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Europäisierung der inneren Sicherheit: Eine vergleichende Untersuchung am Beispiel von organisierter Kriminalität und Terrorismus PDF

300 Pages·2005·47.04 MB·German
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Gert-Joachim Glaeßner . Astrid Lorenz (Hrsg.) Europäisierung der inneren Sicherheit Gert-Joachim Glaeßner Astrid Lorenz (Hrsg.) Europäisierung der inneren Sicherheit Eine vergleichende Untersuchung am Beispiel von organ isierter Kriminalität und Terrorismus VS VERLAG FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN + VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN vs Verlag für Sozialwissenschaften Entstanden mit Beginn des Jahres 2004 aus den beiden Häusern Leske+Budrich und Westdeutscher Verlag. Die breite Basis für sozialwissenschaftliches Publizieren Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Juni 2005 Alle Rechte vorbehalten © vs verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005 Lektorat: Frank Schindler Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier ISBN-13: 978-3-531-14518-1 e-ISBN-13: 978-3-322-80695-6 001: 10.1007/978-3-322-80695-6 Vorwort Während lange Zeit Außenpolitik und internationale Konfliktvermeidung im Fokus wissenschaftlicher Aufmerksamkeit standen, wuchs in den vergangenen Jahren die Literatur über Fragen innerer Sicherheit von Staaten beachtlich an, und zwar nahezu gleichzeitig mit dem Themenboom von "Entgrenzung" und "Globalisierung". Dies ist nur auf den ersten Blick paradox, denn die politisch durchaus gewünschte Durchlässigkeit von Grenzen beschränkt die Fähigkeit von Staaten, ihre klassische und ureigenste Aufgabe zu erflillen: Sicherheit zu ge währleisten. Zum einen, weil sie juristisch oder faktisch an Souveränität einbü ßen, zum anderen, weil neue Risiken flir die soziale und politische Ordnung dadurch erst entstehen. Gerade seine Verantwortlichkeit flir Sicherheit aber war es, die traditionell die Ausstattung des Staates mit besonderen Machtmitteln und sein Monopol auf legitime GewaItausübung begründet. Im Verhältnis zu den eigenen Bürgern äußert sich dieses Legitimationsprob lem so: Einerseits erwarten diese vom Staat Schutz und Sicherheit. Hier aber stößt er strukturell an deutliche Grenzen. Dies ist einer der Gründe dafur, dass sich das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung in den meisten euro päischen Staaten deutlich verschlechtert hat. - Sie traut dem Staat nicht mehr zu, dass er diese zentrale Aufgabe lösen kann (Storbeck 1999: 349). Andererseits sitzt, historisch begründet, das gesellschaftliche Misstrauen tief, dass der Staat mit der Behauptung, seine Sicherungsfunktion erfordere dies, zu viel Macht akkumuliert und selbst zum gefährlichsten Feind flir individuelle Selbstentfal tung, persönliche Freiheit und bürgerliche Rechte wird. Schließlich sind auch demokratische Ordnungen nicht davor gefeit, Freiheitsrechte zu beschneiden, um (vermeintlich) Sicherheit zu erreichen. Sicherheitspolitik ist insofern ein politisch hochbrisantes, mehrdimensiona les Forschungsobjekt, dem jede Aufmerksamkeit gebührt. Das vorliegende Buch will aber besonders zwei Lücken in der analytischen Beobachtung von Sicher heitspolitik zu schließen helfen: Erstens mangelte es trotz der reichhaltigen, aber doch zumeist kriminologischen, institutionenzentrierten oder politisch ideologisch aufgeladenen Arbeiten zur inneren Sicherheit bislang an sozialwis senschaftlichen Beiträgen, die neben formalem Institutionenwandel und materiel ler Politik auch die entscheidenden Akteure, die öffentliche Debatte sowie die historischen und politisch-kultureIIen Hintergründe von Sicherheitspolitik er gründen. Zweitens besteht ein Mangel an systematisch vergleichenden politik wissenschaftlichen Analysen zur inneren Sicherheit, zumal wenn man die be schränkte EU-Binnenperspektive verlassen möchte. Das Buch