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Ergebnisse der Hygiene Bakteriologie Immunitätsforschung und Experimentellen Therapie: Fortsetzung des Jahresberichts Über die Ergebnisse der Immunitätsforschung unter Mitwirkung Hervorragender Fachleute. Dreizehnter Band PDF

759 Pages·1932·27.345 MB·German
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Preview Ergebnisse der Hygiene Bakteriologie Immunitätsforschung und Experimentellen Therapie: Fortsetzung des Jahresberichts Über die Ergebnisse der Immunitätsforschung unter Mitwirkung Hervorragender Fachleute. Dreizehnter Band

ERGEBNISSE DER HYGIENE BAKTERIOLOGIE IMMUNITÄTSFORSCHUNG UND EXPERIMENTELLEN THERAPIE FORTSETZUNG DES JAHRESBERICHTS üBER DIE ERGEBNISSE DER IMMUNITATSFORSCHUNG UNTER MITWIRKUNG HERVORRAGENDER FACHLEUTE HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. WOLFGANG WEICHARDT WIESBADEN DREIZEHNTER BAND MIT 53 ZUM TEIL FARBIGEN ABBILDUNGEN IM TEXT UND AUF 3 TAFELN SPRINGER· VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH 1932 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1932 BY SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG URSPRÜNGLICH ERSCHIENEN BEI JULIUS SPRINGER IN BERLIN 1932 SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1932 ISBN 978-3-642-90541-4 ISBN 978-3-642-92398-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-92398-2 Einführung. Auch der 13. Band unserer Ergebnisse bietet aus der Feder maßgebender Autoren eine Reihe bemerkenswerter Darstellungen, die im Vordergrunde des Interesses stehen: Der trotz der Ungunst der Zeit vorhandene erfreuliche Rückgang der Tuber kulosesterblichkeit, wäre er möglich ohne die auf der großen Entdeckung ROBERT KOCHs aufgebaute moderne Tuberkulosebekämpfung 1 M. GUNDEL behandelt mit gewohnter Gründlichkeit dieses Gebiet, das zeigt, wie eng ex perimentelle und soziale Hygiene miteinander verbunden sind und welche Wohltaten für das Volksganze durch ihre Errungenschaften gezeitigt wurden. Zu begrüßen ist es, daß die merkwürdige Erscheinung der sog. "oligo dynamischen Metallwirkung" von erfahrener Seite kritisch beleuchtet wird. M. NEISSER und F. EICHBAUM haben sich dieser Mühe unterzogen. Aus der klassischen Ursprungsstätte chemotherapeutischer Bestrebungen, dem EHRLICHschen Institute, stammt ein Beitrag von R. SCHNITZER "die spezifische Arzneüestigkeit der pathogenen Mikroorganismen". Bekanntlich hat die Infektion mit dem BANGschen Bacterium sowohl in veterinär- als auch in humanmedizinischen Kreisen in den letzten Jahren großes Interesse erregt. M. KuMMER und K. BÖHMER haben dieses Thema in um fassender Weise bearbeitet. Man sieht, daß durch diese Darstellung seitens eines erfahrenen veterinärmedizinischen einerseits und eines humanmedizinischen Fachmannes andererseits die Bearbeitung allen Anforderungen gerecht wird und daß es ganz unmöglich ist, auf dem Gebiete der Bakteriologie und Immuni tätsforschung eine Trennung beider Schwesterwissenschaften vorzunehmen. In der medizinischen Literatur fehlte bisher eine neuzeitliche Besprechung der "Staphylokokken, ihrer Fermente und Gütstoffe". H. GROSS verfaßte eine solche. Zahlreiche Abbildungen geben die wesentlichen Wirkungen in an schaulicher Weise wieder. Sodann hat W. KIKUTH (I.