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Europäische Wohlfahrtssysteme: Ein Handbuch PDF

683 Pages·2008·4.888 MB·German
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Klaus Schubert · Simon Hegelich · Ursula Bazant (Hrsg.) Europäische Wohlfahrtssysteme Klaus Schubert Simon Hegelich Ursula Bazant (Hrsg.) Europäische Wohlfahrtssysteme Ein Handbuch Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15784-9 Inhalt Vorwort.................................................................................................................................9 I Einleitung Klaus Schubert, Simon Hegelich, Ursula Bazant Europäische Wohlfahrtssysteme: Stand der Forschung – theoretisch-methodische Überlegungen................................13 II Länderstudien A Karin Heitzmann, August Österle Lange Traditionen und neue Herausforderungen: Das österreichische Wohlfahrtssystem...........................................................................47 B Bea Cantillon, Ive Marx Auf der Suche nach einem Weg aus der ‚Wohlfahrt ohne Arbeit‘: Das belgische Wohlfahrtssystem.....................................................................................71 CY Christina Ioannou, Anthos I. Shekeris, Christos Panayiotopoulos Sozialpolitik im Schatten der Nationalen Frage: Das zyprische Wohlfahrtssystem....................................................................................89 CZ Petr Fiala, Miroslav Mareš Nach der Reform ist vor der Reform: Das tschechische Wohlfahrtssystem.............................................................................109 D Simon Hegelich, Hendrik Meyer Konflikt, Verhandlung, Sozialer Friede: Das deutsche Wohlfahrtssystem...................................................................................127 DK Christoffer Green-Pedersen, Michael Baggesen Klitgaard Im Spannungsfeld von wirtschaftlichen Sachzwängen und öffentlichem Konservatismus: Das dänische Wohlfahrtssystem.....................................................149 E Paloma Villota Gil-Escoin, Susana Vázquez Work in Progress: Das spanische Wohlfahrtssystem..................................................................................169 6 Inhalt EST Avo Trumm, Mare Ainsaar Zwischen Marginalität und Universalismus: Das estnische Wohlfahrtssystem...................................................................................187 F Camal Gallouj, Karim Gallouj Auf Kurs in Richtung liberal-residualer Wohlfahrtsstaat? Das französische Wohlfahrtssystem.............................................................................207 FIN Olli Kangas, Juho Saari Krisenbewältigung mit Langzeitfolgen? Der finnische Wohlfahrtsstaat.......................................................................................239 GB Lavinia Mitton Vermarktlichung zwischen Thatcher und New Labour: Das britische Wohlfahrtssystem....................................................................................263 GR Christos Papatheodorou Verspätete Entwicklung der sozialen Sicherung: Das griechische Wohlfahrtssystem...............................................................................285 H Katalin Tausz Vom Staatssozialismus zum Wohlfahrtshybrid: Das ungarische Wohlfahrtssystem................................................................................311 I David Natali Rekalibrierung von Sozialprogrammen und Flexibilisierung der Arbeitsmarktpolitik: Das italienische Wohlfahrtssystem...........................................333 IRL Anthony McCashin, Judy O‘Shea Unter Modernisierungsdruck: Das irische Wohlfahrtssystem........................................................................................355 L Nicole Kerschen Entwicklungspfade von den Ursprüngen hin zu Europa: Das luxemburgische Wohlfahrtssystem.......................................................................379 LT Jolanta Aidukaite Die Entwicklung in der post-sowjetischen Ära: Das litauische