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Ergebnisse der Hygiene Bakteriologie Immunitätsforschung und Experimentellen Therapie: Zweiter Band PDF

792 Pages·1917·33.078 MB·German
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Preview Ergebnisse der Hygiene Bakteriologie Immunitätsforschung und Experimentellen Therapie: Zweiter Band

ERGEBNISSE DER HYGIENE BAKTERIOLOGIE .. IMMUNITATSFORSCHUNG UND EXPE RIME NTELLEN THERAPIE (FORTSETZUNG DES JAHRESBERIOHTS DBER DIE ERG EBNISSE DER IMMUNITATSFORSCHUNG) UNTER l\IITWIRKUNG HERVORRAGENDER FACHLEUTE HERAUSGEGEBEN VON PROPESSOR DR. W. WEICHARDT ERIJ1\.NGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1917 ISBN-13: 978-3-642-90550-6 e-ISBN-13: 978-3-642-92407-1 DOl: 10.1007/978-3-642-92407-1 AIle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Spra('hen, vorbehalten. Copyright by Julius Springer in Berlin 1917. Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1917 Znr Einfiihrnng. Vom Herausgeber. Der vorige Band unserer Ergebnisse war kurz vor Beginn des Weltkrieges druckfertig. Der jetzige entstand wahrend der Kriegsjahre. Das festgefiigte Gebaude un serer Wissenschaft hat sich vortrefflich be wahrt und sie paBte sich den Forderungen der wildbewegten Zeit uberraschend schnell an. Zahlreiche neue Kenntnisse und Erfahrungen wurden gewonnen. Namentlich hat der lang dauernde Stellungskrieg das hygienische Konnen der beteiligten Arzte auf eine harte Probe gestellt. Trinkwasserversorgung und Beseitigung der Abfallstoffe waren haufig auBerordentlich erschwert. Praktische Improvisationen, den jeweiligen Verhaltnissen angepaBt, muBten aushelfen. Das gleiche gilt von der Desinfektion im Felde. In den Ubersichten von Hesse und Furst, sind in diesem Bande Erfahrungen hieriiber nieder gelegt. Die ubergroBe Anzahl von Kriegsgefangenen aus den Armeen unserer zahlreichen Gegner machten groBzugige MaBnahmen fur sachgemaBe Unter bringung und Ernahrung notig. l\'Iit deutscher Griindlichkeit ging man allent halben vor und uberwand die enormen Schwierigkeiten, welche naturgemaB bei einer so uberraschend groBen Ansammlung von Gefangenen entstehen muBten. Es ergaben sich zahlreiche besondere Gesichtspunkte, die Seiffert, auf Grund seiner Erfahrungen im Gefangenenlager Lechfeld, festgelegt hat. Mochten die mustergiiltigen hygienischen Einrichtungen des deutschen Gefangenenwesens recht vielen objektiv urteilenden Kollegen des Auslandes bekannt werden! Die Uberzeugung wird dann nicht ausbleiben, daB deutsche Wissen schaft und Praxis unbeirrt ihren Weg geht zum Wohle des eigenen Landes und der ganzen Menschheit. Die Bekampfung der Infektionskrankheiten wurde vor besondere Auf gaben gestellt. Trotz des Zusammenstromens gewaltiger Menschenmassen unter oft ungiinstigen Bedingungen, wodurch die erschreckenden Seuchenzahlen fruherer Feldzuge verursacht wurden, war diesmal die Seuchenausbreitung bei unseren kampfenden Truppen und im Heimatlande bekanntlich recht gering. Es gelang vor aHem, das Gespenst des von Osten drohenden Fleckfiebers zu bannen, ein Erfolg, dessen GroBe vielleicht erst kommende Generationen ganz wurdigen. In der Ubersicht des auf diesem Gebiete so erfahrenen Gotschlich ist der jetzige Stand unserer Kenntnisse des Fleckfiebers umfassend beschrieben. Auf dem Gebiete des Abdominaltyphus hat eines der letzten Vermacht nisse Ro bert Kochs, die systematische Bekampfung dieser