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Entgrenzung des Menschen PDF

52 Pages·2012·0.291 MB·German
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Rainer Funk Entgrenzung des Menschen Centaurus Pocket Apps Rainer Funk Entgrenzung des Menschen Centaurus Verlag & Media UG Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. ISBN 978-3-86226-174-1 ISBN 978-3-86226-846-7 (eBook) D OI 10.1007/978-3-86226-846-7 ISSN 2193-1119 Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbrei- tung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfah- ren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder un- ter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. © CENTAURUS Verlag & Media KG, Freiburg 2012 www.centaurus-verlag.de Umschlaggestaltung: Jasmin Morgenthaler, Visuelle Kommunikation Satz: Vorlage des Autors Inhalt Einleitung 7 1. Die „sozial-psychologische“ Perspektive 8 2. Erscheinungsweise des entgrenzten Menschen 12 3. Gründe für das Entgrenzungsstreben der Vielen 18 a) Die neuen Entgrenzungsmöglichkeiten 19 b) Entgrenzung als Erfordernis in Wirtschaft und Arbeitswelt 20 c) Entgrenzung durch Produktion von Wirklichkeit 23 4. Die Internalisierung des Entgrenzungsstrebens 24 5. Methoden der Entgrenzung der eigenen Persönlichkeit 28 a) Die Entgrenzung durch psychotrope Substanzen und exzessives Verhalten 28 b) Entgrenzung durch Inszenierung 29 c) Entgrenzung durch Simulation und Virtualisierung 31 6. Trägt das Entgrenzungsstreben zum Gelingen des Menschen bei? 34 7. Auswirkungen des Entgrenzungsstrebens auf die Psyche des Menschen 39 a) Enteignung der Antriebskräfte und des Identitätserleben 39 b) Entbundene Beziehung 40 c) Gemachte Gefühle und Ausblenden negativer Gefühle 41 d) Selbst gesetzte Regeln ohne Über-Ich 42 8. Entgrenzungsstreben und Soziale Arbeit: Konsequenzen 44 Literaturverzeichnis 49 Über den Autor 51 6 Einleitung Digitale Technik, Vernetzungsmöglichkeiten und elektroni- sche Medien haben neue Dimensionen der Selbstbestimmung und Freiheit des Menschen ermöglicht. Wirklichkeit kann neu und anders konstruiert werden. Dies trifft auf die Wirklich- keit zu, die uns umgibt, aber auch auf die Wirklichkeit, die wir selbst sind. Mit Hilfe von medialer Inszenierung und Si- mulation lässt sich auch der Mensch neu erfinden. Psycho- techniken helfen dabei, keine unangenehmen Gefühle mehr spüren zu müssen, und das Eintauchen in virtuelle Realitäten macht aus der Unerträglichkeit eine Leichtigkeit des Seins. Das Zauberwort für diese neue grenzenlose Freiheit heißt „Entgrenzung“. Immer mehr Menschen streben danach, die Begrenztheit ihres Denkens, Fühlens und Handelns hinter sich zu lassen und ihre Persönlichkeit neu zu erfinden. Wie es zu einem solchen Entgrenzungsstreben kommt, welche Wir- kungen und Risiken sich bei der Entgrenzung der Persönlich- keit ergeben und welche Konsequenzen die Entgrenzung des Menschen für die Sozialarbeit hat, davon soll nachfolgend in sozialpsychologischer Perspektive die Rede sein. Den Ausführungen liegt ein Vortrag zugrunde, der beim vierten Fachforum für Soziale Arbeit im Dezember 2011 an der Dualen Hochschule Baden-Württembergs in Stuttgart ge- halten wurde. 7 1. Die „sozial-psychologische“ Perspektive Der Reiz jedes sozialpsychologischen Ansatzes liegt darin, dass er die geläufigen Bestimmungen von Psychologie (deren Objekt der Einzelne ist) und Soziologie (deren Objekt die Ge- sellschaft ist) zu überwinden versucht und hierbei zu einem neuen Verständnis von Individuum und Gesellschaft und ih- rer gegenseitigen Verwobenheit kommt. Dabei wird Psychologie hier so verstanden, dass das Ver- halten des Menschen, also sein Denken, Fühlen und Handeln, weitgehend von inneren Strebungen mitbestimmt wird, deren sich der Mensch nur zum Teil bewusst ist. Nur so nämlich lässt sich wissenschaftlich fassen, dass das faktische Verhal- ten im Widerspruch zu seinem bewussten Wollen steht und dass Menschen von irrationalen Ängsten, Zwängen, Strebun- gen gesteuert werden. Sigmund Freud, der diese psychoana- lytische Richtung der Psychologie begründet hat, erklärte das irrationale Streben im menschlichen Verhalten mit der Ver- drängung von Trieben. Er sah deshalb den Menschen auch in erster Linie als von angeborenen Trieben gesteuert. Dieser triebtheoretische Ansatz wurde aus guten Gründen bereits schon zu Lebzeiten Freuds von Erich Fromm in Frage gestellt. Anders als Freud verfolgte der Soziologe Fromm von Anfang an psychische Phänomene mit einem primär sozial- psychologischen Interesse: Er wollte herausfinden, warum sich viele Menschen auf ähnliche Weise irrational verhalten. Dieses veränderte erkenntnisleitende Interesse brachte es mit sich, dass Fromm auch eine Antwort auf die Frage finden musste, was die inneren Antriebskräfte der Betreffenden mit ihrer gemeinsamen Lebenspraxis, das heißt mit den wirt- 8 schaftlichen Verhältnissen und den gesellschaftlichen Erfor- dernissen, zu tun haben. Damit aber stellte sich für Fromm die Frage, ob es wirk- lich angeborene Triebe sind oder ob nicht vielmehr das Bezo- gensein auf die Wirklichkeit und auf andere Menschen jene energetische Quelle ist, die uns mit Leidenschaftlichkeit et- was wahrnehmen, fühlen und erstreben lässt. Wenn aber nicht angeborene Triebe, sondern das Bedürfnis nach Bezogenheit befriedigt werden muss, dann spielen die Erfordernisse des gesellschaftlichen Gelingens bei der Ausbildung der psychi- schen Antriebskräfte eine ganz entscheidende prägende Rol- le. Das Besondere am psychoanalytischen Ansatz Fromms ist deshalb darin zu sehen, dass er den Menschen als ein schon immer bezogenes Wesen begreift und dass er diese primäre Sozialität nicht nur im Sinne des Interaktions-Sozialen als vorgängige Bezogenheit auf andere Einzelne versteht, son- dern als eine allen konkreten Beziehungsaufnahmen voraus liegende gesellschaftliche Bezogenheit, die im Gesellschafts- Charakters ihre psychische Repräsentanz hat. Das Interperso- nelle und das Interaktions-Soziale sind bei Fromm dem Ge- sellschaftlichen (im Sinne des Kollektiv-Sozialen) nachge- ordnet. Fromm hat diesen sozialpsychologischen Ansatz mit dem Begriff des Gesellschafts- oder Sozial-Charakters operationa- bel gemacht (vgl. Funk, 2000 und 2011a). Die Erfordernisse des Wirtschaftens und der Vergesellung, also das, was eine Wirtschaft und Gesellschaft zu ihrer Stabilität und ihrem ei- genen Gelingen braucht, findet sich verinnerlicht wieder in den Charakterorientierungen und Charakterzügen derer, die in dieser Gesellschaft beheimatet sein wollen. Der Gesell- 9

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