untersucht, ob und wie stark die besonders "souveränitätsgelade ne" Politik der inneren Sicherheit jeweils auf nationaler Ebene europäisiert ist. 6 Vorwort Europäisierung wird gemeinhin als Prozess der Verlagerung von politischen Entscheidungen von der nationalen auf die europäische Ebene bezeichnet, der seinerseits Rückwirkungen auf die nationale Politik hat. Unser Ansatz geht dar über hinaus und beleuchtet auch die nichtinstitutionelle Dimension, so die Ver änderung von Wahrnehmungen und die Übernahme von Werten. Herunter gebro chen wird das Thema auf folgende Fragen: Welche Auswirkungen hat die zu nehmende politische Integration Europas auf den Bereich innerer Sicherheit? Wie integrationsoffen ist er? Wirken sich nationale Spezifika, historisch kulturelle Eigenheiten auf die politische Debatte sowie auf institutionelle Ent wicklungen aus? Und macht die Europäisierung, so sie denn in diesem Feld der Politik erkennbar ist, an den Grenzen der Europäischen Union Halt? Während der erste Teil des Buches dessen analytisches Grundkonzept und die zentralen Begrifflichkeiten erläutert, analysiert der folgende Beitrag zur Ebe ne der EU zunächst, wie die Mitgliederstaaten sich schrittweise auf eine Annähe rung ihrer Politik der inneren Sicherheit einigten und worin sich dies manifes tiert. Er bildet den Übergang zu zehn Fallstudien, die jeweils prüfen, inwieweit die Politiken der Länder dem Bild offizieller Dokumente integrierter Sicher heitspolitik entsprechen. Der letzte Abschnitt des Buches resümiert die empiri schen Befunde, diskutiert vergleichend den Stand der Europäisierung und prob lematisiert einzelne Aspekte des Themas, um die weitere Forschung anzuregen. Diese Publikation ist das Ergebnis der Arbeit einer Projektgruppe am Insti tut flir Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin und der Berlin Graduate School of Social Sciences. Die Herausgeber danken den beteiligten Autorinnen und Autoren flir die anregende und angenehme Zusammenarbeit und die Bereitschaft, sich auf ein gemeinsam entwickeltes Analysekonzept einzulas sen. Ferner sind sie Wenke Seemann flir die Unterstützung bei der Literaturre cherche und der Erstellung der Bibliographie und Lilian Klein flir die nicht im mer einfache Koordinierung der verschiedenen Arbeitsschritte und die Erstellung der Druckvorlage zu Dank verpflichtet. Gert-Joachim Glaeßner, Astrid Lorenz Berlin, März 2005 Europäisierung der Politik innerer Sicherheit Konzept und Begrifflichkeiten Gert-Jaachim Glaeßner, Astrid Larenz Innere Sicherheit bedeutet ein Minimum an Risiken im öffentlichen Raum eines nach außen hin begrenzten Gemeinwesens. Sie zu gewährleisten, umfasst den Schutz von Leib und Leben, der Gesundheit, der Freiheit und des Besitzes gegen Kriminalität und andere unzulässige Eingriffe in das persönliche Leben. Dabei ist das Spektrum der gesellschaftlichen Erwartungen groß, geprägt durch subjek tives Empfinden, kollektive Erfahrungen und normative GrundeinsteIlungen. In Demokratien unterliegen alle Maßnahmen der inneren Sicherheit den Normen der Verfassung und dem Rechtsstaatsprinzip, sie sollen also nur von Einrichtun gen ausgehen, die legitimiert sind, öffentliche Gewalt im Rahmen der Verfas sung und anderer rechtlicher Regelungen exekutiv auszuüben, wenn nötig, durch die Anwendung von Zwangsmitteln. Abbildung 1.' Staatliche Gewährleistung von Sicherheit Innere Sicherheit Äußere Sicherheit Rechtliche Verfassungsstaat Völkerrecht Grundlagen Freiheitsgarantien Verträge Schutz vor staatlichen Übergriffen Konventionen Materielle Kriminalpolitik Außenpolitik Politik J ustizpo litik Sicherheits-und Prävention als gesellschaftliches Verteidigungspolitik Paradigma Bündnispolitik Die Gewährleistung von Sicherheit durch den Staat hat eine rechtliche und eine materielle Dimension. Im Bereich der inneren Sicherheit bilden die Verfas sungsordnungen mit ihren Grundrechtsgarantien