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Erfahrungsbezogener Unterricht in der Krankenpflege: Neues und Wiederentdecktes für das gemeinsame Lernen PDF

103 Pages·1990·1.555 MB·German
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Fur lurgen, der ein gutes Stuck Wegs mit mir ging M. Mulke-Geisler Erfahrungsbezogener Unterricht in der Krankenpflege Neues und Wiederentdecktes fur das gemeinsame Lernen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokyo HongKong Marianne Mulke-Geisler Am Anger 11 8535 Emskirchen ISBN-13: 978-3-540-15807-3 e-ISBN-13: 978-3-642-96909-6 DOl: 10.1007/978-3-642-96909-6 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Mulke-Geisler, Marianne: Erfahrungsbezogener Unterricht in der KrankenpfJege : Neues und Wiederentdecktes fiir das gemeinsame Lernen/M. Mulke-Geisler. -Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong: Springer, 1990 ISBN-13: 978-3-540-15807-3 © Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 1990 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfiiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei nur auszugsweiser Verwertung vor behalten. Eine Vervielfiiltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzel fall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesre publik Deutschland vom 9. September 1965 in der Fassung vom 24. Juni 1985 zuliissig. Sie ist grundsiitzlich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung a1s frei zu betrachten wiiren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Satz: SatzStudio Pfeifer, Griifelfing 2119/3335-543210 Vorwort In den letzten lahren ist im Krankenpflegbereich einiges in Bewegung geraten. Es werden neue Fragen nach dem pflegerischen SelbstversUindnis, nach alterna tiven Pflegekonzepten und Bewaltigungsformen des pflegerischen Alltags aufge worfen. Vorschnelle und abwiegelnde Antworten in der Diskussion urn Pflege qualitat und Arbeitsbedingungen werden nicht mehr akzeptiert und es werden neue Wege bei der Durchsetzung beruflicher Ziele beschritten. Es wachst ein neues Selbstverstandnis, das auch auf die Inhalte und Methoden der Aus-, Fort-und Weiterbildungzuruckwirkt. Ich mochte mich in diesem Buch den Zugangsformen zur ErschlieBung von Unterrichtsinhalten zuwenden. Dabei sollen methodische Spielraume bei der Gestaltung des theoretischen Kranken pflegeunterrichts ausgelotet werden. Kernpunkt ist dabei die Frage, wie die im Unterricht oft "ausgesperrten" subjektiven Anteile (Erfahrungen, Ideen, Ge fUhle, Bewegungs-und Spielfreude usw.) starker integriert werden konnen. Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch zu verdeutlichen, daB theoretischer Unterricht keine "graue Theorie" ist, sondern ein bunter und lebendiger Ent deckungsprozeB zwischen Lehrenden und Lernenden. An dieser Stelle mochte ich den Schiilerinnen und Schiilern der Krankenpfle geschule am Krankenhaus Waldfriede in Berlin und der Berufsfachschule fUr Krankenpflege an der Medizinischen Universitatsklinik Erlangen ein herzliches Dankeschon sagen fur die Offenheit und Bereitschaft, sich auf manches Stuck "Neuland" einzulassen und es gemeinsam zu gestalten. Diese gemeinsamen Schritte hin zu lebendigeren Lernerfahrungen haben mich ermutigt, diesem Thema ein Buch zu widmen. Ich hoffe, damit keinen neuen "Theorieballast" geliefert zu haben, sondern praxisorientierte Anregun gen, die Neugier und Lust wecken, Neues und Wiederentdecktes in das gemein same Lernen einzubeziehen. Emskirchen, luni 1989 Marianne Mulke-Geisler Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . 1 2 Szenen aus dem Unterrichtsalltag 3 2.1 Alternativbilder yom Unterricht . 9 3 Anmerkungen zum piidagogischen Hintergrund . . . . . . . 11 3.1 Piidagogische Prinzipien als Leitlinien didaktischen Handelns 12 3.1.1 Prinzip des ganzheitlichen Lernens ............ . 12 3.1.2 Prinzip des erfahrungsbezogenen Lernens . . . . . . . . . . 17 3.1.3 Prinzip des situationsbezogenen Lernens (Verwendungsbezug) 19 4 Umsetzungsbedingungen erfahrungsbezogenen Lernens in der Krankenpflegeausbildung 21 4.1 Institutioneller Rahmen . . . . 21 4.2 Lehrpliine/Stoffumfang 23 4.3 Individuelle Ebene des Lehrers 25 4.4 Individuelle Ebene der SchUler 26 5 Planungsiiberlegungen . . . . . 27 5.1 Charakterisierung einiger methodischer Zugangsformen 29 5.1.1 Meditative Ubungen . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.1.2 Gestalten mit Ton . . . . . . . . . . . . . . . . 30 5.1.3 Szenisches Spiel und piidagogische Theaterarbeit 31 5.1.4 Korperiibungen . 33 5.1.5 Interaktionsspiele ... . . . . . . . . . . . . . 35 6 Skizzierung des Unterrichtsabschnitts "Einfiihrung in das Kennen- lernen des Korpers" ............... . 37 6.1 Didaktische Vorbemerkungen .......... . 37 6.2 Unterrichtssequenz "Korper haben - Korper sein" 40 6.3 Unterrichtssequenz "Korpergeschichten" ..... 47 6.4 Unterrichtssequenz "Korper und Kommunikation" 51 6.5 Unterrichtssequenz "Korper und Arbeit im Krankenhaus" 60 6.6 Unterrichtssequenz "Ich atme" 64 6.7 Unterrichtssequenz "Ich bin beweglich" 72 6.8 Unterrichtssequenz "Unsere Hiinde" . 78 VIII Inhaltsverzeichnis 7 Unterrichtssequenz "Vorurteile - die Spriinge in unserer Brille" 83 8 Statt eines SchluBworts ....................... 91 Literatur .................................. 96 1 Einleitung Die Idee, nach anderen Wegen fiir die Unterrichtsgestaltung in der Krankenpfle ge zu suchen, entstand im Verlauf meiner Tatigkeit als Lehrende in der Kran kenpflegeaus-, -fort- und -weiterbildung. Mit zunehmender Routine im Unter richtsalltag spiirte ich ein immer starker werdendes Unbehagen an der Art mei nes Unterrichts in der Krankenpflege. Neben den einengenden schulischen und krankenhausspezifischen Rahmen bedingungen, die ihre Wurzeln in der Struktur unseres Gesundheits- und Bil dungssystems haben, bezog sich das Unbehagen auf die konkrete Unterrichts praxis. Uber die Schwierigkeit der Verkniipfung theoretischen Unterrichts mit praktischer Anleitung am Krankenbett wurde in den letzten Jahren viel disku tiert und geschrieben (z. B. Bienstein u. Reimann 1981). Ein Aspekt, der weit gehend unberiicksichtigt blieb, ist die Art des theoretischen Unterrichts. An die sem Punkt mochte ich meine Uberlegungen ansetzen. Neben einer theoretischen Auseinandersetzung mit Pflegeberuf und Pflegearbeit ist eine Weiterentwick lung und ein Weiterdenken hinsichtlich padagogischer Grundfragen unverzicht bar. Zu vieles lauft im Alltag der Krankenpflegebildungsstatten nach bewahrtem Muster scheinbar reibungslos ab. Bei genauerem Hinsehen und Hinhoren stellen sich jedoch Zweifel ein, ob Art und Erfolg unseres Unterrichtens tatsachlich so zufriedenstellend sind, wie es auf den ersten Blick erscheint. Enttauschte Unterrichtende, unmotivierte Schiiler, die Miihe haben, Theorie in berufliches Handeln umzusetzen, und Patienten, die routinemaBige Verhal tensweisen von Pflegenden