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Ergebnisse der Hygiene Bakteriologie Immunitätsforschung und Experimentellen Therapie: Fortsetzung des Jahresberichts Über die Ergebnisse der Immunitätsforschung Unter Mitwirkung Hervorragender Fachleute Vierzehnter Band PDF

659 Pages·1933·21.323 MB·German
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ERGEBNISSE DER HYGIENE BAKTERIOLOGIE IMMUNITATSFORSCHUNG UND EXPE RIME NTELLEN THERAPIE FORTSETZUNG DES JAHRESBERICHTS VBER DIE ERGEBNISSE DER IMMUNITA.TSFORSCHUNG UNTER MITWIRKUNG HERVORRAGENDER FACHLEUTE HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. WOLFGANG WEICHARDT WIESBADEN VIERZEHNT ER BAND MIT 19 ABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1933 ISBN-13: 978-3-642-90540-7 e-ISBN-13: 978-3-642-92397-5 DOl: 10.1007/978-3-642-92397-5 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER "OBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1933 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN_ Einfiihrung. Die Beitrage fur Band 14 der Ergebnisse sind wiederum grundlegende Dar stellungen des neuesten Standes wichtiger Forschungsgebiete aus der Feder besonders dazu berufener Autoren. Das Vitamin- und Hormongebiet wird von drei Autoren behandelt: W. R. AYKROYD hat die Standardisierung ubernommen. Stand er doch als Mitglied der Hygienesektion des Sekretariats des V6lkerbundes den verdienstvollen Be strebungen, eine international gultige einheitIiche Dosierung auf diesem Gebiete zu schaffen, besonders nahe. Fur die Darstellung der Biologie der Vitamine und Hormone wurden W. KOLLATH vom Hygienischen Institute Breslau gewonnen, fUr die chemische Seite dieser Forschung A. WINTERSTEIN und K. SCHI)N vam Kaiser-Wilhelm-Institute fur Medizinische Forschung in Heidelberg. Ein um die Allergieforschung besonders verdienter Autor, A. F. COCA, stellte eine kritische tlbersicht hieruber zur Verfugung. A. ZIRONI vom Istituto Sieroterapico Milanese, der bekanntlich den tlberempfindlichkeitsbegriff und die Gesetze der Anaphylaxie fur die Lehre von den Infektionen in neuerer Zeit besonders nutzbringend verwertet hat, lieferte eine grundlegende tlbersicht uber die Theorie der spezifischen tlberempfanglichkeit bei Infektionen. In abgeklarter Weise hat M. KLIMMER auf Grund seiner reichen Erfahrung als Veterinarmediziner einen umfassenden Beitrag zur Schutz- und Heilimpfung gegen die Tuberkulose verfaBt. Vergeblich suchte man bisher eine neuzeitliche Darstellung des Standes unseres Wissens auf dem Gebiete der saurefesten Bacillen. F. EICHBAUM hat sich der Miihe unterzogen, die vorhandene Welt literatur zusammenzustellen. In das Gebiet der Chematherapie geh6ren die tlbersichten von C. LEVADITI vom Institut Pasteur iiber den gegenwartigen Stand der Bismuto-Prevention der Syphilis, und von H. SCHREIBER uber die Bedeutung von Schwefel in Form von SH- und SS-Gruppen enthaltenden Staffen. Seit dem Erscheinen des bekannten Werkes "Schadliche Gase" von FLURY ZERNIK hat sich ein reiches Material auf diesem von so vielen Seiten bearbeiteten Gebiete angehauft. F. ZERNIK hat in diesem Bande unserer Ergebnisse den neuesten Stand dieses thearetisch und praktisch gleich wichtigen Forschungs gebietes dargestellt. Erfreulich war es, daB die Hygiene des Kraftfahrwesens einmal von erfahrener Seite bearbeitet wurde. Der bekannte hollandische Hygieniker J. G. SLEESWIJK hat zusammen mit dem Ingenieur W. PrLAAR diese Aufgabe ge16st. Wiesbaden, im Oktober 1933. Der Heransgeber. Inhaltsverzeichnis. Seite 1. KLIMMER, Obermedizinalrat Professor Dr. M., Beitrag zur Schutz- und Heilimpfung gegen die Tuberkulose . . . . . .. 