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Emile Durkheim zur Diskussion. Jenseits von Dogmatismus und Skepsis PDF

367 Pages·1978·159.992 MB·German
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Rene König Emile Durkheim zur Diskussion Hanser Anthropologie Herausgegeben von Wolf Lepenies und Henning Ritter Rene König Emile Durkheim zur Diskussion Jenseits von Dogmatismus und Skepsis Carl Hanser Verlag ISBN 5-446-12515-Z Alle Rechte vorbehalten © 1978 Carl Hanser Verlag München Wien Ausstattung: Klaus Detjen Satz und Druck: Kösel, Kempten Printed in Germany Inhalt Vorwort ........... . 7 I. Vorläufer und eine Bilanz von 1930 Claude-Henri de Saint-Simon 15 Anmerkungen, Bibliographie . 35 Auguste Comte . . . . . . . 39 Anmerkungen, Bibliographie . 51 Bilanz der französischen Soziologie um 1930 56 Anmerkungen, Bibliographie . . . . . . 96 II. Werkaspekte Durkheims 100 Jahre nach seiner Geburt Emile Durkheim (1858-1917) 107 Anmerkungen . . . . . . . . . . 135 Die Regeln der soziologischen Methode 140 Anmerkungen . . . . 202 Nachwort zum »Suicide«. . . . . . . 208 Anmerkungen . . . . . . . . . . 232 Die Religionssoziologie bei Emile Durkheim 239 Anmerkungen . . . . . 254 Marcel Mauss (1872-1972). 257 Anmerkungen . . 284 III. Kritik und Antikritik Raymond Arons Gewissensprüfung der Soziologie 295 Neues über Emile Durkheim 308 Nochmals Durkheim 333 Namensregister 353 Sachregister . . 359 Vorwort »Kleine Hügel verschwinden bald, wenn man sich von ihnen entfernt; große Gebirgszüge dagegen lassen sich erst aus einigem Abstand in ihrer ganzen Ausdehnung ermessen.« So schrieb ich 1956 zur Einlei tung in eine Sammelbesprechung von drei soeben posthum erschie nenen Werken Emile Durkheims. Heute bin ich mir aber erst darüber im klaren, wie wahr diese Bemerkung war, die sogar im Verhältnis zum damaligen Anlaß in zwei Jahrzehnten um ein Vielfaches an Bedeutung und Gewichtigkeit gewonnen hat. Der vorliegende Band soll als Bestätigung dafür dienen und gleichzeitig die geistesgeschicht lichen Hintergründe für diese Entwicklung andeuten. Darum sind auch zwei relativ kurze Enzyklopädieabhandlungen über Claude Henri de Saint-Simon und Auguste Comte mit aufgenommen worden. Ich bekenne freimütig, daß ich noch immer nicht imstande bin zu entscheiden, ob Durkheim eher von Saint-Simon oder von Comte abstammt. Wenn ich an das manchmal reichlich hieratische Bild des Schuloberhauptes denke, dann werde ich an den pedantischen Comte erinnert, wenn ich dagegen den Wegen zu folgen versuche, die Durk heim in der Formulierung seiner Theoreme zu verschiedenen Momen ten seines Lebens und auch unter verschiedenen Umständen ging, dann fühle ich mich an Saint-Simon, an seine kreative Spontaneität und Lust an Innovationen erinnert. In einer jüngst erschienenen monographischen Darstellung Durkheims (in Dirk Käsler, Hrsg., »Klassiker soziologischen Denkens«, München 1976) habe ich in die sem Sinne die erstaunliche »Durchlässigkeit« seines Denkens für neue theoretische Aspekte hervorgehoben. Das schließt gewissermaßen jeden Dogmatismus aus und erweist sich als sehr handgreifliches Ge genstück zur »impermeabilite«, das heißt der notorischen Unbelehr barkeit jener wie in einem Stahlkäfig eingeschlossenen Wissenschaft, die an ihrer Selbstherrlichkeit zugrunde geht und an der Wirklichkeit vorbeilebt. Das heißt mit anderen Worten, daß bewußt oder unbe- 7 wußt ein gesundes Maß an Skepsis ihn davor behütet, sich bei einem einmal erreichten Standpunkt zu beruhigen, ohne darum in einen charakterlosen Synlaetismus zu verfallen. Seine Soziologie steht jen seits von Dogmatismus und Skepsis, sie ist im strengen Sinne kritische Soziologie. Durkheim war in der Tat einer der ersten, der ganz be wußt dies Charakteristikum für sich in Anspruch nahm. Diese Eigenart Durkheims, des »lebendigen Durkheim«, können wir aber erst seit kurzer Zeit ermessen, nachdem in der Ausgabe von Victor Karady die »Texte« erschienen sind (Paris 1975, 3 Bde.), in denen eine Unmenge bisher unbekannter Äußerungen Durkheims über seine Grundtheoreme für die heutigen Leser zugänglich gemacht worden sind (siehe in diesem Bande S. 333-350). In der Erforschung des lebendigen Durkheim bin ich im Laufe von mehr als vierzig Jahren die verschiedensten Wege gegangen, die in