ERGEBNISSE DER INNERENMEDIZIN UND KINDERHEILKUNDE HERAUSGEGEBEN VON F. KRAUS, O. MINKOWSKI, FR. Mfll.JLER, H. SAHLI A.CZERNY,O.HEUBNER REDIGIERT VON L. LANGSTEIN, ERICH MEYER, A. SCHITTENHELM BERLIN STRASSBURG KIEL .. FUNFZEHNTER BAND mT 72 ABBILDUNGEN 1M TEXT UND 2 TAFELN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1917 ISBN-13: 978-3-642-88769-7 e-ISBN-13: 978-3-642-90624-4 DOl: 10.1007/978-3-642-90624-4 AHe Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Softoover reprint of the hardcover 1st edition 1 91 7 Inhaltsverzeichnis. Seite I. Hlibener, Professor Dr. E., z. Zt. Oberstabsarzt und be- ratender Hygieniker im Felde, 'Ober die Weilsche Krankheit 1 II. Schlol3, Dr. Ernst, z. Zt. Bataillonsarzt im Felde, Die Patho- genese und Atiologie der Rachitis sowie die Grundlagen ihrer Therapie . '.' . . . . . . . . . . . . . .. 55 III. Veil, Privatdozent, Oberarzt Dr. W. H., Der gegenwartige Stand der Aderlal3frage. (Mit 6 Kurven) . . . . . . . 139 IV. Goppert, Professor Dr. F., Die einheimische Ruhr im Kindesalter. (Mit 11 Kurven) . . . . . . . . . i80 V. Stepp, Professor Dr. Wilhelm, Einseitige Emahrung und ihre Bedeutung flir die Pathologie .'. . " . . . . . 257 VI. Reiche, Dr. Adalbert, z. Zt. Marinestabsarzt, Das neu- geborene Kind. Seine physiologischen Schwachezustande, seine natlirliche Ernahrung und die bei derselben ent- stehenden Schwierigkeiten . . • . . . . . . . . . . 365 VII. Gruber, Privatdozent Dr. Georg B., und Dr. Fanny Kerschensteiner, Die Meningokokken-Meningitis. (Mit 20 Abbildungen, 3 Tabellen und 18 Kurven). . . . . 413 VIII. Schickele, Professor Dr. G., z. Zt. Stabsarzt im Felde, Die Beziehungen der Menstruation zu allgemeinen und orga- nischen Erkrankungen. Zweiter Teil. . . . . . . . . 542 IX. Weil, Privatdozent Dr. Alfred, Die Rontgendiagnostik der Diinndarmerkrankungen. (Mit 12 Abbildungen auf 2 Tafeln) 599 X. Giinther, Dr. Hans, z. Zt. Stabsarzt im Felde, Die mecha- nische Erregbarkeit der Hautmuskeln und Hautgefal3e . 620 XI. Lande, Dr. Lotte, Zur Klinik und Diagnose der Haut- diphtherie im Kindesalter. (Mit 2 AbbiIdungen) . 715 Autorenregister . • • . . . 747. Sachregister . . . . . . . 760 Inhalt der Bande I bis XV. 792 I. Dber die Weilsche Krankheit. Von E. Hiibener (z. Zt. im Felde). Literatur. Arzt, V'ber eine Epidemie von Icterus infectiosus in Siid-Mazedonien und Albanien. Wiener klin. Wochenschr. Beiblatt. 6. 1917. Aufschlager, V'ber die Weilsche Krankheit und die Stellung der Nierenerkran- kung unter ihren Symptomen. Diss. StraBburg i. E. 1900. Baumler, Zur Diagnose der Weilschen Krankheit. Miinchner med. Wochenschr. 42. 1916. B au e r m e i s t e r , Ober Insektenstich - Ikterus nebst Beitragen zur Therapie der Gallenstein- usw. Krankheiten. Therap. Monatshefte. 18. 1904. Beitzke, Ober die pathologische Anatomie der ansteckenden Gelbsucht (Weilsche Krankheit). Berliner klin. Wochenschr. 1916. Nr. 8. Benszur. Zur Frage des Icterus epidemicus. Deutsche med. Wochenschr. 1916_ Nr.16. Brosch, Ein Fall von Herztuberkulose mit typischem Weilschen Symptomen- komplex. Wiener med. Presse. 37. 1896. Busch, Zur pathologischen Anatomie der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 16. 1917. Diamantopuios, Ober den Typhus icterodes von Smyrna. Wien und Leipzig 1888. Dorr, Franz und Taussig. Das Pappatacifieber. Leipzig und Wien 1909. Dorr und RuB, Die gutartigen kurzfristigen Fieber der warmen Lander. Mense, Tropenkrankheiten. 