Krankheit, gerade im gegenwartigen Kriege seinen Segen erwiesen. ]V Zur Einfiihrung. Die unter dem Zwange der Verhaltnisse durchgesetzten Schutzimpfungen gegen Typhus und Cholera haben sich vortrefflich bewahrt. Dabei traten die ausgezeichneten Leistungen deutscher Institute, welche ganz auBerordentliche Impfstoffmengen in kurzer Zeit einwandfrei herstellten, in voIles Licht. Die prophylaktische Impfung gegen den im Feldzuge anfanglich haufig auftretenden Starrkrampf hat die mit Recht so gefiirchtete Kriegsseuche beinahe zum Schwinden gebracht, so daB Behrings groBe Entdeckung auch auf diesem Gebiete jetzt voll zur Geltung kommt. Wir diirfen uns auch der frohen Hoffnung hingeben, daB die Infektionen, welche als besonders rassenschadigend angesehen werden miissen, die Geschlechts krankheiten, die schrecklichsten Begleiter friiherer Feldziige, diesmal durch sachgemaBe Bekampfung niedergehalten werden. Diese Bekampfung, welche durch bessere Erkennung der Seuche und Verwertung dieser Kenntnisse erst moglich wurde, ist in der Darstellung Gennerichs im vorliegenden Bande fiir die Fernerstehenden in meisterhafter Weise beschrieben. . Uberhaupt miissen infolge des mannermordenden Volkerringens rassen hygienische Fragen nicht nur von den Fachleuten, sondern auch allseits ganz besonders gefordert werden; denn der Ersatz der Besten, die ihr Leben fiir das Vaterland hingaben, ist kein leichter. Schallmayer, ein auf rassenhygienischem Gebiet schon seit langem mit Erfolg tatiger Schriftsteller, lieferte eine iibersichtliche Einfiihrung in dieses wichtige Gebiet. Tandler legte beachtenswerte Ideen iiber Krieg und Bevolkerung nieder und Much seine Ansichten iiber Tuberkulose, deren Entstehung und Bekamp fung im Krieg und Frieden. Rott lieferte fiir unseren Band eine Dbersicht iiber die Geburtenhaufigkeit, Sauglingssterblichkeit und Sauglingsschutz in den ersten beiden Kriegsjahren. Ferner hat der Forscher, welchem wir die genauesten Kenntnisse iiber die Erreger anaerober Wundinfektionen verdanken und der auf diesem Ge biete seit langem woW die meisten Erfahrungen besitzt, Eugen Fraenkel, seine derzeitigen Anschauungen iiber dieses wichtige Gebiet niedergelegt. Das noch nicht nach allen Richtungen vollkommen abgegrenzte Gebiet der Dysenterie fand in Pribram und Halle berufene Bearbeiter. Endlich ist durch Reuter alles, was liber die so wichtigen Tierseuchen und sporadischen Tierkrankheiten zuganglich war, zusammengefaBt worden. So sind im vorliegenden Bande wiederum wichtige, im Vordergrunde des Interesses stehende Sondergebiete von erfahrenen und bewahrten Forschern iibersichtlich dargestellt. Fiir den nachsten Band sind weitere Ubersichten in Aussicht genommen. Es solI in ihm gerade die Tierhygiene, ohrie deren Errungenschaften uns eine Abwehr der iibergroBen Anzahl unserer Feinde unmoglich ware, nochmals ganz besonders beriicksichtigt werden. Moge ein giitiges Schicksal bis dahin die Flammen des Weltenbrandes loschen. Erlangen, im Dezember 1916. Wolfgang Weichardt. Inhaltsverzeichnis. 8eite I. Hesse, Stabsarzt Dr. Erich, Die Hygiene im Stellungs- kriege ... . . . . . . . . . . . 1-108 II. Furst, Stabsarzt Dr. Th., Trinkwasserversorgung und Besei6gung der Abfallstoffe im Felde . . . . . 109-142 III. Furst, Stabsarzt Dr. Th., Improvisation der Desinfektion im Felde ............. . 