Rheinisch-Westfalische Akademie der Wissenschaften Natur-, Ingenieur-uncl Wirtschaftswissenschaften Vortrage . N 399 Herausgegeben von cler Rheinisch-Westfalischen Akaclemie cler Wissenschaften HORST KLEINKAUF Enzymatische Synthese biologisch aktiver Antibiotikapeptide und immunologisch suppressiver Cyclosporinderivate HELMUT SIES Reaktive Sauerstoffspezies: Prooxidantien und Antioxidantien in Biologie und Medizin Westdeutscher Verlag 380. Sitzung am 9. Januar 199.2 in Düsseldorf Die Deutsche Blbhothek -CIP·Einheitsaufnahme Kleinkauf, Horst: EnzymatlSChe Synthese biologisch aktiver AntibiotikapeptIde und immunologisch suppressiver Cyclospormderivate / Horst K1einkauf. Reaktive Sauerstoffspezies / Helmut Si ... [380. Sitzung am 9. Januar 1992 in Düsseldorf]. -Opladen: Westdt. Verl.,l993 (Vorträge / Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften: Natur-, Inge meur-und Wirtschaftswissenschaften; N 399) ISBN-13: 978-3-531-08399-5 NE: SI", Helmut: Reaktive Sauerstoffspezi ..; Rheinisch-Westfälische Akademie der W1SSenschaften (Düsseldorf): Vorträge / Natur-, Ingenieur-und Wirtschafts wissenschaften Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. © 1993 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag Satz Verarbeitung: Boss-Druck, Kleve ISSN 0066-5754 ISBN 978-3-531-08399-5 ISBN 978-3-322-85582-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-85582-4 Inhalt Horst Kleinkauf, Berlin Enzymatische Synthese biologisch aktiver Antibiotikapeptide und immunologisch suppressiver Cyclosporinderivate ...... . . . . . . . . . . . . 7 Diskussionsbeitrage Professor Dr. med. Ludwig E. Feinendegen; Professor Dr. rer. nat. Horst Kleinkauf; Professor Dr. sc. techno Kurt Schaffner; Professor Dr. rer. nat. Werner Schreyer; Professor Dr. rer. nat., Dr. hc. multo Gunther Wilke; Pro fessor Dr. rer. nat. Hermann Sahm; Professor Dr. rer. nat. Ulrich Thurm.. 21 Helmut Sies Reaktive Sauerstoffspezies: Prooxidantien und Antioxidantien in Biologie und Medizin 27 Reaktive Sauerstoffspezies: Prooxidantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 Antioxidantien .................................................. 32 Carotinoide ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Ernahrungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43 Thiole und Selen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 44 Adaptationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 48 Diskussionsbeitrage Professor Dr. med. habil. Erich Fuchs; Professor Dr. med. Helmut Sies; Pro fessor Dr. rer. nat. Horst Kleinkauf; Professor Dr. rer. nat. Eckart Kneller; Professor Dr. agr. Fritz Fuhr; Professor Dr. med. Ludwig E. Feinendegen; Professor Dr. med. Jurgen Schrader; Professor Dr. rer. nat. Achim Trebst . . 