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Exilerfahrung und Konstruktionen von Identität 1933 bis 1945 PDF

268 Pages·2017·4.298 MB·German
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Preview Exilerfahrung und Konstruktionen von Identität 1933 bis 1945

Conditio Judaica 85 Studien und Quellen zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte Herausgegeben von Hans Otto Horch in Verbindung mit Alfred Bodenheimer, Mark H. Gelber und Jakob Hessing Exilerfahrung und Konstruktionen von Identität 1933 bis 1945 Herausgegeben von Hans Otto Horch, Hanni Mittelmann und Karin Neuburger De Gruyter ISBN 978-3-11-029852-9 e-ISBN 978-3-11-031696-4 ISSN 0941-5866 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. (cid:37)ibliogra(cid:191)sc(cid:75)e (cid:44)nfor(cid:80)ation (cid:71)er Deutsc(cid:75)en (cid:49)ationalbibliot(cid:75)e(cid:78) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliogra(cid:191)e(cid:30) detaillierte bibliogra(cid:191)sche Daten sind i(cid:80) Internet (cid:129)ber (cid:75)tt(cid:83)(cid:29)(cid:18)(cid:18)(cid:71)nb(cid:17)(cid:71)nb(cid:17)(cid:71)e abrufbar. (cid:139) 2013 (cid:58)alter de (cid:42)ruyter (cid:42)(cid:80)b(cid:43)(cid:15) Berlin(cid:18)Boston Druck(cid:29) (cid:43)ubert (cid:9) Co. (cid:42)(cid:80)b(cid:43) (cid:9) Co. (cid:46)(cid:42)(cid:15) (cid:42)(cid:124)ttingen (cid:146) (cid:42)edruckt auf s(cid:108)urefreie(cid:80) Papier Printed in (cid:42)er(cid:80)any (cid:90)(cid:90)(cid:90).degruyter.co(cid:80) Für Jakob Hessing, den Kollegen und Freund, in herzlicher Verbundenheit Inhalt Hanni Mittelmann/Karin Neuburger Konstruktionen von Identität unter den Bedingungen des Exils ............ 1 Stephan Braese Deutsche Sprache, jüdisches Exil – Optionen von ›Identität‹ nach 1933 ................................................................................................ 7 Mark H. Gelber Multilingualism in the Life Writing of Exile and Survival: Stefan Zweig, Fanya Gottesfeld Heller, Ruth Klüger ............................. 17 Anne Betten »Aber die Schwierigkeit hier war nun eben das Schreiben«. Die Sprache als Barriere zwischen erwählter und ersehnter Identität ........... 31 Hans-Jürgen Schrader Poetische Celan-Reminiszenzen und Erinnerungen an seinen Israel- Aufenthalt 1969 im Jerusalemer Lyris-Kreis, bei Ilana Shmueli und Manfred Winkler .................................................................................... 65 Christian Kohlross Im Exil der Sprache. Ein Kommentar zu Chaim Nachman Bialiks Entdecken und Verhüllen in der Sprache ............................................... 99 Galili Shahar The Tale of the King’s Daughter. Exile, the Soul, and the Question of Literature ............................................................................................ 109 Markus May Flucht ohne Ende: Joseph Roths Poetik des Exils .................................. 119 Karin Neuburger Exil, Identität, Ethik, Politik und Kafka ................................................. 133 VIII Inhalt Hans Otto Horch »unverlierbare Heimat«. Ein Brief von Ludwig Strauß an Anne Szeghö aus dem Jahr 1944 ............................................................ 149 Liliane Weissberg East and West: Karl Löwith’s Routes of Exile ....................................... 159 Ruth Klüger Selbstverhängte Einzelhaft: Die Schachnovelle und ihre Vorgänger ..... 193 Bettina Bannasch »der Jude meines Namens« – »der Dichter meines Namens«. Zur Neukonzeption von religiöser Identität und Autorschaft in Alfred Döblins Schicksalsreise ............................................................... 207 Hanni Mittelmann Zwischen Prag und Palästina – Konkurrierende Identitäten? Leo Perutz’ Exilroman Nachts unter der steinernen Brücke ...................................... 233 Ehrhard Bahr Exil als »beschädigtes Leben«: Thomas Mann und sein Roman Joseph, der Ernährer .............................................................................. 245 Personenregister ........................................................................................... 257 Hanni Mittelmann/Karin Neuburger Konstruktionen von Identität unter den Bedingungen des Exils In einer von der Abteilung für deutsche Sprache und Literatur an der Hebräi- schen Universität in Jerusalem im April 2011 veranstalteten Konferenz wurden unter dem Titel The Experience of Exile and the Construction of Identity Fra- gen von Identität und Zugehörigkeit unter den Bedingungen des Exils unter- sucht. Damit wurde ein Thema aufgegriffen und unter neuen Vorzeichen be- trachtet, das gut zwanzig Jahre zuvor auf einer ebenfalls an der Abteilung für deutsche Sprache und Literatur abgehaltenen Tagung allererst in die Germanis- tik eingeführt wurde. Zentral war dabei die jüdische Erfahrung der Vertreibung aus dem vertrauten kulturellen, sprachlichen und sozialen Milieu zur Zeit des Nationalsozialismus. Wie sind deutsch-jüdische Autoren, die unter dem Hitler- Regime ins Exil gezwungen wurden, mit dem Verlust des