1 II. EICHBAUM, Dr. F., Die tuberkelbacillen-ahnlichen, sllurefesten Saprophyten . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. ZERNIK, Dr. F., Neuere Erkenntnisse auf dem Gebiete der schadlichen Gase und Dampfe. (Mit 11 Abbildungen) 139 IV. SCHREmER, Dr. H., Uber die Bedeutung von Schwefel in Form von SH- bzw. SS-Gruppen enthaltenden Stoffen fur den Organismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 V. LEVADm, professeur C., Etat actuel de la Bismuthotherapie et de la Bismuthoprevention de la Syphilis . . . . . . 297 VI. SLEESWIJK, Professor Dr. J. G. und Dr. lng. W. M. M. Pn..AAR, Die Hygiene des Kraftfahrwesens. (Mit 6 Abbildungen) 329 VII. AYKROYD, Professor W. R., International vitamin standards and units . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 VIII. KOLLATH, Professor Dr. W., Biologie der Vitamine und Hormone. Eine Studie uber die Unterschiede vou Vitaminforschung uud Krankheitsforschung . . . . . . . . . . . . 382 IX. WINTERSTEIN, Dr. A. und Dr. K. SCHON, Chemie der Vitamine uud Hormone. . . . . . . . . . . . . . . . . 436 X. COCA, Dr. A. F., A critical review of investigations of allergic diseases. (With 2 figures) . . . . . . . . . 538 XI. ZmONI, Professor Dr. A., Die Theorie der spezifischen Uber- empfanglichkeit bei Infektion 561 Namenverzeichnis. . . 618 Sachverzeichnis. . . . 636 Inhalt der Bande I-XIV 645 I. Beitrag znr Scbntz- nnd Heilimpfnng gegen die Tnberknlose. Von }I. KLIMMER-Leipzig. (Aus dem Veterinii.rhygienischen Institut del' Universitii.t Leipzig [Direktor: Obermedizinalrat Professor Dr. M. KLIMMER].) Inhalt. Selte I. Allgemeiner Teil. A. Die Unschadlichkeit del' Tuberkuloseimpfstoffe 3 1. Das AbtOten del' Tuberkelbacillen . . . . . . . 3 2. Die Abschwii.chung der Tuberkelbacillen . . . . 3 B. Die immunisierende Wirkung del' Tuberkuloseimpfstoffe 4 1. Lebende virulente Tuberkelbacillen (KoCHscher Grundversuch, \Y£sen del' Immunitii.t, Prii.senz- bzw. Infektionsimmunitii.t) . 4 2. Abgeschwii.chte unschii.dliche Tuberkelbacillen . . . . . . . . . 10 3. Abgetotete Tuberkelbacillen. . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Immunitatspriifung durch klinstliche und "natlirliche" Infektion 13 II. Spezieller Teil. A. "Oberblick liber die Impfungen gegen die Tuberkulose der Tiere. . . . . . . . 15 1. Die Bovovaccination nach v. BEHRING, ROMER und RUPPEL . . . . . . . 15 2. Die Taurumanimpfung nach ROBERT KOCH, SCHUTZ, NEUFELD und MIESSNER 17 3. Die Impfung mit lebenden virulenten Menschentuberkelbacillen nach PEARSON und GILLILAND . . . . . . . . . . . . . . . 17 4. Die Impfung mit Antiphymatol nach KLIMMER . . . . . . . 17 5. Die Schilfsackchenmethode nach HEYMANS. . .'. . . . . . . 17 6. Die FRIEDMANNsche Impfung mit Schildkrotentuberkelbacillen. 18 7. Die Impfung mit BCG nach CALMETTE und GUERIN. . . . . 18 8. Die Impfung mit Vitaltuberkulin nach SELTER .. . . . . . 18 9. Die intracutane Impfung mit virulenten Rindertuberkelbacillen nach BORME 18 10. Die Impfung mit Katebin nach SCHREIBER . . . . . . . . . . . . . . . 19 B.. Vberblick liber die Impfungen gegen die Tuberkulose del' Menschen. . . . . . 