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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung. Aufgezeichnet von Aniela Jaffé. Mit 26 Tafeln PDF

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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé WALTER VERLAG ZÜRICH UND DÜSSELDORF Inhalt Einleitung von Aniela Jaffé...................................1 Prolog.................................................................10 Kindheit..............................................................13 Schuljahre...........................................................31 Studienjahre.........................................................89 Psychiatrische Tätigkeit........................................121 Sigmund Freud.....................................................151 Die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten.......174 Zur Entstehung des Werkes...................................204 Der Turm.............................................................227 Reisen Nord-Afrika ....................................................246 Die Pueblo-Indianer .........................................250 Kenya und Uganda ...........................................257 Indien .............................................................277 Ravenna und Rom ...........................................288 Visionen..............................................................293 Über das Leben nach dem Tode.............................302 Späte Gedanken ...................................................330 Rückblick ...........................................................357 Bildtafeln............................................................ C. G. Jung, Küsnacht I960 Emilie Jung-Preiswerk Johann Paul Achilles Jung C. G. Jung und Emma Rauschenbach, 1902 CG. Jung, 1930 EmmaJung-Rauschenbach, 1954 Bollingen, «der Turm», endgültige Gestalt 1955 Bollingen, der Stein CG. Jung, Bollingen 1958 C.G. Jung, Küsnacht I960 Appendix.............................................................363 Aus Briefen Jungs an seine Frau aus den USA (1909) Aus Briefen von Freud an Jung (1909 bis 1911) Brief an seine Frau aus Sousse, Tunis (1920) Aus einem Brief an einen jungen Gelehrten (1952) Aus einem Brief an einen Kollegen (1959) Theodore Flournoy. Richard Wilhelm. Heinrich Zimmer. Nachtrag zum «Roten Buch» (1959) Septem Sermones ad Mortuos (1916) Einiges über C. G. Jungs Familie von AnielaJaffe Glossar................................................................408 Einleitung von Aniela Jaffé He looked at his own Soul woth a Telescope. What seemed all irregular he saw and shewed to be beautiful constellations and he added to the consciousness hidden words within words. Coleridge, Note books Im Sommer 1956 - es war während der Eranos-Tagung in Ascona - sprach der Verleger Kurt Wolff zum erstenmal mit Zürcher Freunden über seinen Wunsch, eine Biographie von Carl Gustav Jung im Pantheon-Verlag, New York, herauszugeben. Dr. Jolande Jacobi, eine der Mitarbeiterinnen C. G. Jungs, schlug vor, das Amt der Biographin mir zu übertragen. Alle waren sich darüber klar, daß es sich um kein leichtes Unternehmen handeln würde, denn Jungs Abneigung, sich und sein Leben vor den Augen der Welt darzustellen, war bekannt. So sagte er auch nur nach langem Zögern zu, räumte mir dann jedoch wöchentlich einen Nachmittag zur gemeinsamen Arbeit ein. Das war in Anbetracht seines gedrängten Arbeitsprogramms und seiner altersbedingten Ermüdbarkeit sehr viel. Wir begannen im Frühjahr 1957. Kurt Wolff hatte mir seinen Plan vorgelegt, das Buch nicht als «Biographie», sondern in Form einer «Autobiographie» zu gestalten - Jung selber solle sprechen. Das entschied über die Form des Buches, und meine erste Aufgabe bestand lediglich darin, Fragen zu stellen und Jungs Antworten zu notieren. War er im Anfang eher zurückhaltend und zögernd, so erzählte er doch bald mit wachsendem Interesse von sich, seinem Werden, seinen Träumen und seinen Gedanken. Jungs positive Einstellung zu der gemeinsamen Arbeit führte Ende 1957 zu einem entscheidenden Schritt. Nach einer Zeit innerer Unruhe tauchten längst versunkene Bilder aus der Kindheit auf. Jung ahnte ihren Zusammenhang mit Gedanken seiner Alterswerke, konnte ihn jedoch noch nicht deutlich fassen. Eines Morgens empfing er mich mit der Mitteilung, er wolle selber über seine Kindheit schreiben, von der er mir bereits vieles, aber doch nicht alles berichtet hatte. 