143-165 IV. Seiffert, Dr. G., Hygiene der Kriegsgefangenen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 166-231 V. Gotschlich, Professor Dr. Emil, Uber den jetzigen Stand der Lehre vom Fleckfieber (Flecktyphus) 232-285 VI. Gennerich, Marine-Oberstabsarzt Dr. Wilhelm, Der heu tige Stand der Bekampfung der Geschlechtskrank heiten im Kriege. . . . . . . . . . . . . 286-337 VII. Pribram, Professor Dr. E., und Halle, Dr. W., Neuere Ergebnisse der Dysenterieforschung . . . 338-375 VITI. Fraenkel, Professor Dr. Eugen, Anaerobe W und infektionen. . . . . . . ... . . . . . . 376-432 IX. Schallmayer, Dr. W., Einfiihrung in die Rassehygiene 433-532 X. 'l'andler, Professor Dr. Julius, Krieg und Bevolkerung 533-560 XI. Rott, Oberarzt Dr. F., Geburtenhaufigkeit, Sauglings sterblichkeit und Sauglingsschutz in den ersten beiden Kriegsjahren . . . . . . . . . . . 561-621 XII. Much, Professor Dr. Hans, Tuberkulose. . . . . . 622-667 XIII. Renter, Bezirks-Tierarzt Dr. M., Tierseuchen und spo- radische Tierkrankheiten im Kriege . 668-747 N amenregister . 748-762 Sachregister. . 763-786 Gene ralr egis t.e r 787 I. Die Hygiene inl Stellungskriege. Von Erich Hesse-Berlin-Lichterfelde. Die Gefahren, die im Kriege den Armeen durch Krankheiten drohen, sind hinreichend bekannt. Es moge nur darauf hingewiesen sein, daB, soweit zuverlassige Berichte vorliegen, die Zahl der an Seuchen zugrunde Gegangenen in friiheren Kriegen diejenige der durch feindliche Geschosse Gefallenen oft um ein Vielfaches iibertroffen hat. Erst im deutsch-franzosischen Kriege 1870/71 war in dieser Hinsicht eine Wendung zu beobachten, es starben infolge von Verwundungen 28278 Mann, an Krankheiten 14904. Wenn diese Tatsache zweifellos einen gewaltigen Fortschritt auf dem Gebiete der Gesundheitspflege erkennen lieB, so muBte das Zahlenverhaltnis aber immer noch eine eindringliche Mahnung bedeuten, die Verhiitungs- und BekampfungsmaBnahmen gegen Kriegsseuchen immer weiter zu vervollkommnen und alle Fortschritte der Wissenschaft auszuniitzen, um ffir einen spateren Krieg giinstigere Verhaltnisse zu schaffen. Der gewaltige Aufschwung, den die Medizin in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen hatte, insonderheit die Entdeckung der spezifischen Erreger zahlreicher Krankheiten, die Erkenntnis der Lebensbedingungen dieser Klein lebewesen und ihre Bekampfung und die umwalzenden Folgen, die diese Er rungenschaften auf dem ganzen groBen Gebiate der Hygiene nach sich zogen, lenkten die Seuchenbekampfung in neue, zielbewuBte und aussichtsreiche Bahnen. Wie aus allen einschlagigen Veroffentlichungen, die aus diesem Kriege ja bereits in groBer Zahl vorliegen, hervorgeht, laBt sich die erfreuliche Tatsache feststellen, daB unsere Armeen bisher von gehaufterem Auftreten iibertragbarer Krankheiten frei geblieben sind. Wenn auch hier und da infolge der unhygieni schen Verhaltnisse der eroberten Gebietsteile, infolge der Endemien und Epidemien unter ihrer Bevolkerung oder durch unmittelbare Beriihrung mit den feindlichen Heeren, deren buntes Volkergemisch ja ohnehin fiir alle moglichen Seuchen den giinstigsten Nahrboden bietet, Erkrankungen an Ruhr, Typhus (Para typhus A! atls Afrika und Indien!), Cholera, Riickfall- und Fleckfieber in unsere Armeen eingeschleppt worden sind, so haben sie doch stets dank der vortreff lichen Einrichtungen unseres Sanitatsdienstes auf ihren Herd beschrankt werden konnen und haben nie einen Umfang angenommen, der die