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Entwicklungs- und Bildungsroman: Ein Forschungsbericht PDF

123 Pages·1969·16.14 MB·German
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ENTWICKLUNGS- UND BILDUNGSROMAN LOTHAR KOHN Entwicklungs und Bildungsroman EIN FORSCHUNGSBERICHT Mit einem Nachtrag MCMLXIX J.B. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART ErweiterterSonderdruckaus Deutsche Vierteljahrsschriftfur Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Jahrgang42 (1968)Heft 3und4 ISBN 978-3-476-98872-0 ISBN 978-3-476-98871-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-98871-3 © 1969 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung undCarlErnst Poeschel VerlagGmbHinStuttgart1969 INHALT Vorbemerkung VII Einleitung . . I. ERZIEHUNGSROMAN, ENTWICKLUNGSROMAN, BILDUNGSROMAN Verwendung der Begriffeund Definitionen 4 Erziehungsroman . . . . . . . . . . . 8 Entwicklungsromanin typologischer Sicht 9 Bildungsromanals Romanart . . . 15 II. GESCHICHTE DES BILDUNGSROMANS Bildungsromanund Autobiographie 20 Allgemeines und Gesamtdarstellungen 22 18. und 19.Jahrhundert. 20.Jahrhundert . III. EINZELNE ROMANE UND AUTOREN H.J.Chr. v. Grimmelshausen: 'Der Abentheurliche Sirnplicissimus Teutsch' . . . . . . . . . . . . . . 47 Chr.M.Wieland: 'Geschichte des Agathon' . . . . . 50 F. v.Blanckenburg. . . . . . . . . . . . . . . . 53 J.W.Goethe: 'Wilhelm Meisters theatralische Sendung' . 53 'WilhelmMeisters Lehrjahre' 54 K.Ph.Moritz: 'Anton Reiser' . . . 59 Novalis: 'Heinrichvon Ofterdingen' 60 Jean Paul: 'Titan' . . . . . . 61 K.lmmermann: 'Die Epigonen' 64 A.Stifter: 'DerNachsommer' . 65 G.Keller: 'Dergriine Heinrich' 68 H.Hesse • . . . . 70 Th.Mann . . . . 73 H.Broch, R.Musil . 77 IV. MOTIVE, THEMEN, FORMELEMBNTE 78 Bildungsromanund Utopie . . . 82 V. ZUSAMMENFASSUNG, FORSCHUNGSPROBLEME V NACHTRAG Zur Gattungsbestimmung. Geschichte des Bildungsromans 18.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . 92 19.Jahrhundert(Bildungsroman und Zeitroman) . 93 20.Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . 97 Themenund Strukturen . . . . . . . . . . . . 99 Forschungsproblem:der sozialistische Erziehungsroman 1°5 Register . 1°9 VI VORBEMERKUNG In einem Forschungsberichtist vieles zwangsliiuiig ktirzer und allgemeinerzu fassen, als es notwendig ware; Begriffe, Urteile und Ergebnisse mtissen immer wieder einfach vorgestellt werden, wahrend doch eine eingehende Erorterung unerlafslich zu sein scheint, und die Argumentationslinie hat sich der referierten Forschunganzubequemen.Gleichwohlistesmoglich,tiber die Einzelbesprechung hinaus mehroderwenigerentschiedeneAkzentezu setzen, laBtsich dieeine oder andere Fragestellung grundsatzlich durchhalten. Das ist hier zumindest versucht worden. Der verhaltnismalllg groBe Spielraum, der fur die Materialauswahl ge geben war, hat sich dabei auch als Vorteil erwiesen. Vollstandigkeit schied als Kriterium in jeder Hinsicht von vornherein aus. Zwar sind alle Spezialarbeiten zum Bildungs-, Entwicklungs-und Erziehungsroman besprochen oderverzeich networden, die bibliographierenderMuhe zuganglich waren, aber manches wird man trotzdem vermissen, zumal, wenn essich urn Studien zu einzelnenAutoren oderurnArbeitenhandelt,derenTitelsichnichtdirektaufdasThemadesBerichts beziehr. Padagogen und Psychologen haben sich mit dem Bildungsromanunter Gesichtspunkten beschaftigt, die kaum berticksichtigt werden konnten, obwohl sie fur den Literarhistoriker von Interesse sein mogen. Andrerseits beschrankt sichderBerichtnichtaufdiespeziellenUntersuchungentiber den Bildungsroman; dasistimfolgendenverschiedentlichbegrtindetunddurchdieAnlagedesGanzen