diesem Bande vorgestellt werden, wobei jeweils die traditionelle Gren zen überströmenden Impulse hervorgehoben werden, wie etwa seine Rückgriffe und Einflüsse auf die Anthropologie, Ethnologie und So zialpsychologie, aber auch auf Geschichte, Sozial- und Wirtschafts geschichte und Geographie. Darauf hatte mich schon Richard Thurn wald, mein Lehrer an der Universität Berlin, hingewiesen, als er mich unmittelbar nach meiner Promotion zu der Abhandlung über »Die neuesten Strömungen in der gegenwärtigen französischen Soziologie« veranlaßte, die unter verändertem Titel als »Bilanz der französischen Soziologie um 1930« in diesen Band aufgenommen worden ist. Sie brachte mir damals die Aufmerksamkeit des Afrikanisten Dietrich Westermann, aber auch Werner Sombarts, der auf die enge Verbin dung zwischen Soziologie und Anthropologie sofort ansprach; und schließlich Leopold von Wieses ein, dessen Amtsnachfolger ich viel später im Jahre 1949 werden sollte, nachdem die Stürme des Natio nalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs verweht waren. Das war auch eine der Voraussetzungen, unter der meine Tätigkeit als akade mischer Lehrer und als Forscher seither gestanden hat. Der zentrale Hauptteil dieses Buches bemüht sich darum, einzelne » Werkaspekte« Durkheims im Detail herauszuarbeiten, nachdem sich endlich eine höchst erfreuliche Initiative angebahnt hatte, Durkheim dem deutschen Leser in Übersetzungen zugänglich zu machen. Leider hat sich dies lobenswerte Unternehmen nicht in der Weise durch führen lassen, wie es geplant war, was zu einer Ausgabe gesammelter oder auch nur ausgewählter Schriften bei einem einzigen Verlag hätte 8 führen können und sollen. Wie mir einer der Verleger sagte: » Viele zitieren Durkheim, aber keiner kauft ihn«, wobei ich noch hinzufüge, daß viele ihn aus englischen Übersetzungen zitieren, die keineswegs ohne Probleme sind, vor allem auch, weil letztlich diese Verwendungs art der Texte Durkheims diesen unversehens zu einem amerikanischen Autor macht. So werden ihm auch vielfach Vorwürfe ins Sta=buch geschrieben, die gar nicht auf ihn, sondern auf andere anwendbar wären, z. B. auf Talcott Parsons (wenn auch von dessen Tätigkeit in den siebziger Jahren aus gesehen durchaus zu Unrecht). Aber wie die Diskussion um Parsons in den fünfziger, bestenfalls in den sech ziger Jahren hängen geblieben ist, so hat sich auch - gewissermaßen in potenziertem Maße - die Rezeption Durkheims in einem Rahmen gehalten, der den Sinn seines Werkes gleich um mehrere Dimensio nen verfehlt, wie unter anderem auch durch die scheinbar unauflös bare Verbindung mit dem Positivismus belegt wird. Der Grund hierfür ist leicht angegeben. Aus der gewiß erfreulichen Rezeption der amerikanischen Soziologie in Deutschland nach dem Kriege ist unterdessen eine Art von deutsch-amerikanischem Provin zialismus erwachsen, der an den besten Leistungen der amerikani schen wie der deutschen Soziologie gleichzeitig vorbeigeht und sich auf die oberlehrerhafte Idee einer mechanisch vermittelbaren Dis ziplin beschränkt, die sich mit einem rituellen Vokabular, auch als »Soziologie-Chinesisch« bezeichnet, ausstaffiert, um damit ihren ver meintlich »progressiven« Charakter zu beweisen, während dies Ver fahren einzig Ausdruck einer großen inneren und äußeren Unsicher heit ist. Bei vielen dieser Soziologen hat man zudem das Gefühl, daß sie mehr mit dem Vokabular der Soziologie als mit lebendigen sozia len Problemen, also mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit unserer Zeit vertraut sind. Sie verstehen vielleicht einiges von Soziologie, allzu wenig aber von Gesellschaft. Verschärft wurde diese Tendenz durch den beklagenswerten Man gel an französischen Sprachkenntnissen, was insgesamt zur Ursache dafür wurde, daß lateinische Klarheit nicht gerade bezeichnend war für viele Produkte der modernen Soziologie. Diese wurde vielmehr durch die »teutonische Syntax« ersetzt, wie die New York Times schon vor vielen Jahren hervorhob. Genau in diesem Moment scheint mir aber eine neuerliche Beschäftigung mit Durkheim, mit seinem genia len Neffen Marcel Mauss und überhaupt mit der französischen Tra dition nicht unnütz zu sein, weil sie soviele vermeintlich ganz neue 9

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