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Englischsprachige Autoren PDF

316 Pages·2004·34.104 MB·German
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Englischsprach ige Autoren metzler kompakt Bernd Engler / Eberhard Kreutzer / Kurt Müller / Ansgar Nünning (Hrsg.) Engl ischsprach ige Autoren 113 Porträts Verlag J. B. Metzler Stuttgart· Weimar Achebe Achebe, Chinua sion wird er in seinem Buch über »Die Geb. 16.11. 1930 in Ogidi, Nigeria Befriedung der Wilden am Niger« der Geschichte Okonkwos ein kleines Kapi Mehr als fünf Millionen Exemplare sind tel widmen. In diesem scheinbar be von Chinua Achebes Erstlingsroman langlosen Wechsel der Erzählperspek Things Fall Apart (1957; Okonkwo oder tive faßt A. die Grundkonstellation Das Alte stürzt, 1983) verkauft worden. postkolonialer Literatur zusammen: Er steht vielerorts in Lehrplänen afrika Der Diskurs über Afrika wird von den nischer Schulen und Universitäten, und Kolonialisten beherrscht, das Afrikabild über keinen afrikanischen Autor sind so ist aus Ignoranz und rassistischer Arro viele wissenschaftliche Publikationen ganz verzerrt worden. Bis zu dieser Pas erschienen. Der Roman handelt vom sage belegt der Roman, daß die Ge ersten Kontakt der Igbo mit der Kolo schichte Afrikas vor Ankunft der Wei nialmacht Großbritannien, vom Beginn ßen eben nicht »eine endlose Nacht der des Kolonialismus. Geschrieben hat A. Barbarei« war, daß die Afrikaner selbst das Werk kurz vor der Unabhängigkeit das Wort ergreifen müssen, um das Bild Nigerias, am Ende der Kolonialzeit. Er vom »dunklen Kontinent« zu korrigie hat einen historisch verbürgten Fall des ren. In der Figur des Distriktverwalters Widerstands gegen das britische Vor stellt A. einen Hauptvertreter des afrika dringen aufgegriffen. In seiner Fiktio nischen Kolonialromans bloß: Joyce nalisierung rückt er das Igbo-Dorf Cary, der ebenfalls Distriktverwalter in Umuofia in den Mittelpunkt, um die Nigeria war. In A.s Augen repräsentiert Spannungen zwischen kulturellem er die Arroganz und Ignoranz des Au Wandel, verkörpert durch Obi erika, tors im Kolonialdienst, der im Gegen und konservativem Beharren, verkör satz zum einfühlsamen Künstler der li pert durch Okonkwo, Inbegriff aller Ig terarischen Tradition des Westens steht. bo-Tugenden, zu illustrieren. Okonkwo Things Fall Apart hat die realistische hat sich als Krieger ausgezeichnet, ist »Achebe School« begründet. Die folgen aber durch zwei Tötungsdelikte in einen den Romane Arrow of God (1964; Der Konflikt mit seiner Gesellschaft geraten Pfeil Gottes, 1965), No Longer at Ease und endet ehrlos durch Selbstmord. Er (1960; Heimkehr in ein fremdes Land, hat einen Kolonialpolizisten getötet, um 1963), A Man of the People (1966; Ein sein Dorf zum Aufstand gegen die Bri Mann des Volkes, 1966) und die Kurz ten anzustacheln. An den Anfang des geschichtensammlung Girls at War Romans stellt A. den Gründungsmythos (1972) führen A.s Projekt der Wort Umuofias, der mit dem Sieg über den ergreifung für eine afrikanische Ge Geist der Wüstenei die Überwindung schichtsperspektive fort, von der Kolo des Chaos durch gesellschaftliche Ord nialzeit in den 1920er Jahren über die nung verdeutlicht. A. zeigt Umuofia als Unabhängigkeitsbewegung bis zum er Gemeinwesen, das auf einer klaren sten Militärputsch und dem Biafra Rechtsordnung aufgebaut ist: Erst die Krieg. Heute betrachtet die Kritik A.s Kolonialmacht verwirft diese Ordnung. Erzählwerk differenzierter. Über die Unter dem Vorwand, den »Wilden« Zi rein reaktive Intention des Gegendis vilisation zu bringen, öffnet sie der Kor kurses (»writing back«) werden A.s Ro ruption und Willkür die Tür. Okonk mane als Illustration dessen gelesen, wos Selbstmord - ein Verstoß