1 Der Entschluß war ebenso erfreulich wie unerwartet, wußte ich doch, wie sehr das Schreiben Jung anstrengte, und daß er nichts Derartiges unternehmen würde, ohne es als «Auftrag» von innen her zu empfinden. So schien mir sein Vorhaben die innere Berechtigung der «Autobiographie» zu bestätigen. Einige Zeit nach dieser Wendung notierte ich mir seine Worte: «Ein Buch von mir ist immer ein Schicksal. Es liegt etwas Unabsehbares darin, und ich kann mir nichts vorschreiben oder vornehmen. So nimmt auch die Autobiographie schon jetzt einen anderen Weg, als ich mir zu Beginn vorgestellt hatte. Daß ich meine frühen Erinnerungen niederschreibe, ist eine Notwendigkeit. Unterlasse ich es auch nur einen Tag, so stellen sich sogleich unangenehme körperliche Symptome ein. Sobald ich daran arbeite, verlieren sie sich, und ich bekomme einen ganz klaren Kopf.» Im April 1958 beendete Jung die drei Kapitel über Kindheit, Schulzeit und Studienjahre. Er nannte sie «Von den anfänglichen Ereignissen meines Lebens». Sie schließen mit der Vollendung des Medizinstudiums im Jahre 1900. Dies war aber nicht der einzige Beitrag, den Jung zu dem Buch lieferte. Im Januar 1959 war er in seinem Landsitz in Bollingen. Alle Vormittage widmete er der Lektüre der inzwischen entstandenen Kapitel unseres Buches. Als er mir das Kapitel «Über das Leben nach dem Tode» zurückgab, sagte er: «Etwas in mir ist angerührt worden. Es hat sich ein Gefälle gebildet, und ich muß schreiben.» So entstand das Kapitel «Späte Gedanken», in welchem sich seine tiefsten, wenn auch vielleicht fernsten Gedanken ausgesprochen finden. Im Sommer desselben Jahres 1959 schrieb Jung, ebenfalls in Bollingen, das Kapitel über «Kenya und Uganda». Der Abschnitt über die Pueblo- Indianer entstammt einem unveröffentlichten, Fragment geblichenen Manuskript aus dem Jahr 1926, das sich mit allgemeinen Fragen der Primitivenpsychologie befaßt. Zur Ergänzung der Kapitel «Sigmund Freud» und «Die Ausein- andersetzung mit dem Unbewußten» übernahm ich verschiedene Stellen aus einem 1925 gehaltenen Seminar. Damals hatte Jung zum erstenmal einiges über seine innere Entwicklung berichtet. Das Kapitel «Psychiatrische Tätigkeit» entstand auf Grund von Gesprächen Jungs mit den jungen Assistenzärzten der Zürcher Heil- und Pflegeanstalt Burghölzli im Jahre 1956. Zu jener Zeit arbei- 2 tete einer seiner Enkel dort als Psychiater. Die Gespräche hatten in Jungs Haus in Küsnacht stattgefunden. Jung hat das Manuskript durchgelesen und genehmigt. Gelegentlich hat er Stellen korrigiert und Ergänzungen vorgeschlagen oder selber angebracht. Umgekehrt habe ich die von ihm geschriebenen Kapitel aus den Protokollen unserer Gespräche ergänzt, seine oft nur stichwortartigen Andeutungen ausgearbeitet und Wiederholungen ausgemerzt. Je weiter das Buch fortschritt, desto stärker wurde die Amalgamierung zwischen seiner und meiner Arbeit. Die Entstehungsweise des Buches formte in gewisser Beziehung auch den Inhalt. Das Gespräch oder die spontane Erzählung tragen den Charakter des Improvisierten, und diesen Charakter trägt auch die «Autobiographie». Die Kapitel sind Streiflichter, die das äußere Leben Jungs und sein Werk nur flüchtig erhellen. Dafür vermitteln sie die Atmosphäre seiner geistigen Welt und das Erleben eines Menschen, dem die Seele echteste Wirklichkeit bedeutete. Nach äußeren Dingen habe ich Jung oft vergeblich gefragt; nur die geistige Essenz des Gelebten war ihm unvergeßlich und der Mühe des Erzählens wert. Wesentlicher als die formalen Schwierigkeiten der Gestaltung waren andere, mehr persönlicher Natur. Jung äußerte sich darüber in einem Brief an einen Freund aus seiner Studentenzeit. Dieser hatte ihn gebeten, seine Jugenderinnerungen aufzuzeichnen. Der