-G. Farben, Werk Elberfeld), einer der besten Kenner der "Bartonellen und verwandten Parasiten bei Mensch und Tieren", eine Zusammenfassung der Errungenschaften auf diesem Gebiete gegeben. Aus dem Lister-Institute London hat G. H. EAGLES eine erschöpfende übersicht "The in Vitro cultivation of filterable viruses" verfaßt. Es ist er freulich, daß dieses interessante Gebiet von ihm in so überaus übersichtlicher Weise eine Beschreibung gefunden hat. H. HAUPT hat den "gegenwärtigen Stand der Systematik und Benennung der Bakterien und ihre Anwendung in der medizinischen Bakteriologie" in dankenswerter Weise zusammengestellt. Aus dem Institut für Infektionskrankheiten "ROBERT KOCH", von wo aus bekanntlich die "Serodiagnose der Lues" ihren Siegeszug antrat, haben R. OTTO und G. BLUMENTHAL den neuesten Stand dieses Gebietes für die fernerstehenden Fachgenossen beschrieben. Sie ersparen mit dieser grundlegenden Darstellung zahlreichen Wissenschaftlern mühsames Aufsuchen der zerstreuten Literatur. Wiesbaden, im November 1932. Der Herausgeber. In haltsvel'zeiclmis. Seite 1. GUNDEI" Privatdozent Dr. M., Die Ursachen des Rückganges der Tuberkulosesterblichkeit und die moderne Tuberkulose- bekämpfung. (Mit 7 Abbildungen) . . . . " 1 H. NEISSER, Geheimrat Professor Dr. M. und Dr. F. EICHBAUM, Die "oligodynamische Metallwirkung" in Theorie und Praxis 170 In. SCHNITZER, Dr. R , Die spezifische Arzneifestigkeit der pathogenen Mikroorganismen. (Mit einer Abbildung). . . . . . . 227 IV. KLIMMER, Obermedizinalrat Professor Dr. M., Der neueste Stand der Forschung über das BANGsche Bacterium . . . . . 327 V. BOHBER, Privatdozent Dr. K., BANG-Infektion des Menschen. (Mit 2~ Abbildungen) . . . . . . . . . . . . . . 453 VI. GROSS, Dr. H., Fermente und Giftstoffe der Staphylokokken. (Mit 10 Abbildungen im 'l'ext und auf 3 Tafeln) . .. 516 VII. KIKUTH, Privatdozent Dr. W., Die BartonelIen und verwandte Parasiten bei Mensch und Tieren. (Mit 12 Abbildungen) . 559 VIII. EAGLES, Dr. G. H., The "in Vitro" cultivation of filterable viruses 620 IX. HAUPT, Professor Dr. H., Der gegenwärtige Stand der Systematik und Benennung der Bakterien und ihre Anwendung in der medizinischen Bakteriologie. . . . . . . . .. 641 X. OTTO, Geheimrat Professor Dr. R. und Dr. G. BLmIENTHAL, Über den augenblicklichen Stand der Serodiagnostik der Lues. (Mit einer Abbildung) 686 Namenverzeichnis. . . 715 Sachverzeichnis. . 732 Inhalt der Bände I-XIII 742 I. Die Ursachen des Rückganges der Tuberkulosesterblichkeit und die moderne Tuberkulosebekämpfung 1. Von M. GUNDEL -Heidelberg. Mit 7 Abbildungen. Inhalt. Seite I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2 11. Die Krankheitslehre der Tuberkulose in den Hauptphasen ihrer geschichtlichen Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3 111. Die Häufigkeit der Tuberkulose in den letzten Jahrzehnten unter besonderer Berücksichtigung des Verlaufes der Tuberkulosekurven seit der Mitte des 19. J ahr- hunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1. Häufigkeit und Verlauf der Tuberkulosekurven seit der Mitte des 19. Jahr hunderts in den verschiedenen Kulturstaaten . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Die Unterschiede in der Tuberkulosesterblichkeit in Stadt und Land. . . 17 3. Die Beteiligung der einzelnen Altersklassen an der Tuberkulosesterblichkeit (unter Berücksichtigung der Geschlechter) . . . . . . . . . . . . . . • 22 4. Einige Grundlagen der Tuberkulosemorbiditätsstatistik . . . . . . . . . 32 5. Die Tuberkulosesterblichkeit kurz vor, während und nach dem Kriege unter Darlegung der Gründe, die für die Zunahme der Tuberkulosesterblichkeit im Kriege verantwortlich zu machen sind . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. Der Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit seit den 70er Jahren des 19. Jahr- hunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 V. Der soziale Faktor und seine Bedeutung für den Rückgang der Tuberkulose- sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Industrialisierung und Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit . . . . 49 2. Die Bedeutung des Berufes und der sozialen Lage für den Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit . 52 3. Tuberkulose und Wohnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Tuberkulose und Familie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 VI. Der Erbfaktor und seine Bedeutung für den Rückgang der Tuberkulosesterb- lichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 VII. Der spezifische Faktor und seine Bedeutung für den Rückgang der Tuberkulose sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 VIII. Die Bedeutung des ärztlich-therapeutischen .Faktors für die Bekämpfung und für den Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . 85 IX. Arbeit, Erfolge und weitere Erfolgsaussichten der Tuberkulosefürsorge für die Bekämpfung der Tuberkulose und ihr Anteil an dem Rückgang der Tuberkulose sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1 Aus dem Hygienischen Institut der Universität Heidelberg. ErgebniBSe der Hygiene. XIII. 1 2 1\'[. GUNDEL: Seite 1. Organisation und Ausbau der Tuberkulosefürsorge . . . . 91 2. Die Erfassung der Tuberkulösen und der Infektionsquellen 95 a) Umgebungsuntersuchungen . . . . . . . 98 b) Die Reihen- und Gruppenuntersuchungen 104 c) Tuberkulose und Schule (Lehrer) . 109 d) Die Einzeluntersuchungen . . . 112 e) Schlußsätze. . . . . . . . . . 113 3. Ehe und Tuberkulose . . . . . . 114 4. Schwangerschaft und Tuberkulose . 119 5. Die Tuberkulose der Asozialen . . 121 6. Die Bedeutung der Alterstuberkulose 124 7. Nachgehende Fürsorge . . . . . . . 127 8. Gesetzliche Handhaben zur Tuberkulosebekämpfung in Deutschland 133 9. Die Bedeutung der hygienischen Volksbelehrung für die Bekämpfung der Tuberkulose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 X. Über den Rückgang und über die Ursachen des Rückgangs der Tuberkulose- sterblichkeit der Kinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 XI. Die Sozialversicherung und die Bekämpfung der Tuberkulose. 146 XII. Schluß 150 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Einleitung. Seit mehr als drei Jahrzehnten stehen wir inmitten eines intensiven und großzügigen Kampfes gegen die Tuberkulose. ROBERT KOCHS Großtat der Entdeckung des Tuberkelbacillus vermochte diesem Kampf die erforderlichen Grundlagen zu geben, denn nur durch sie war eine zielbewußte Tuberkulose bekämpfung möglich, die auf der Erkenntnis des Wesens der tuberkulösen Erkrankung, der Verbreitungsweise und ihres Zustandekommens aufbauen konnte. Schon frühzeitig wurde man sich der Tatsache bewußt, daß sich der Kampf gegen die Tuberkulose nicht in einer Bekämpfung des Tuberkelbacillus erschöpfen durfte, sondern daß vielmehr bei dieser ausgesprochen chronischen Erkrankung - im Gegensatz zu den bis dahin hinsichtlich ihrer Bekämpfung genauer studierten akuten Infektionskrankheiten - wichtigste Zusammen hänge zwischen der Entstehung der Tuberkulose und den Umweltseinflüssen, zwischen gesundheitlichen und sozialen Verhältnissen, bestehen. Die Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit durfte damit keine Seuchenbekämpfung im eigentlichen Sinne des Wortes bleiben; sie mußte darüber hinaus die Tuber kulose als soziale Krankheit würdigen. Damit erwies sich die Verbreitung der Tuberkulose aufs engste mit sozialen, wirtschaftlichen und beruflichen Ver hältnissen verknüpft. Die Häufigkeit der Tuberkulose ist in den letzten fünf Jahrzehnten außer ordentlich zurückgegangen. In früheren Jahren und besonders auch in der Nachkriegszeit hat man sich wiederholt um die Beantwortung jener Frage bemüht, auf welche Ursachen dieser Rückgang zurückgeführt werden könnte. In erster Linie waren es deutsche und englische Forscher, die sich mit dieser für den weiteren Ausbau der Tuberkulosebekämpfung außerordentlich wichtigen Materie beschäftigten. Eine große Reihe widersprechender Arbeiten war das Ergebnis, und erst in den letzten Jahren scheint man sich, besonders in Deutsch land, über die bedeutsame Rolle zweier Faktoren ziemlich einig zu werden, Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit und die moderne Tuberkulosebekämpfung. 