2. Autl. III. 1914. Ducamp, Une petite epidemie d'ictere infectieux. Rev. de med. 10. 1890. Eudes, Considerations cliniques et etiologiques sur une serie des cas d'ictere. Arch. de mild. et pharm. milit. 1. 1883. Fiedler, Zur Weilschen Krankheit. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 42. 1888. - Weitere Mitteilungen iiber die Weilsche Krankheit. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 50. 1892. Fliigge, Zur Atiologie der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschrift 1916. Nr. 32. Gobel, Beitrage zur Frage der sog. Weilschen Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Med. Klin. 1916. Nr. 15. Goldenhorn, Fur Frage liber die Weilsche Krankheit. Berliner klin. Wochenschr. 26. 1889. Griesinger, Dber die pathologische Anatomie des in Agypten vorkommenden biliosen Typhoids. Sitzungsber. d. mathem. -naturw. Klasse d. Kais. Akad. d. Wissensch. 9. 1852. S. 318. Klinische und anatomische Beubachtungen iiber die Krankheiten von Agypten. Arch. f. physiolog. Heilk. 1853. Infektionskrankheiten. Handb. d. spcz. Path. u. Therap. V. Virchow. 2. 1864. Aht.2. Ergebnisse d. Med. XV. 2 E. Hiibener: GroB und Magnus-Alsleben, Zur Kenntnis des fieberhaften Ikterus. Feldiirztl. Beil. Miinchner med. Wochenschr. 3. 1917. Gudzent, Blutbefunde beim Icterus infectiosus (Weilsche Krankheit). Deutsche med. Wochenschr. 3. 1917. Hart; Kurze Bemerkungen iiber die pathologische Anatomie der Weilschen Krank- heit. Berliner klin. Wochenschr. 12. 1917. Hecker und Otto, Reitrage zur Lehre von der sog. Weilschen Krankheit. Ver- iiffent!. a. d. Gllb. des milit. San.-Wesens. 1911. Heft 46. Hennig, "Cber epidemischen Ikterus. Volkmanns Samml. klin. Vortr. 1890. Nr.8. H erbac h, Zitiert nach U hi e n hut h. Herrenheiser, Zwci Fiille von Erkrankung des Auges bei Morbus Weilii. Prager med. Wochenschr. 17. 1892. Hertel, Klinisches und Experimcntelles iiber die Augensymptome bei der Wei 1- schen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. Hi. 1917. H6dlmoser, Das Riickfallfieber mit besonderer Beriicksichtigung der modern en Streitfragen. Wiirzburger Abhandlungen. 6. 1916. H ii bene r, WeiJsche Krankheit, Riickfallfieber, bili6ses Typhoid. Deutsche med. Wochenschr. 1917. Hiibener und Reiter, Zur Atiologie der Weilschen Kraneheit. Deutsche med. Wochenschr. 191'. . Nr.4:), 191H. Nr. 1 u. 5. - - Die Atiologie der W cilschen Krankhsit. Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt.-Krankh. 81. 191f>. Hiiber, Dii" neue Infektionskrankheit Weils in der Armee. Deutsche militariirzt!. Zeitschr. 17. IHRS. J iiger, Die Atiologie des infekti6sen fieberhaften Ikterus (Weilsche Krankheit). Ein Beitrag zur Kenntnis septischer Erkrankungen und der Pathogenitat der Proteusarten. Zeitschr. f. Hyg u. Infekt.-Krankh. 12. 18\:12. Der fiebcrhafte Ikterus, cine Proteusinfektion. Deutsche med. Wochenschrift. 1895. Nr. 40. Inada, Ido, Hoki, Kaneko and Ito, The etiology, mode of infection and spe- cific therapy of Weil's disease (Spirochaetosis icterohaemorrhagiea). Journ. of Experim. Med. 23. 1. Marz 1916. Nr.;t Inada, Ido, Kaneko, Hoki, Ito, Wani and Okuda, Eine kurze Mitteilung iiber die Entdeckung des Erregers (Spirochaeta ictero-hamorrhagiae nov. sp.) der sog. Weilschen Krankheit in Japan und die neuen Untersuchungen iibC'r die Krankheit. Korrespondenzbl. f. Schweiz. Arzte. 