20 1. Die Impfungen mit lebenden virulenten Tuberkelbacillen (humane und bovine Tuberkelbacillen, Vitaltuberkulin SELTERS, Tuberkuloselymphe BOHMES) . . . 21 2. Die Impfung mit abgeschwachten Tuberkelbacillen (Impfung nach FRIEmlAXN mit Schildkrotentuberkelbacillen, nach CALMETTE und GUERIN mit BCG, nach KLIMMER mit M 44) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Die Impfung mit abgetoteten Tuberkelbacillen (Auftreten del' Allergie, Be ziehungen der Allergie zur Immunitii.t, Bildung von komplementbindenden Antikorpern und tuberkulosen Verii.nderungen, Impfschutz bei Meerschweinchen und Kaninchen, Impfungen von Kindern mit dem LANGERSchen Impfstoff, SPAHLINGER3 Anti-Tuberculosis Vaccin "New") . 24 C. Eigene Tuberkulosearbeiten . . . . . . . . . . . 31 1. Versuche zur Bekampfung der Rindertuberkulos0 31 a) Einleitung und Vorversuch mit Antiphymatol 31 b) Die Abschwachung del' Tuberkelbacillen und die Wirkung dieser f>bg"SC11\\ii.ch- ten Tuberkelbacillen auf den lebenden Organismus . . . . . . . . . . . 32 c) Immunisierungsversuche mit abgeschwii.chten humanen und bovinen Tuberkel- bacillen an Meerschweinchen und Kaninchen. . . . . . . . . . 36 Ergebnisse der Hygiene. XIV. I 2 M. KLIMMER: Selte d) Immunisierungsversuche mit abgeschwachten Tuberkelbacillen an Rindern 39 e) Die praktische Durchfiihrung des mit hygienischen MaBnahmen verbundenen Impfverfahrens nach KLIMMER und die Ergebnisse dieses Verfahrens . 44 a) Schutzimpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 fJ) Heilimpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 f) Tuberkulosebekiiompfungsversuche nur durch Antiphymatolimpfungen 58 2. Versuche zur Verhiitung und Heilung der Tuberkulose des Menschen. 60 Schrifttum . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Allgemeiner Teil. Von einem Impfstoff gegen die Tuberkulose ist zu fordern, daB er 1. hinlanglich unschadllch ist und 2. eine moglichst krMtige Immunitat 1 erzeugt. 1 lJber die Berechtigung, den Tuberkulo8e8chutz al8 lmmunitat zu bezewhnen, gehen die Meinungen wohl auchheute noch auseinander. Wahrend es nach PETRUSCHKY, UHLENHUTH (2) u. a. eine echte Immunitii.t gegen Tuberkulose nicht gibt und PFEIFFER (1) angibt, "an eine eigentliche Tuberkuloseimmunitii.t nicht glauben zu kOnnen und nur Oberempfindlichkeit zu sehen, die das Haften der Tuberkulose bei Reinfektion verhindert", nach fum also der Tuberkuloseschutz lediglich eine entziindliche Reaktion des iiberempfindlichen Organismus ist, welche die neu eindringenden Tuberkelbacillen am Wachstum hindert, sprechen ROMER (1) mit seinem Mitarbeiter JOSEPH (1), v. BAUMGARTEN, BR. LANGE (1,3) u. a., denen auch ich mich anschlieBe, von einer Tuberkuloseimmunitii.t. Das mag manchem insofern paradox erscheinen, als man im allgemeinen in der Tuberkulose eine Krankheit erblickt, die, wie es die sehr oft schlieBlich zum Tode fiihrenden Nachschiibe zeigen, keine Immunitii.t hinter laBt. Diese Beobachtungen widerlegen die Existenz einer kiinstlich zu erzeugenden Tuber kuloseimmunitat aber keineswegs; sie beweisen nur, daB die Immunitii.t gegen die Tuber kulose keine absolute ist. Ob es iiberhaupt eine absolute kiinstliche Immunitat gegen Krankheitserreger und ihra Gifte gibt, ist mindestens fraglich. Auch die gegen Tetanus. gift hoch immunisierten Kaninchen, die gegen die wirksamsten