Emotionale Verarbeitung bei der Depression unter besonderer Beru¨cksichtigung der Emotion Angst Von der Medizinischen Fakult¨at der Rheinisch-Westf¨alischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Medizin genehmigte Dissertation vorgelegt von Julia Reinsch, geb. Schlummer aus Hamm, Westfalen Berichter: Herr Universit¨atsprofessor Dr.med. Tilo Kircher Herr Universit¨atsprofessor Dr.phil. Dipl.-Psych. Siegfried Gauggel Tag der mu¨ndlichen Pru¨fung: 4. Februar 2011 Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfu¨gbar. Erkl¨arung Hiermit versichere ich, die vorliegende Arbeit eigenst¨andig und mit keinen anderen als den angegebenen Quellen und Hilfsmitteln fertig gestellt zu haben. Zitate habe ich kenntlich gemacht. Ich habe die Dissertation in der vorgelegten oder in einer ¨ahnlichen Form noch bei keiner anderen Institution eingereicht. Potsdam, im April 2010 Julia Reinsch i Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 I Theoretischer Teil 3 1 Das emotionale System 7 1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2 Neuroanatomische Korrelate der Emotionen . . . . . . . . . . . . . . 8 1.3 Emotionsinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3.1 Methoden zur visuellen Emotionsinduktion . . . . . . . . . . . 13 1.3.2 Erfassung erfolgter Emotionsinduktion . . . . . . . . . . . . . 15 1.4 Emotionsdiskrimination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.5 Individuelle Einflussvariablen emotionaler Wahrnehmung . . . . . . . 18 2 Depression 21 2.1 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.3 Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.4 A¨tiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.5 Differentialdiagnosen und Sonderformen . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3 Emotionale Verarbeitung bei der Depression 31 3.1 Neuropsychologische Studien zu Emotion und Depression . . . . . . . 31 3.1.1 Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.1.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.2 Bildgebende Studien zu Emotion und Depression . . . . . . . . . . . 38 3.2.1 Neuroanatomische Korrelate emotionaler Symptomatik . . . . 38 3.3 Schlussfolgerung fu¨r folgende Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.3.1 Voru¨berlegungen zu neuem Stimulusmaterial . . . . . . . . . . 43 II Experimenteller Teil 47 4 Erster experimenteller Teil 49 4.1 Entwicklung des Fan-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1.1 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1.2 Bildmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4.1.3 Testdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4.1.4 Messung der Reaktionszeit und Testlauf . . . . . . . . . . . . 52 4.1.5 Schalterkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2 Entwicklung des Fan-Recall-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2.1 Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.3 Probestudie zur Testevaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 ii 5 Zweiter experimenteller Teil 57 5.1 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5.2 Versuchsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5.2.1 Fremdbeurteilungsskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5.2.2 Selbstbeurteilungsskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.2.3 Emotionale Testverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.2.4 Begleitende neuropsychologische Untersuchungen . . . . . . . 61 5.3 Versuchsdurchfu¨hrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5.3.1 Rahmenbedingungen und Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . 63 5.3.2 Patientenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5.3.3 Auswahl der gesunden Vergleichsgruppe . . . . . . . . . . . . 65 5.4 Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5.5 Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5.5.1 Fan-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5.5.2 PERT 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 6 Ergebnisse 69 6.1 Stichprobenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6.1.1 Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6.1.2 Psychopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6.1.3 Neuropsychologische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . 70 6.2 Emotions-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6.2.1 Fan-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6.2.2 PERT 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.2.3 PANAS und ESR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7 Diskussion 91 7.1 Fan-Test Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7.1.1 Gruppenunterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7.1.2 Einflussfaktor Emotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.1.3 Einflussfaktor Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.1.4 Einflussfaktor Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 7.1.5 Einflussfaktor Erkrankungsschwere . . . . . . . . . . . . . . . 100 7.1.6 Emotionsinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 7.1.7 Abschließende Beurteilung des Fan-Test . . . . . . . . . . . . 103 7.2 Vergleich der Ergebnisse von Fan-Test und PERT 40 . . . . . . . . . 