Schlagfertigkeit der Truppe in Frage gestellt hatte. Ergebnisse der Hygiene II. 1 2 Erich Hesse: Diese Tatsachen erheischen ganz besondere Anerkennung vor allem aus dem Grunde, weil der Stellungskrieg, der zeitweise ja fast uberall die vorheIT schende Kampfart gewesen ist, infolge seiner Eigenart der Verbreitung an steckender Krankheiten einen viel geeign.eteren Boden bietet als der Bewegungs krieg. Ganz gewiB solI nicht verkannt werden, daB gerade unter den bestandigen Verhaltnissen des Stellungskrieges viele hygienische MaBnahmen durchgefuhrt werden konnen, die der Bewegungskrieg nicht ermoglicht, daB die vorhandenen Einrichtungen des Landes, die Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsmittel, Fabriken zur Herstellung benotigter Bedarfsgegenstande, Desinfektionsanstalten und vieles andere in groBerem Umfange ausgenutzt und fur die Bedurfnisse des Heeres verwandt werden konnen als wie von einer durchmarschierenden Armee, deren Hauptaugenmerk auf die Verfolgung eines weichenden Gegners gerichtet ist. Aber gerade der Umstand, daB groBe Truppenmassen fur lange Zeit an einen Ort zusammengedrangt ge bunden sind, bringt ganz besondere Nachteile in hygienischer Beziehung mit sich. Es bilden sich mit der Zeit ahnliche Verhaltnisse heraus, wie wir sie etwa in sehr dicht bevolkerten Gegenden vorfinden, denen wir aber ohne die wirksamen Einrich tungen, an die wir unter den geordneten Verhaltnissen des Friedens bei uns gewohnt sind, entgegentreten mussen. Denn die groBen Nachteile, die in den Schwierigkeiten einer geregelten W ohnungshygiene, der Beseitigung von Ab fallen, von menschlichen und tierischen Ausscheidungen, in der Versorgung mit Trinkwasser und der Ableitung der Abwasser und endlich in der Durch fuhrung sonstiger V orkehrungen zur Verhutung von Seuchen bestehen, mussen hier vielfach in bescheidenstem MaBe, je nachdem es die Lage gestattet, und mit behelfsmaBigen Mitteln bekampft werden. 1m Bewegungskriege hingegen spielen alle diese Bedenken eine weniger bedeutungsvolle Rolle, denn der standige Wechsel der Unterkunfte schlieBt an sich eine Anhaufung von Unrat und ansteckendem Material aus; die stets bedenkliche Benutzung von Ortschaften als Quartier erubrigt sich vielfach durch Aufschlagen der hygienisch sehr viel einwandfreieren Zelte; zudem wird ja sicher der Korper des Einzelnen im Kriege uberhaupt infolge des standigen Aufenthaltes in frischer Luft, einer gehorigen Ausarbeitung und nicht zum mindesten auch durch den Wegfall der Gelegenheiten zu Ausschweifungen alkoholischer und geschlechtlicher Art abgehartet gegen viele gesundheitliche Schadigungen. Trotzdem man also von vornherein vielleicht anderer Ansicht sein mochte, zeigt sich, daB der Stellungskrieg an die mit der Gesundheitspflege betrauten Stellen unvergleichlich groBere Anforderungen stellt als der Bewegungskrieg. Dazu kommt, daB im Stellungskriege zunachst aus der gege benen Lage gelernt werden muBte und dann erst die Erge bnisse dieser Lehren in vollem Umfange dem Wohle der Truppen nutzbar gemacht werden konnten. Die groBe Zahl der Arbeiten aus dem Felde, die sich auf hygienische Verbesse rungen beziehen, haben manchen wertvollen Fingerzeig gegeben una beweisen, daB auch in dieser Hinsicht die Aufgaben, die der Krieg gestellt hat, mit deutscher Grundlichkeit behandelt worden sind; sie zeigen, wie selbst unter den schwierig sten Bedingungen und mit den bescheidensten Hilfsmitteln mit groBem Ge schick und durch unermudlichen FleiB vielfach Einrichtungen geschaffen worden Die Hygiene im Stellungskriege. 