Briefwechsel fand Ende 1957 statt. «.. .Du hast ganz recht! Wenn man alt ist, wird man in Ju- genderinnerungep zurückgeholt von Innen und von Außen. Schon vor dreißig Jahren wurde ich einmal von meinen Schülern veranlaßt, eine Darstellung davon zu geben, wie ich zu meiner Auffassung des Unbewußten gelangt sei. Ich habe dies damals in Form eines Seminars getan. In letzter Zeit wurde ich verschiedentlich angeregt, etwas wie eine .Autobiographie' von mir zu geben. So etwas konnte ich mir schon gar nicht vorstellen. Ich kenne zu viele Autobiographien und deren Selbsttäuschungen und Zwecklügen und weiß zuviel von der Unmöglichkeit einer Selbstbeschreibung, als daß ich es wagen könnte, selbst Versuche in dieser Hinsicht anzustellen. Neuerdings bin ich nun nach autobiographischen Informationen ausgefragt worden und habe bei dieser Gelegenheit entdeckt, daß in meinem Erinnerungsmaterial gewisse objektive Probleme stecken, 3 die einer genaueren Betrachtung wohl würdig wären. Demgemäß habe ich über die Möglichkeit nachgedacht und bin zum Schluß gekommen, mir meine anderen Obliegenheiten soweit vom Halse zu halten, daß es mir gelingen möge, wenigstens die allerersten Anfänge meines Lebens einer objektiven Betrachtung zu unterwerfen. Diese Aufgabe ist so schwierig und ungewöhnlich, daß ich mir zunächst versprechen mußte, die Resultate zu meinen Lebzeiten nicht zu veröffentlichen. Diese Maßnahme schien mir nötig, um mir die Ruhe und Distanz zu sichern. Ich habe nämlich gesehen, daß alle jene Erinnerungen, die mir lebendig geblieben sind, emotionale Erlebnisse betreffen, welche den Geist in Unruhe und Leidenschaft versetzen; eine sehr ungünstige Vorbedingung für eine objektive Darstellung! Dein Brief kam .natürlich' in dem Moment, wo ich mich sozusagen entschlossen hatte, die Sache in Angriff zu nehmen. Das Schicksal will es nun - wie es immer gewollt hat - daß in meinem Leben alles Äußere akzidentell ist, und nur das Innere als substanzhaft und bestimmend gilt. Infolgedessen ist auch alle Erinnerung an äußere Geschehnisse blaß geworden, und vielleicht waren die ,äußeren' Erlebnisse auch nie ganz das Eigentliche oder waren es nur insofern, als sie mit inneren Entwicklungsphasen zusammenfielen. Von diesen .äußeren' Manifestationen meines Daseins ist mir unendlich vieles entschwunden, eben darum, weil ich, wie mir schien, mit allen Kräften daran teilgenommen hatte. Dies sind aber die Dinge, welche eine verständliche Biographie ausmachen: Personen, die einem begegnet sind, Reisen, Abenteuer, Verwicklungen, Schicksalsschläge und dergleichen mehr. Sie sind aber mit wenig Ausnahmen zu eben noch erinnerbaren Schemen geworden, die meine Phantasie zu keinen Anstrengungen mehr beflügeln können. Umso lebhafter und farbiger ist meine Erinnerung an die .inneren' Erlebnisse. Hier aber stellt sich ein Problem der Darstellung, dem ich mich kaum gewachsen fühle, wenigstens vorderhand noch nicht. Leider kann ich aus diesen Gründen auch Deinen Wunsch nicht erfüllen, was ich sehr bedaure...» Dieser Brief charakterisiert Jungs Einstellung; obwohl er sich bereits «entschlossen hatte, die Sache in Angriff zu nehmen», endet der Brief mit einer Absage! Der Konflikt zwischen Bejahung und Ablehnung ist bis zu seinem Tode nie ganz zur Ruhe gekommen. 4 Immer blieb ein Rest Skepsis, und es blieb die Scheu vor der zukünftigen Leserschaft. Er betrachtete das Erinnerungsbuch nicht als ein wissenschaftliches Werk und auch nicht als ein Buch von ihm, sondern er sprach und schrieb von «Aniela Jaffés Unternehmung», zu der er Beiträge geliefert habe. Auf seinen Wunsch wird es nicht in die Reihe der «Gesammelten Werke» aufgenommen. Besonders zurückhaltend war Jung in den Berichten über Begegnungen, sei es mit bekannten Persönlichkeiten, sei es mit nahestehenden Menschen, seinen Freunden. «Ich habe mit vielen berühmten Menschen meiner Zeit gesprochen, mit den Großen der Wissenschaft und Politik, mit Forschungsreisenden, Künstlern und Schriftstellern, Fürstlichkeiten und Finanzgrößen, aber wenn ich ehrlich bin, muß ich sagen, daß nur wenige solcher Begegnungen mir zum Erlebnis