kulturellen und sozialen Milieus umgegangen, in dem sie zu leben gewohnt waren? Wie ver- suchten sie, den Abgrund zwischen dem Hier und dem Dort zu bewältigen? Bemühten sie sich, die Wunden der Trennung und Fragmentierung zu heilen und eine imaginäre Ganzheit wiederherzustellen, oder war es ihnen darum zu tun, alternative Konzepte von Identität und Zugehörigkeit zu entwickeln? Diese Fragen nach verschiedenen Identitäts- und Zugehörigkeitsmodellen und entsprechenden Konstruktionen unter der Bedingung des Exils zur Zeit des Nationalsozialismus schlossen auch die Erfahrungen von nicht-jüdischen Exilanten wie Thomas Mann mit ein. Wenn auch seit biblischen Zeiten jüdi- sche Identität an die Erfahrung des Exils gebunden war, die das jüdische Be- wusstsein bis in die Moderne hinein geprägt hat, so ist gerade in der Moderne das Exil als Verlust der geographischen und sprachlichen Heimat von einem kollektiven zu einem individuellen, von einem besonderen jüdischen zu einem allgemeinen menschlichen Charakteristikum geworden. In vieler Hinsicht erweisen sich deshalb die Erfahrungen dieser Emigration auch als paradigma- tisch für die Erfahrungen von Millionen von Flüchtlingen in unseren Tagen, die aus Gründen religiöser, rassistischer oder ideologischer Verfolgung ge- zwungen sind, ihre Herkunftsländer zu verlassen. Die Konferenz war dem Andenken des Rechtsanwalts Dr. Ludwig Rosent- hal gewidmet, der 1933 aus Deutschland vertrieben wurde und den Rest seines Lebens in Guatemala verbrachte. Wie so viele deutsch-jüdische Exilanten blieb er jedoch weiterhin seinen deutschen kulturellen Wurzeln verbunden, die er in vielen Publikationen erforschte. Die Lebensgeschichte Dr. Rosenthals, 2 Hanni Mittelmann/Karin Neuburger der über Verfolgung und Vertreibung hinweg seine deutsch-jüdische Identität aufrecht erhielt, inspirierte die Fragestellungen dieser Konferenz. In linguistischer Isolation zu leben und zu schreiben und die öffentliche Funktion der Sprache aufgeben zu müssen, ist eine der gemeinsamen Erfah- rungen aller Exilanten. Kulturelle Zugehörigkeit äußert sich vor allem durch die Sprache. In einer Reihe von Beiträgen wird der Zusammenhang von Spra- che und Identität zum Ausgangspunkt genommen, um die Rettungsstrategien zu untersuchen, welche die Exilanten entwarfen, um die ›Beschädigung‹ durch das Exil (Ehrhard Bahr) überstehen zu können. Der Beitrag von Stephan Brae- se Deutsche Sprache, jüdisches Exil – Optionen von ›Identität‹ nach 1933 erklärt, warum gerade die deutsche Sprache eine so außergewöhnliche identi- fikationsstiftende Macht für die deutschen Juden besaß, und stellt die Konzepte vor, die von Exilanten entwickelt wurden, um der Ausbürgerung aus der deut- schen Sprache und Kultur entgegenzuwirken. Neben dem Konzept vom ›ande- ren Deutschland‹, das eine Art von universalistischem Anspruch erhebt und Juden als Bewahrer einer der deutschen Sprache gleichsam eingelagerten Eu- ropäizität ausweist, deutet Braese das Exil als Schlüsselerfahrung für neue Konzepte in der Kunst, die allerdings zu einer Neubewertung des territorialen Kunstbegriffs führte. Dabei wurde das Exil als eine künstlerisch bereichernde Erfahrung aufgewertet und die Kunst neuen Möglichkeiten geöffnet. Auch Mark Gelber geht in seinem Beitrag Multilingualism in the Life Writing of Exile and Survival: Stefan Zweig, Fanya Gottesfeld Heller, Ruth Klüger der Verbindung von Sprache und Identität nach und untersucht die psycho-soziale Dynamik des Phänomens der Vielsprachigkeit bzw. Zweisprachigkeit am Beispiel der genannten Autoren. Anne Betten wiederum befasst sich in ihrem Beitrag »Aber die Schwierigkeit hier war nun eben das Schreiben.« Die Spra- che als Barriere zwischen erwählter und ersehnter Identität anhand von auto- biographischen narrativen Interviews mit den Auswirkungen des sprachlichen Bruchs durch die Emigration am Beispiel von drei Autorinnen (Mirjam Mi- chaelis, Alice Schwarz-Gardos, Ada Brodsky) und verweist auf die kompli- zierten Identitätskonstruktionen dieser Schriftstellerinnen, die das persönliche Opfer des Sprachverlusts mit dem Konzept eines dennoch erfüllten Lebens zu verbinden suchten. Das Dilemma der Identität und die Frage der Zugehörigkeit jüdischer Exilanten, die nach ihrer Ankunft in Israel in deutscher Sprache dichten, steht, wenngleich unter anderen Aspekten betrachtet, auch im Mittel- punkt von Hans-Jürgen Schraders Aufsatz Poetische Celan-Reminiszenzen und Erinnerungen an seinen Israel-Aufenthalt 1969 im Jerusalemer Lyris-Kreis, bei Ilana Shmueli und Manfred Winkler. Ein ganz anderes und zwar sprachphi- losophisches Verständnis des Zusammenhangs von Exil und Sprache bringt Christian Kohlross in seinem Beitrag Im Exil der Sprache. Ein Kommentar zu Chaim Nachman Bialiks ›Entdecken und Verhüllen in der Sprache‹ ein. Basie- rend auf einem von Jakob Hessing übersetzten Aufsatz von Chaim Nachman Bialik interpretiert er Sprache nicht als einen Ort der Zuflucht, sondern, in

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