3 sind, die nach dem Kriege den heimischen Behorden der betreffenden feindlichen Gebietsteile als nachahmenswerte Beispiele verbleiben mogen! vVenn unsere Erfahrungen uber die Hygiene im Stellungskriege heute auch bei weitem noch nicht zu einem AbschluS gekommen sind, wenn unsere medizinischen Zeitschriften immer wieder neue Aufsatze und Vorschlage bringen, deren jeder als Baustein zu einem vorbildlichen Ganzen gelten muS, so durfte es doch nutzlich und lehrreich sein, einen kurzen Dberblick uber das bisher Geleistete zu geben. Wenden wir uns nach diesen allgemeinen Erorterungen einer Besprechung der mannigfachen Anforderungen selbst zu, die an die Gesundheitspflege im Stellungskriege gestellt werden! I. Die Ortschaften. Schon oben war darauf hingewiesen worden, daB die Unterbringung der Truppen in Zelten aus hygienischen Grunden der Belegung der Ortschaften vorzuziehen sei, eine Tatsache, die durch die Beobachtungen aus dem Kriege 1870/71 und durch die besonders auf dem ostlichen Kriegsschauplatze gesam melt en Erfahrungen neuerdings hinreichend erwiesen ist. Freilich bieten die leicht aufgeschlagenen Zelte bei weitem nicht den Schutz gegen Wind und Wetter wie ein uberdachtes Haus, aber es ist erstaunlich, wie sehr der standige Aufenthalt in der freien Luft in Verbindung mit einer vernunftigen Lebens weise, die sich den jeweiligen Verhaltnissen anzupassen hat, die korperliche Widerstandskraft gegenuber den Unbilden der Witterung erhOht! Und doch konnen die Zeltlager fur den Stell ungskrieg nur als auBerster Notbehelf in Frage kommen! Der monatelange Aufenthalt an einer Stelle, die Notwendigkeit des Dberwinterns wurden im Zelte die Mog lichkeit einer unbedingt gebotenen Korperpflege, des Trocknens und Reinigens der Kleider, der zweckmaBigen Behandlung der Gewehre und vieler anderen unumganglichen Beschaftigungen ausschlieBen. Auch der Umstand, daB bei langerem Regenwetter das Lagerstroh schnell faulen und die Zeltbahnen selbst, nameritlich unter dem wechselnden EinfluB von Kalte und Tauwetter, bald schadhaft werden wurden, erfordern ffir den Stellungskrieg die Benutzung der in der Nahe der Kampffront gelegenen Ortschaften. Wie sehen diese nun aus? Wir sind von Deutschland her daran gewohnt, daB selbst in den kleinsten Dorfern die Behorden fur gesundheitliche Zustande sorgen, daB durch Reinhaltung der StraBen und Gehofte, durch zweckent sprechende Beseitigung der Tage- und Abwasser und der Abfalle, durch ein wandfreie Beschaffenheit der Brunnenanlagen und der Aborte alles vermieden wird, was der Verbreitung von Ansteckungsstoffen und dem Ausbruch von Seuchen Vorschub leisten konnte. Insonderheit hat wohl in Deutschland, wenn die wirtschaftlichen und die geologischen V orbedingungen es nur einiger maBen gestatten, jeder groBere Ort eine Wasserleitung. Zum mindesten sind die vorhandenen Brunnenanlagen, sofern sie der allgemeinen Entnahme dienen, einer angemessenen Aufsicht durch die Kreisarzte unterstellt. Derartige musterhafte Zustande sind in den Landern, die uns mit ihrer Kultur bereichern wollten, leider nicht zu finden! Dem Verfasser sind aus eigener Anschauung freilich nur die Verhaltnisse vom westlichen Kriegsschau- 1* 4 Erich Hesse: platze bekannt, die yom ostlichen nur aus der