51 Enzymatische Synthese biologisch aktiver Antibiotikapeptide und immunologisch suppressiver Cyclosporinderivate von Horst Kleinkauf, Berlin In der Zelle gibt es verschiedene Peptid-Biosynthesewege. Am bekanntesten ist das ribosomale System, ein komplexer Mechanismus, in dem bis zu 180 Kom ponenten an der Peptidbildung beteiligt sind. Mit dem ribosomalen System las sen sich lineare Proteine jeder Sequenz und Lange aus den in der Zelle fiir die Proteinsynthese zur Verfiigung stehenden zwanzig proteinogenen Aminosauren synthetisieren. Das Resultat ist abhangig von der jeweiligen Botenribonuklein saure (mRNS), die yom Ribosom abgelesen wird. Das ist etwa zu vergleichen mit einem Auswahlprogramm, das auf einem FlieBband eingestellt werden kann. Die Aminosauren werden unter Adenosintriphosphat-(AT P)-verbrauch als Ami noacyladenylate aktiviert und dann an Transfer-Ribonukleinsauren (tRNA's) gebunden und von dort zum Ribosom transportiert. Der Einbau der verschiede nen Aminosauren in die Polypeptidkette erfolgt mit hoher Spezifitat. Der rich tige Einbau wird dabei durch einen Korrekturlese-Mechanismus iiberpriift. Diese Schritte sind energieaufwendig, so daB pro Peptidbindung 4 bis 5,5 Hochenergie Phosphatbindungen verbraucht werden. Die auf diese Weise synthetisierten Pro teine unterliegen einem Modellierungsverfahren zum Endprodukt, wobei Amino sauresequenzen ab-oder herausgeschnitten oder auch modifiziert werden. Eine weitere Moglichkeit, Peptide zu synthetisieren, ist die nicht-ribosomale Biosynthese komplexer Peptide an multifunktionalen Enzymen, die als Thio template-Mechanismus bezeichnet wird. Dieser Biosynthesemechanismus wird zur Bildung von Peptiden benutzt, die ungewohnliche Aminosaurekomponenten neben den fUr die Proteinsynthese erforderlichen zwanzig Grundaminosauren enthalten. Dieser Synthesemechanismus konnte bisher nur in Prokaryonten und niederen eukaryontischen Pilzen nachgewiesen werden. An der Peptidsyn these sind weder Ribosomen noch Transfer-oder Messenger-Ribonukleinsauren beteiligt. Multifunktionelle Enzyme iibernehmen die Auswahl der Aminosauren oder Hydroxysauren, die als Grundbausteine auf einem festgelegten FlieBband programm fiir das fertige Endprodukt dienen. Die Aktivierung der Aminosauren bzw. Hydroxysauren, Modifizierungen wie Epimerisierung und Methylierung, Peptid- und Esterbindung und die Zyklisierung des Peptides erfolgt auf einem Multienzym. So konnen lineare, verzweigte, zyklische Peptide oder auch Depsi Peptide gebildet werden. Die Aktivierung der Aminosauren erfolgt unter A TP- 8 Horst Kleinkauf Verbrauch mit der Aminoacyladenylatbildung. Diese Aminoacyladenylate wer den dann auf SH-Gruppen am gleichen Enzym tibertragen. Die wachsende Pep tidkette ist am Kofaktor 4' -Phosphopantethein gebunden und wird durch Trans fer zur nachsten thioesteraktivierten Aminosaure und dortiger Transpeptidierung verlangert. Verglichen mit dem ribosomalen System ist die Spezifitat der Aminosaurebin dungsstelle sehr gering. In der Natur findet man daher immer eine Reihe analoger Substanzen zum Hauptsyntheseprodukt. Ftir die enzymatische Peptidsynthese kann man sich diese Unspezifitat der Aminosaure- bzw. Hydroxysaure-Aktivie rungsstelle zu Nutzen machen und neben den zwanzig proteinogenen Amino sauren eine groBe Anzahl von Analogen an deren Stelle einbauen. Einige hundert solcher Analoge sind in Peptiden bekannt. So findet man beispielsweise D-Ami nosauren, Ornithin, Diaminobuttersaure, usw. Neben den verschiedenen Ana logen treten haufig Modifizierungen wie N-Methylierungen und Epimerisierun gen auf. Die Lange der auf diese Weise synthetisierten Peptide'ist auf etwa zwan zig Aminosauren begrenzt. Neben