Wohlfahrtssystem..................................................................................403 LV Feliciana Rajevska Vom Sozialstaat zum Wohlfahrtsmix: Das lettische Wohlfahrtssystem nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit........423 Inhalt 7 MT Charles Pace Linker Wein in rechten Schläuchen? Das Wohlfahrtssystem Maltas.......................................................................................443 NL Wim van Oorschot Von kollektiver Solidarität zur individuellen Verantwortung: Der niederländische Wohlfahrtsstaat...........................................................................465 P José António Pereirinha, Manuela Arcanjo, Francisco Nunes Von einem korporativen Regime zu einem europäischen Wohlfahrtsstaat: Das portugiesische Wohlfahrtssystem..........................................................................483 PL Renata Siemie(cid:218)ska, Anna Domaradzka Transformation mit Schwierigkeiten: Das polnische Wohlfahrtssystem..................................................................................503 S Sven O. E. Hort Sklerose oder ständig in Bewegung? Das schwedische Wohlfahrtssystem.............................................................................525 SK Hendrik Meyer, Olaf Wientzek Neoliberales Schreckgespenst oder Vorbild Mittelosteuropas? Das slowakische Wohlfahrtssystem..............................................................................549 SLO Zinka Kolari(cid:178), Anja Kopa(cid:178), Tatjana Rakar Schrittweise Reformierung statt ‚Schocktherapie‘: Das slowenische Wohlfahrtssystem..............................................................................569 EU Wolfram Lamping Auf dem Weg zu einem postnationalen Sozialstaat? Die Sozialpolitik der Europäischen Union...................................................................595 III Vergleichende Analysen Ursula Bazant, Klaus Schubert Europäische Wohlfahrtssysteme: Vielfalt jenseits bestehender Kategorien.......................................................................623 Simon Hegelich, Klaus Schubert Europäische Wohlfahrtssysteme: Politisch limitierter Pluralismus als europäisches Spezifikum..................................647 IV Anhang........................................................................................................................661 Autorenverzeichnis.........................................................................................................701 Vorwort Dieses Buch fokussiert auf die Vielfalt europäischer Wohlfahrtssysteme. Es zollt der verglei- chenden Wohlfahrtsforschung großen Respekt, argumentiert aber, dass gravierende politi- sche, soziale und ökonomische Veränderungen es notwendig machen, gängige Kategorien und Typologien zu überdenken. Nicht nur das, die Herausgeber sind der Meinung, dass es aktuell ratsam ist – bildlich gesprochen – einen Schritt zurück zu treten und sich der empiri- schen Basis unseres Gegenstandes neu zu versichern. Erst der ‚präkomparative‘ Zugriff lässt uns wieder näher an das reale Phänomen und auch die neueren Entwicklungen in der Sozi- al- und Wohlfahrtspolitik heranrücken. Dieser Schritt eröffnet, wie aus den Studien der EU- 25 Staaten eindrucksvoll deutlich wird, eine Vielfalt nationaler Systeme der Wohlfahrtspro- duktion, -distribution und -konsumption. Die 25 Länderstudien sind nach einer weitgehend einheitlichen Gliederung verfasst und variieren vornehmlich hinsichtlich länderspezifischer Details: Nach einer kurzen histo- rischen Einleitung wird der erreichte Status Quo beschrieben und analysiert: Welche Wohl- fahrtsleistungen gibt es? In welcher Form stehen sie zur Verfügung? An wen richten sich diese Leistungen? Nach welchen Kriterien werden sie verteilt? Wer kommt für die anfallen- den Kosten auf? Die Analyse richtet sich auf Fragen der Verteilung, die Vor- und Nachteile, die Leistungen und Defizite der jeweiligen Wohlfahrtssysteme. Ein kurzer Ausblick auf aktuelle Entwicklungen, Fragen