Über den Autor dieser Erläuterung: Bernd Matzkowski ist 1952 geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Lehrer (Oberstudienrat) am Heisenberg Gymnasium Gladbeck, Fächer: Deutsch, Sozialwissenschaften, Politik, Literatur/Theater (in NRW in der Sek. II eigenes Fach mit Richtlinien etc.), Beratungslehrer für Suchtprävention, Ausbildungskoordinator (Betreuung von ReferendarInnen, Abnahme von Staatsexamina) Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich ge- schützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorheri- ge schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zu- gänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer ent- sprechenden Nutzung für Unterrichtszwecke! 3. Auflage 2007 ISBN 978-3-8044-1793-9 © 2003 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Günter Lamprecht als Franz Biberkopf und Barbara Sukowa als Mieze in der Verfilmung „Berlin Alexanderplatz“ unter der Regie von Rainer Werner Fassbinder, 1980. Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk 2 Inhalt Vorwort................................................................. 4 1. Alfred Döblin: Leben und Werk......................... 6 1.1 Biografie.................................................................. 6 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund.............................. 9 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken ......................................... 17 2. Textanalyse und -interpretation......................... 20 2.1 Entstehung und Quellen.......................................... 20 2.2 Inhaltsangabe .......................................................... 24 2.3 Aufbau.................................................................... 37 2.3.1 Zur Rolle des Erzählers................................... 37 2.3.2 Kompositionsstruktur...................................... 39 2.3.3 Zeit................................................................. 44 2.3.4 Assoziationen und Leitmotive......................... 49 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken............ 69 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen................ 77 2.6 Stil und Sprache...................................................... 79 2.7 Interpretationsansätze.............................................. 87 3. Themen und Aufgaben.........................................102 4. Rezeptionsgeschichte............................................104 5. Materialien............................................................107 Literatur................................................................112 3 Vorwort Vorwort Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz ist ein großer Er- folg geworden. Dies muss umso erstaunlicher erscheinen, als das Werk dem Rezipienten keine leichte Kost bietet, sondern aufgrund seiner Komplexität und Kompliziertheit eher Lese- widerstände weckt. Die „Geschichte vom Franz Biberkopf“ (Untertitel), das Schicksal des Protagonisten, ist nur mit Mühe zu verfolgen, baut der Autor doch keinen durchgängi- gen Spannungsbogen auf. Der Rezipient sieht sich vielmehr mit einer überbordenden Fülle von einmontierten Lyrismen, Sachtexten, philosophischen Betrachtungen, Bibelzitaten so- wie onomatopoietischen Elementen, wechselnden Redefor- men, syntaktischen und stilistischen Eigenheiten konfron- tiert, deren Zusammenhang mit dem Gang der Handlung sich bei einer ersten Lektüre kaum erschließt. Peter Bekes kommt deshalb zu dem Urteil: „Erst in einem zweiten bzw. dritten Durchgang durch das Werk wird (der Leser) vielleicht wichtige Bedeutungslinien und Entwicklungsmus- ter, motivische Reihen und symbolische Verflechtungen er- kennen, die er zuvor noch gar nicht wahrnehmen konnte.