gegen die was Theoretiker der Postkolonialität wie Erdgöttin - symbolisiert den Zerfall der Edward Said oder Kwame Anthony Ap alten Ordnung. In der Schlußpassage piah propagieren. Auch A. hat in seinen gibt A. dem Distriktverwalter das Wort: Essays die literarischen Repräsentatio Als Beleg seiner zivilisatorischen Mis- nen der Postkolonialität durch theo- 2 Ackroyd retische Erwägungen ergänzt. In »The schreibt die Militärregime nach dem African Writer and the English Lan Bürgerkrieg von vier verschiedenen guage« (1965) stellt er klar, daß die Standpunkten. Drei Schüler des Lu Nationalstaaten Afrikas eine historische gard-Gymnasiums repräsentieren drei Konsequenz des Kolonialismus sind, al Entwicklungsmöglichkeiten des unab so die Autoren, die in den Kolonialspra hängigen Nigerias. Sam, Chef der Mili chen schreiben, nur diesem Faktum tärjunta, steht für die autoritäre Macht. Rechnung tragen. Aber A. beansprucht Chris, Sams Informationsminister, ver für sich, die englische Sprache so zu tritt die korrumpierte Privilegentia, die modifizieren, daß sie seinen Vorstellun überall mitspielt, solange sie persönlich gen von afrikanischer Expressivität ge profitieren kann. Ikem, Journalist und nügt. Damit hat A., der seine Erzähl Dichter, träumt von einer >Graswurze!< texte in Englisch, seine Lyrik aber in Demokratie, die allein den afrikani Igbo schreibt, in dem Streit, in welcher schen Humanismus politisch umsetzen Sprache afrikanische Autoren schreiben könne. Durch ihren Lebensweg und die sollten, eine pragmatische Position persönliche Freundschaft miteinander markiert und eine Lanze für sprachliche verbunden, werden die drei zu tödli Experimente mit Varietäten des Eng chen Kontrahenten. Ikem wird von lischen gebrochen. A. hat sich zudem Sams Geheimdienst ermordet, Sam fällt mit der Imagologie und den hegemo einem Putsch zum Opfer, Chris wird nialen Strukturen des Afrika-Diskurses auf der Flucht von einem Polizisten er auseinandergesetzt, wie er über den Ka schossen. Die vierte Perspektive ist die non der »Great Tradition« perpetuiert von Beatrice, die zwar mit allen drei wird. Nachdem er Kolonialautoren wie Männern liiert ist, aber ihre Unabhän loyce Cary, Graham Greene und lohn gigkeit bewahrt und als einzige über Buchan auf ihren Platz verwiesen hatte, lebt. Sie repräsentiert das (Über-)Le nahm er sich in »African Literature as bensprinzip in einer von Männern kor Restoration of Celebration« (1991) ei rumpierten, außer Kontrolle geratenen nen Schlüsseltext dieser Tradition vor, Gesellschaft. Die feministische Kritik loseph Conrads Heart of Darkness hatte A. wegen seines Frauenbildes in (1899): Er habe lange gebraucht, bis den früheren Romanen heftig kritisiert. ihm klar wurde, daß er nicht an Bord Anthills of the Savannah zeigt auch darin von Marlows Boot den Kongo aufwärts einen Neuansatz, daß Männerdomi fahre, sondern einer der Wilden sei, die nanz als destruktiv gekennzeichnet wird grimmassierend am Ufer tanzen; Con und die maßgebliche Bedeutung der Fe rad entwerfe ein Bild von Afrika als dem minität für die Aufrechterhaltung der fundamental Anderen, der Antithese zu Humanität betont wird. Europa und zur Zivilisation, als Ort, an Eckhard Breitinger dem statt der Intelligenz, Bildung und des Anstands die Bestialität des Men schen vorherrscht. Auch mit seinen Ackroyd, Peter Essays hat A. eine neue Tradition be Geb. 5. 10. 