und Probleme rundet die Einzelstudien ab. Diese ergän- zend werden in einem zusätzlichen Beitrag die Spielräume und Grenzen einer europäischen Sozialpolitik erörtert. Die Herausgeber schließen den Band einerseits mit einer ersten Aufarbeitung der „Vielfalt jenseits bekannter Kategorien“ und andererseits mit der politisch-politik- wissenschaftlichen Behauptung eines für Europa spezifischen „politisch limitierten Plura- lismus“. Wer jemals größere Arbeiten wie die vorliegende durchgeführt hat, kann nachvollzie- hen, dass die Herausgeber einer großen Anzahl von Kollegen und Kolleginnen zu Dank für Rat, Tat und Kritik verpflichtet sind. Dieser richtet sich insbesondere auch an die Autoren und Autorinnen aus den EU-25 Staaten für ihre Kooperationsbereitschaft und Ermunterung dieses Projekt umzusetzen, sowie in vielen Fällen für die Unterstützung und Geduld. Unser Dank geht weiterhin an die Übersetzer und Übersetzerinnen der vornehmlich englischen Originaltexte. Dies sind insbesondere Sonja Blum (die unser Projekt in vielen weiteren As- pekten umsichtig unterstützt hat), Cornelia Fraune, Julia Gieseler, Tabea Bergold, Jochen Dehling und Hendrik Meyer (ebenfalls ein verlässlicher ‚trouble shooter‘). Ganz besonderer Dank gehört Cathryn Backhaus für ihren Einsatz bei allen Fragen der z.T. langwierigen Korrespondenz und Organisation und für ihre zahllosen Hilfen bei den Übersetzungen – es ist aber vor allem ihre immer freundliche, ausgleichende und umsichtige Art, die das Klima in unserem ‚Laden‘ immer wieder positiv beeinflusst und so Arbeiten richtig Spaß macht. Klaus Schubert, Simon Hegelich, Ursula Bazant Münster im Herbst 2007 I Einleitung Europäische Wohlfahrtssysteme: Stand der Forschung – theoretisch-methodische Überlegungen Klaus Schubert, Simon Hegelich, Ursula Bazant Von außen betrachtet, im Vergleich der Weltregionen, ist das zentrale Merkmal der Europäi- schen Union sicher das hohe Niveau an Wohlfahrts- und Sozialleistungen. Von innen gese- hen ist offensichtlich die Pluralität, ja das hohe Maß an Differenzierung und Varianz zwi- schen den Mitgliedstaaten das zentrale Charakteristikum. Diese Besonderheit – Pluralität und Varianz – trifft insbesondere auch auf die Wohlfahrtssysteme in den Staaten der EU zu. Das vergleichsweise hohe materielle und finanzielle Leistungsniveau, der z.T. die gesamte Bevölkerung umfassende Kreis unmittelbarer und mittelbarer Nutznießer und die damit verbundenen nationalen, innenpolitischen Eigenheiten erklären, dass der Wohlfahrts- und Sozialpolitik in der politischen Praxis aller Staaten der EU eine besondere Bedeutung zu- kommt. Gleiches gilt für die politikwissenschaftliche Forschung und es war gerade die verglei- chende Wohlfahrtsstaats-Forschung, die hier besondere Pionierarbeit geleistet und wertvol- le Erkenntnisse hervorgebracht hat. Dabei ist es nicht erstaunlich, dass die empirisch zu beobachtende Vielfalt, auch weit über den europäischen Rahmen hinaus, bereits früh Versu- che der theoretischen Systematisierung und Kategorisierung hervorbrachte. Eine besonders herausragende und bis heute prägende Arbeit teilt die wichtigsten kapitalistischen Ökono- mien in gerade einmal drei Wohlfahrtsregime ein (Esping-Andersen 1990). Die anhaltende und sich in letzter Zeit häufende Kritik an dieser Arbeit verweist allerdings auch auf die Grenzen einer zu stark reduzierenden Typenbildung und Kategorisierung. Angesichts der – zumindest für die europäische Welt – hohen nationalen Bedeutung der Wohlfahrts- und Sozialpolitik ist diese theoretische, abstraktions- und typisierungsbe- dingte politikwissenschaftliche Distanz zum eigentlichen Gegenstand äußerst bemerkens- wert. Ebenso erstaunlich ist, dass nach Einführung bestimmter Kategorien bzw. Wohlfahrts- staats-, Regime- oder Problem-Typen gerade in der vergleichenden Forschung die Anzahl der untersuchten oder zur Beweisführung herangezogenen Länder immer recht überschau- bar blieb. Dies hat zur Folge, dass trotz der insgesamt sehr lebendigen und breiten Wohl- fahrtsstaatsforschung bisher der Versuch unterblieb, die Vielfalt der europäischen Wohl- fahrtssysteme wenigstens deskriptiv aufzunehmen. Forschungslogisch ist dies interessant, weil selbst gute theoretische Verallgemeinerungen dazu führen, den Bezug zu den empiri- schen Gegebenheiten einzuschränken. Empirisch ist dies interessant, weil alle diese Systeme in den letzten Jahren einem hohen Reform- und Veränderungsdruck ausgesetzt waren. 