“1 Der vorliegende Band will einige Leseschwierigkeiten, die der Roman bereitet, beseitigen helfen, ohne den Anspruch zu erheben, eine umfassende Interpretation von Döblins Ro- man zu präsentieren. Der Band verzichtet dabei weitestgehend auf eine Darstel- lung literaturwissenschaftlicher Kontroversen und fachwis- senschaftlicher Spezialdiskussionen2, sondern er orientiert 1 PeterBekes,S.8;sieheauchRolandLinks,S.126 2 Verzichtetwirdu.a.aufAusf(cid:252)hrungenzurm(cid:246)glichenodertats(cid:228)chlichenBeeinflussungD(cid:246)blins durchJ.Joyce(Ulysses)undzurEntwicklungvonD(cid:246)blinsRomantheorie(vom(cid:132)BerlinerPro- gramm(cid:147)imJahre1913biszum(cid:132)BaudesepischenWerkes(cid:147)ausdemJahre1928). 4 Vorwort Vorwort sich an Fragestellungen, die Schülerinnen und Schülern den Zugang zum Verständnis einiger Aspekte des Romans er- leichtern sollen. Zitiert wird nach der gängigen dtv-Ausgabe des Romans.3 3 AlfredD(cid:246)blin,BerlinAlexanderplatz.DieGeschichtevomFranzBiberkopf,DeutscherTaschen- buchVerlag,dtvBd.295,M(cid:252)nchen2001(41.Auflage);ZitatangabenerscheinenimTextdirekt nachdemZitat. Vorwort 5 1.1Biografie 11111..... AAAAAlllllfffffrrrrreeeeeddddd DDDDD(cid:246)(cid:246)(cid:246)(cid:246)(cid:246)bbbbbllllliiiiinnnnn::::: LLLLLeeeeebbbbbeeeeennnnn uuuuunnnnnddddd WWWWWeeeeerrrrrkkkkk4 1.1Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1878 Stettin Geburt Alfred Döblins am 10.8. 1888 Berlin Umzug der Mutter und der 10 Kinder (Döblin hat vier Geschwister; der Vater wandert nach Ame- rika aus) 1900 Berlin Beginn des Studiums der Me- 22 dizin 1905 Berlin Abschluss des Studiums 27 1910 Berlin Gründung der Vereinigung 32 „Der Sturm“ 1912 Berlin Heirat mit Erna Reis 34 Niederlassung als Kassenarzt Die Ermordung einer Butterblu- me (Sammelband) 1914 Wadzeks Kampf mit der 36 Dampfturbine Döblin ist in den Kriegsjahren als Militärarzt tätig. 1915 Fontane-Preis für Die drei 37 Sprünge des Wang-lun 1917 Die Lobensteiner reisen nach 39 Böhmen (Sammelband) 1918 Döblin tritt der USPD bei. 40 4 Vgl.hierzuP.Bekes,HelmutSchwimmer,RolandLinks. 6 1.AlfredD(cid:246)blin:LebenundWerk 1.1Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1920 Wallenstein 42 1922 Döblin wird Mitglied der 44 SPD. 1924 Berge, Meere und Giganten 46 Döblin wird Vorsitzender im „Schutzverband deutscher Schrift- steller“. 1927 Manas 49 1928 Wahl in die „Preußische Aka- 50 demie der Künste“ Austritt aus der SPD 1929 Berlin Alexanderplatz 51 1930 Wissen und Verändern 52 28. 2. Döblin verlässt am Tag nach 55 1933 dem Reichstagsbrand Deutsch- land; die Familie Döblin lebt zunächst in Zürich, dann in Paris. Döblin wird durch die Nazi- Regierungdie deutsche Staats- bürgerschaft aberkannt. 1936 Paris Döblin erhält die französische 58 Staatsbürgerschaft. 1940 USA Einreise in die USA 62 Döblin arbeitet zeitweilig als Texter in Hollywood. 1941 Döblin, seine Frau Erna und 63 sein Sohn Stephan konvertie- ren vom Judentum zum Ka- tholizismus. 1.AlfredD(cid:246)blin:LebenundWerk 7 1.1Biografie Jahr Ort Ereignis Alter 1942 November 1918 64 1945 Baden-Baden Rückkehr nach Deutschland 67 1949 Mainz Döblin arbeitet an der Akade- 71 mie für Wissenschaft und Li- teratur. 1953 Frankreich Döblin zieht nach Frankreich. 75 1956 Freiburg Döblin erkrankt schwer. 78 26. 