und Verfahrensregeln die recht liche Grundlage politischen Handeins, während das Völkerrecht und bilaterale bzw. multilaterale Verträge die äußere Sicherheit berühren. Materiell ausgestaltet wird die Politik der inneren Sicherheit durch die konkrete Kriminalpolitik, Jus- 8 Gert-Joachim Glaeßner, Astrid Lorenz tizpolitik und Maßnahmen der Prävention seitens verschiedener Institutionen, vor allem der Polizei. Eine solche strikte Teilung innerer und äußerer Sicherheit ist in der moder nen Staatenwelt jedoch nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie befindet sich in ei nem Prozess tief greifenden Wandels, wenn nicht gar eines revolutionär zu nen nenden Umbruchs: Staaten und Staatsaufgaben, wie wir sie seit der Entstehung des Typus des souveränen Nationalstaates kennen, ändern ihren Charakter, völ kerrechtliche Regelungen, internationale Organisationen und Regime, vielfältige Formen der Zusammenarbeit bestimmen staatliches Handeln im zwischenstaatli chen und internationalen Bereich. Institutionen wie die UNO definieren bereits seit längerem den verbindli chen rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen als legitim erachtetes Agieren von Staaten stattzufinden habe; sie beeinflussen die politischen Handlungsmöglich keiten von Staaten. Sicherheitsbündnisse wie die NATO konditionieren immer stärker die Art und Weise, in der Staaten oder eine Gruppe von Staaten ihrer ureigensten Aufgabe nachkommen, die eigenen Bürger vor Angriffen von außen zu schützen. Gesellschaftliche Akteure und zivilgesellschaftliche Netzwerke gewinnen einen wachsenden Einfluss auf die Problemwahrnehmung und die Abwägung vertretbarer Handlungsoptionen von Regierungen oder Entschei dungsgremien internationaler Organisationen. Und schließlich bewirken die Prozesse der "Globalisierung" eine wachsende wechselseitige wirtschaftliche, soziale und kulturelle Durchdringung von Volkswirtschaften, Gesellschaften und politisch-kulturellen Gemeinschaften. Moderne Staaten und gesellschaftliche Ordnungen sind also keine abge schlossenen Einheiten mit undurchlässigen Grenzen. In vielen Politikfeldern verschwimmen Innen und Außen. Terrorismus, Drogen- und Menschenhandel, Prostitution und Glücksspiel, Steuerhinterziehung und andere Delikte werden häufig Grenzen und Kontinente überschreitend organisiert. Diese transnationale Dimension wird bei dem "im großen Stile agierenden Verbrechen" teils bereits als "konstitutives Merkmal" bezeichnet (Meier-Weiser u.a. 1999: 11). Europäisierung der Politik innerer Sicherheit 9 Abbildung 2: Verschwimmende Trennung von Innen und Außen Traditionelle EU-Vertrag Traditionelle Innenpolitik Außenpolitik Innenpolitik Gemeinsame Außenpolitik Kriminalpoli- Innen- und sicherheits- tik J ustizpo litik und Verteidi- J ustizpo litik Terrorismus- gungspolitik Prävention bekämpfung Bündnispoli- tik Die Europäische Union setzt als supranationales Gebilde ebenfalls einen immer konkreteren Handlungsrahmen für nationale Politik. Sie bildet den Bezugsrah men für die Integrationsforschung, die Europäisierung meist als Prozess der Verlagerung von politischen Entscheidungen von der nationalen auf die europäi sche Ebene versteht oder als Neujustierung der Entscheidungsmuster und -prozesse im europäischen Mehrebenensystem. Die europäische Einigung wird als ein Prozess der Institutionenbildung auf europäischer Ebene begriffen, in dessen Verlauf immer weitere Bereiche der Politik entweder vergemeinschaftet oder durch Regierungszusammenarbeit geregelt werden (Diman 1994). Die insti tutionellen Neuerungen, Verfahrensregeln und Politikbereiche, die die Verträge von Maastricht und Amsterdam einführten, standen dabei im Vordergrund. Ana lysiert wurde das Entstehen eines besonderen Typs von governance (Kohl er Koch/Edler 1998: 170). Europäisierung wird häufig vor allem als "negative Integration" verstanden (Scharpf 1998): Europäische Normensetzung