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Epochen moderner Literatur: Ein systemtheoretischer Entwurf PDF

274 Pages·1995·5.159 MB·German
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Gerhard Plumpe Epochen moderner Literatur Ein systemtheoretischer Entwurf Gerhard Plumpe Epochen moderner Literatur Gerhard Plumpe Epochen moderner Literatur Ein systemtheoretischer Entwurf Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme Plumpe, Gerhard: Epochen moderner Literatur: ein systemtheoretischer Entwurf I Gerhard Plumpe. ISBN 978-3-531-12527-5 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1995 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt ins besondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. U mschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt Satz: ITS Text und Satz GmbH, Herford Gedruckt auf säurefreiem Papier ISBN 978-3-531-12527-5 ISBN 978-3-663-09954-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-09954-3 Inhalt Einleitung: Vom Dilemma der Epochenbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 "Klassik" als Epochenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kapitel 1: Systemgeschichte der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Systemtheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Literatur als System und als Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 System-Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Kapitel 2: Romantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Tautologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Programme der "Autonomie" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Kapitel 3: Realismus 105 Begriffsgeschichtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Religiöse Realitätskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Materialistische Realitätskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Idealistische Realitätskonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Konsequenter Naturalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Kapitel 4: Ästhetizismus 138 L'art pour l'art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Aspekte des Ästhetizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Sprach-Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Deutschsprachiger Ästhetizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5 Kapitel 5: Avantgarde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Nietzsches Avantgarde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Futurismus in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Dadas sozio-semantische Anarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Produktionskunst Marxismus und Avantgarde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Avantgarde in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Kapitel 6: Postismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Neo-Avantgarde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Neo-Ästhetizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Neo-Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Postmoderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Personenregister 266 Sachregister 271 6 Einleitung: Vom Dilemma der Epochenbegriffe In diesem Buch wird der Versuch unternommen, eine neue Epochengliederung der modernen deutschen Literatur zu entwickeln. Unter moderner Literatur ver stehen wir die Literatur seit etwa 1770, d.h. die Literatur, die uns vertraut ist, keiner aufwendigen Kommentierung zu ihrem Verständnis bedarf, noch gelesen wird und ins Repertoire unserer Theater gehört. Wir werden ausführlich begrün den, weshalb die Literatur seit Ausgang des 18. Jahrhunderts insgesamt unter den Titel der "Moderne" gestellt werden kann und insofern gewissermaßen eine Großepoche darstellt, deren interne zeitliche Gliederung unser Problem ist. Die Absicht, einen neuen Vorschlag zur Epochengliederung moderner deut scher Literatur ins Gespräch zu bringen, bedarf