46. 1916. Nr. 82. Kartulis, "Cber das bili6se Typhoid. Deutsche med. Wochenschr. 1888. Klose, Ein Beitrag zur Epidemiologie der Weilschen Krankhcit. Miinchner med. Wochenschr. Feldarzt!. Beil. 21. 1917. Krumbein und Fieling, Zur Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 1\:116. Nr. 19. Loeventhal, Die Rekurrensepidemie zu Moskau im Jahre 1894. Arch f. klin. Mec\. 57. IF'\J6. Meirowsky. Studien tiber die Fortpf!anzung von Bakterien, Spirillen und Spiro- chaeten. Berlin 1914. Spirochaeta pallida (Sehaudinn) und Spirochaeta nodosa (Hiibener-Reiter). Med. Klin. 45. 1!116. Miihlens, Riickfallfieberspirochaten. Handb. d. path. Mikroorg. Kolle-Wasser- mann. 2. Auf!. VIII. 1918. Miiller (Wiirzburg), "Cber den Icterus infectiosus. Deutsche med. Wochenschrift. 1916. Nr.17. Otto, Gelbfieber. Handb. d, path. Mikroorg. von Kolle-Wassermann. 2. Auf!. Pick, Zur pathologischcn Anatomie des infcktiiisen Ikterus. Berliner klin. Wcehenschr. 19 u. 20. 1917. Rabinowitsch, Dbcr die Febris recurrens. Virchows Arch. Beiheft zu 194. 1908. Reiter, Demonstrationsvortrag. Berliner klin. Wochenschr. 19J(i. Nr.31. - Zur Kenntnis der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 18. 1917. V'ber die Weilsche Krankheit. 3 Reiter und Ramme, Beitriige zur Atiologie der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr.42. Sandwich, InfektiOser Ikterus. Brit.. Med. Journ. 2281. Ref. Deutsche med. Wochenschr. 1904. N"r. 40. Scheube, Die Krankheiten der warmen Liinder. 4. Auft. Jena 1910. Schott, ZurKlinikd. WeilschenKrankheit. Miinchnermed. Wochenschr. 43. 1916. Seggel, Die Krankenbewegung bei dem Kg\. Bayer. I. Armeekorps wiihrend des deutsch-franzosischen Krieges 1870j71. Deutsche militiiriirzt\. Zeitschr. 1. 1872. Heft 1. Stall in g, Die Weilsche Krankheit une! der Ikterus nach Paraphenatidinen. Deutsche med. Wochenschr. 11. 1917. Trembur und Schallert, Zur Klinik der Weilschen Krankheit. Med. Klin. 1916. Nr. 16. Uhlenhuth, Zur Atiologie derWeilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr. 37. Ghlenhuth und Fromme, Experimentelle Untersuchungen iiber die sog. Weil- sche Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Med. Klin. 1915. Nr. 44, 46, 47. - Experimentelle Grundlagen flir cine spezifische Behandlung der Weilschen Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Ebenda. 191.5. Nr. 50. - Zur Atiologie der sog. Weilschen Krankheit (ansteckende Gelbsucht). Ber- liner klin. Wochenschr. 1916. N r. 11. - Untersuchungen iiber die Atiologie, Immunitiit und spezielle Behandlung der Weilschen Krankheit. (Icterus infectiosus.) Zeitschr. f. Immunitiitsforschg. Org. 25. 1916. Ungermann, Demonstrationsvortrag. Ebenda. 1916. Nr.16. Wassilieff, Dber infektiosen Ikterus. Wiener Klin. 1889. Heft 8 u. 9. Weil, Cber eine eigentiimJiche, mit Milztumor, Ikterul!l und Nephritis einher- gehende, akute Infektionskrankheit. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 39. 1886. - Zur Atiologie der Weilschen Krankheit. Deutsche med. Wochenschr. 1916. Nr.5. Weill, V'ber die Weilsche Krankheit. Wiener med. Presse. ao. - Zur Kenntnis und zur Geschichte der sog. Weilschen Krankheit. Wiener med. \Vochenschr. 40. 1890. Weill enberg, Eine Ikterusepidemie in Elisabethgrad. Deutsche med. Wochenschr. 16. 1912. Werther, Morbus \VeiJii. Deutsche med. Wochenschr. 15. 