1949 in London gründet, die des Afrika-zentrierten kri tischen Diskurses. Nach 20jährigem Peter Ackroyd, der als experimenteller Schweigen hat A. mit dem Roman Lyriker, Essayist, Kulturkritiker, Rezen Anthills of the Savannah (1987; Ter sent, Herausgeber, Biograph und Ro mitenhügel in der Savanne, 1989) noch manschriftsteller tätig ist, bewältigt in mals eine Neuorientierung in der afri seinen fiktionalen und kritischen kanischen Literatur eingeführt: die mul Werken die Gratwanderung zwischen tiperspektivische Erzählweise. A. be- publikumswirksamen Bestsellern und Ackroyd 3 mehrfach preisgekrönter Literatur mit liche Kirchentexte ein in der betonten Bravour, obwohl die Texte als herme Selektivität von Daten und Textsorten tisch verschrieene postmodern-dekon lebhaftes Bild Londons im Umbruch struktivistische Thesen auf hohem intel vom Katholizismus zum Anglikanis lektuellem Niveau reflektieren. Nach A.s mus. Aussage finden sich die Themen und Auch A.s Romane stellen häufig das theoretisch-philosophischen Vorannah von der (Literatur-)Geschichtsschrei men seiner Biographien, Romane und bung konstruierte Bild historischer Per lyrischen Werke bereits in dem Essay sonen in Frage, wenn z. B. The Last Notes for a New Culture (1976), dessen Testament of Oscar Wilde (1983; Das Titel auf T. S. Eliots Notes Towards the Tagebuch des Oscar Wilde, 1999) in Ta Definition of Culture (1948) anspielt. gebuchform die Perspektive des homo Dieses literarphilosophische Manifest sexuellen Ästhetizisten Wilde ( 1854- faßt in polemisch zugespitzter Form die 1900) auf seinen skandalumwitterten Erkenntnisse des nach dem Abschluß gesellschaftlichen Abstieg imaginativ des Clare College in Cambridge (1968- (re-)konstruiert. Besonders ausgeprägt 71) durch ein Stipendium ermöglichten in den magisch-esoterischen Romanen Studiums an der Yale University 1971- Hawksmoor (1985; Der Fall des Baumei 73 zusammen, wo A. mit den Thesen sters, 1988), First Light (1989; Die Uhr in der sogenannten Yale Critics konfron Gottes Händen, 1992), The House of tiert wurde. Der Text deutet die eng Doctor Dee (1993) und Dan Leno and lische Geistesgeschichte als Verfallsge the Limehouse Golem (1994; Der Golem schichte, da England seit der Restaura von Limehouse, 1998) wirkt die trans tion den Anschluß an außerinsulare historisch-mythische Magie von Lon Modernisierungsschübe verpaßt habe don, dem bevorzugten Handlungsort und sich bis in das 20. Jahrhundert an von A.s Fiktionen, aktiv an der Auf einem essentialistisch konzipierten aes lösung fester Identitätsgrenzen mit, in thetic humanism festklammere. Dieser dem das seit Urzeiten an diesem Platz negativ konnotierte >Humanismus< ma konzentrierte Wissen >Englands< zeit nifestiert sich laut A. vornehmlich in übergreifend Charaktere beeinflußt. Be den Konzeptionen von Selbst, Welt und reits A.s erster Roman, The Great Fire of Sprache und ignoriert als modernistisch London (1982), überlagert historische charakterisierte, sprachzentriert -kon und fiktionale Wirklichkeiten des 19. struktivistische Entwürfe von Subjek und 20. Jahrhunderts, die sich um den tivität, Realität und Kunst, die A. im viktorianischen Autor Charles Dickens Rückgriff auf Theoretiker wie Roland (1812-70) drehen. In Hawksmoor un Barthes, Jacques Derrida und Jacques terminiert das okkulte Weltbild des Lacan entwickelt. - Analog zu den The Kirchenarchitekten Nicholas Dyer im sen des Essays verwischen sowohl A.s 18. Jahrhundert, einer fiktionalen alter Biographien über Ezra Pound (1980), ego-Figur des historischen Nicholas T.S. Eliot (1984; T. S. Eliot, 1988), Char Hawksmoor (1661-1736), die dem les Dickens (1991), William Blake Denken der Aufklärung verpflichteten, (1995; William Blake: Dichter, Maler, rationalistisch-fortschrittsgläubigen Visionär, 2001) und Thomas More überlegungen des Detektivs Nicholas (1998) wie auch seine bislang neun Hawksmoor im London des 20. Jahr Romane die ontologische Differenz hunderts bei seiner Suche nach dem zwischen Fiktion und Wirklichkeit. In Mörder von in Dyers Kirchen aufge The Life of Thomas