Literatur und den Berichten del' Tageszeitungen. Nach alledem darf man aber schlieBen, daB es in Frankreich und in Belgien immer noch sehr viel besser aussieht als bei unseren Feinden im Osten! Und doch, wie wenig entspricht auch ein franzosisches Dorf unseren An schauungen uber Hygiene! Wie unerquicklich sind hier selbst in mittleren und groBen Orten die Zustande! Wasserleitungen sind hochstens in groBeren Stadten vorhanden. Kanali sation gibt es selbst da nicht oder doch nul' in recht kummerlicher Weise! Be sonders schlimm abel' macht sich del' Mangel an hygienischem Verstandnis auf dem Lande bemerkbar! Die Bauernhofe sind meist so angelegt, daB ein Hauserviereck, aus dem Wohnhaus, den Wirtschaftsgebauden und Stallen bestehend, einen ziemlich geraumigen Hof umgibt, der aber bis auf einen an den Gebauden entlang laufen den schmalen Gang ausschlieBlich der Aufnahme des Dungerhaufens, der Brut statte.zahIloser Fliegen, dient. Ein AbfluB fur die Jauche fehlt, sie muB infolge dessen in den Boden versickern. Irgendwo im Hofe, meist in nachster Nahe der sehr mangelhaft angelegten Abortgrube, befindet sich der Brunnen, dessen Pumpe vielfach in die Kuche eingebaut ist. Die StraBen sind hochstens mit einer sehr durftigen, kaum angedeuteten Rinne versehen, die das von den Dachern und umliegenden Hohen sich sam melnde Regenwasser, sonstige Abwasser und Jauche aufnehmen soIl, iJ,Usnahms los aber verschlammt ist und weithin die Luft verpestet; hochstens starke Regengusse fiihren dazu, daB gelegentlich eine StraBenreinigung zustande kommt, indem die sich ansammelnden Wasser gemaB der naturlichen Beschaffen heit des Ortes sich einen Weg bahnen und den groben StraBenschmutz mit fort fuhren. Naturlich kann dies nur in sehr unvoIlkommenem MaBe der Fall sein, denn die StraBen, besonders irgendwelche toten Winkel, sind der Abladeplatz fUr aHe denkbaren AbfaHe, vor aHem auch fUr menschliche Ausscheidungen! Denn der Franzose empfindet auch in den groBeren und groBen Stadten keinerlei Bedenken, sogar am Tage seine Bedurfnisse offentlich auf der StraBe zu er ledigen, si{}ht er es doch von dem fur die StraBenordnung bestellten uniformierten Schutzmann noch nicht einmal anders! Auch die in den groBen Stadten vor handenen Bedurfnisanstalten sind, dem Muster der sudlichen Lander ent sprechend, recht notdurftig eingerichtet und bieten kaum einen genugenden Seitenschutz! Es mag ja Manches von dem Angefiihrten unter den geordneten Verhaltnissen' des Friedens besser sein, eine Vermutung, die aber durch die Tatsache, daB ohne den Zwang der deutschen Militarbehorde kein Franzose die Hand aus der Tasche nehmen wiirde, um selbst im bescheidensten MaBe fur StraBenreinigung vor seinem Hause zu sorgen, sicher nicht eben gestutzt wird! Besonders bedenklich sind die fast durchweg sehr ungunstigen Trink wasserverhaltnisse, ein Umstand, der in den geschilderten MiBstanden genugende Erklarung findet und durch den in Frankreich so weit verbreiteten, schlecht filtrierenden Kreideboden erheblich gefordert wird. Namentlich auf den Dorfern, auf deren schlechte Brunnenanlagen schon hingewiesen wurde, trifft man ungemein haufig Wasser an, die auf den ersten Blick durch ihre Triibung, durch feine und grobe Schwebeteilchen, ·aus Algen und anderen organischen Substanzen bestehend, verdachtig erscheinen, denen Die Hygiene im Stellungskriege. 