3 nämlich über den Einfluß des sozialen Faktors und der sozialen Versicherungen in Verbindung mit der sozialen Fürsorge. Unsere in der vorliegenden Arbeit zusammengestellten Studien über die Ursachen des Rückganges der Tuberkulose sterblichkeit versuchen dem derzeitigen Stand der Forschung gerecht zu werden und es erschien erwünscht, vor einer Analyse der einzelnen für den Rückgang verantwortlichen Faktoren kurz die Hauptphasen der geschichtlichen Ent wicklung der Krankheitslehre von der Tuberkulose und einige Grundlagen der Tuberkulosestatistik zur Darstellung zu bringen. Die Bearbeitung der einzelnen Abschnitte warf immer wieder neue Fragen auf und ließ die gesonderte Darstellung immer weiterer Teilbeziehungen der Tuberkulose zu sozialen Ein richtungen usw. wünschenswert erscheinen, so daß bald die Einheitlichkeit der Darstellung gefährdet wurde. Wir sahen uns deshalb gezwungen, das Thema dieser Arbeit in dem Sinne zu erweitern, daß bestimmte Gebiete der modernen Tuberkulosebekämpfung in den Rahmen der Arbeit einbezogen wurden und gerade jene Methoden der neuzeitlichen Tuberkulosebekämpfung zur Dar stellung gelangten, deren Einführung nach unseren derzeitigen Kenntnissen über den Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit als besonders begrüßenswert bezeichnet werden muß. Die vorliegende Arbeit kann und soll in ihren ein zelnen Abschnitten nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Der Versuch einer Analyse über die Ursachen des Rückganges der Tuberkulose sterblichkeit in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten soll zu einer Bewertung und Beurteilung der derzeitigen Maßregeln und Einrichtungen im Kampfe gegen die Tuberkulose führen und vor allem die Erfolgsaussichten unserer modernen sozialen, prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen aufweisen. 11. Die Krankheitslehre der Tuberkulose in den Hauptphasen ihrer geschichtlichen Entwicklung. Allgemein bekannt dürfte die Tatsache sein, daß die Tuberkulose fast dO alt ist wie die Menschheit selbst [B. MÖLLERS (1)]. Bereits die ältesten Dokumente der Hinduliteratur enthalten ein ganzes System der Bekämpfung der Lungen schwindsucht. Ebenso finden sich in der alten Literatur der Chinesen und Perser häufige Hinweise auf die Tuberkulose, die allerdings damals noch nicht scharf von anderen Krankheiten abgetrennt werden konnte. Durch die Befunde von SMITH und RUFFER, die den Nachweis des Vorkommens der Tuberkulose bei den Völkern des Alterstums auf Grund tuberkulöser Wirbelearies an ägypti schen Mumien erbrachten, ist an dem Vorkommen der Tuberkulose im Altertum nicht zu zweifeln. Die Schriften des HIPPOKRATES (460-377 v. Chr.) beweisen, daß ihm und seinen Schülern die Lungenschwindsucht gut bekannt ist. Durch die Arbeiten von L. WALDENBURG, HEDINGER und insbesondere durch die klassische Arbeit VIRCHOWs über Phymatie, Tuberkulose und Granulie sind die Grundlagen und Quellen historischen Wissens auf dem Gebiete der Tuber kulose gegeben. Diese Arbeiten haben 1927 einen gewissen Abschluß erfahren durch die wichtige Studie von W. PAGEL über die Krankheitslehre der Phthise in den Phasen ihrer geschichtlichen Entwicklung. Bereits die historische Über sicht von B. MÖLLERS zeigt, von welchen