Starrkrampfgifte sich bei iiblichen Applikationsweisen scheinbar als absolut immun erweisen, erliegen einer endo neuralen Einverleibung und sind in dieser Richtung kaum widerstandsfii.higer als nicht vorbehandelte Tiere (MEYER und RANSOM). Also auch die Immunitii.t gegen Tetanusgift ist nur eine relative wie auch die gegen Tuberkulose und wohl alie Krankheitserreger und ihre Gifte. Mit ROMER und JOSEPH verstehe ich unter Immunitat den Zustand, der nach natiirlicher oder kiinstlicher Einverleibung von Krankheitserregern oder Krankheitsgiften die nachweisbare Erkrankung oder den Tod eines Individuums unter Bedingungen verhin dert, unter denen bei anderen Lebewesen der gleichen Art Erkrankung bzw. Tod eintritt. DaB eine solche Immunitii.t auch gegen die Tuberkulose erzielt werden kann, ist Gegenstand nachfolgender Mitteilung. Hier sei nur aus dem Schrifttum aI;l die Tuberkloseschutz impfversuche von ROMER und JOSEPH (1) an Schafen, v. BEHRING, ROMER und RUPPEL, v. KOCH, SCHUTZ, NEUFELD und MmSSNER Bowie von KLIMMER an Rindern erinnert, in denen die immunisierten Tiere ohne Schaden salcha Tuberkelbacillenmengen vertragen haben, welche die Kontrolltiere in 4---8 Wochen an schwerer Tuberkulose toteten. 1m KocHschen Grundversuch an Meerschweinchen ist der Schutz beschrankt, und es besteht nur gegen eine relativ schwache Reinfektion, die unvorbehandelte Meerschweinchen noah schwer krank macht, eine vollige Immunitat. Immerhin ist der Schutz recht betrachtlich und ist nach ROMER um mindestens das 10 OOOfache erhOht. Auch hier spreche ich, soweit ein Schutz erreicht wird, von einer Immunitiiot und es erscheint mir nicht zweckmii.Big, den Gebrauch des Wortes Immunitat von der Hohe des erzeugten Schutzes abhii.ngig zu machen. Eine geringe Immunitat als "erhOhte Widerstandsfiiohigkeit oder erhOhte Resistenz" zu bezeichnen, iBt insofern nicht angebracht, als diese Benennung nach dem bisherigen Sprachgebrauch zur Bezeichnung nichtBpezifi8cher ErMhung der Widerstands fii.higkeit gegen bakterielle Infektionen dient. Bei dem TuberkuloseBchutz sind aber die Lebewesen spezifisch gegen die Tuberkelbacilleninfektion in einer Weise widerstandsfii.higer geworden, wie dies durch unspezifische Mittel nicht zu erreichen ist. Auch der Ausdruck ,.relative Immunitii.t" ist, da jede kiinstliche Immunitat eine relative ist, ein zweckloser Pleonasmus. Beitrag zur Schutz- und Heilimpfung gegen die Tuberkulose. 3 A. Die Unschadlichkeit der Tuberkuloseimpfstoffe. Die Unsckadlickkeit eines spezitiscken Tuberkuloseimptstottes kann erreicht werden: 1. durch Abtotung, 2. durch Abschwachung der Tuberkelbacillen. 1. Das Abtoten der Tuberkelbacillen. Das Abtoten der Tuberkelbacillen muB zur moglichsten Erhaltung ihrer antigenen Eigenschaften tunlichst schonend geschehen, z. B. durch mehr stiindiges Erhitzen auf 530, langere Einwirkung schwacher bactericider Stoffe usw. 2. Die Abschwachung der Tuberkelbacillen. Die Abschwachung der Tuberkelbacillen bis zu ihrer Unscha.dlichkeit habe ich in den letzten 30 Jahren eingehend untersucht. Wie ich bereits 1902 zeigen konnte, gelingt es, auch den Tuberkelbacillus kiinstlich abzuschwachen, was heute wohl allseitig zugegeben wird, damals aber noch von maBgebender Seite bestritten wurde. Die Abschwachung der Tuberkelbacillen bei Erhaltung der Lebensfahigkeit ist auch tatsachlich nicht so leicht durchfUhrbar. Die