König Warpalawas huldigt dem Gotte des Wachstums. Felsrelief mit hieroglyphen- hethitischcr Inschrift aus Ivriz. C.W. CERAM ENGE SCHLUCHT UND SCHWARZER BERG ENTDECKUNG DES HETHITER-REICHES ROWOHLT VERLAG HAMBURG Mit 47 Abbildungen im Text, 55 Bildern auf 49 Kunstdrucktafeln und einer Faltkarte Umschlag- und Embuwientwurf von Weser Rebhuhn 1.-15. Tausend Mal 1955 16.-30. Tausend Juni 1955 31.-45. Tausend August 1955 Copyright 1955 by Kurt W. Marek, New York Alle deutschen Rechte, auch die de* auszugsweisen Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, vorbehalten vom Rowohlt Vertag G. m.b.H., Hamburg Das holzfreie Werkdruckpapier lieferte die Peter Temming AG., GlQckstadt Geaamthentelluog Gerhard Stelling AG., Oldenburg (Oldb) Printed In Germany BOGHAZKÖY türkischer Name einet kleinen Dorfei im Halysbogen in Nord-Anatolien = Paß-, Schlund- oder Schlucht-Dorf KARATEPE türkischer Name einet Bergrückens am früheren Pyramus, im Südosten der heutigen Türkei - Schwarzer Berg INHALTSVERZEICHNIS Seite Einleitung 9 I. DAS GEHEIMNIS DER EXISTENZ 1. Entdeckung und Ahnung ................................... IJ Teander schwamm von Asien nach Europa · Was man 1871 n. Chr. von den Hethitern wußte ■ Wieviel man heute von den Hethitern weiß ■ Der dicke Daumen Asiens ■ Ana tolien - ein Winter wie Amsterdam, ein Sommer wie Toulouse ■ Der Reisende Texier und die Ruinen von Boghazköy ■ «Scheich Ibrahim» ■ Die Steine aus Ha- math * Sayce erahnt das Reich der Hethiter 2. Bibel und neue Forschung ................................... 3° Abraham und die Kinder Heth ■ Die Bibel als historische Quelle * Eine Fellachen frau wirft mit Tontafeln ■ Das Amama-Archiv · Der Bettelbrief des Duschratta ■ Hu- mann und Luschan graben in Zinjirli ■ Löwen unter der «Unterweltsblume» ■ Krank heit und Not · «Das erstrebte Ziel war erreicht... I» * Wirklich ? j. iFirukler gräbt in Boghazköy ................................. 48 Der Antisemit und sein jüdischer Bankier · «tacht-biti» - das Ungeziefer ■ Zia Bey aus seldschukischem Adel ■ Die ersten vierunddreißig Tontafeln ■ Ein königlicher Vertrag: 3100 Jahre alt · Hattusas, die Hauptstadt der Hethiter · Das Festessen bei Zia Bey ■ Tontafeln werden wie Kartoffeln aus dem Acker gehackt · Garstang besucht Winckler · Herr Kammergruber fördert die Wissenschaft II. DAS GEHEIMNIS DER SCHRIFTEN 4. Über die Kunst der Entzifferung.................................................................................................. 67 Tote Sprachen · Die Klassiker: Grotefend und Champollion · Traum der Forscher: die Bilingue ■ William Jones lernt Sanskrit· Die Entdeckung des «Indo-europäischen Sprachstammes» ■ Der «Vorläufige Bericht» des Friedrich Hroznf · «ninda», «ezza» und «vädar» ■ Die Hethiter waten Indoeuropäer I 5. Sprachen die Hethiter betbitiscb i.................................................................................................. 79 Fragen an Hrozn^ ■ Wie kamen Indoeuropäer nach Anatolien? ■ Die Fragwürdigkeit der Ethymologie · Die Grammatik der Hethiter · Ein Forscher verbessert die Fehler der hethitischen Schreiber · Die acht Sprachen von Boghazköy ■ Ist Chinesisch in London eine wichtige Sprache? ■ Wer sprach wirklich «hattili»? · «Du steigst aus dem Meer empor...» · Keilschriften und Hieroglyphen 6. «y4icr nichts kann nichts entziffert werden» .......................... 