diesen multifurrktionellen Biosyntheseprozessen existieren weitere nicht-ribosomale Biosyntheseprozesse, an denen keine multifunktionellen Enzyme, sondern Einzelenzyme beteiligt sind. Bekannte Beispiele hierfiir sind die Glutathionbiosynthese sowie die Biosynthese von Pentapeptidketten in ver schiedenen Bakterienzellwanden. Auch hier finden wir eine niedrige Spezifitat des Aminosaureeinbaus und nicht-proteinogene Aminosauren dienen ebenfalls als Substrate fUr analoge Endprodukte. Die Zwischenprodukte sind nicht wie bei den multifunktionalen Systemen an das Enzym gebunden, sondern 16s1ich, so daB beispielsweise das zweite Enzym in der Synthese von Glutathion - die Glutathion-Synthetase - das freie Dipeptid (y-Glutamyl-Cystein) und ebenfalls die dritte Aminosaure, das Glycin, erkennen muB. 1m Gegensatz zu den FlieB bandprozessen handelt es sich hierbei urn eine Art ZulieferungsprozeB. Lassen Sie mich zuriickkommen zu den multifunktionellen Enzymsystemen, die hier vorgestellt werden sollen. Das zuerst entdeckte und inzwischen auch am besten untersuchte nicht-ribosomale Peptidsynthesesystem ist das der Gra micidin-S-Synthetasen (Fig. 1). Das sind zwei multifunktionelle Enzyme, die ein Pentapeptid synthetisieren. Die Aminosauren werden dabei unter ATP-Ver brauch zunachst als Adenylate aktiviert und diese dann auf SH-Gruppen tiber tragen und als thioesteraktivierte Aminosauren gebunden. Die Peptidbindung erfolgt durch Transferierung des am Kofaktor 4' -Phosphopantethein gebundenen Peptides zur nachsten thioesteraktivierten Aminosaure und dortiger Transpepti dierung. 1m Falle der Gramicidin-Synthetase 1 wird L-Phenylalanin als Adenylat und dann als Thioester gebunden. Der Thioester wird epimerisiert und nur das D-Phenylalanin auf das Prolin der Gramicidinsynthetase 2 tibertragen. Die auf Enzymatische Synthese biologisch aktiver Peptide 9 Tyrocidin Synthetase 2 Gramicidin ~GramiCidin Tyrocidin Pro -Phe Synthetase 2 /L-Leu . .. Synthetase 1 Synthetase 1L ~/!.-P /h e 2 3 '\. L-Orn D-Phe ! O-Phe I \ 1 4 \ L-Vol L-Pro Leu 5Asn r ~ \W L-Pro L-~ol 6 ) \ I Orn9 Gin '- a 7,/ ~-Phe L'Orn Vol_Tyr ~" / Gramicidin Gramicidin . L-Leu Synthetase 2 Synthetase 1 Tyrocidin Synthetase 3 Tyrocidin Gramicidin-S Fig. 1: Peptidsynthetasen und Sequenz der Aminosauren in Tyrocidin und Gramicidin S. Die entsprechenden multifunktionalen Enzyme sind die Tyrocidin Synthetase 1, GroBe 120 kDa, Tyrocidin Synthetase 2, GroBe 420 kDa und Tyrocidin Synthetase 3, GroBe 800 kDa. Entsprechend in der rechten Abbildung Gramicidin S Synthetase 1, GroBe 126 kDa und Gramicidin S Synthetase 2, GroBe 560 kDa der Gramicidin-Synthetase 2 vorhandenen voneinander unabhangigen Aktivie rungszentren fur Prolin, Valin, Ornithin und Leucin aktivieren und binden in gleicher Weise wie beim Phenylalanin die Aminosaure zunachst als Adenylate und dann als Thioester. Die Peptidkette wachst dabei, am 4' -Phosphopantethein hangend, yom Di-zum Tri-, Tetra-und schlieGlich zum Pentapeptid. Zwei dieser Pentapeptide kondensieren in einer Kopfschwanzkondensation, urn das Decapep tid Gramicidin S zu bilden (Fig. 2). In ahnlicher Weise wie Gramicidin S werden die Tyrocidine yom Bacillus brevis ATCC 8185 synthetisiert. Hierbei handelt