Grenz werte fUr die Abschwachung der Tuberkelbacillen liegen sehr nahe limes Tod, und eine schrittweise Abschwachung wird durch das langsame Wachstum der Tuberkelbacillen sehr erheblich erschwert. Es ist ein groBes MaB von Geduld und Ausdauer bei diesen Untersuchungen erforderlich. Erst nach manchen vergeblichen Versuchen gelang es mir 1902, den Tuberkelbacillus bei Erhaltung seiner Lebensfahigkeit derart abzuschwachen, daB er fiir Menschen und Tiere ungefahrlich wurde. Es ist dies wohl die erste erfolgreiche kiinstliche Ab schwachung des Tuberkelbacillus gewesen. Wahrend die erstmaligeAbschwachung nach dem Vorbilde PASTEURS bei der Abschwachung der Schweinerotlaufbakterien durch Kaninchenpassagen gleichfalls durch Tierpassagen erreicht wurde, zeigten meine weiteren Arbeiten, daB der Tuberkelbacillus auch durch pkysikaliscke und ckemiscke Eintlusse abgeschw~cht werden kann. Urn ein Beispiel in dieser Richtung anzufiihren, erwahne ich einen Menschentuberkel. bacillenstamm, der frisch aus dem Korper herausgeziichtet schon in einer Menge von 1/10000000 mg bei Meerschweinchen in wenigen Wochen eine schwere, todlich verIaufende Tuberkulose hervorrief. Durch die fortschreitende Abschwachung stieg die kIeinste noch krankmachende Dosis allmahlich auf 1/100 000' 1/1000' 1/10. 1 mg reine BaciIIenmasse und dariiber. Die TuberkelbaciIIen wurden so weit abgeschwacht, daB die Meerschweinchen und Kaninchen gegeniiber der Dosis fiir Rinder eine weit groBere relative Menge bei gleicher Applikations weise wie beim Menschen und Rind vertragen. Meerschweinchen, die mit diesen Tuberkulose nicht mehr hervorrufenden Tuberkelbacillen vorbehandelt sind, reagieren auf eine nach einem Monat und spater mit Tuberkulin bzw. Phymatin vorgenommene Intracutanreaktion deut lich positiv. Die einmal unschiidlich gewordenen Tuberkelbacillen erlangen nach bisher 30jahriger Beobachtung weder im lebenden Korper nach einer der praktischen Nutzanwendung entsprechenden Einverleibung, noch in der Kultur eine erhOhte schadliche Virulenz wieder. Nachdem einmal der Weg der Abschwachung gezeigt worden ist, stoBt dlese heute auf keine Schwierigkeiten mehr. AuBer hOherer Temperatur (530) und wasserentziehenden Mitteln in Form von Losungen von Neutralsalzen, wasser lOslichen Kohlehydraten und Carbamid in hoherer Konzentration eignen sich 1* 4 M. KLIMMER: hierzu auch Milzsaft (SCHRODER), Lymphknotenbrei (BARTEL, LIVIERATO, FONTES), Lysate von Organen (TREPICCIONI), Licht-'(DI DONNA), ultraviolette (VICTOR und HENRY), Rontgen- und Radiumstrahlen (SCHROTLER), stark verdiinnte Desinfektionsmittel (Formalin [M. RABINOWITSCH], Trypaflavin und Neutralrot [SmGA]), Glycerin (HAWTHORN), Saponin (ARIMA, AOYAMA, OHNAWA), Lipoide (BARTEL, NEUMANN und LEIMSER), olsaure Seifen (BARTEL, NEUMANN und LEIMSER, NOGucm usw.), destilliertes Wasser (BARTEL und NEUMANN), Papaverin und Carnoverin (LOFFLER), Neurin und Lecithin (DEYCKE und MUCH, LOMINSKY), Galle (CALMETTE und GUERIN, GRIFFITH) usw. Wohl mehr oder weniger alle Einfliisse, welche den Tuberkelbacillus hinHinglich zu schadigen vermogen, schwachen ihn bei vorsichtiger Dosierung ab, bevor sie ihn toten. Um seine Lebensfahigkeit zu erhalten, ist die Abschwachung, wie bereits betont, schrittweise vorzunehmen und zwischen den einzelnen Abschwachungsabschnitten eine Fortziichtung zwischenzuschalten. In gleicher Weise, wie Menschen tuberkelbacillen bei sachgemaBer Anwendung bis zur Unschadlichkeit ab geschwacht wurden (s. 0.), ist dies auch am Typus bovinus und gallinaceus durchgefUhrt worden. Wenn auch alle die Mittel, die eine Schadigung und schlieBlich Abtotung des Tuberkelbacillus bewirken, die Virulenz bis zur Unschadlichkeit mindern, so scheinen die Abschwachungsmittel aber in ihrem Immunisierungseffekt nicht gleichwertig zu sein [eigene Beobachtungen, SELTER (3), UHLENHUTH (4), ARIMA u. a.]