Ramad.¯an, ˘ ˘ 544h. (=ˆ 26.1.1150 A.D.) oder 543h. an (=ˆ 6.2.1149 A.D.). Siehe Wafay¯at al-a‘ya¯n, Bd. 4, S. 252,15-16! 11Kholeif, A Study on Fakhr al-D¯ın al-R¯az¯ı, S. 18. 12Vgl. as.-S.afad¯ı, al-W¯af¯ı bi-’l-wafay¯at, Bd. 4, S. 251,17-18! 13As.-S.afad¯ı, al-W¯af¯ı bi-’l-wafay¯at, Bd. 4, S. 254,16-18. 14As-Subk¯ı, T.abaqa¯t aˇs-ˇsa¯fi‘¯ıya al-kubr¯a, Bd. 6, S. 216,10-11. 15As.-S.afad¯ı, al-W¯af¯ı bi-’l-wafay¯at, Bd. 4, S. 254,16-18. Zu ar-R¯az¯ı als kontroverse Pers¨onlichkeit siehe vorallem Kholeif, A Study on Fakhr al-D¯ın al-R¯az¯ı, S. 9-15! Einfu¨hrung 5 des Begriffes ma‘du¯m soll im Folgenden der zugegebenermaßen zun¨achst et- was gew¨ohnungsbedu¨rftige Ausdruck nichtexistent“ gebraucht werden. Dies ” geschieht, um ihn von dem g˙air mauˇgu¯d – das ich wiedergebe als nicht exis- ” tent“ – unterscheiden zu k¨onnen. Der ‘adam – die Nichtexistenz“ – ist nicht ” zwangsl¨aufig ein separater Fakt, der sich von der Negation der Existenz unter- scheidet. Aber in den behandelten Schriften finden sich eben beide Versionen: EinDing istma‘du¯m – nichtexistent –, wennes g˙air mauˇgu¯d – nicht existent – ist. Analog hierzu entspricht der ‘adam (dieNichtexistenz) dem la¯-wuˇgu¯d (der Nicht-Existenz). Diese Unterscheidung zwischen nichtexistent“ und nicht ” ” existent“ – beziehungsweise zwischen Nichtexistenz“ und Nicht-Existenz“ – ” ” soll also dazu dienen, den sprachlichen Konstruktionen im Arabischen n¨aher zu kommen. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass ich mich bei der Umschrift an den Vorgaben der Deutschen Morgenl¨andischen Gesellschaft orientiere. Ich habe mich außerdem bemu¨ht, beim Verweis auf die Literatur die entsprechenden Zeilen nach der Seitenzahl mit anzugeben. Eine Notation wie S. 18,3-4 meint also Seite 18 und dort Zeilen 3 bis 4. Koranzitate habe ich der U¨bersetzung Parets entnommen.16 16Paret, Der Koran.

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