besonderem Interesse eine geschicht liche Betrachtungsweise bei der Tuberkulose sein dürfte. Das neue Quellen material, welches durch W. PAGEL (1) veröffentlicht wird, beweist, daß die 1* 4 M. GUNDEL: Phthiseologie im Lichte ihrer geschichtlichen Entwicklung durch sechs Perioden hindurchgegangen ist. Sie sind mit PAGEL voneinander abhängig "und - mehr durch Wechselwirkung als Kausalität miteinander verbunden _ce doch tragen sie durchaus jede "den Stempel der Eigenart". Die antike Lehre, die sich auf die Hippokratiker, auf Aretaios, GALEN stützt, trägt zweckmäßigerweise auch den Namen der phymatischen oder helkotischen Phthise. Bekanntlich steht VIRCHOW auf dem Standpunkt, daß alle jenen Schilderungen, die von dem Auftreten von Phymata an anderen Körperstellen entworfen werden, es wahr scheinlich machen, daß es sich hierbei nicht um tuberkulöse Veränderungen sondern um Eiterherde beliebig anderen Ursprungs handelt. Wahrscheinlich haben die Alten tuberkulöse Prozesse gesehen, sie haben ihnen aber keinen besonderen Namen gegeben, aus dem sich nach VIRCHOW das Bewußtsein von der spezifischen Natur des Prozesses wiederspiegeln würde. VIRCHOW lehnt sogar die Auffassung von HEDINGER vollständig ab, nach der die hippokratische Definition des Tuberkels unserer modernen Definition recht nahekommend sei. Von der Warte der modernen, völlig umgestalteten Tuberkuloseauffassung aus nimmt nun PAGEL in geistreichen Ausführungen zu VIRCHOWS Würdigung der Grundlagen antiker Phthiseologie Stellung. Unter Hinweis auf die Arbeiten von H. VIERORDT, HEDINGER, WALDENBURG, KÜHN, V. SWIETENS u. a. liefert er eine Analyse, auf deren Einzelheiten ich naturgemäß nicht eingehen kann. Wir müssen uns aber die Auffassung dieser Forscher zu eigen machen, wonach Phyma zweifellos ein erheblich weiterer Begriff als der Miliartuberkel im modernen Sinne ist; sicherlich ist derzeit der Tuberkel auch nicht zur notwendigen Grundlage der Phthise erhoben worden, "aber sicher liegt doch auf der anderen Seite hier ein spezifischer Tatsachenkomplex vor, in dem die morphologische Gegebenheit des Phyma durch ihre Relation und Funktionsbeziehung zu dem klinischen Syndrom der Phthise ihre spezifische Signatur erhält. Phyma ist in diesem Sinne tatsächlich eine phthisisch-tuberkulöse Lungenveränderung" (W. PAGEL, I, S.72). Wenn es sich auch bei einer genaueren Analyse des Wortes Phyma um einen Sammelbegriff entschieden unspezifischen Gepräges handelt, müssen wir doch in den Lungengeschwüren, Lungenknoten und Lungen kavernen, die die Hippokratiker als anatomisches Substrat der Phthise ansahen, auch wirklich im heutigen Sinne spezifisch tuberkulöse Veränderungen erkennen. Der phymatischen Phthise folgt in der Phthiseologie der Renaissance und Neuzeit zunächst die ObstruktionsZehre der Phthise, die ihre Grundlage vor allem in den Arbeiten des PARACELSUS und HELMONT gefunden hat. Den Ausdruck "Tuberkel" bringt in Beziehung zur Lungenschwindsucht als erster SYLVIUS, der die Tuberkel als vergrößerte Lymphdrüsen der Lungen ansah, die durch Vereiterung in kleinere oder größere Geschwüre (Vomicae) übergehen können. Die Vomica ist zunächst nichts anderes als eine Eiterhöhle, sie ist aber die Kaverne in unserem Sinne (Vomica = Geschwfuszerfallhöhle, während Kaverne bis SYLVIUS keine medizinischen Bezüge erkennen läßt, dann erst sind die Cavernulae die Maschen der normalen Lunge). Lange. bis in das 17. und 18. Jahrhundert, bleiben die Beziehungen von Phthise und Vomica locker. Nun nimmt SYLVIUS an, daß kleinere oder größere "drüsige Tuberkel" ("glandu losa in pulmonibus tubercula"), die mehr oder weniger Eiter enthalten und von einer eigenen dünnen Wand umschlossen, zu Kavernen und dadurch nicht selten zum Ausgangspunkt der Phthise werden können. Durch die auf SYLVIUS Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit und die moderne Tuberkulosebekämpfung. 