1889. W iene r, Eine besondere Form des Icterus infectiosus. Febris icterica albanica. Med. KHn. 20. 1917. Die friiher oft vergeblich versuchte, uns jetzt gegliickte Dbertragung der Weilschen Krankheit auf Meerschweinchen und die Entdeckung ihres Erregers haben das Interesse dleser vielen Arzten unbekannten Krank- heit von neuem waehgerufen. Eine zusammenfassende Vbersieht unserer Kenntnisse von dieser eigenartigen Krankheit diirfte daher am Platze sein. Geschichtliches. 1m Jahre 1886 berichtete Weil iiber eine eigentiimliche, mit Milztumor, Ikterus und Nephritis einhergehende, akute Infektionskrankheit. Er verfUgte damals iiber die Krankengeschiehten von 4 Fallen aus der medi- zinisehen Klinik in Heidelberg. Zwei waren im Jahre 1870 von Friedheim vorgestellt und fUr eine beabsiehtigte Publikation besonders sorgfiiltig bearbeitet worden, zwei hatte er selbst 1882 als Leiter derselben Klinik beobaehtet. Das klinische Bild bot eine nach allen Seiten nahezu v611ig~ 1* 4 E. Hiibener: Ubereinstimmung, wahrend es von demjenigen der bekannten Infektions- krankheiten abwich. In allen vier Fallen handelte es sich urn "akut fieberhafte, mit schweren nervosenErscheinungen, auBerdem mit Schwellung der Milz und Leber, Ikterus, nephritischen Symptomen einhergehende Erkrankungen, die aber nach verhaltnismaf3ig kurzcr Dauer des schweren Krankheitsbildes einen raschen giinstigen Verlauf nahmen". Die vier Patienten standen im kraftigsten Mannesalter, hatten eine gute Korper- konstitution und gehorten den verschiedensten Berufsklassen an. Samt- liche Falle kamen in der heiBen Jahreszeit (Juni und Juli) zur Beobachtung. Trotz der Ubereinstimmung seiner Falle und der scharfen Abgrenzung des wohl charakterisierten Krankheitsbildes war We il vorsichtig genug, "die Existenz einer neuen Krankheit behaupten zu wollen, fUr die weder der anatomische Befund noch der spezifische Erreger nachgewiesen war. Er widerstand der Verlockung, einen neuen N amen in die Pathologie einzufUhren und wahlte die fUr die speziellere N atur nichts prajudizierende eingangs erwahnte Bezeichnung". Andererseits abel' hielt er die Auf- fassung fUr durchaus berechtigt, daB es sich urn einen morbus sui generis, urn cine bisher nieht geschilderte, eigenartige, auf einer noch unbekannten spezifisehen Ursache beruhende Erkrankung handeln konnte, deren Ent- wickelung vielleicht durch gewisse klimatische Einfliisse (Sommerhitze?) begiinstigt wiirde. Schon vor der We il schen Publikation waren von deutschen und franzosischen Autoren Krankheitsfalle beschrieben worden, deren Zuge- horigkeit zur W eilschen Krankheitsgruppe hinterher erkannt wurde. Es ist und bleibt aber das Verdienst Weils, "die in klinischer Hinsicht eigen- artigen Krankheitsbilder nicht in die fUr bekannte Erkrankungen pra- existierenden Rahmen gewaltsam hineingezwangt zu haben," wie das die Autoren vor ihm getan hatten, sondern die Selbstandigkeit der interessan- ten Erkrankung betont, ihre Natur richtig erkannt, die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt und ein so genaues Signalement von ihr gegeben zu haben, daf3 sie, wo sie auch auftauchte, erkannt und zur Feststellung ihrer Identitat weiter verfolgt werden konnte. Leider haben sich in der Folgezeit nicht aIle Autoren an dieses gehalten, sondern vielfach mit Ikterus und Fieber einhergehende und als Infektionen imponierende Erkrankungen als