. Eine Abschwachung der Tuberkelbacillen findet man nicht selten auch bei alten Laboratoriumsstammen, die Jahre hindurch auf Nahrboden fortgeziichtet worden sind (RAW, TRUDEAU, BALDWIN, PETROFF, LONG, BORREL, BOETZ und COULON, KIRCHNER u. a.). Unter anderem erwahne ich den Rindertuberkel bacillenstamm 18, der 1902 nach den Angaben BEHRINGS (1) und ROMERS eine hohe Virulenz fiir Rinder und Meerschweinchen besaB. 1 mg Tuberkelbacillen t6tete nach intravenoser Applikation Rinder an ausgedehnter Tuberkulose. Als dieser Stamm 1923 auf seine Virulenz nachgepriift wurde, hatte er seine Pathogenitat fUr Rinder verloren. Diese Versuchstiere vertrugen nunmehr lOO mg Tuberkelbacillen ohne Schaden. 1926 war die Virulenz noch weiter abgesunken (UHLENHUTH). Auch in vivo, in alten abgekapselten und verkalkten Herden [SCHMITZ (1), UHLENBROOK (1), wie auch in alten Fallen von Lupus vulgaris [GRIFFITH (1)] nimmt die Virulenz vielfach langsam abo B. Die immunisierende Wirkung der Tuberkuloseimpfstoffe. Die immunisierende Wirkung der Tuberkelbacillen scheint nach zahlreichen Beobachtungen [LANGE und LYDTIN, UHLENHUTH (4) usw. entgegen SELTER (3), CALMETTE und SCHAFER U. a.] mit der Abnahme der Virulenz und Lebensfahig keit nachzulassen. l. Lebende virulente Tuberkelbacillen. Lebende virulente Tuberkelbacillen vermogen wie der KOCHsche Grund versuch zeigt, gegeniiber der Reinfektion einen kraftigen Schutz zu entfalten. ROBERT KOCH schreibt iiber den nach ihm benannten Grundversuch: "Wenn man ein gesundes Meerschweinchen mit einer Reinkultur von Tuberkelbacillen impft, dann verklebt in der Regel die Impfwunde und scheint in den ersten Tagen zu ver- Beitrag zur Schutz- und Reilimpfung gegen die Tuberkulose. 5 heilen; erst im Laufe von 10-14 Tagen entsteht ein hartes Knotchen, welches bald auf bricbt und bis zum Tode des Tieres eine ulcerierende Stelle bildet. Aber ganz anders verhalt es sich, wenn ein bereits tuberkulos erkranktes Meerschweinchen geimpft wird. Am besten eignen sich hierzu Tiere, welche 4--6 Wochen vorher erfolgreich geimpft wurden. Bei einem solchen Tier verklebt die kleine Impfwunde auch anfangs, aber es bildet sich kein Knotchen, sondern schon am nachsten oder zweiten Tage tritt eine eigentiimliche Veranderung an der Impfstelle ein. Dieselbe wird hart und nimmt eine dunklere Farbung an, und zwar beschrankt sich dies nicht allein auf die Impfstelle selbst, sondern breitet sich auf die Umgebung bis zu einem Durchmesser von 0,5-1 cm aus. An den nachsten Tagen stellt sich dann immer deutlicher heraus, daB die so veranderte Raut nekrotisch ist, sie wird schIieBIich abgestoBen und es bleibt dann eine fIache Ulceration zuriick, welche gewohnIich schnell und dauernd heilt, ohne daB die benachbarten Lymphdriisen infiziert werden. Die verimpften Tuberkel bacillen wirken also ganz anders auf die Raut eines gesunden, als auf diejenige