More z. B. evozie fundenen Leichen so radikal, daß die ren Anekdoten und Briefe, Dialoge, Bewußtseinsinhalte von Dyer aus dem juristische Dokumente und mittelalter- 18. Jahrhundert und diejenigen Hawks- 4 Albee moors im 20. Jahrhundert zu ver quill und seiner Frau wiedergibt. The schmelzen scheinen. Plato Papers (1999) schließlich befaßt Strukturell setzt ein Großteil der Tex sich mit den Bedingungen eines Den te in unterschiedlichen Epochen ange kens von Transzendenz und begreift die siedelte Wirklichkeitsentwürfe relativie transzendentale Obdachlosigkeit der rend zueinander in Beziehung, um so (Post-)Moderne als Chance, eine nicht wohl den Konstruktcharakter der hi absolut gesetzte Transzendenz zu ent storisch spezifischen Denkformationen decken - oder zu konstruieren -, die als auch die interessengeleitete Nach sich an Derridas differance orientiert. träglichkeit der historiographischen Das Konzept wird herausgearbeitet oder biographischen Deutung aufzu über den Protagonisten Plato, der in decken. Im Zentrum dieser fiktionalen diesem historiographisch-metafiktiona Dekonstruktion stehen die in Notes for a len Science-fiction-Roman 3705 n. Chr. New Culture erwähnten Schlüsselkon aus Fragmenten eine Mentalitätsge zepte des Selbst oder der Identität und schichte der Menschheit zu konstru der Sprache bzw. der Kunst. Die hi ieren sucht. Platos )F ehldeutungen< ver storiographische Metafiktion Chatter schiedener Quellentexte aus der Era of ton (1987; Chatterton, 1990) z.B. ver Mouldwarp ca. 1500--2300 n.Chr., die knüpft exemplarische Identitäts- und der Leser als Bruchstücke der für das 19. Kunstkonzepte von historischen und und 20. Jahrhundert bedeutenden anti fiktionalen Künstlerfiguren des 18., 19. metaphysischen Wirklichkeitsmodelle und 20. Jahrhunderts, um dem Verhält von Charles Darwin (1809-82), Karl nis von individueller Originalität und Marx (1818-83) und Sigmund Freud intertextuell geprägter Kopie bei der (1856--1939) erkennt, parodieren einer Schöpfung einer personalen Identität seits diese Meisterdiskurse selbst, an wie auch eines Kunstwerkes nachzu dererseits den Objektivitätsanspruch hi gehen. Milton in America (1996) storiographischer Rekonstruktion. So schreibt das Leben des englischen Dich wird Darwins On the Origin of Species ters John Mitton (1608-74) nach dem als »comic masterpiece« eines Autors Sturz Oliver Cromwells fiktional in ei namens Dickens kategorisiert, Marx' ner puritanischen Siedlung in Amerika Werk dem absurden Humor der Marx fort und stellt dem exzessiv schriftgläu Brothers zugeordnet und Freud auf bigen John Milton mit seinem Diener grund seines aus Platos Sicht satirisch Goosequill einen zwar des Lesens und reduzierten Menschenbildes als »a great Schreibens kundigen, jedoch dominant comic genius of his age« namens Fraud von mündlichen Traditionen geprägten gedeutet. Charakter gegenüber, um die kognitiven Anna-M. Horatschek Codierungen eines mündlich und eines schriftlich geprägten Bewußtseins hin sichtlich des Selbstbildes, der Kommu Albee, Edward nikationsformen und der politischen Geb. 12.3.1928 in Washington, D. C. Ethik zu veranschaulichen. Gleichzeitig illustriert der Roman die Besonderhei Der Anfang von Edward Albees Bio ten der oralen und literalen Kommu graphie liest sich wie ein modernes nikation, indem er Miltons von Goose amerikanisches Märchen: Zwei Wochen quill niedergeschriebene - und respekt nach seiner Geburt wird das uner los kommentierte - Tagebucheinträge, wünschte Kind von einem New Yorker Predigten und (innere) Monologe, aber Millionärsehepaar adoptiert und nach auch seitenlange, wie Dramentexte no dem neuen Großvater, Mitbesitzer einer tierte Dialogpassagen zwischen Goose- Kette von