106 7.3 Emotionale Prozesse bei der Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8 Zusammenfassung 111 Literaturverzeichnis 115 Abbildungsverzeichnis 131 Tabellenverzeichnis 132 Danksagung 133 Erkl¨arung zur Datenaufbewahrung 135 iii Verzeichnis der verwendeten Abku¨rzungen ANOVA analysis of variance (Varianzanalyse) BDI Becks Depressions Inventar BFS Befindlichkeitsskala BFRT Benton Facial Recognition Test BVRT Benton Visual Retention Test CIPS Collegium Internationale Psychiatriae Scalarum EEG Elektroenzephalographie EKT Elektrokrampftherapie EMG Elektromyographie ESR Emotional Self Rating FACS Facial action coding system Fan-Test Fear-Anger-Neutral Test FEBA Facial expressions for brain activation Fan-recall Wiedererkennungsaufgabe zum Fan-Test (s.o.) fMRT funktionelle Magnetresonanztomographie fMRI functional magnetic resonance imaging (=fMRT) HAMD Hamilton Depression Scale IAPS International Affective Picture System J. Jahre NPU neuropsychologische Untersuchungen MD Major Depression Ms Millisekunden MWT-B Mehrfachwahl Wortschatz Intelligenztest n.s. nicht signifikant PANSS Positive and Negative Syndrome Scale PANAS Positive and Negative Affect Schedule PET Positronen-Emissions-Tomographie PERT Penn Emotional Recognition Test Range Datenbereich RT Reaktionszeit RQ Reaktionsqualit¨at SKID Strukturiertes Klinisches Interview fu¨r DSM-IV SD standard deviation’ (Standardabweichung) ’ SE standard error’ (Standardfehler) ’ s.o. siehe oben STAI State Trait Anxiety Inventory TMT Trail Making Test WSM-R Wechsler Memory Scale - Revised vgl. Vergleiche vs. Versus % korr Prozent korrekt gegebener Antworten ∗ Signifikanter Wert iv Einleitung Depressionen sind neben Angsterkrankungen die h¨aufigsten psychiatrischen Erkran- kungen. Eine depressive Episode ist fu¨r den betroffenen Patienten und sein Umfeld eine in hohem Maße qu¨alende und mit starken psychosozialen Beeintr¨achtigungen verbundene Erkrankung, die sich je nach Schwere auch unter Therapie meist u¨ber einige Monate erstreckt. Das Wissen u¨ber A¨tiologie und Pathogenese der Depression ist noch immer unvollst¨andig. Zahlreiche Forschungsbemu¨hungen besch¨aftigen sich damit, das Erkrankungsbild in seiner hirnphysiologischen Grundproblematik besser zuverstehenunddieTherapieoptionenzuverbessern.BesondereBeachtungwirdda- bei den Zusammenh¨angen zwischen Depressionen und Emotionen geschenkt, denn gerade die emotionalen Ver¨anderungen sind der Schlu¨ssel zu den zwischenmenschli- chen Problemen und Beeintr¨achtigungen der depressiven Patienten, die den Umgang mit den Mitmenschen so deutlich erschweren. DabesondersdieemotionalenSymptomefu¨rdenbetroffenenPatientenundseinUm- feld¨außerstqu¨alendundimsozialenundinterpersonellenBereichstarkbeeintr¨achti- gend sind, wird der Fokus der vorliegenden Arbeit auf das Thema Emotionen und emotionale Verarbeitung bei depressiven Patienten gelegt. Die ju¨ngere Emotionsfor- schung versucht anhand von funktioneller Bildgebung, aktive Hirnareale w¨ahrend emotionaler Stimulation darzustellen, um zu verstehen, wo die Unterschiede zwi- schen gesunder und krankhafter Verarbeitung emotionaler Prozesse liegen. In der vorliegenden Arbeit wird ein zur klinischen Testung konzipiertes visuelles Stimula- tionsmaterial zur expliziten Emotionsdiskrimination fu¨r fMRT-Studien entwickelt. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Wahrnehmung negativer Emotio- nen (hier A¨rger und Angst vs neutral) gelegt. Eine Gruppe von 20 depressiven Patienten wird im Vergleich zu einer Gruppe gesunder Probanden außerhalb des fMRT-Scanners auf emotionale Diskrimination getestet, weiterhin werden beglei- tende neuropsychologische Untersuchungen und emotionale Verfahren angewandt. Neben dem Gewinn von Erkenntnissen u¨ber die emotionale Verarbeitung negativer versus neutraler Emotionen bei depressiven Patienten, soll eine Evaluation des ent- wickelten Stimulusmaterials und seine Einsetzbarkeit in fMRT-Studien stattfinden. 1 Teil I. Theoretischer Teil 3 Im folgenden theoretischen Teil dieser Dissertationsschrift sollen die Grundlagen sowie der aktuelle Stand der Forschung zu denjenigen Aspekten behandelt wer- den, die fu¨r die Untersuchungen, die im experimentellen Teil vorgestellt werden, von Relevanz sind. Da sich der experimentelle Teil der Dissertation mit der Diskri- mination emotionaler Gesichtsausdru¨cke bei depressiven versus gesunden Proban- den besch¨aftigt, soll zun¨achst das emotionale System vorgestellt und ein Einblick in die zerebrale Emotionsverarbeitung gegeben werden. Hierzu werden die in wis- senschaftlichen Experimenten verwendeten Verfahren zur Untersuchung emotionaler Prozesse und Zust¨ande beschrieben, mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Ver- wendung von visuellem Stimulationsmaterial. Dabei wird auf Verfahren der Emoti- onsinduktion, der Emotionsdiskrimination sowie auf verschiedene Einflussfaktoren der emotionalen Wahrnehmung eingegangen. Danach erfolgt eine Abhandlung u¨ber die Erkrankung Depression mit einem Fokus auf die emotionale Symptomatik. Eine Darstellung bisheriger Forschungsarbeiten zu emotionalen Prozessen bei depressiven Patienten anhand von Verhaltensdaten und Resultaten bildgebender Studien rundet den theoretischen Teil ab. 5
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