der Rechtfertigung. Ist ein solches Unterfangen nicht schlechthin unnötig oder überflüssig? Ein Blick in eine ger manistische Institutsbibliothek oder der Besuch einer gut sortierten Buchhandlung informiert rasch darüber, daß wir eine größere Anzahl von Literaturgeschichten zur Verfügung haben, die allesamt Epochenbegriffe verwenden und so das Be dürfnis ihrer Leser nach historischer Orientierung im Felde der Literatur bedienen können. An Epochentiteln herrscht kein Mangel; blicken wir nur auf den Zeitraum, der hier "Moderne" genannt wird, dann offerieren uns aktuelle Literaturgeschich ten eine Fülle solcher Titel; in der zeitlichen Abfolge etwa "Aufklärung", "Emp findsamkeit", "Sturm und Drang", "Klassik", "Romantik", "Junges Deutschland", "Biedermeier", "Vormärz", "Realismus", "Naturalismus", "Moderne", "Jugend stil", "Impressionismus", "Dekadenz", "Ästhetizismus", "Fin de siede", "Jahr hundertwende", "Expressionismus", "Dadaismus", "Weimarer Republik", "Neue Sachlichkeit", "Faschismus"/"3. Reich", "Exil", "Adenauerzeit", "DDR", "Ge genwart", "Postmoderne". Einige dieser Epochentitel scheinen unstrittig zu sein und finden sich so gut wie in jeder der verfügbaren Literaturgeschichten, etwa "Klassik", "Romantik", "Realismus" oder "Expressionismus"; andere erscheinen weniger überzeugend und problematischer; so herrscht etwa Unklarheit darüber, ob der Zeitraum zwi schen "Romantik" und "Realismus" passender "Vormärz" oder besser "Bieder meier'' genannt soll; Probleme scheint auch die Zeit um 1900 zu bereiten: die Vielzahl der sich hier drängelnden Epochentitel zeigt das an. Einige Literatur historiker sind offenbar der Auffassung, daß die Bezeichnung "Literatur der Jahr hundertwende" ein Ausweg aus dem Epochennamenfindungsdilemma sein könn te. Daß die schlichte Bezeichnung der Gegenwartsliteratur als "Gegenwartslite ratur" lediglich die unabwendbare Unfähigkeit zur Selbstdistanzierung der Ge genwart als epochentitelfähiger Vergangenheit belegt, erscheint demgegenüber 7 eher unproblematisch. Es muß der Zukunft überlassen bleiben, unsere Gegenwart als "Epoche" zu identifizieren. Wenn also an kurrenten Epochenbezeichnungen für die deutsche Literatur der Moderne kein Mangel ist, dann erscheint es unnötig und überflüssig, weitere oder andere hinzuzuerfinden. Es sei denn, es stellte sich heraus, die gebräuch lichen Epochenbezeichnungen würfen ernste theoretische Probleme auf, die es lohnend erscheinen ließen, nach Alternativen Ausschau zu halten. Und in der Tat: Ernste theoretische Probleme stellen sich unweigerlich ein, wenn man die gebräuchlichen Epochentitel näher betrachtet. Bewußt zugespitzt läßt sich fol gende Vermutung formulieren: Die verwandten Epochenbezeichnungen beziehen sich auf völlig unterschiedliche, oft sogar widersprüchliche Konzeptionen von der Eigenart der Literatur, und zwar in aller Regel im Argumentations- und Darstellungszusammenhang jeder einzelnen Literaturgeschichte. Denn die Be züge, in denen die Epochentitel ihre Signifikanz gewinnen, sind überaus hete rogen, ja fast beliebig. Da gibt es zunächst Epochenbegriffe, die auf die pure Chronologie referieren: Literatur der "Jahrhundertwende", der "Gegenwart". Wenn man nicht der Überzeugung ist, daß etwa Jahrhundertwenden per se eine semantische Aufladung implizieren - potenziert etwa noch in der uns bald be vorstehenden Jahrtausendwende -, dann besagt der Epochentitel "Literatur der Jahrhundertwende" kaum mehr als etwa die Bezeichnung "Literatur der achtziger Jahre". Die annalistischen Bezeichnungen sind Schwundstufen vollmundigerer Epochenbegriffe; sie kapitulieren vor den Problemen semantischer Füllung und ziehen sich auf das unbestreitbare Faktum zurück, daß um 1900 Literatur pro duziert wurde, deren Verfasser möglicherweise das Bewußtsein einer Zeitwende hatten. Dann gibt es Epochentitel, die auf die politische oder Sozial-Geschichte referieren: "Vormärz" etwa, oder Literatur der "Weimarer Republik", des "Fa schismus", der "Adenauerzeit" usw. Der "Realismus" des 19. Jahrhunderts wird etwa gern als "bürgerlicher" oder auch als "vorindustrieller Realismus" bezeich net. Es wundert fast, daß noch niemand auf die Idee gekommen ist, die Erfindung des Reißverschlusses als epochales Ereignis der deutschen Literaturgeschichte zu deklarieren. Nimmt man die sozialgeschichtlichen Epochentitel ernst, dann gelangt man zu dem Ergebnis, daß die "eigentliche" Geschichte im Bereich von Wirtschaft, Politik und Sozialstruktur zu suchen ist, in den "harten" Fakten, deren Widerschein dann die schönen Imaginationen der Poesie erfüllt. Sie selbst aber hat keine eigene Geschichte, sie borgt ihre Historizität anderswo. So definiert etwa Peter Stein in einer repräsentativen Darstellung die Epoche des "Vormärz" mit folgenden Worten: Es handele sich um jene Periode, "in der sich der Widerspruch zwischen der ökonomischen Emanzipation vom Feudalismus und der politischen Gebundenheit an ihn, oder anders ausgedruckt: der Widerspruch zwischen der verzögerten Bürgerlichen Revolution und der sich entfaltenden Industriellen Revolution herausbildete, verschärfte und zu einem ersten Austrag kam. [Dementsprechend] gewinnt im politisch-ideologischen Bereich ( ... ) der Zu sammenhang zwischen dem politischen Kampf ( ... ) und dem ideologischen Kampf (. .. ) immer schärfere Konturen. In dieser Umwälzung des Überbaus ( ... ) reproduziert sich der 8 oben beschriebene Widerspruch als Widerstreit der 'Weltanschauungen', d.h. politisch als Auseinandersetzung zwischen restaurativen und revolutionären Tendenzen( ... ), ideologisch als Kampf zwischen Tradition und Neuerertum."1 Wissenschaftsgeschichtlich - und man kann es dem Duktus dieses Zitats ent nehmen-sind die meisten dieser sozialgeschichtlich referentialisierten Epochen titel von der marxistischen Gesellschaftstheorie abgeleitet, in der Kunst und Li teratur als "Ausdruck" oder "Reflex" vorgängiger und entscheidender ökonomi scher und politischer Prozesse aufgefaßt worden sind. Auch wo die Härte der marxistischen Thesen im Paradigma einer "Sozialgeschichte der Literatur" auf geweicht wurde, bleibt der Eindruck doch bestehen, daß der Literatur eine ei gendirigierte Geschichte nicht eigentlich zuerkannt wird. Ein Effekt dieses Den kens zeigt sich etwa noch in jenen Examensarbeiten oder Seminarreferaten, die Rilkes "Duineser Elegien" gewidmet sind und ihr Thema mit einer Darstellung des deutschen "Imperialismus" eröffnen. Beliebt sind auch Hinweise auf den Ausbau des Schweizer Eisenbahnnetzes, wenn etwa Gottfried Kellers "Seldwyler" Novellen zur Diskussion stehen. Dann gibt es Epochentitel, die auf Geistes- oder Mentalitätsgeschichte refe rieren, in erster Linie "Aufklärung", aber auch "Empfindsamkeit", "Dekadenz" oder "Neue Sachlichkeit". Hier ist es die Geschichte philosophischer "Ideen", des "Bewußtseins" oder "Un-Bewußtseins", der "Gestimmtheit", deren Bahn die jeweilige Literatur zu folgen scheint. Soweit diese Betrachtungsweise heute noch Resonanz findet, lebt sie vom Erbe der sogenannten Geistesgeschichte, deren idealistische Prägung im 19. Jahrhundert die Literatur als eine der Gestalten des sich selbst bewegenden "Geistes" ausgelegt hat. Heute erscheint der "Geist" meist zur "Mentalität" depotenziert und derart in das sozialgeschichtliche For schungsdesign eingearbeitet. Dann gibt es Epochenbegriffe, die der bildenden Kunst entlehnt sind - etwa "Jugendstil" oder "Impressionismus" - und von der Suggestion leben, daß die Literatur parallele Stilintentionen erkennen lasse wie die zeitgleiche Malerei oder Graphik. Im engeren Sinn literarische Epochenbegriffe finden sich auch: "Klassik" und "Romantik", "Realismus" und "Expressionismus"; aber schaut man genauer hin, dann muß man feststellen, daß sie dem allgemeinen Schicksal einer hete rogenen, meist "sozialgeschichtlich" eingefärbten Referentialisierung nicht ent gangen sind. Von "Weimarer Hof-Klassik" ist etwa die Rede. Nimmt man die