WeiIsche FaIle kritiklos zusammengeworfen. Auf die zahlreichen Publikationen iiber Einzelfalle oder Haufungen, die der Weil- sehen Veroffentlichung folgten, solI hier nicht naher eingegangen werden. Sic sind in einer aufVeranlassung von Naunyn verfaBten Dissertation A ufschlagers iiber die WeilscheKrankheit und die Stellung der Nierener- krankung unter ihren Symptomen in ausfiihrlicher Weise beriicksichtigt und kritisiert. Es soIl deshalb hier auf diese verwiesen und gleichzeitig auf zwei andere zusammenfassende Arbeiten hingewiesen werden, erstens auf die Arbeit Fi edlers aus dem Jahre 188R, der 13 Krankenge- schichten publizierte, die er in 7 Jahren (1876-1883) unter der Uber- schrift "Icterus febrilis: akute Infektionskrankheit ex causa incognita" gesammelt hatte, und zweitens auf die ausfiihrliche Monographie von Hecker und Otto iiber die Weilsehe Krankheit aus dem Jahre 1911, tJber die Weilsche Krankheit. 5 der an der Hand einer Epidemie in Hildesheim wahrend des Sommers 1910 gemachte klinische und atiologische Studien zugrunde liegen. In ihr hat die gesamte einschlagige Literatur, namentlich auch die der Militar- medizin (Sanitatsberichte und Krankenblatter) Berucksichtigung gefunden. Die Autoren geben ein vollstandiges Bild von dem bisherigen Stand und Umfang unserer Kenntnisse von der Weilschen Krankheit und suchen eine von ihnen neu aufgestellte atiologische Hypothese zu stiitzen, nach der die Krankheit eine nicht kontagiose Infektionskrankheit ist, dessen noch unbekannter Erreger kein sichtbares Bacterium, sondern ein sich auBer- halb des Korpers entwickelnder, speziell cin durch Zwischentrager (Insekten) verbreiteter Mikroorganismus sei. Weil hatte bereits die Zugehorigkeit seiner Krankheitsfalle zu den Infektionskrankheiten erkannt. "Die Erkrankung", schrieb er vor 31 Jahren "deren hervorstechendste Symptome ein charakteristisch verlaufendes Fieber und eine von vornherein nachweiBbare Beteiligung der Milz, Leber, ~ieren, des Gehirns darstellen, gehort zur Gruppe der akuten Infektions- krankheiten." Mit bewundernswertem Scharfblick hatte er das We sen der Krankheit erfaBt, sich von ihrer Entstehung und Pathogenese eine Vorstellung gemacht, die durch die neuen Feststellungen der Atiologie und Pathologie eine vollstandige Bestatigung erfahren haben. Ob Weil selbst atiologische Untersuchungen angestellt hat, ist aus seiner Arbeit nicht zu entnehmen. ~ach ihm sind von zahlreichen Autoren Mikroor- ganismen aus dem Rciche der Bakterien im Blut und in den Organen von Weilkranken gefunden und als die Erreger angesprochen worden, aber ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie gefunden waren. Dagegen sind die von Jager bei Weilfallen gezuchteten und fUr die Erreger ausgegebenen Proteusbakterien eine Zeit lang ernstlich als die Ursache dieser Infektionskrankheit gehalten worden. Andere Autoren, die sich mit der Atiologie der Weilschen Krankheit befaBten, hatten negative Resultate, und von verschiedenen Seiten ausgefUhrte Vbertragungen frisch entnommcnen, defibrinierten Blutes von an Weilscher Krankheit Leidenden auf Laboratoriumstiere waren stets ohne Erfolg gcblieben. Hecker und Otto waren daher zu der Anschauung gekommen, daB der noch unbekannte Erreger mit groBer Wahrscheinlichkeit ein invisibles Virus sei. MaBgebend fur diese Anschauung war dabei die nahe Ver- wandtschaft der Weilschen