gerechtfertigt. Die literaturwissenschaftlichenBernuhungenurn den Bildungsromanundseine Geschichte sind zugleich ein Ausschnitt aus der Wissenschaftsgeschichte der Germanistik. Es ware sicher zu viel gesagt, wenn man darin das beherrschende Themadieses Berichts sehen wollte. Er mtiBtesonstanders angelegtsein, durfte nicht die Erkenntnisliterarischer Texte so in den Mittelpunktstellen, wie es ge schehenist,Indeswar diewissenschaftlicheSelbstreflexion,undseiesansatzweise, vonderReflexion aufden Gegenstandnichtzu trennen, weilsicheben dieser Ge genstand im hermeneutisch-dialektischen VerstehensprozeB mit verandert. Der StandpunktderfragendenReflexion ist bewuBtbeibehaltenundnichteiner neuen Methodenunmittelbarkeitzuliebe verlassen worden. VII Der Bericht erscheint hier gegenuber der Veroffentlichung in der 'Deutschen Vierteljahrsschrift' urn einen Nachtrag erweitert, der im Mai 1969abgeschlossen wurde. Ich muBte daraufverzichten, die jtingste Literatur zu einzelnen Autoren undRomanen- entsprechenddemAbschnittIII- durchzuarbeiten.SollteWesent lichestiber den Bildungsromanerschienensein,dasmirentgangenist,sowaredas auch der Ltickenhaftigkeit und der wohl unvermeidlichcn Verzogerung der In formationen zuzuschreiben. Zu danken habe ich den Herausgebern der 'Deutschen Vierteljahrsschrift', die einem Forschungsbericht tiber den Bildungsroman von Anfang an mit groflern Interessezugestimmtundihnsoin der vorliegendenFormerst ermoglichthaben. Dankenmochteich auch meinerFrau;siehat mir nichtnurbeim Lesen der Kor rekturenund bei der Anfertigung des Registers geholfen. Tubingen, August 1969 L.K. VIII EINLEITUNG »Ich mochte die Romane, welche die Schule des Wilhelm Meister ausmachen (dennRousseausverwandteKunstformwirkteaufsienichtfort),Bildungsromane nennen. Goethes Werk zeigt menschliche Ausbildung in verschiedenen Stufen, Gestalten,Lebensepochenx-).AlsWilhelmDilthey1870denBegriffunddie damit gemeinteRomanartkurzumriJ3,schienzumindestderBegriffneu, wennauchdie literarhistorischen Beziehungen bekannt waren; als er 1906 in seinem Holderlin AufsatzdaszuvorAngedeuteteweiterausfuhrte,hattederBegriffbereitsbegonnen, sich einzubiirgern. »Der Hyperion«, schrieb Dilthey, »gehort zu den Bildungs romanen,die unterdemEinfluBRousseausinDeutschlandaus derRichtungunse res damaligen Geistesaufinnere Kulturhervorgegangensinde"). Seitdemhatdie Forschung immer neueWerke als Erziehungs-, Bildungs- und sparer auch Ent wicklungsromaneeingestuft, und die vonDiltheyimplizierteEinsicht, esgeheda urn eine typisch deutsche Romanform, ist zu einer Art von Topos geworden. In welcher Richtung ersich entwickeln konnte, belegt schon die pathetische Fest stellungSchroeders(1904), »daJ3nurdeutscherGeistunddeutscheUniversalitat... derarthoheundinhaltreicheFragenzu behandelnvermochtene"), wie sie derBil dungsroman aufgebe. Schroeder reklamierte unter solchen VorzeichenWielands 'Agathon' fur die hohe Romanart. GanzahnlichlieJ3 sich zwei Jahre sparerH.A. KrugervernehmenC),derdenBegriff»deutscher«Bildungsromanzum»Ehrentitel« erhob (S.258) undstolz erlauterte:»Seit Goethe besitzen wir... eine Romanart, die ganzausgesprochennationalesGepragetragt, wie sieeigenartiger,individuel- 1)WilhelmDilthey, Das Leben Schleiermachers.Bd. I.a.Aufl,Berlin-Leipzig 1922, S·317. 2) WilhelmDilthey, Das Erlebnis und dieDichtung,Lessing, Goethe, Novalis, Hol derlin. I4.Aufl.Gottingen1965(KleineVandenhoeck-Reihe 191),S.272. 3)Friedrich Wilh.Schroeder,Wielands'Agathon'und dieAnfangedesmodemenBil dungsromans.Diss.Konigsberg1904,S.25. •)Hermann Anders Kroger, Der neuere deutsche Bildungsroman. Westermanns Monatshefte.5I.Jg.Bd.101,i.Teil,1906,S.257-272. ler kein anderesVolk aufzuweisen hat. den deutschen Bildungsroman...