86 Sayce arbeitet fünfundfunfzig Jahre an den hethitischen Hieroglyphen · König, Stadt und Land ■ Von der Wichtigkeit eines kleinen Striches ■ Der Münzensammler aus Konstantinopel ■ Sechs Zeichen sind entziffert I ■ Das «unbestechliche Auge der Kamera» · Messerschmidt und Jensen · Vierzehn Forscher auf gleicher Fährte ■ Böse Streitigkeiten ■ Die zweisprachigen Siegel von Boghazköy · Der erste Beweis 8 INHALTSVERZEICHNIS III. DAS GEHEIMNIS DER MACHT Seite 7. Die Könige von Hattusas...............................................................................................................105 Geschichtsschreibung - Wissenschaft oder Dichtung ? ■ Herodot und Sueton ■ Ranke und Spengler · Die Erfindung der «Kulturgeschichte» · Der Fluch des Anittas ■ La- barnas gründet das Reich ■ Das Testament des Hattusilis · Mursilis erobert Baby lon · Sippenmord ■ Das Gesetz des Telipinus ■ Die zweihundert toten Jahre 8. Die Wissenschaft vom historischen Datum................................................................................116 Von der Wichtigkeit der Chronologie · Die Grundlagen historischer Zeitrechnung ■ Die Altbabylonische Königsliste WB 444 · Kritik an den Chronisten · Die ersten Fixpunkte ■ Der Kreislauf des Sirius ■ Das älteste Datum der Weltgeschichte? ■ Die 10. Königsstadt nach der Sintflut ■ Das Archiv von Mari ■ Das Isotop C 14 9. Die Schlacht bei Kadesh und der Ewige Friede ........................ 134 Die bedeutsamste Erfindung des 2. Jahrtausends v. Chr. ■ Das erste «Handbuch der Pferdezucht» ■ Suppiluliumas I. ■ Die Witwe des Pharao bittet um einen hethitischen Prinzen · Die Pestgebete des Mursilis ■ Schlachten von Troja bis Dien Bien Phu ■ Die Schlacht bei Kadesh · Der Bericht des Ramses ■ Der Friedensvertrag ■ Die Hochzeits fahrt der Hethiterprinzessin ■ Hattusas brennt 1 10. Stadt und Land - Volk und Sitte .............................. 173 Der Konak Zia Beys - neunzehn Jahre später · «Morjen, Herr Hauptmann!» ■ Auf stand der Arbeiter - Bittel findet Tausende neuer Tontafeln ■ Es gab ein REICH der Hethiter - aber gab es eine hethitische KULTUR ? IV. DAS GEHEIMNIS DES ÜBERLEBENS 11. Die Entdeckung am Schwarzen Berg ............................. 189 Der «Löwenstein» ■ Bossen findet eine semitische Inschrift - und daneben hethitische Hieroglyphen ■ Wer hat den Karatepe wirklich entdeckt? · In den Schwarzen Zelten der Nomaden ■ Eine Burg, Statuen, Reliefs und Inschriften ■ Der Irrtum ■ Nächt liche Begegnung mit dem Karatepe 12. Asitawandas spricht...................................... 206 Die phönizische Inschrift wird übersetzt ■ König Asitawandas, Herr auf dem Karatepe um 730 v. Chr. ■ Das Pronomen «’nk» und der König Anek ■ Zweifel an det Bilingue ■ Steinherr träumt von Hieroglyphen · Noch eine Bilingue ? 13. Ausblick............................................ 21; ANHANG Zeittafel...........................................................................................................................................219 Literaturverzeichnis ...................................... 221 Personen- und Sachregister ...........................................................................................................238 Verzeichnis der Tafelbilder .................................. 246 Bildemacbweis...................................................................................................................................247 Herkunft der Zitate ...................................... 