6. Emmen- Döblin stirbt in seinem 79.Le- 1957 dingen bensjahr im Landeskranken- 78 haus. 8 1.AlfredD(cid:246)blin:LebenundWerk 1.2ZeitgeschichtlicherHintergrund 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund „In fremden Städten treib ich ohne Ruder. Hohl sind die fremden Tage und wie Kreide. Du, mein Berlin, du Opiumrausch, du Luder. Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide...“ Alfred Lichtenstein, Gesänge an Berlin5 Als Alfred Döblin seinen Roman Berlin Alexanderplatz schrieb, war die „Stadt“ längst Gegenstand der künstleri- schen Darstellung geworden. Die Stadt: ein Thema der Besonders für die Dichter des Futu- Literatur rismus und Expressionismus war die Stadt in den ersten zwei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts faszinierendes Objekt ihres Schaffens. Die zahlreichen ex- pressionistischen Stadtgedichte legen davon Zeugnis ab. Jo- hannes R. Becher, Georg Heym, Ernst Stadler, Georg Trakl, Gottfried Benn und Alfred Lichtenstein, um nur einige der bekanntesten Repräsentanten der Lyrik zu nennen, wandten sich der Stadt als Thema zu, wobei die Gedichte stets zwi- schen ekstatischer Großstadtbegeisterung und düster-apoka- lyptischen Visionen pendelten. Alle Facetten des Großstadt- lebens gerieten ins Blickfeld: Technik und Architektur, Lust und Laster, die Bewegung großer Menschenmassen, aber auch die Anonymität und Vereinsamung des Einzelnen. Die Stadt entfaltet in ihren Gedichten (und ebenso auch in Döb- lins Roman) ihr Leben in der Dialektik ungeheurer produk- tiver Kräfte und Kräfte großer Destruktion, sie ist Sinnen- freude und Sündenbabel, Moloch und Megamaschine, Freudenstätte und Freudenhaus zugleich. 5 ZitiertnachPeterChristianGiese,LyrikdesExpressionismus,Stuttgart1992,S.55 1.AlfredD(cid:246)blin:LebenundWerk 9 1.2ZeitgeschichtlicherHintergrund Auch Bertolt Brecht griff die Stadt-Thematik auf – in seinem Lesebuch für Städtebewohner, in seinem Drama Im Dickicht der Städte (1923) und in der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Ma- hagonny (1929). In der Malerei wurde die Stadt ebenso The- ma (Kokoschka, Beckmann, Grosz, Kirchner) wie in der neu- en Kunstform des Films (Fritz Lang, Metropolis; auch Charlie Chaplins Film Moderne Zeiten spiegelt Seiten des modernen städtischen Lebens6). Und Berlin Die Entwicklung Berlins zur wurde die Stadt der Städte, sie stand Metropole gleichsam als Synonym für die Stadt überhaupt. Durch Eingemeindungen war die Einwohnerzahl Groß-Berlins zu Beginn der zwanziger Jahre auf fast vier Millionen angewachsen (1900 waren es zwei Millionen). Ber- lin war das Zentrum der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Publizistik, des Verkehrs und der Kultur, deren Spannweite von der „Hochkultur“ (das „Deutsche Theater“ in Berlin wurde unter Max Reinhard eine Bühne mit Weltruhm) bis zum Tingeltangel der Varietébühnen und den Stätten des Ka- baretts und des Chansons reichte. Berlin war das politische Zentrum Deutschlands. Hier prallten Berlin als politisches Zentrum die politischen Auffassungen in den Debatten des Reichstags aufeinander und – in gewalttätiger Form – in den Straßen- und Saalschlachten zwischen SA und „Rotfrontkämpferbund“ (nicht ohne Grund hatte Hitler 1926 Goebbels als neuen „Gauleiter“ nach Berlin geschickt; er sollte das „Rote Berlin“ erobern und dirigierte seine Propa- ganda- und Kampftrupps in die Berliner Arbeiterviertel). Die politischen Auseinandersetzungen der Zeit spiegeln sich im Roman mehrfach. So wird Biberkopf im 2. Buch in eine Dis- kussion mit Kommunisten verwickelt, im 5. Buch verkauft 6 SiehedieErw(cid:228)hnungChaplinsimRomanaufS.79 10 1.AlfredD(cid:246)blin:LebenundWerk