es sich ebenfalls urn ein Deca peptid, das eine mit dem Gramicidin S identische Penta-Aminosauresequenz enthaIt. Flir die Biosynthese sind drei Enzyme notwendig, die Tyrocidinsynthe tase 1 aktiviert ebenfalls, wie die Gramicidinsynthetase 1, L-Phenylalanin und epimerisiert es zum D-Phenylalanin: Tyrocidinsynthetase 2 rugt Prolin, L-Phe nylalanin und D-Phenylalanin an die wachsende Peptidkette und Tyrocidinsyn thetase 3 steuert die restlichen Aminosauren zur Synthese bei, die Aminosauren Asparagin, Glutamin, Thyrosin, Valin, Ornithin und Leucin. Die Aktivierung der Aminosauren bzw. der Peptide erfolgt wie in allen weiteren aufgezahlten Synthesebeispielen wie beim Gramicidin S (Fig. 2). 10 Horst Kleinkauf INIT1ATlON ELONGATION -{ Fig. 2: Gramicidin S-Biosynthese. Reaktionen auf den Multienzymen Gramicidin S-Synthetase 1 und 2 (GS1 und GS2). Die Figur zeigt die A TP-abhangigen Aminosaureaktivierungsreaktionen auf den Multienzymen Gramicidin S Synthetasen 1 und 2, die Thioesterbildung der entsprechenden Aminoacyla denylate, die Epimerisierung des Phenylalanins, den Peptidtransfer am Kofaktor 4' Phos phopantethein und die Zyklisierung zweier Pentapeptide zum Decapeptid Gramicidin S Ein weiteres Beispiel, an dem ebenfalls drei Enzyme beteiligt sind, ist die Bio synthese des Bacitracins. Am ersten Enzym, der Bacitracinsynthetase 1, werden flinf Aminosauren aktiviert. Das zweite Enzym aktiviert die Aminosauren sechs und sieben, und das dritte Enzym die Aminosauren acht bis zwolf. Die Initia tion beginnt mit enzymgebundenem Isoleucin-Cystein, das zum Thiazolinring modifiziert wird. Mit der Zyklisierung der Peptidstruktur zwischen Lysin (der Enzymatische Synthese biologisch aktiver Peptide 11 Fig. 3: Schema der Biosynthese des Bacitracins Aminosaure 6) und Asparagin (der Aminosaure 12) wird die Synthese des Dode capeptids abgeschlossen (Fig. 3). Eine interessante Biosynthesevariante finden wir in Depsipeptid-Biosynthesen. Hierbei werden Aminosauren und Hyxdroxysauren in gleichen Weise unter ATP-Verbrauch als Adenylate aktiviert und im zweiten Schritt, wie wir das schon in der Gramicidin-Synthese gesehen haben, als Thioester gebunden. Es erfolgt dann die N-Methylierung der Thioester-aktivierten Aminosaure durch S-Adenosyl-Methionin. Die nachsten Schritte sind dann die Peptidbildung und darauf die Kniipfung der Esterbindungen und schlieBlich die Zyklisierung. All diese Reaktionen erfolgen auf einem Multienzym einer einzelnen Polypeptid kette mit einem Molekulargewicht von 400 Kilodalton (Fig. 4). Molekulargenetische Studien, die Biosynthesewege zu komplexen Metaboliten untersuchten, haben eine Anhaufung von entsprechenden Genen in Enzymen ergeben, die an der Biosynthese beteiligt sind. In der Peptidbiosynthese sind diese Anhaufungen von Genen nicht auf Prokaryonten beschrankt, sondern fin den sich auch in Eukaryonten, wie beispielsweise Aspergillus, Cephalosporum und Penicillin. In der Gramidicin- und Tyrocidinsynthetase sind solche Gen-Cluster von M. Marahiel in unserem Labor nachgewiesen worden. Bialaphos, ein Tripeptid mit einer Phosphono-Aminosaure, enthalt ebenfalls ein solches Gen-Cluster, wie Charles Thompson vom Institut Pasteur zeigen konnte. Detaillierte Infor-