eines tuber kulOsen Meerschweinchens. Diese auffallende Wirkung kommt nun aber nicht etwa aus schIieBIich den lebenden Tuberkelbacillen zu, sondern findet sich ebenso bei den abgetoteten, ganz gleich, ob man sie, wie ich es aufangs versuchte, durch niedrige Temperaturen von liingerer Dauer, oder durch Siedehitze, oder durch gewisse Chemikalien zum Absterben gebracht hat. Nachdem diese eigentiimliche Tatsache gefunden war, habe ich sie nach allen Richtungen bin weiter verfolgt, und es ergab sich dann weiter, daB abgetotete Reinkulturen von Tuberkel baciIlen, nachdem sie verrieben und im Wasser aufgeschwemmt sind, bei gesunden Meer schweinchen in groBer Menge unter die Raut gespritzt werden konnen, ohne daB etwas anderes als eine lokale Eiterung entsteht 1. Tuberkulose Meerschweinchen werden dagegen schon durch die Injektion von sehr geringen Mengen solcher aufgeschwemmten Kulturen getotet, und zwar je nach der angewendeten Dosis innerhalb von 6----48 Stunden. Eine Dosis, welche eben nicht mehr ausreicht, urn das Tier zu toten, kann eine ausgedehnte Nekrose der Raut im Bereich der Injektionsstelle bewirken. Wird die Aufschwemmung nun aber noch weiter verdiinnt, so daB sie kaum sichtbar getriibt ist, dann bleiben die Tiere am Leben, und es tritt, wenn die Injektionen mit 1-2tagigen Pausen fortgesetzt werden, bald eine merkliche Besserung im Zustand derselben ein; die ulcerierende Impfwunde verkleinert sich und vernarbt schlieBlich, was ohne eine derartige Behandlung niemals der Fall ist; die geschwollenen Lymphdriisen verkleinern sich, der Ernahrungszustand wird besser und der KrankheitsprozeB kommt, wenn er nicht bereits zu weit vorgeschritten ist und das Tier an Entkraftung zugrunde geht, zum Stillstand." Der KOCHsche Grundversuch zeigt also, daB es eine Immunitat gegen die Tuberkulose, und zwar gegen eine Tuberkulosereinfektion gibt; er bildet auch heute noch den Ausgangspunkt fur die Impfungen gegen die Tuberkulose. Dieser KOCHsche Grundversuch ist zuerst von BAUMGARTEN und seinen Mitarbeitern CZAPLEWSKI und ROLOFF (1897) und sodann von DELLA CELLA, DETRE-DEUTSCH, FEISTMANTEL, BAIL, RIST, KINDBERG und ROLLAND, BESANCON und SERBONNES usw. bestiitigt und unter anderem vor aHem von PAUL ROMER (1), sowie ROMER und JOSEPH (1) an Meerschweinchen und Schafen, von HAM BURGER an Meerschweinchen, von KRAUS und GROSS sowie KRAUS und YOLK an Affen, von COURMONT und LESIEUR sowie von LEWANDOWSKY, SELTER, LOWENSTEIN und PRZYGODE, JAFFE und LOWENSTEIN sowie KRAUSE an Meer schweinchen, von LEBER, BIELING und SCHWARZ an Kaninchen eingehend studiert worden. Die Reinfektion ist vorwiegend subcutan, von ROMER zum Teil auch intracutan und cutan von HAMBURGER, KRAUS und GROSS, cutan von KLEINHANS vaginal, von LOWENSTEIN, SCHIECK, CRUSIUS, BIELING und SCHWARZ in die vordere Augenkammer, von IGERSHEIMER conjunctival, subconjunctival und corneal, von BALDWIN und GARDNER, ROMER, SELTER, LANGE usw. aerogen, von PATERSON intrapleural, von SOPER und DWORSKI intradural und von LONG 1 Derartige Injektionen gehoren zu den einfachsten und sichersten Mitteln, urn Eiterungen zu erzeugen, welche frei von Iebenden Bakterien sind. 6 M.KuMMER: intratesticuliir vorgenommen worden. Als das Ergebnis dieser Untersuchungen kann gesagt werden: Wenn zur Erstinfektion fiir die Versuchstierart vollvirulente Tuberkel bacillen verwendet werden, so