Vaudeville-Theatern, be- Albee 5 nannt. Das Waisenkind wächst so in amerikanischer Durchschnittsbürger) einem äußerst exklusiven Milieu auf, bis und ihrer sprachlichen Kompetenz es gegen den Wunsch der Adoptiveltern (kreative Sprachgewalt/schematisierte 1950 in New Yorks Künstlerviertel Sprechformeln) deutlich voneinander Greenwich Village umzieht, um eine unterscheiden, inszeniert das Drama ei Karriere als Schriftsteller bzw. - seit den ne existentielle Konfrontation, die eine späteren 50er Jahren - als Dramatiker in Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten Angriff zu nehmen. Der große Erfolg eröffnet. So läßt sich die Figur Jerrys der Uraufführung seines Erstlingswerks beispielsweise entweder sozialkritisch The Zoo Story (1959; Die Zoo-Geschich (als Opfer der sozialen Schere, als Pro te, 1962) in West-Berlin (in deutscher dukt urbaner Anonymität oder als Ver Sprache) öffnet A. den Zugang zu den körperung einer Gegenwelt zur bornier Off-Broadway-Theatern und begründet ten Behaglichkeit des Establishments), seinen Aufstieg zu einem der wichtig individualpsychologisch (psychopatho sten Bühnendichter der amerikanischen logischer und homosexueller Subtext), Gegenwartsliteratur. Es ist nicht ohne kollektivpsychologisch (als Peters dunk Ironie, daß ausgerechnet A. - in seiner ler Doppelgänger), mythologisch (als frühen Biographie eine nahezu proto »Guide Figure« im Sinne eines Initia typische Verkörperung des amerikani tionsdramas) oder poetologis.:h (als schen Traums - sich in seinem literari Sprachrohr für A.s dramentheoretische schen Schaffen zu einem der scharf Programmatik) interpretieren. Das sinnigsten Analytiker und schonungs Zweipersonenstück endet mit einem ab losesten Kritiker amerikanischer Ideo surden Kampf um eine Parkbank, die logeme entwickelt hat. Obwohl A. als vordergründig für Peters unheilig-heile, einziger zeitgenössischer Dramatiker kleinbürgerliche Sonntagsruhe steht, gleich dreimal den renommierten Pu hintergründig aber auch ein Symbol für litzer Preis für sich gewinnen konnte, seine Flucht vor einer weiblich domi blieb diese Auszeichnung seinem po nierten Familie und für seine unter pulärsten (und wohl bedeutendsten) schwelligen >Territorialinstinkte< dar Bühnenwerk Who's Afraid of Virginia stellt. Im Verlauf der Auseinanderset Woolf? (1962; Wer hat Angst vor Virginia zung spielt Jerry Peter ein Messer zu, in Woolf?, 1962), das heute weltweit ein das er sich dann mit selbstmörderischer unbestrittener Klassiker im Repertoire Entschlossenheit stürzt. des modernen Theaters ist, aufgrund In seinen Stücken ist es A.s erklärtes einer skandalösen Juryentscheidung Ziel, »die unsichtbare vierte Wand« zum verwehrt. Zuschauerraum zu zerstören. Das Ende Schon der Einakter The Zoo Story der Zoo Story liefert hierfür ein markan konfrontiert den Zuschauer mit The tes Beispiel: Jerry stirbt, Peter flüchtet, men, die für A.s gesamtes <Euvre kon die Zuschauer werden mit desorientie stitutiv sind: die Sinnsuche in einer render Beklemmung aus dem Stück postmetaphysischen Welt, die Auflö entlassen. Unter Aneignung tragender sung einfacher Täter-Opfer-Strukturen, Prinzipien des »Theaters der Grausam Grausamkeit als Mittel zur Selbster keit« von Antonin Artaud versucht A., kenntnis, Destabilisierung von identi die voyeuristische Behaglichkeit seines tät. Anhand des Kontrastes zwischen Publikums zu unterlaufen, es emotional den Handlungsträgern Jerry und Peter, in das Bühnengeschehen zu involvieren die sich hinsichtlich ihrer sozialen Stel und im günstigsten Fall existentiell zu lung (Unterschicht/Mittelklasse), ihres erschüttern. Wie kaum ein zweiter zeit Verhaltens (Nonkonformismus/Konfor genössischer Bühnenautor versucht er mismus), ihrer Lebensentwürfe (Rebell! somit, das klassische Katharsis-Konzept 6 Albee zu aktualisieren. Der mit dem Titel sei lytische Techniken rekurrierenden Des nes Erstlingswerks evozierte Bildbereich illusionierungsprozesses, dem das Pu hat deshalb auch eine poetologische Re blikum unterwgen wird. Bei dem levanz: Erst das Ausreißen trennender Theaterstück handelt es sich keineswegs Gitterstäbe, so A.s existentialistische nur um eine radikal zugespitzte Version Prämisse, ermöglicht Vitalität und den des traditionellen Ehedramas skandina Ausbruch des Animalischen, was sich vischer Prägung. Vielmehr lädt ein eng auch als eine Chiffre für ein riskantes, geflochtenes Gewebe aus intertextuel aber authentisches Leben in Angst und len, zeit- und ideengeschichtlichen An Freiheit verstehen läßt. spielungen zu allegorischen, mythen Auf therapeutische Effekte zielt auch kritischen und gesellschaftsdiagnosti der Schluß des Meisterwerks Who's schen Interpretationen ein. So kann der Afraid of Virginia Woolf? ab. Ausgangs Konflikt zwischen Nick und George situation des Stücks ist eine stark alko auch als eine RekonfIguration des Ge holisierte Nachfeier zu einer offiziellen gensatzes zwischen Natur-und Geistes Party an einem kleinen, neuenglischen wissenschaft oder zwischen opportuni College, zu der die Gastgeber Martha stischem Pragmatismus und ineffizien (Tochter des College-Präsidenten) und tem Intellektualismus gedeutet werden. George (Dozent für Geschichte) den Zudem spielen allein schon die Vor jungen Assistenzprofessor für Biologie namen der beiden Hauptprotagonisten Nick und dessen Frau Honey eingeladen parodistisch auf das erste Präsidenten haben. Wider Willen wird das konster ehepaar der USA an. Wenn das Kind der nierte junge Paar zum Zeugen und In Washingtons zu Grabe getragen wird, strument eines rücksichtslosen Ehe sind weiterführende symbolische Be kriegs. Nach der schonungslosen (und deutungen impliziert: der Verlust der verbal brillanten) Inszenierung eines Illusion von adamitischer Unschuld, die Macht- und Geschlechterkampfs zwi Sterilität bzw. Impotenz der Kinder des schen Martha und George, nach zahl amerikanischen Traums, das Scheitern losen Wortfeuerwerken und Schimpf grandioser Phantasien über geschichtli tiraden, Vorwürfen und Verletzungen, chen Neuanfang oder apokalyptische Beleidigungen und Enthüllungen (alle Erlösung. samt im Kern lang eingeübte, rituali In einigen seiner späteren Werke sierte >Spiele<) endet das Stück mit einer greift A. erneut auf Konventionen des exorzistischen Szene (»The Exorcism« psychologischen Symbolismus und spe lautet die Überschrift zum letzten Akt). ziell auf das Figurenpersonal des Fami Im letzten ihrer bitteren Spiele erklärt liendramas zurück, um existentielle George den fIktiven Sohn, den sich das Grenzerfahrungen in Szene zu setzen, so Ehepaar erfunden und dessen Leben es etwa in A Delicate Balance (1966; Emp seit 21 Jahren mit immer neuen Details findliches Gleichgewicht, 1967), All Over ausgeschmückt hat, für tot. Das Drama (1971; Alles vorbei, 1973), The Lady from schließt mit Marthas einsilbig artiku Dubuque (I980; Die Dame von Dings lierter Angst vor der Zukunft. Die Am ville, 1982) und zuletzt in Three Tall bivalenz dieses Ausgangs läßt es offen, Women (1991; Drei große Frauen, 1992). ob das Ende dieser Illusion den Anfang Insbesondere in den drei letztgenannten einer neu begründeten Zuneigung zwi Bühnenstücken konfrontiert A. sein Pu schen den Eheleuten oder aber mit dem blikum schonungslos und direkt mit Ende der Spiele auch das Ende der Be gerade im Kontext der amerikanischen ziehung markiert. Kein Zweifel hinge Unterhaltungsindustrie tabuisierten gen besteht an dem kalkulierten ka Themen wie Krankheit, Alter und