DuD-Fachbeiträge Natalie Maier Erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit Lösungsvorschläge zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz DuD-Fachbeiträge Reihe herausgegeben von G. Hornung, Kassel, Deutschland H. Reimer, Erfurt, Deutschland K. Rihaczek, Bad Homburg, Deutschland A. Roßnagel, Kassel, Deutschland Die Buchreihe ergänzt die Zeitschrift DuD – Datenschutz und Datensicherheit in einem aktuellen und zukunftsträchtigen Gebiet, das für Wirtschaft, öffentli- che Verwaltung und Hochschulen gleichermaßen wichtig ist. Die Thematik ver- bindet Informatik, Rechts-, Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften. Den Lesern werden nicht nur fachlich ausgewiesene Beiträge der eigenen Diszi- plin geboten, sondern sie erhalten auch immer wieder Gelegenheit, Blicke über den fachlichen Zaun zu werfen. So steht die Buchreihe im Dienst eines interdis- ziplinären Dialogs, der die Kompetenz hinsichtlich eines sicheren und verantwor- tungsvollen Umgangs mit der Informationstechnik fördern möge. Reihe herausgegeben von Prof. Dr. Gerrit Hornung Dr. Karl Rihaczek Universität Kassel Bad Homburg v.d. Höhe Prof. Dr. Helmut Reimer Prof. Dr. Alexander Roßnagel Erfurt Universität Kassel Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12486 Natalie Maier Erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit Lösungsvorschläge zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alexander Roßnagel Natalie Maier Baunatal, Deutschland Dissertation Universität Kassel, Fachbereich 07 (Wirtschaftswissenschaften), 2018, u.d.T.: Natalie Maier, Erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit: rechtliche und technische Lösungsvorschläge zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz. Tag der mündlichen Prüfung: 20.06.2018 ISSN 2512-6997 ISSN 2512-7004 (electronic) DuD-Fachbeiträge ISBN 978-3-658-23469-0 ISBN 978-3-658-23470-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-23470-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Geleitwort des Herausgebers Die Arbeit von Frau Maier befasst sich mit einem für das Arbeitsleben sowie das Ver- hältnis von Recht und Technik sehr aktuellen und durch die moderne Mobilkommuni- kation bedeutsamen Thema, nämlich mit der Möglichkeit eines technisch unterstützten Ausgleichs zwischen Berufsarbeit und Privatleben und dessen rechtlicher Bewertung und Gestaltung. Im Berufsalltag vieler Beschäftigtengruppen verschwimmen die früher klaren Grenzen zwischen Berufsarbeit einerseits und Freizeit und Privatleben andererseits immer mehr. Dies hat technische und soziale Ursachen. Moderne Informationstechniken ermöglichen immer besser, die Arbeitsleistung zeit- und ortsunabhängig zu erbringen. Insbesondere Wissensarbeiter, deren Arbeitsleistung in dem Aneignen und Anwenden von Wissen besteht, können ihre Arbeitsaufgaben mit Hilfe von vernetzten mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets, Laptops) jeder- zeit und überall erfüllen. Sie sind nicht mehr auf den Arbeitsplatz und die dort verfüg- baren Ressourcen angewiesen. Dies ermöglicht ihnen, Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu wählen und die Aufteilung zwischen Arbeit und Freizeit nach eigenen Interessen selbst zu gestalten. Dieser Freiheit in der Arbeitsgestaltung entsprechen neue Formen der Arbeitsorgani- sation. Um den Bedingungen des Wettbewerbs besser gerecht zu werden, wird Wis- sensarbeit immer öfter in Projekten zusammengefasst, die von Teams in definierten Zeiträumen durchgeführt werden. Diese Teams organisieren ihre Arbeit selbst und werden an ihrem Erfolg gemessen. Hierfür muss ihnen ein hohes Maß an Freiheit der Arbeitsgestaltung eingeräumt werden. Die Arbeitsleistung der Teammitglieder besteht nicht in der Erledigung von Routineaufgaben während einer vorgegebenen Arbeitszeit an einem bestimmten Arbeitsplatz, sondern in der Erreichung des Projektziels „in time, in budget and in quality“. Dem entspricht auch, auf Stechuhren, Stundenzettel und Überstundeabrechnungen zu verzichten und dafür Vertrauensarbeitszeit und Erfolgsboni zu vereinbaren. Diese Veränderungen der Arbeitstechnik und der Arbeitsorganisation erlauben sowohl dem Arbeitgeber als auch den Beschäftigten, auf die Bedürfnisse des Projekts und des Teams einzugehen. Das Team kann je nach Projektfortschritt intensiver oder entspann- ter arbeiten, aber auch je nach individueller Neigung, familiärer Situation oder indivi- duellen Interessen die Arbeit einteilen. Durch die Arbeit im Team, insbesondere bei global verteilten Teams, aber auch durch die Koordination mit privaten Aufgaben und Interessen, müssen die Wissensarbeiter viel stärker kommunizieren und erreichbar sein VI Geleitwort des Herausgebers – und zwar weitgehend unabhängig von klar definierten Zeitscheiben. Eine erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit ist damit notwendiger Teil ihres Berufsalltags und ihres Privatlebens. Eine klare zeitliche und räumliche Grenze zwischen Beruf und Freizeit gibt es dann nicht mehr. Die erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit hat Vor- und Nachteile. Vorteile liegen in der effektiveren Erledigung der Arbeit und in einer Ausbalancierung von Arbeits- und Familienpflichten sowie einer besseren Verfolgung von Erziehungsaufgaben und