beklagen, deuten auch auf ungeloste Probleme der unterrichtlichen Vermittlung hin. Die Ursachen der genannten Phanomene las sen sich natiirlich nicht auf die Form des Unterrichts in der Krankenpflege redu zieren. Die bereits erwahnten, in den gesellschaftlichen Institutionen veranker ten Strukturen spielen bier eine entscheidende Rolle und beeinflussen in vielfal tiger Weise die Realitat des derzeitigen Krankenpflegeunterrichts. Meine Absicht ist es, die Unterrichtsgestaltung aus diesem Problemkreis her auszugreifen, zu hinterfragen und neue Wege zu iiberlegen. Ich mochte kein All heilmittel gegen die Frustrationen des schulischen Alltags anpreisen, sondern ei nige theoretische Uberlegungen in praktische Vorschlage fiir den Unterrichtsall tag umsetzen. Ansatze, die bereits fiir andere Schulbereiche fruchtbar gemacht wurden, sollen auf ihre Anwendbarkeit in der Krankenpflegeaus-, fort- und -weiterbildung befragt werden. Daran anschlieBend will ich einige praktische Anregungen entwickeln, wie Unterricht, der Erfahrung, Gefiihle und Korper lichkeit von Lehrern und Schiilern einbezieht, aussehen kann. 2 Szenen aus dem Unterrichtsalltag lch betrete einen Raum, der durch das iibliche Inventar als Schulraum zu identi fizieren ist. Mehrere Tische stehen mit Ausrichtung auf Lehrerpult und Tafel locker gruppiert auf grau-rotem PVC-FuBbodenbelag. Hinter den Tischen sind Gebilde aus Stahlrohr und Plastik zu erkennen, die als Sitzgelegenheiten dienen. Der Raum ist ca. 35 qm groG und durch einige Neonrohren hell erleuchtet. Will ich einen Blick auf die Biische und Baume des naheliegenden Krankenhausparks werfen, muB ieh mieh auf die Zehenspitzen stellen, denn die Fensterfront be ginnt in ca. 1,50 m Hohe. Bei naherem Hinsehen entdecke ich in einigen Wandschranken etwas unappe titlich aussehende Gebilde, die in einer gelblichen Fliissigkeit schwimmen. Die sorgsame Etikettierung weist sie als menschliche Bestandteile aus. Diese Glaser stehen in enger Nachbarschaft zu den Kunststoffnachbildungen eines menschli chen Schade Is , einigen Handwurzelknochen mit Fingergliedern nebst einem stattlichen Humerus. 1m Nachbarschrank finde ich ein Sortiment Blasenkatheter Herstellungsjahr etwa 1908 sowie einige archaisch anmutende Operationsinstru mente aus der Zeit Sauerbruchs. Nach diesen Wahrnehmungen kann ieh ziem lich sieher sein, den Schulsaal einer Krankenpflegeschule betreten zu haben. Ein Blick in den Lehrmittelraum rundet das Bild abo Dort finde ieh Diaserien, eine groBe Anzahl Wandkarten, die Aufbau und Funktion des menschlichen Korpers zeigen, sowie Dia-und Overheadprojektor, Filmgerat und Epidiaskop. Schamhaft verhiillt werde ich hier und dort ein modernes Videogerat sowie eine komplette Photoausriistung zur Herstellung eigener Diaserien finden. Inzwi schen naht der Unterrichtsbeginn. Der Overheadprojektor wurde betriebsbereit gemacht, Folien zurechtgelegt, ein Plastiktorso gut sichtbar aufgestellt sowie eine Wandkarte entrollt. Kreide und Tafellappen liegen bereit und der Unter richt kann beginnen. Nach einigem Stiihleriicken und Mappenzurechtlegen wird das Unterrichtsthema genannt: Krankenbeobachtung Atmung. Die Lehrerin erklart die Bedeutung der Atmungsbeobachtung in einer kurzen Einfiihrung. AnschlieBend sollen anhand einer Wandkarte die an der Atmung beteiligten Or gane kurz wiederholt werden. Fragen: Wie ist der Bronchialbaum aufgebaut? Wo liegt das Zwerchfell? Welche Muskeln