geworden sind. Wir waren wie Schiffe auf hoher See, die gegenseitig die Flagge senkten. Meist hatten diese Menschen auch ein Anliegen an mich, das ich nicht erwähnen kann oder darf. So blieben keine Erinnerungen, unbekümmert darum, was sie als Persönlichkeiten in den Augen der Welt darstellten. Die Begegnungen waren ereignislos; sie verblaßten bald und blieben ohne tiefere Folgen. Von den Beziehungen, die mir etwas bedeuteten, und die an mich kamen wie Erinnerungen an ferne Zeiten, kann ich nicht erzählen, denn sie waren nicht nur mein innerstes Leben, sondern auch das ihre. Es steht mir nicht zu, jene für immer geschlossenen Türen den Blicken der Welt zu öffnen.» Der Mangel an äußeren Daten und an Vollständigkeit wird jedoch durch anderes reichlich aufgewogen - durch den Bericht über innere Erlebnisse Jungs und durch eine Fülle von Gedanken, welche, wie er selber sagte, als biographisch bezeichnet werden müssen. Sie sind in hohem Maße typisch für ihn und bildeten das Fundament seines Lebens. Das gilt in erster Linie von den religiösen Gedanken. Das Buch enthält Jungs religiöses Bekenntnis. Es waren mannigfache Wege, auf denen Jung zur Auseinandersetzung mit den religiösen Fragen geführt wurde: eigene Erfahrungen, die ihn schon als Kind in die Wirklichkeit des religiösen Erlebens gestellt und ihn bis an sein Lebensende begleitet hatten; ein unbändiger Erkenntnisdrang, der alles ergriff, was mit der Seele, ihren Inhalten und Manifestationen zusammenhing und ihn als Wissenschaftler kennzeichnete und - last but not least - sein ärztliches Gewissen. Jung fühlte sich in erster Linie als Arzt. Es 5 war ihm nicht entgangen, daß die religiöse Einstellung bei der Therapie des seelisch leidenden Menschen eine entscheidende Rolle spielt. Dies deckte sich mit seiner Erkenntnis, daß die Seele spontan Bilder religiösen Inhalts hervorbringe, daß sie mithin «von Natur aus religiös» sei. Ein Abweichen von dieser ihrer Grundnatur wurde von Jung als Ursache zahlreicher Neurosen, besonders in der zweiten Lebenshälfte, erkannt. Jungs Begriff des Religiösen unterscheidet sich in manchem vom traditionellen Christentum. Vor allem in seiner Antwort auf die Frage nach dem Bösen und in der Vorstellung eines nicht nur guten oder «lieben» Gottes. Vom Gesichtspunkt des dogmatischen Christentums aus war Jung ein Outsider. Dies hat er in den Reaktionen auf sein Werk, bei allem Weltruhm, immer wieder zu spüren bekommen. Er hat darunter gelitten, und auch in die Zeilen dieses Buches mischt sich hie und da die Enttäuschung des Forschers, der sich in seinen religiösen Gedanken nicht restlos verstanden fühlte. Mehr als einmal ließ er sich mit grimmiger Betonung vernehmen: «Im Mittelalter hätte man mich verbrannt!» Erst nach seinem Tode mehren sich die Stimmen der Theologen mit der Feststellung, Jung sei aus der Kirchengeschichte unseres Jahrhunderts nicht mehr wegzudenken. Jung bekannte sich ausdrücklich zum Christentum, und die bedeutendsten seiner Werke handeln von den religiösen Fragen des christlichen Menschen, die er vom Gesichtspunkt der Psychologie und in bewußter Abgrenzung von der theologischen Fragestellung aus betrachtete. Indem er dies tat, stellte er der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüber. Für ihn war das Selbstverständlichkeit und Le- bensnotwendigkeit. «Ich finde, daß alle meine Gedanken um Gott kreisen wie die Planeten um die Sonne und wie diese von Ihm als der Sonne unwiderstehlich angezogen sind. Ich müßte es als gröbste Sünde empfinden, wenn ich dieser Gewalt Widerstand entgegensetzen sollte», schrieb er 1952 einem jungen Ordensgeistlichen. In seinem Erinnerungsbuch spricht Jung zum ersten und einzigen Mal von Gott und von seiner persönlichen Erfahrung Gottes. In den Tagen, als er über seine jugendliche Auflehnung gegen die Kirche schrieb, sagte er einmal: «Damals wurde mir klar, daß Gott, für mich wenigstens, eine der allersichersten unmittelbaren Erfahrungen war.» In seinem wissenschaftlichen Werk spricht Jung nicht von Gott, sondern vom «Gottesbild in der menschli- 6

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