14 Klaus Schubert, Simon Hegelich, Ursula Bazant Hinzu kommt, dass sich das Bild der europäischen Wohlfahrtssysteme1 durch (a) die unter dem Schlagwort Globalisierung zusammengefassten Prozesse, (b) durch die fortschreitende Vertiefung der Europäischen Union, (c) durch die Erweiterung der EU und (4) durch unter- schiedliche nationale Entwicklungen stark verändert hat. Will man die europäische Perspek- tive im Rahmen vergleichender Forschung, als Referenz für nationale Untersuchungen oder als eigenständigen Forschungsgegenstand beibehalten, ist es ratsam, einen aktuellen Über- blick über den Stand der europäischen Wohlfahrtssysteme zu Grunde zu legen. Hierzu soll der vorliegende Band beitragen. Zum ersten Mal werden alle Wohlfahrtssysteme der EU-25 anhand derselben Kategorien in ihrer Entwicklung und hinsichtlich ihrer aktuellen Proble- me analysiert. Dazu haben über 30 Experten aus allen Ländern der EU zusammengearbeitet. Das Ergebnis ist ein erster Überblick über die Gesamtheit der Wohlfahrtssysteme in Europa, sozusagen ein Luftbild der europäischen Wohlfahrtslandschaften. Die Auswertung dieser Aufnahmen ist noch lange nicht abgeschlossen, da die einzelnen Ausschnitte erst durch vergleichende Arbeiten in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden müssen. In diesem Sinne kann man den vorliegenden Band als ‚präkomparatistisch‘ bezeichnen. Denn unserer Auffassung nach bedarf insbesondere die vergleichende Wohlfahrtsforschung zunächst einer Versicherung ihrer empirischen Grundlage. Unsere These ist, dass die kurz erwähnten Entwicklungen das theoretische Fundament der Wohlfahrtsforschung in Teilen unterhöhlt haben. Da sich aus dieser These die strukturellen Leitlinien der Analyse der einzelnen Wohl- fahrtssysteme ergeben haben, soll sie im Folgenden auf theoretischer Ebene näher ausge- führt werden. Im Anschluss an die einzelnen Länderbeiträge ist dann zu zeigen, ob und ggf. in welchem Maße die empirischen Befunde diesen Vorbehalt untermauern. 1 Stand der Forschung2 Die vergleichende europäische Wohlfahrtsstaatsforschung der letzten Jahre lässt sich grob in drei Hauptlinien unterteilen, die, freilich mit starken Überschneidungen, Sprüngen und Redundanzen, auch eine holzschnittartige Chronologie der theoretischen Entwicklung die- ser Disziplin ergeben: Die Entwicklung von Kategorien und Clustern, die Analyse der Re- duzierung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen (retrenchment) und die Frage nach Konvergenz und/oder Pfadabhängigkeit zwischen den Wohlfahrtsstaaten. 1.1 Kategorisierung und Clusterbildung Bereits der Begriff ‚Wohlfahrtsstaat‘ kann als „komparativer Kunstgriff“ (Higgins 1981) verstanden werden. Ganz bewusst werden hier höchst unterschiedliche institutionelle Ar- rangements begrifflich gleichgesetzt, ohne dass es eine geeinte Vorstellung gibt, was der ‚Wohlfahrtsstaat' ist. Im weitesten Sinn bezeichnet der Begriff ‚Wohlfahrtsstaat‘ einen be- 1In Anlehnung an die übliche Benennung im englischsprachigen Raum verwenden wir den Begriff 'Wohlfahrt' und 'Wohlfahrtssysteme' in einem weiten Sinne (vgl. Kapitel 2 dieses Beitrages). Der Begriff 'Sozialpolitik' erscheint uns aufgrund der im deutschen Sprachraum liegenden Fokussierung auf die Sozialversicherungen im europäischen Kon- text zu eng. Dieses Problem wird im Beitrag zu Deutschland ausführlich aufgegriffen. 2 Wir danken Hendrik Meyer für Vorarbeiten zu diesem Abschnitt.

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