5 folgenden Forscher ist jedoch der Vomica kein streng spezifischer Charakter verliehen worden, denn es ist im allgemeinen keine Trennung der Begriffe einer tuberkulösen Zerfallshöhle und eines metapneumonischen Abscesses vorgenommen worden. Erst in der dritten Periode mit LAENNEC, die durch PAGEL als Identitäts lehre der Phthise bezeichnet wird, werden weitere grundlegende Fortschritte erzielt. In dieser Zeitperiode wird die Ansicht vertreten, daß die Tuberkulose entweder als abgegrenzte, isolierte Tuberkel oder als tuberkulöse Infiltration beginnen und auftreten könne. Sie können beide erweichen und stellen dann eine einzige Art der Phthisis dar, die auf Tuberkel beruhende tuberkulöse Phthise. Im Gegensatz zu vielen anderen betrachtet LAENNEC den Tuberkel nicht als ein Entzündungsprodukt sondern als eine Neubildung. Es folgt jetzt - auf die ersten beiden Perioden der Phthiseologie, gekennzeichnet durch die antiken Begriffe der phymatischen und helkotischen Phthise auf der einen und im neuzeitlichem Begriff der Obstruktionsphthise auf der anderen Seite, sowie auf die durch den Namen LAENNEC eindeutig bezeichnete dritte Periode die vierte, die Ära der entschieden morphologischen Forscher und zugleich die fünfte, die Ära der experimentell-bakteriologischen Epoche. Die fünfte gab der sechsten, der immunbiologischen Periode, das Leben. In der Neuzeit sind von allergrößter Wichtigkeit die fünfte und sechste Periode geworden, in denen durch eine Verbindung bakteriologischer und morphologischer Problematik, durch die Arbeiten der morphologischen Schule und durch die noch immer stark umkämpfte Immunitäts- und Phasenlehre, der Tuberkulose erhebliche, jedoch noch nicht zu voller Übereinstimmung führende Fortschritte erbracht worden sind. Bis in das 19. Jahrhundert hinein hat man sich im Grunde immer wieder mit der Frage der Kontagiosität der Tuberkulose beschäftigt. Jedoch ist es erst R. KOCH gelungen, ein klares Bild von der Verbreitungsweise der Tuberkulose zu zeigen. Von seinen Vorgängern verdient besondere Erwähnung VILLEMIN, der bereits 14 Jahre früher in seinen Studien über die Tuberkulose ein überaus charakteristisches Bild der Epidemiologie der Phthise zeichnete. Aber die Lehre von der Kontagiosität der Tuberkulose ist noch viel älter und man muß wohl GALEN als den Begründer dieser Lehre bezeichnen. Im Gegensatz zu ihm nehmen SYLVIUS, MORTON und besonders auch LAENNEC eine viel zurück haltendere Stellung ein und erst vor relativ kurzer Zeit wurde dann die Konta giosität der Tuberkulose schließlich mit aller Sicherheit bewiesen. Die Phthiseologie bewegt sich damit seit der Renaissance in einer Kurve ziemlich steilen Aufstieges, der eigentlich nur durch unmerkliche Intervalle von Rückschritt oder Stagnation unterbrochen wird. Besonders seit dem 18. Jahrhundert und vor allem mit Ende des 19. und Beginn des 20. sehen wir durch den überaus raschen Wechsel von Betrachtungsweisen, Forschungs methoden und Wertungen zahlreiche Entdeckungen, die für die Krankheits lehre der Phthise einen gewissen Abschluß bedeuten. Wenn damit die weit zurückreichende Geschichte der Tuberkulose uns in vieler Hinsicht wertvollste Aufschlüsse bringt und uns auch eine gewisse Verbreitung der Schwindsucht im Altertum mit einiger Sicherheit erkennen läßt, so fehlen uns doch bis in die neueste Zeit Angaben, die auch nur einen annähernden Einblick in die Häufigkeit der Tuberkulose geben können. Über

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