gebräuchlichen Epochentitel als Indikatoren für den theore tischen Zustand der germanistischen Literaturwissenschaft, dann zeigt sich in bestürzender Deutlichkeit das Bild einer wissenschaftlichen Disziplin, die keinen eigenen Gegenstand vorweisen kann. Denn das Wort "Literatur" zerspellt in di verse Facetten und Komponenten, die in keiner Synthese zusammengefügt werden können. Ob es die Geschichte der Politik oder der Ökonomie, des Geistes oder der Mentalität, ob es Stilelemente der Malerei oder am Ende pure Jahreszahlen 1 P. Stein: Epochenproblem "Vormärz" (1815-1848). Stuttgart 1974, S. 30. 9 sind: Eine spezifische Geschichtlichkeit der Literatur, die mehr und anderes wäre als Reflex oder Wiederholung anderswo ablaufender "Geschichten", gerät in den modernen Literaturgeschichten - nimmt man ihre Epochenbegriffe als Indikator - gänzlich aus dem Blick. Die Beobachtung, daß die germanistische Literaturgeschichtsschreibung viele ihrer Epochenbegriffe bei anderen Disziplinen ausborgt, daß sie die Zeitlichkeit der Literatur an die Zeitlichkeit anderer Prozesse - der Politik, Ökonomie oder Ideenevolution - anlehnt und sich derart eine theoretische Dauerkrise einhandelt, erschöpft die Probleme der Epochenbegriffe aber noch keineswegs. Denn ein Blick auf ihre Pragmatik macht den Eindruck unabweisbar, daß die Literatur geschichte keineswegs in erster Linie an der Reflexion der spezifischen Zeit lichkeit, der eigendirigierten Evolution moderner Literatur interessiert ist und etwa zu dem an sich erwartbaren Resultat käme, daß die Epochen von Ökonomie, Politik, Philosophie und Literatur nicht übereinstimmen; als Eindruck stellt sich vielmehr die Vermutung ein, daß viele Epochenbegriffe überdeterminiert sind und letzten Endes politischen Interessen gehorchen. Man würde es sich zu einfach machen, wollte man diese Vermutung lediglich mit der Praxis der marxistischen Literaturgeschichtsschreibung belegen. Gewiß ist es befremdlich, wenn man bei der Durchsicht der offiziellen, vielbändigen Literaturgeschichte der ehemaligen DDR auf folgende Epochentitel der deutschen Dichtung stößt: "Die deutsche Literatur in der Endphase des Feudalabsolutismus und am Vorabend der bür gerlichen Revolution in Frankreich" - oder: "Von der Pariser Kommune (!) bis zur Konsolidierung des Imperialismus" - oder: "Literatur in der ersten Etappe des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus (1917 - 1945)" - oder: "So zialistische Nationalliteratur der DDR".2 In kurzschlüssiger Manier werden hier die phantastischen Konzepte einer am Ziel der proletarischen Weltrevolution und des Kommunismus orientierten Geschichtsverlaufsspekulation auf die arme Li teratur projiziert, der nichts zu tun bleibt, als den Triumph des "Fortschritts" zu spiegeln und zu illustrieren. Daß solche fast zur Karikatur entstellten Epo chenbegriffe nichts anderes sind als kulturpolitische Legitimationsbeschaffungs maßnahmen, dürfte nicht erst heute außer Frage stehen. Wie sieht es aber mit unschuldigeren Epochenbegriffen aus? Wir wiesen schon darauf hin, daß dem Streit um die Charakterisierung der deutschen Literatur zwischen "Romantik" und "Realismus", der Debatte um die Frage, ob "Bieder meier'' oder ob "Vormärz" der passendere Titel sei, letzthin ein kulturpolitischer Streit zugrunde liegt, der unter der Losung "progressiv" kontra "konservativ" geführt wird. Auch wenn man die sich allmählich beruhigende und ins akade mische Fahrwasser zurückgleitende Diskussion um die Signatur der Gegenwart -ihre Modernität qder Post-Modernität-betrachtet, kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß das Bemühen um den literaturgeschichtlichen Epochentitel "Postmoderne" einem diffusen kulturpolitischen Interesse verpflichtet war. An keinem Begriff zeigt sich die politische Übercodierung aber deutlicher 2 V gl. Geschichte der deutschen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin 1974ff. 10

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