sind an der Ein- und Ausatmung be teiligt? Nun geraten die SchUler teilweise in Bewegung. Der rechte Arm wird ge hoben, urn zu signalisieren, daB man antwortbereit ist. Es entspinnt sich ein Fra ge-Antwort-Spiel an dem ca. 50% der Schiiler beteiligt sind. 1m AnschluB daran werden in vorbereitete Arbeitsbogen wissenswerte Fakten eingetragen. Ein SchUler wird nach vorn gerufen, urn an dem Plastiktorso die ge- 4 2 Szenen aus dem Unterrichtsalltag rade angesprochenen K6rperfragmente herauszulosen, sie dreidimensional zu betrachten und zu erklaren, wie die einzelnen Teile zueinander in Beziehung ste hen. Der nachste Arbeitsschritt bringt einen Methodenwechsel. In Kleingruppen arbeit soIl die Funktion der Atmung rekapituliert werden. Nach einigen unruhi gen Minuten, in denen Stiihle und Tische zurechtgeriickt werden, sprechen die SchUler ca. 10-15 min miteinander. AnschlieBend werden durch Zuruf die Er gebnisse zusammengetragen, iiberpriift und an der Tafel fixiert. Danach gelangt der Overheadprojektor zum Einsatz. An der Wand iiber dem Lehrerpult erscheinen einige Kurven und Zackenlinien, die mit Legenden verse hen sind: normaler und krankhafter Atemrhythmus. Danach wird iiber die prak tische Krankenbeobachtung am Krankenbett gesprochen. Ich nehme wahr, daB in dem nun folgenden Zeitraum von 10 min Formulierungen wie: Ais SchUler/in sollte man ... miiBte man ... darf nicht vergessen werden ... , 12mal auftauchen. Bei fortgeschrittener Unterrichtsstunde beobachte ich, daB einige Schiiler unru hig auf den Stiihlen hin-und herrutschen, einige fliistern miteinander und stoBen sich gegenseitig mit den Ellenbogen an. Manche SchUler legen den Kopf auf ihre auf dem Tisch verschrankten Arme und miissen ermahnt werden, dem Unter richt in angemessener Korperhaltung zu folgen. Ich verlasse nun vor Ende der Unterrichtsstunde den imaginaren Klassenraum mit der Frage: Was ist auffiillig, bemerkenswert oder einfach alltaglich an dieser kurzen zufalligen Unterrichts szene? Ich mochte folgendes festhalten: - Die Schiiler/innen verbrachten die gesamte Unterrichtszeit (bis auf eine kurze Unterbrechung) auf ihren Stiihlen sitzend. - Die Hauptaktivitat war auf Sprechen und Schreiben reduziert. Das Unterrichtsthema wurde den Schiilern durch Anschauungsmaterial nahe gebracht. - Das Unterrichtsgeschehen orientierte sich weitgehend am fragen-entwickeln- den Lehrer-SchUler-Gesprach. Diese wenigen Punkte beschreiben nur einige Aspekte der Oberflachenstruktur des Unterrichts in der Krankenpflegeausbildung. Ich m6chte fragen, aufwelche Charakteristika der Tiefenstruktur des Unterrichts die beobachteten Phanome ne hinweisen konnten. Lassen wir nun also die skizzenhaften Eindriicke aus dem Schulalltag beiseite und wenden wir uns den tieferen Schichten des Unterrichts in der Krankenpflegeausbildung zu. Beobachtungsleitend sollen dabei die Fragen sein: - Woran orientiert sich die Auswahl von Zielen, Inhalten und Methoden in der Krankenpflegeausbildung? - An welchen Punkten des Schulalltags werden die unterrichtssteuernden Prin zipien und Normen deutlich. Besieht man sich die Stundenaufteilung der einzelnen Unterrichtsfacher und die Gewichtung der Themengebiete bei den Priifungen, wird deutlich, daB die medizinische Wissenschaft mit ihren Teildisziplinen nach wie vor den Ton an gibt. Sie schreibt die Grundmelodie vor, der aIle anderen Elemente zu- und

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