248 Karte des Hethiter-Reiches EINLEITUNG Dieser Bericht von der Entdeckung des Hethiter-Reiches ist ein selb ständiges Buch. Dennoch könnte er sehr gut den Titel tragen Buch der Felsen - er würde sich damit organisch als fünftes Buch den vier voran gegangenen angliedern, die ich vor einiger Zeit unter der Überschrift Götter, Gräber und Gelehrte zu einem «Roman der Archäologie» ver einigte. Ich beschrieb dort vier Kulturkreise. Nicht in der direkten Art des Historikers, sondern auf dem Umweg über eine Darstellung der oft recht abenteuerlichen Forschungswege, durch die diese alten Kulturen ans Licht gebracht worden waren. Dieselbe Methode hat mich diesmal geleitet. Enge Schlucht und Schwarzer Berg berichtet von Archäologen und ihren Ausgrabungen, von Reisenden und Schrift-Entzifferern, und sozusagen nebenbei entsteht einfach da durch, daß das Ausgegrabene schließlich gedeutet werden muß, ein Bild von dem vor kurzem noch so unbekannten Reich der Hethiter. Dennoch unterscheidet sich dies «fünfte» Buch von den vorangegangenen in einem wesentlichen Punkt. Ich kann nämlich in dieser Einleitung nicht sagen, was ich damals mit gutem Gewissen versprechen durfte: daß ich «erregende Abenteuer» zu erzählen hätte. Tatsächlich gibt es unter den Jüngern der Hethitologie weder so abenteuerliche Gestalten wie den Troja-Entdecker Schliemann, den Athleten Belzoni und den Arzt Botta, wie die Konsularagenten Layard und Stephens und Thompson, noch wurden im Herrschaftsbe reich der Hethiter Funde von so prunkender Kostbarkeit gemacht wie in Ägypten oder etwa Gräber aufgedeckt, die in ihrem Inhalt dramatische Ereignisse frühgeschichtlicher Zeit sichtbarlich bewahrt hatten wie die Königsgräber von Ur. Es ist im ersten Augenblick enttäuschend - aber IO EINLEITUNG selbst die hethitischen Großkönige scheinen keine Schatzsammler und hervorragenden Kunstmäzene gewesen zu sein, obwohl sie die Herrscher eines Volkes waren, von dem wir heute wissen, daß es im zweiten Jahr tausend v. Chr. die dritte Großmacht Vorderasiens war - ebenbürtig zwischen Ägypten und Babylonien-Assyrien. Dennoch habe ich die Hoffnung, daß das Buch nicht uninteressant zu lesen ist; gewiß nicht für den, der das Wort von Woolley, dem Ent decker von Ur und Alalakh, recht versteht, daß nämlich für den Archäo logen «auf jeden Fall die Erwerbung von Kenntnissen höher als die Erwerbung von Gegenständen» zu schätzen sei. Im Hinblick auf die Erwerbung von Kenntnissen nun kann ich dem Leser dieses Buches gute Versprechen machen. Er wird hier zum ersten Male einer zusammenhängenden, ausführlichen Darstellung der über raschenden Entdeckung der Hethiter begegnen, denn in der vorliegenden Literatur ist dieses Forschungskapitel meist auf wenigen Seiten des Vor wortes abgehandelt; und er wird damit einer wirklich neuen antiken Welt begegnen, von der uns unsere Schullehrer noch nichts zu erzählen wußten. Weil nun die Hethitologie des Abenteuerlichen und menschlich Faszi nierenden weitgehend entbehrt, konnte ich diesmal nicht einen «Roman der Hethitologie» vorlegen; wirklich gebe ich nur einen Bericht. Doch dadurch bot sich mir die Gelegenheit, einige Methoden wissenschaft licher Forschung ausführlich zu behandeln - etwa die Methoden der Entzifferung oder die Erarbeitung der Grundlagen antiker Chronologie. Wieder tauchte die Schwierigkeit der Namen-Schreibung