•der im letztenJahrhundertganzeigentlichderRomanderDichterundDenkerwarundes voraussichtlichauchbleibenwird«.(S.270)Krugerversuchtesichdennauchselbst indem Genre('GottfriedKampfer'. 1904f.).EinederartigeArgumentationkonnte den Begriff von vornherein, je nach Blickrichtung, ideologisch aufwerten oder vollstandigdiskreditieren. Ob der Bildungsromannurfortschreitenden »deutschwissenschaftlichen« Ten denzen in der Germanistik verfiel"),der - so Thomas Mann 1930- »Philologen Ideologie,Germanisten-RomantikundNordglaubigkeitausakademisch-professo raler Spharec"), die seine Inhalte in mehr und mehr restaurativer (»das poetische und sittliche Niveau des alterenBildungsromanszuerreichen«,Kruger.S.272).in latentoderganzoffenpolitischerFormzurechtbogen,oderob ertatsachlichStruk turzwangezumAusdruckbringt,dieihn zumindestpartielldafurpradisponieren das ist eine derFragen,diesichmitdem Bildungsromanstarkeralsmitvergleich barenRomanarten(historischerRoman.Gesellschaftsromanusf.)verkniipfthabcn, Uberden Erkenntniswertder ganz andersartigen ErorterungenDiltheysist damit noch nicht viel gesagt. Er schenkt seine Aufmerksamkeit den geistesgeschicht lichen.aberauch den sozialenBedingungen,unterdenen die Romanartentstand: »Sosprechendiese Bildungsromaneden IndividualismuseinerKulturaus, dieauf die Interessensphare des Privatlebens eingeschrankt ist, Das Machtwirken des Staates in Beamtentum und Militarwesen stand in den deutschen Mittel- und Kleinstaaten dem jungen Geschlecht der Schriftsteller als eine fremde Gewalt gegenuber.Manentziickteundberauschtesich an den EntdeckungenderDichter inderWeltdesIndividuumsundseinerSelbsrbildungc").Gleichesistvorher")und nachher in zahlreichenArbeitenwiederholtoderabgewandeltworden.Wenndes halb neuereAuBerungen tiberdie Romanart- etwa, urn vorgreifendnur diese zu nennen, von H.H.Borcherdt, K.Vietor, F.Martini. R.Pascal. H.Seidler.W.Prei sendanz- die These vom»deutschen«Bildungsromantradieren9),so ware esvor schnell, den Verfassern zu unterstellen, sie seien einem falschen Mythos aufge sessen. Die Sachlage wird Freilichdadurch nicht gerade einfacher, daB die Forschung bis heutenichtzu einerLosungder »Bestimmungsproblematik«gelangtist10),zu einerDefinition und Abgrenzung dessen also. was iiberhauptals Bildungsroman bezeichnet werden soll, Literaturwissenschaftliche Gattungsforschung, so hat Hans Hermann Malmede kiirzlich ausgefuhrt, und damit auch die Gattungsdefi- I)Vgl. dazuetwa diein dem Bandchen'Germanistik- cinedeutsche Wissenschaft' gesamme!tenBeitragevonEiLamrnert,W.Killy. K.O.Conradyund P.v.Polenz (edition suhrkamp 204.Frankfurt/M,1967). •)Thomas Mann. Deutsche Ansprache. In: Gesamme!teWerke. Bd. XI. Frankfurt! Main1960.S.878. ') Dilthey,Erlebnis(Anm.2).S.272. 6) Heinrich Heine beispielsweise kommt am Schluf seiner'Briefe ausBerlin' (1822) beieinemVergleichzwischenfranzosischern,englischemund deutschemRoman zusehr ahnlichenErgebnissen. 9)SiefindetsichauchindenmeistenSachworterbiichern,soim'Lexikon derWe!tlite ratur'.Bearb.vonHeinzKindermann u.MargareteDietrich.Wien-Stuttgart1950;inder a.Aufl.des'ReallexikonsderdeutschenLiteraturgeschichte' (vgl.Anm.30);im'Kleinen literarischenLexikon'.4.,neubearb.u.starkerw.Aufl.Bem-Miinchen1966(Bd.3);in Gerov;Wilperts'SachworterbuchderLiteratur',4.erw.Aufl.Stuttgart1964- hierunter demStichwort 'Enrwicklungsrornan'. 10)Fritz Martini, Der Bildungsroman. Zur Geschichte desWortes und der Theorie, DVjs.35.1961, S.44-63;S.62. 2

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