Freizeitinteressen. Die Nachteile ergeben sich aus der fehlenden klaren Trennung von Arbeits- und Freizeit, von Anspannung und Erholung. Die erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit kann Zweisamkeit, Familienleben, Erholung und Freizeitvergnügen stören, kann das notwendige Abschalten verhindern und so zu Konzentrations- und Gesundheitsproblemen führen. Um erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit besser steuern und mit Arbeits- und Freizeitinteressen besser vereinbaren zu können, bietet es sich an, die Technik, die die- se Probleme hervorgebracht hat, auch dafür zu nutzen, sie zu beseitigen oder in geeig- neter Weise mit ihnen umzugehen. Wenn das Smartphone die individuelle Situation des jeweiligen Nutzers erfassen und dessen Prioritäten berücksichtigen könnte, wäre es auch möglich, dass dieses Kommunikationswünsche bedürfnis- und situationsgerecht annimmt oder abweist. Auch könnte es selbständig Nachrichten über die Erreichbar- keitssituation des Nutzers an Kontaktinteressierte absenden. Diese „implizite Kommu- nikation“ könnte im Hintergrund ablaufen und die Aufmerksamkeit des Nutzers nicht in Anspruch nehmen. Er könnte sich weiter ungestört konzentrieren, einem Vortrag folgen oder mit den Kindern spielen und würde nur gestört, wenn es sich wirklich um eine sehr wichtige Nachricht handelt. Diese implizite Kommunikation zur Steuerung erweiterter berufsbezogener Erreich- barkeit muss jedoch Daten über den jeweiligen Kontext des Nutzers erheben und ver- arbeiten und wirft damit eine Reihe von Rechtsfragen zum Datenschutz auf. Sie findet im betrieblichen Umfeld statt und beeinflusst die Arbeitserbringung der Beschäftigten. Daher verursacht sie auch viele individual- und kollektivarbeitsrechtliche Fragen des Persönlichkeits- und Gesundheitsschutzes. Für die Verarbeitung von Daten im Be- schäftigungsverhältnis gibt es zwar datenschutzrechtliche Regelungen, diese sind aber nicht auf die spezifischen Bedingungen impliziter Kommunikation zur Steuerung er- weiterter berufsbezogener Erreichbarkeit eingestellt. Zum Schutz der Persönlichkeit und der Gesundheit der Beschäftigten gibt es zwar arbeitsschutz- und arbeitszeitrecht- liche Regelungen, aber auch diese erfassen nicht die Spezifika erweiterter berufsbezo- gener Erreichbarkeit und entsprechen nicht den Interessen der Beteiligten an der Durchführung neuer Arbeitszeitmodelle. Bisher enthält das Recht noch kein normati- Geleitwort des Herausgebers VII ves Programm, wie die Vorteile erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit und impli- ziter Kommunikation genutzt und ihre Nachteile vermieden werden können. Hier setzt die Arbeit von Frau Maier an. Sie verfolgt das Ziel, das Thema der erweiter- ten berufsbezogenen Erreichbarkeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu untersu- chen und rechtliche und technische Lösungsvorschläge zu entwickeln, um Beschäftigte vor negativen gesundheitlichen und persönlichkeitsrechtlichen Auswirkungen zu schützen und eine den Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt entsprechende Kom- munikation zu gewährleisten. Indem sie sowohl die für erweiterte berufsbezogene Er- reichbarkeit relevanten Grundrechte und arbeitsrechtlichen Vorgaben als auch die auf implizite Kommunikation anwendbaren rechtlichen Vorgaben untersucht, bietet sie sowohl wertvolle Hinweise für das notwendige Rechtsverständnis gegenüber moderner Technik und moderner Arbeitszeitmodelle als auch grundlegende Hilfestellungen für die Praxis. Indem sie zeigt, wie grundrechtliche Risiken durch die rechtliche, techni- sche und organisatorische Gestaltung von impliziter Kommunikation vermieden wer- den können, trägt sie zur Bewältigung schwieriger grundlegender Fragen der Rechts- befolgung bei. Die Arbeit entstand zu großen Teilen im Rahmen der Mitarbeit von Frau Maier in dem Forschungsprojekt „Rechtsfragen“ des Forschungsschwerpunkts „Always Online? – Ein neues Kommunikationsparadigma für die Kommunikationsgesellschaft (Social Link)“, das die Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) im Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universi- tät Kassel unter Leitung des Gutachters durchführte. Der Forschungsschwerpunkt wurde von der Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Ex- zellenz (LOEWE) des Landes Hessen von 2014 bis 2017 unterstützt. In diesem For- schungsschwerpunkt der Universitäten Kassel und Darmstadt bearbeitete Frau Maier selbstständig die hier untersuchten Rechtsfragen und konnte in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Informatikern, Psychologen und Betriebswirten interdisziplinären Fragen nachgehen. Für die künftige Entwicklung und Gestaltung von erweiterter berufsbezogener Er- reichbarkeit sowie die rechtswissenschaftliche Diskussion über diese ist zu hoffen, dass die Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft, Justiz und Wissenschaft die Er- kenntnisse und Hinweise dieser Arbeit zur Kenntnis nehmen und bei ihren Entschei- dungen berücksichtigen. Kassel, im Juli 2018 Alexander Roßnagel Vorwort der Autorin Die vorliegende Arbeit „Erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit – Lösungsvorschlä- ge zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz“ entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Roßnagel an der Universität Kassel im Forschungsprojekt „Always Online? – Ein neues Kommunikati- onsparadigma für die Kommunikationsgesellschaft (Social Link)“, das in den Jahren 2014 bis 2017 im Rahmen der 6. Förderstaffel der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert worden ist. Die Arbeit wurde im Juni 2018 vom Promotionsausschuss angenommen. Bei der Veröffentlichung wurde die Rechtslage bis Juli 2018 berücksichtigt. Alle in der Arbeit verwendeten Internetquellen wurden zuletzt im Juli 2018 auf Aktualität überprüft. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Alexander Roßnagel. Ich danke ihm für das in mich gesetzte Vertrauen, für seine Geduld und seine umfas- sende Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Thaenert für die Übernahme der Zweitkorrektur und das sehr zügige Erstellen des Zweitgutachtens. Meinen Kolleginnen und Kollegen bei provet danke ich für die hilfreichen Gespräche, die kritischen Anmerkungen zu meinen eingereichten Texten und die sehr angenehme Arbeitsatmosphäre. Mein Dank gilt auch Frau Edith Weise, die mir in administrativen Fragen immer eine Hilfe war. Meinen langjährigen Freundinnen, insbesondere Eugenia Schmidt, danke ich für die vielfältigen Ablenkungen von der Dissertation und ihre ermunternde Unterstützung. Für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens danke ich Eugen Reinhardt. Mein größter Dank gilt meinen Eltern Lydia und Waldemar Maier und meiner Oma Rosa Brosowski, die mich während meines beruflichen Werdegangs stets unterstützt, liebevoll begleitet und an meine Fähigkeiten geglaubt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Kassel, im Juli 2018 Natalie Maier Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... XIX 1 Einführung ....................................................................................................................... 1 1.1 Stand der Forschung ...................................................................................................... 3 1.2 Gang der Arbeit ............................................................................................................. 5 2 Definition, Ursachen und Auswirkungen erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit .................................................................................................................. 9 2.1 Definition erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit .................................................. 9 2.2 Ermöglichungsfaktoren erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit ........................... 10 2.2.1 Entwicklungssprünge in der Kommunikationstechnik ......................................... 10 2.2.2 Veränderungen der Arbeitswelt ............................................................................ 12 2.3 Verbreitung von erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit ...................................... 16 2.4 Gründe für erweiterte berufsbezogene Erreichbarkeit ................................................. 17 2.5 Auswirkungen von erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit .................................. 18 2.5.1 Arbeits- und organisationspsychologische Modelle ............................................. 18 2.5.2 Auswirkungen nach Befragungen und Studien .................................................... 21 2.5.2.1 Deutschsprachige Befragungen ..................................................................... 21 2.5.2.2 Experteninterviews ........................................................................................ 22 2.5.2.3 Englischsprachige Studien ............................................................................. 24 2.5.2.4 Schlussfolgerungen ....................................................................................... 25 2.6 Umgang mit erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit ............................................ 27 2.6.1 Initiativen zur Begrenzung erweiterter berufsbezogener Erreichbarkeit .............. 28 2.6.1.1 Verhaltensleitfäden ........................................................................................ 28 2.6.1.2 Technische Lösungen .................................................................................... 29 2.6.1.3 Anti-Stress-Verordnung ................................................................................ 30 2.6.2 Bewertung der Initiativen ..................................................................................... 31 2.6.3 Im Projekt „Social Link“ verfolgter Ansatz ......................................................... 34 2.6.3.1 Implizite Kommunikation als Lösungsansatz ................................................ 34 2.6.3.2 Architektur einer prototypischen Anwendung ............................................... 36 2.6.3.3 Vorarbeiten für die Gestaltung ...................................................................... 37 2.6.3.4 Lokale und globale Sicht der Anwendung ..................................................... 40 2.7 Anwendungen impliziter Kommunikation: Lösungsansatz zur Reduktion negativer Erreichbarkeitsauswirkungen ...................................................................................... 41