Krankheit mit dem Gelbfieber bezuglich der klinischen Symptome und ihre Ahnlichkeit mit dem Pappatacifiebcr in epidemiologischer Beziehung, mit Krankheiten also, deren Erreger zu den filtrierbaren, invisiblen Virusarten gercchnet werden. Das war der Stand der Forschungen, als uns im Verein mit Reiter imAugust 1915 in Nordfrankreich*), wo wir mehrere FaIle der interessan- ten Krankheit in verschiedenen Lazaretten sahen, die Dbertragung auf Meerschweinchen gelang. Wir hatten groBen Wert auf frische FaIle gelegt 6 E. Hiibener: und verdanken diesem U mstande, daB gleich unsere beiden ersten am 24. und 25. August vorgenommenen Dbertragungen gliickten. Die Tiere erkrankten und starben an den fiir Weilsche Krankheit charakteristischen Symptomen. Sie zcigten pathologisch-anatomische Veranderungen, die makroskopisch und mikroskopisch in fast allen Einzelheiten- den patho- logisch - anatomischen Befunden zweier an Weilscher Krankheit ver- storbenen Patienten glichen. (Beitzkc.) Die Blutverimpfung fiel noch bei fiinf weiteren Patienten positiv aus. In jedem FaIle entstand beim Meer- schweinchen ein dem morbus Weilii klinisch und anatomisch vollstandig gleichendes Krankheitsbild·. Die Fortimpfung durch Generationen hindurch machte keine Schwierigkeiten. Die ZugehOrigkeit der Weilschen Krankheit zu den Infektionskrankheiten war somit zum ersten Male experimentell erwiesen. Gleichzeitig war die Moglichkeit der weiteren Erforschung der Krankheit und der Klarung der noch dunklen Fragcn gegeben. Durch erfolgrciche Vcrimpfung von Blut, Ham, Leber, Nieren, Milz, Muskeln eben verstorbener oder frisch getoteter kranker Mecr- schweinchen liell sich die sepsisartige Verbreitung des Erregcrs im Kor- per der infizierten Meerschweinchen naehweisen. Damit war der von Weil vor dreillig Jahren ausgesprochenen Auffassung der Krankheit "als eine auf Wirkung eines die Organe gleichzeitig befallenden spezi- fischen Mikroorganismus und seiner Gifte beruhenden Allgemein- erkrankung" cine beweiskraftige Stiitze gegeben. Wir konnten ferner wichtige Feststellungen iiber die Infektions- und Ausscheidungswege, iiber die Widerstandsfahigkeit des Erregers, iiber den Eintritt der Infektiositat des Blutes, die Niehtkontagiositat der Krankheit unter natiirlichen Verhaltnisscn, die Unbrauchbarkcit der Komplementab- lenkungsmethode fiir die Diagnosenstellung, die Wirkungslosigkeit von Salvarsan, Atoxyl und Chinin nachweisen. weiterhin die Empfanglichkeit von Kaninchen und AlIen feststellen und das Auftreten von Immun- stolIen im Blutserum Genesencr nachweiscn und mit dicsen infizierte, dem sicheren Tode vcrfallene Meerschweinchen daucrnd heilcn. In den Organen und im Blute aller mit Patientenblut geimpften und er- krankten Meerschweinchen und in den Passagetieren fanden wir regel- maBig Gebilde, die wir als die Errcger ansprechen muBten und an- gesprochen haben, die wir in unserer ersten Publikation genau beschrieben, iiber deren Natur wir uns aber cines Urteiles enthielten. Soweit waren unsere Untersuchungen gediehen, als wir plotzlich unsere Studien abbrechen muBten, und als Uhlenhuth und Fromme mit ihren Arbeiten begannen. Unsere Cntersuchungsergebnisse wurden durch sie in allen wesentlichen Punkten bestatigt. Aueh sie fanden in den Lebern infizierter Meerschweinchen Gebilde, wie sie von uns beschrie- ben und von Beitzke an unserm Material uns demonstriert waren, er- kannten sie als Spirochaten und sprachen sie als den Erreger der Weil- schen Krankheit an. AIs wir nach 2 monatiger Unterbrechung unsere Stu- dien wieder aufnehmen konnten, gelangten wir selbstandig und ohne Kenntnis ihrer Arbeiten zu der Dberzeugung der Zugehorigkeit des Er- regers zur Spirochatengruppe und nannten ihn Spirochaete nodosa tlber die Weilsche Krankheit. 