Tod. thartischen Effekt des auf psychoana- In anderen Stücken wie Tiny Alice Atwood 7 (1964; Winzige Alice, 1967) und Sea dritter Arm gewachsen ist. Nach dem scape (1974; Seeskapade, 1975) hingegen ebenso plötzlichen Verschwinden des widmet sich A. mit der Mischung von Auswuchses kompensiert der Titelheld Dramenstilen und der Integration von seine Reduktion auf eine Durch phantastisch-surrealistischen Elemen schnittsexistenz mit einsamen Zechtou ten in ein parabolisches Handlungsge ren und haßerfüllten, aber ohnmächti schehen verstärkt avantgardistischen gen Anklagen, für die er kein Publikum Experimenten. In A.s Spätwerk nimmt findet. Diese selbstreferentielle Qualität Three Tall Wornen, vielleicht das bitter der späten Dramen ist A. insbesondere ste seiner Stücke, eine herausragende von der amerikanischen Theaterkritik Position ein. Das Drama stellt die oft zum Vorwurf gemacht worden. Hauptfigur in drei verschiedenen Pha Nicht in der Wahl seiner Themen und sen ihres Lebens - als A (90jährig), B Motive, sehr wohl aber in seiner Vor (mit 52) und C (im Alter von 26 Jahren) liebe für bestimmte Formen und Struk - simultan auf die Bühne. Mit eindring turen ist A. vermutlich der >europäisch lichen Mitteln und unter völligem Ver ste< unter den zeitgenössischen ame zicht auf sentimentale oder melodrama rikanischen Dramatikern. Vielleicht ist tische Tonlagen produziert A. einen nie dies auch der Grund, warum die euro derschmetternden Kontrast zwischen päische (vor allem die deutsche und dem Verlust an Erinnerung, Kontrolle französische) Literaturkritik mit seinen und Würde im Alter und dem unfun späteren Werken tendenziell nachsich dierten, zukunftsgewissen Idealismus tiger verfahren ist. Diesseits wie jenseits der frühen Jahre. Letztlich werden die des Atlantiks herrscht jedoch weitge mythobiographischen Selbststilisierun hend Einvernehmen darüber, daß es A. gen eines jeden Lebensalters als ver mit dem vermutlich einmaligen Genie hängnisvolle Selbsttäuschungen demas streich Who's Afraid of Virginia Woolj? kiert. Was vordergründig im ersten (na gelungen ist, sich einen festen Spitzen turalistischen) Akt als Identitätsmulti platz in der Geschichte des amerikani plikation beginnt, endet im zweiten schen Dramas zu sichern. (surrealistischen) Teil in einer Identi Werner Reinhart tätsauflösung, die einer grimmigen, pechschwarzen, nihilistischen Weitsicht Ausdruck verleiht. Atwood, Margaret [Eleanor] Seit dem Welterfolg von Who's Afraid Geb. 18.11. 1939 in Ottawa, Kanada of Virginia Woolf wartet die Theater kritik auf ein zweites unstrittiges Mei »There was a great advantage to being a sterstück aus der Feder A.s, nur um ihm Canadian back in 1956, the year I start immer wieder das partielle Scheitern zu ed writing in a manner I tben consid attestieren. Genau dieser hochgespann ered serious: there was no heritage of te Erwartungsdruck wird selbst zum intimidating geniuses looming above Gegenstand einiger Werke. Der Zwei you as you wrote [ ... ]. There were a few akter The Man Who Had Three Arms Canadian writers then, but with their (1983; Der Mann, der drei Arme hatte, usual modesty the Canadians hid them 1984) gerät so zu einer nur spärlich from view, and you had to dig for them verschlüsselten, autobiographisch ein at the very backs of bookstores, among gefarbten Selbststudie über die unheil the maple syrup cookbooks and the vollen Auswirkungen eines zu frühen autumn scenery. All that has now Erfolgs. Ein braver Familienvater avan changed.« Was Margaret Atwood hier ciert zu einem allseits bestaunten Welt anläßlich einer der zahlreichen Preisver wunder, nachdem ihm urplötzlich ein leihungen (zuletzt der Booker Prize

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