5 ein dumpfer, oft sogar ubler Geruch und Beigeschmack anhaften. Dennoch hegen aber die Bewohner, die besseres 'Vasser einfach nicht kennen, keine Be denken, diese wenig appetitliche Flussigkeit selbst zu genieBen und als gut zu bezeichnen! Dnd ebenso herrschen in den Stadten, die sich einer Wasserleitung erfreuen durfen, unhaltbare Zustande. Legt man von dem Wasser Zahlplatten an, so findet man, entsprechend den jeweiligen ~iederschlagen, auBerordentlich hohe Schwankungen des Keimgehaltes, die sich zwischen mehreren Hundert bis zu vielen Tausenden bewegen! Gerade diese Beobachtungen wurden in einer der groBten Stadte des besetzten Gebietes erhoben und es stellte sich sogar heraus, daB das in der Quellfassung zutage tretende Wasser an sich ganz vorzuglich war, auf dem Wege zur Pumpstation infolge ganz mangelhaft ge dichteter Stollen grobsten Verunreinigungen von der Erdoberflache her aus gesetzt wurde! Es ist nicht zu verwundern, daB bei derartigen MiBstanden in hygienischer Beziehung die Gesundheitsverha,ltnisse unter der Bevolkerung sehr viel zu wunschen ubrig lassen und daB besonders die ubertragbaren Darmkrankheiten in erschreckender Haufigkeit beobachtet werden. Die von Dhlenhuth, Olbrich und Messerschmidt auf Grund mustergultiger Erhebungen mitgeteilten Er gebnisse, die sich auf Gebiete Frankreichs und Belgiens beziehen, bieten fur diese Tatsachen einen ausreichenden Beweis, sie zeigen auch, daB die Zahl der ge sunden Bazillentrager, sobald die diesbezuglichen Nachforschungen mit der gehorigen Grundlichkeit betrieben werden, einen betrachtlichen Bruchteil der Gesamtbevolkerung erreichen kann! Als praktisch wichtiges Ergebnis leiten die genannten Autoren aus ihren Forschungen den SchluB ab, daB die Er krankungen an Typhus und Ruhr, die in den ersten vVochen des Feldzuges in unseren Westarmeen beobachtet worden sind, ledig lich a uf die unhygienis chen Ver haltnisse in Frankreich und Belgien, j m besonderen auf die zahlreichen Trager des Ansteckungsstoffes zuruckgefuhrt werden mussen. Dnd dennoch fehlt in diesen Landern jede planmaBigeTyphusbekampfung, wie sie bei uns von Reichs wegen in gefahrdeten Gegenden schon seit reichlich einem Jahrzehnt mit bestem Erfolge eingJfuhrt worden ist. Sind also die hygienischen Vorbedingungen in dcn Ortschaften, die fur Einrichtung von Truppenquartieren in Frage kommen, von vornherein denkbar ungunstig, so werden sie, da ja gerade der Stellungskrieg sich meist aus er~ bitterten Nah- und StraBenkampfen entwickelt hat, infolge der vorhergegangenen Ereignisse in einer Weise verschlimmert, von der sich der Fernstehende schwer lich ein richtiges Bild machen kann! Beim Herannahen der feindlichen Fronten haben die einigermaBen be mittelten Bewohner der bedrohten Ortschaften schleunigst ihre Habseligkeiten zusammengerafft, ihre W ohnungen verschlossen und sind gefluchtet. Die armere BevOlkerung, die weniger zu verlieren hatte, ist zunachst zuruckgeblieben und hat die Wohnungen der Reichen, wie des ofteren festgestellt worden ist, einer grundlichen Durchsicht auf etwa noch vorhandene brauchbare Gegen stande unterzogen. Die Turen der Hauser wurden erbrochen, das Innere hastig durchwuhlt, der Inhalt von Schranken und Schubladen in Gestalt von Kleider stucken, Waschefetzen, zerbrochenem Geschirr mit spater faulenden und stinken den Speiseresten und allem sonstigen Hausgerat wahllos auf den FuBboden

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