7 (Riibener-Reiter). Inzwischen sind Veroffentlichungen der Japaner*) erfolgt, aus denen hervorgeht, daB sie vorher den Erreger der Weilschen Krankheit entdeckt und Spirochaete ietero-haemorrhagiae ge- nannt haben. Chlenhuth mochte zwar noch nieht mit Bestimmtheit behaupten, daB die in Japan beobachtete Weilsehe Krankheit mit der unsrigen identisch ist, da sieh klinisch einige Differenzen naehweisen lassen. Nach unserer Ansicht ist fUr die }i'rage der Identitat die Dber- einstimmung der Atiologie ausschlaggebend, und an dieser kann nieht gezweifelt werden. Die Autoren haben schon 1912 festgestellt, daB Meerschweinchen fiir die Krankheit empfanglich sind, und 1914 ge- funden, daB sieh die experimentelle Krankheit durch Impfung auf andere durch Generationen hindureh iibertragen laBt. Sie haben Ende November 1914 in der Leber eines mit Blut eines Weilkranken geimpften Meer- sehweinchens eine Spirochate gesehen, sind J anuar 1915 auf Grund ihrer tierexperimentellen Ergebnisse zu der Dberzeugung gekommen, daB diese Spirochiite der Ern'ger der Weilsehen Krankheit ist, und haben das Februar 1915 publiziert. 1m Mai 1915 ist ihnen die Rein- kultur gegliickt, und im Januar 1916 haben sie im Serum von Menschen naeh Injektion von Spirochatenvaccin Immunstoffe naehgewiesen. Die klinischen Erscheinungen. Die Klinik der Weilsehen Krankheit ist von dem Autor selbst, dessen Namen sie triigt, sehr eingehend gesehildert worden. 1m Laufe der Zeit sind aber von verschiedenen Seiten noeh wertvolle Beitrage geliefert worden, die in der sehonsten Weise die Beobachtungen Weils erganzt haben. Besonders sind als Kardinalsymptorne friihzeitig auftretende Muskelschmerzen, hauptsaehlich in den Waden und Neigungen zu Blutungen in die Raut, Sehleimhaute und inneren Organe erkannt worden. Schon vor Weil hatte Eudes 22 FaIle von Ikterus unter Soldaten in St. Die beobachtet, die ohne Zweifel zur Weilsehen Krank- heit gehoren, und als auffiillige Symptome Muskelschmerzen und Pe- techien besonders am Rumpf hervorgehoben. Spater hat Fiedler auf Muskelsehmerzen besonder'3 Wadensehmerzen als eins der ersten Sym- ptome hingewiesen. In der Folge haben verschiedene Autoren dieses Symptom betont, das von WeiB unter den konstanten Symptomen der Weilschen Krankheit an dritter Stelle genannt wird. Was die Inkubation betrifft, so sind dariiber wenig zuverlassige Beobachtungen in der Literatur verzeichnet. Dukamp hat an seinen drei Fallen cine Inkubation von 5 'ragen bereehnet. N"ach Hecker und Otto betragt sie zum mindesten 7 'rage, naeh den Angaben der Japaner in den meisten }i'allen 5-7 'rage, selten 13 Tage. Wir verfUgen iiber drei Beobachtungen, die einen ungefahren RiicksehluB gestatten. In einem FaIle erkrankte ein Mann 7 Tage, naehdem er das infizierte *) Inada, Ido, Hoki, Kaneko, Ito: The Etiology, Mode of Infection, and Specific Therapy of Weil's disease (Spirochaetosis Icterohaemorrhagica). Journal of Ex- perimental Medicine, 1. Miirz 1916, 23, Nr. E 3.