auf; hier herrscht völliges Durcheinander in der wissenschaftlichen Literatur, weil der Versuch phonetischer Nachschreibung antiker und neuer türkischer Namen natürlich in jeder Sprache zu anderen Ergebnissen führen muß, darüber hinaus aber selbst bei den Gelehrten gemeinsamer Sprache die unterschiedlichsten Auffassungen bestehen. So begegnet uns das Dorf Boghazköy auch in den Schreibungen Bogazköy, Boghaz-keui, und der Leser, dem unser Gebiet fremd ist, erfahrt daraus keineswegs, daß damit die Stelle gemeint ist, wo das hethitische Hattusas (oder Hattuscha, Hat- tusa) gelegen hat. Ich habe, um Einheitlichkeit zu gewinnen, mich durch gehend der Schreibung Dr. O. R. Gurneys (Oxford) angeschlossen, der meines Erachtens die lesbarste Verbindung zwischen den deutschen und den englischen Auffassungen geschaffen hat. Liegen jedoch, wie es oft EINLEITUNG II vorkommt, völlig verschiedene Schreibweisen eines Namens vor (Sen- dschirli für Zinjirli, Zendjirli), so habe ich alle ins Register aufgenommen und auf den in unserm Buch gebrauchten verwiesen; ebenso habe ich es mit den modernen Namen alter Örtlichkeiten gehalten - bei Teil At- chana also findet sich der Verweis auf Alalakh. Zum Schluß dieser Einleitung noch einige Dankesworte. Es wäre mir ganz unmöglich gewesen, dies Buch über eine noch in vollem Fluß be findliche Forschung zu schreiben, wenn ich nicht Gelegenheit bekommen hätte, die Schauplätze der wesentlichen Ausgrabungen zu besichtigen. Professor Carl Rathjens* Vermittlung (Universität Hamburg) verdanke ich die Einladung zum XXII. Orientalisten-Kongreß nach Istanbul, die mir nicht nur eine Fülle von überaus anregenden Gesprächen vermittelte, sondern darüber hinaus die Teilnahme an den wissenschaftlich geleiteten Exkursionen ins Reich der Hethiter. So konnte ich den ersten Rundgang durch Alaja Hüyük unter Führung des Ausgräbers, des vormaligen Gene raldirektors der türkischen Museen und Antiquitäten, Dr. Hamit Zübeyr Kosay’s machen; die Erklärung der Kültepe-Ausgrabung danke ich der Gattin des Ausgräbers (damals selbst Direktor der Grabung), der Do zentin Dr. Nimet özgü$; die erste Besichtigung von Boghazköy und Yazilikaya Professor Kurt Bittel (jetzt Direktor des Deutschen Archäo logischen Instituts in Istanbul), der dort von 1931 bis 1939 schürfte. Pro fessor Bittel war es auch, der mir in langen Gesprächen in Istanbul den ersten systematischen Überblick über die neuesten hethitischen Aus grabungen sowohl wie über die allgemeine hethitische Geschichte gab - ein Gebiet, in das ohne Führung einzudringen nahezu unmöglich ist. Den meisten Dank aber schulde ich wohl Professor Dr. Helmuth Th. Bossert (Universität Istanbul), dem Entdecker und Ausgräber des Kara tepe. Er brachte von Beginn an meinen Absichten größte Anteilnahme entgegen. Ich war im Herbst 1951 bis in die ersten Tage der Regenzeit Gast seiner Expedition (womit ich automatisch Dank sage der Türki schen Historischen Gesellschaft, der Generaldirektion der türkischen Museen und Antiquitäten und der Literarischen Fakultät der Universität Istanbul, die diese Ausgrabungen ermöglichten). Ich werde diese Gast freundschaft im Dschungel, die Herzlichkeit dieser Arbeitsatmosphäre, die abendlichen Rund-Tisch-Gespräche, begleitet vom fernen Heulen der Schakale, niemals vergessen. Auch nicht die langen Diskussionen vor neuem Grabungsbefund mit Dr. Bahadir Alkim und Frau Dr. Halet