muB 1. die Erstinfektion moglichst schwach sein, damit die Tuberkulose einen moglichst chronischen Verlauf nimmt und 2. der Zeitpunkt der Reinfektion moglichst lange Zeit nach der Erstinfektion gewiihlt werden. Die durch die Erstinfektion bewirkte Umstimmung oder mit anderen Worten der Durchseuchungsschutz ist urn so hoher, je iilter die Tuberkulose ist. Dabei darf aber die Tuberkulose nicht so ausgedehnt sein, daB durch sie die allgemeine Widerstandsfiihigkeit des Organismus beeintriichtigt wird. 3. Die Reinfektionsdosis darf eine gewisse GroBe nicht iiberschreiten. Wiihrend gegen kleine Dosen der Reinfektion vollige Immunitiit bestehen kann, wird die Re infektion mit mittleren Dosen nur abgeschwiicht; gegen groBe Dosen versagt der Schutz und gegeniiber massiven Dosen erweist sich das bereits tuberkulose Tier sogar iiberempfindlich; es geht im Gegensatz zum normalen Tier an akuter Vergiftung zugrunde. Zur Ausbildung des Impfschutzes bedarf es einer gewissen Zeit. BRUDNICKI stellte bei seinen Versuchen, bei denen er die Erst- und Reinfektion mittels Scarifikation der Haut an verschiedenen Korperstellen vornahm, fest, daB die 24 Stunden nach der Erstinfektion vorgenommene Reinfektionen wie die Erst infektionen verliefen. Auch bei den am 3. Tage nach der Erstinfektion re infizierten Meerschweinchen war nur eine sehr schwache Immunitiit in Form geringerer Schwellung der regioniiren Lymphknoten nachzuweisen. Dagegen fiihrten die am 4. und 5. Tage nach der Erstinfektion ausgefiihrten Rein fektionen zu leichteren Veriinderungen an der Scarifikationsstelle und den Lymphknoten als bei den mit demselben Material und in derselben Weise erstmals infizierten Kontrolltieren. Durch Reinfektion liiBt sich also schon am 4. Tage nach der Erstinfektion, also schon eine erhebliche Zeit vor Ausbildung des Primiirkomplexes, eine Immunitiit des tuberku16sen Meer schweinchenorganismus feststellen. Je groBer die Zeitspanne zwischen Erst und Reinfektion ist, desto ausgesprochener ist die Immunitiit. Diese Befunde decken sich mit friiheren Angaben von HAMBURGER, der im Tierversuch am 5. bis 6. Tage nach der Tuberkuloseinfektion eine Tuberkulinallergie nachweisen konnte. Dagegen konnten B. LANGE und LYDTIN 14 Tage nach der Erstinfektion einen Impfschutz noch nicht, sondern erst nach 3-5 Wochen beobachten. ROMER hat den KocHschen Grundversuch noch dahin erweitert, daB er auch bei spontan tuberkulosen Meerschweinchen Immunitiit gegen die kiinst liche Reinfektion feststellen konnte. Die gleichen Beobachtungen machte CALMETTE an tuberkulosen, d. h. auf Tuberkulin reagierenden Rindern, die er intravenos und subcutan reinfizierte. DaB CALMETTE seine Versuchsergebnisse falsch auslegte und die Immunitiit nicht auf die spontane Tuberkulose, sondern auf die Tuberkulineinspritzung zuriickfiihrte, iindert an den Ergebnissen nichts. Auch von BEHRING, von HUTYRA, VALLEE und FINZI haben Infektionsversuche an spontan tuberku16sen Rindern durchgefiihrt. FINZI konnte bei 8 tuberku16sen Rindern, die er subcutan mit Rindertuberkelbacillen infizierte, in keinem einzigen FaIle ein Haften der Reinfektion beobachten. Ferner priifte ROMER die Immunitiit kiinstlich tuberkuloser Meerschweinchen gegen die natiirliche Infektion durch Fiitterung und, wie auch BALDWIN und GARDNER, SELTER, LANGE und

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