schränkt in diesem Verständnis die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Staaten durch den Ausschluss be stimmter Entscheidungen ein. Dies trifft vor allem für den Bereich des Binnen marktes und seiner Ausgestaltung zu. Positive Integration hingegen bedeutet, dass die europäische Politik detaillierte Vorgaben für die Ausrichtung der natio nalen Politik macht; sie beinhaltet die Schaffung neuer bzw. die Veränderung bestehender Institutionen und, wie auch immer geartete, Kontrolle dieses neuen institutionellen Zusammenhangs (Jachtenfuchs 1998: 239). Die Vielfalt und 10 Gert-Joachim Glaeßner, Astrid Lorenz Unübersichtlichkeit europäischer Politik stellt einfache Ursache-Wirkungs Zusammenhänge jedoch infrage. Bereits mit der "Einheitlichen Europäischen Akte" drückten die Teilneh merländer den Wunsch aus, eine politische Union Europas zu erreichen, also über eine Wirtschaftsgemeinschaft hinaus einen neuen Typus des Herrschafts verbundes von Staaten zu kreieren (Art. 10 EG-Vertrag; RS. C-2/88 (Zwartveld), Slg. 1990, S. 1-3365). Er ist mehr als ein Staatenbund, weil seine Regelungs kompetenzen weit in die angestammten Felder nationalstaatlicher Souveränität hineinreichen, etwa im vergemeinschafteten Bereich der Justiz- und Innenpolitik, gleichzeitig aber kein Bundesstaat, weil seine Mitglieder ihre völkerrechtliche Staatsqualität nicht verlieren (BVerfGE 89, 155: 156; 184). In vielen Bereichen hat europäisches Recht heute Vorrang vor nationalem Recht. Der EWG-Vertrag und die ihm folgenden völkerrechtlichen Verträge schufen als primäres Gemein schaftsrecht de facto europäisches Verfassungsrecht, noch bevor ein einheitlicher Text einer europäischen Verfassungsurkunde existierte. Der in Maastricht und Amsterdam eingeschlagene Weg indiziert, dass auch eine im nationalen Rahmen operierende Sicherheitspolitik nicht mehr als ausrei chend und Erfolg versprechend angesehen wird. Den Kern der Politik innerer Sicherheit bilden heute die "dritte Säule" des Maastricht-Vertrages, das Schen gen-Abkommen und Europol (siehe den Beitrag Europa und die Politik der inne ren Sicherheit). Policy-Kooperation und Integration dienen hier dazu, regional übergreifende Herausforderungen zu verarbeiten, d.h. deren Wirkungsweise gezielt zu beeinflussen bzw. zu steuern, ähnlich wie bei der Einrichtung des europäischen Binnenmarkts (Milward 1999; Streek 1996: 306). Damit entstand eine sich tendenziell ausweitende Zone der Kooperation und Integration, die zwischen äußerer und innerer Sicherheit im klassischen Sinne angelagert ist, und es wird ein Aufgabenfeld angetastet, das seit der Entwicklung der modernen Staatswesen als Kernbereich staatlicher Machtausübung angesehen worden war. Nach Maastricht gab es zwar einerseits mit dem gemeinsamen Binnen markt, der Wirtschafts- und Währungsunion, der gemeinsamen Außenpolitik und der wachsenden Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit einen neuen massiven Schub in Richtung einer immer engeren (institutionellen) Union der Völker Europas. Andererseits überforderten diese weit reichenden Ziele, wie einzelne nationale Referenda zum Maastricht-Vertrag gezeigt haben, viele Bür ger in den Mitgliedsländern und fachten unter den politischen Eliten eine Debatte über die Zukunft der europäischen Nationalstaaten an. Im Zuge der Integration steht daher gerade auch die Politik innerer Sicherheit in einem Spannungsver hältnis nationalstaatlicher und gemeinschaftlicher Sicherheitskonzepte und Ver fahren.

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Das Buch untersucht, ob und wie stark die Politik der inneren Sicherheit jeweils auf nationaler Ebene europäisiert ist. Am Beispiel zweier zentraler Problemfelder, der organisierten Kriminalität und des Terrorismus wird der Frage nachgegangen, ob die zunehmende politische Integration Europas Auswi
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