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Elsevier Essentials Onkologie. A volume in Elsevier Essentials PDF

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Bernd Alt-Epping, Stefan Fuxius, Ulrich Wedding (Hrsg.) ELSEVIER ESSENTIALS Onkologie Das Wichtigste für Ärzte aller Fachrichtungen Mit Beiträgen von: Bernd Alt-Epping, Göttingen; Volker Arndt, Heidelberg; Stefan Delorme, Heidelberg; Norbert Frickhofen, Wiesbaden; Susanne Friedrich, Heidelberg; Stefan Fuxius, Heidelberg; Uwe Haberkorn, Heidelberg; Uwe Haverkamp, Münster; Robert M. Hermann, Westerstede; Silke Hermann, Heidelberg; Christoph Kahl, Magdeburg; Matthias Kleiß, Kassel; Herbert Koch, Augsburg; Florian Lordick, Leipzig; Bernd Oliver Maier, Wiesbaden; Ute Mons, Heidelberg; Sabine Mousset, Wiesbaden; Birgitt van Oorschot, Würzburg; Franz-Josef Prott, Wiesbaden; Konrad K. Richter, Invercargill (N.Z.); Ulrich Wedding, Jena; Eva C. Winkler; Heidelberg; Hendrik A. Wolff, München; Stefan Zettl, Heidelberg Hackerbrücke 6, 80335 München, Deutschland Wir freuen uns über Ihr Feedback und Ihre Anregungen an [email protected] ISBN 978-3-437-21431-8 eISBN 978-3-437-17312-7 Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 © Elsevier GmbH, Deutschland Wichtiger Hinweis für den Benutzer Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indika- tion, Dosierung und unerwünschter Wirkungen) dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den Nutzer dieses Werkes aber nicht von der Verpflichtung, anhand weiterer schriftlicher Informationsquellen zu überprüfen, ob die dort gemachten Angaben von denen in diesem Werk abweichen und seine Verordnung in eigener Verantwortung zu treffen. Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr. Teile des Buches wurden in ähnlicher Form bereits im Universitätsverlag Göttingen erstveröffentlicht: Alt-Epping; Fuxius; Wedding (Hrsg.): Onkologie in der Palliativmedizin, ISBN 978-3-86395-229-7. Göttingen 2015 Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann jedoch nicht automatisch geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de/ abrufbar. 17 18 19 20 21 5 4 3 2 1 Für Copyright in Bezug auf das verwendete Bildmaterial siehe Abbildungsnachweis Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Form gewählt. Selbstverständ- lich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint. Planung: Uta Lux, München Projektmanagement: Karin Kühnel, München Redaktion: Doris Tiu, Bonn Satz: abavo GmbH, Buchloe Druck und Bindung: Drukarnia Dimograf Sp z o.o. ul., Biélsko-Biała, Polen Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelbild: © AdobeStock.com/Mopic Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com. Geleitwort „Krebs“ bedeutet für fast alle davon Betroffenen und ihre Angehöri- Therapie einzelner Krebserkrankungen vorhält, sondern sich in gen nach wie vor eine mit Angst und Verzweiflung besetzte Diagno- großen Teilen des Buches der Supportivtherapie, der psychosozia- se. Auch wenn inzwischen über die Hälfte der erkrankten Krebspa- len Onkologie, der Pflege und auch den Kommunikationsproble- tienten langfristig überlebt oder mit der Diagnose lange leben wird, men widmet. Viele „Nicht-Onkologen“ sind in die Betreuung so gibt es doch viele Entitäten mit nach wie vor schlechter Progno- krebserkrankter Patienten eingebunden und genau für diese ist die- se. ses gut geschriebene Kompendium sehr hilfreich. „Krebs“ ist mehr als eine Volkskrankheit: ihre Bewältigung be- Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) fördert die Zusammenar- trifft viele Personen des sozialen Umfelds von den engsten Famili- beit aller Disziplinen, die sich mit krebserkrankten Patienten be- enangehörigen bis hin zum Arbeitgeber. Von daher ist der professi- schäftigen. Die Einbindung aller Berufsgruppen, die sich für Krebs- onelle Umgang mit der Erkrankung sehr komplex und reicht von erkrankte einsetzen, wird durch solche intelligent geschriebenen der sicheren Diagnose über exzellente Akuttherapie bis zur Bewälti- Kompendien sehr unterstützt. Ich wünsche den „Essentials“ die gung psychosozialer Probleme im Umgang mit den Folgen der Er- Verbreitung, die sie sich verdient haben. krankung und der Therapie. Viele Patienten bedürfen auch einer frühzeitigen palliativmedizinischen Anbindung. Peter Albers Insofern war es überfällig, dass die Kollegen Alt-Epping, Fuxius Univ.-Prof. Dr. Peter Albers, Klinik für Urologie, und Wedding sich einem Kompendium gewidmet haben, das als Universitätsklinikum Düsseldorf rasches Nachschlagewerk nicht nur die gängige Diagnostik und Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (2016-2018) Vorwort Jedes Ding hat drei Seiten: eine, die ich sehe, eine, die du siehst und (DGP) hervorgegangen und adressiert vor allem diese letztgenannte eine, die wir beide nicht sehen. Richtung des Informationsdefizits: das, was die moderne Onkologie (Chin. Sprichwort) leisten kann (und was nicht), anderen Kollegen und Mitarbeitern, die nicht selber fachonkologisch tätig sind, zu vermitteln. Ziel ist, Die umfassende Behandlung und Begleitung krebskranker Patien- die gegenseitigen Erwartungen und die Kommunikation zwischen ten und ihrer Angehörigen erfordert gerade in komplexen Thera- den verschiedenen Fachdisziplinen und Berufsgruppen zu verbes- pie- und Belastungssituationen eine Vielzahl an therapeutisch, sern. Dies geschieht in dem Bewusstsein, dass die onkologische Tu- pflegerisch und in anderer Weise unterstützend tätigen Menschen. mortherapie selbst nur eine Facette der umfassenden Behandlung Häufig genug wissen die verschiedenen Berufsgruppen und Fach- von Krebspatienten ist, dass andere Fachdisziplinen und Berufs- disziplinen von der jeweiligen Expertise und den Mitbehandlungs- gruppen weitere Kompetenzen einbringen können und dass letzt- möglichkeiten anderer Beteiligter nur wenig, mit entsprechenden lich, als dritte Seite des Sprichwortes, auch andere, tiefere Dimensi- Auswirkungen auf wechselseitige Erwartungshaltungen und Kom- onen des Krankeiterlebens bestehen, die vielleicht einen anderen munikation. Onkologisch tätige Spezialisten, zum Beispiel, werden Zugang des Verstehens bedürfen als den begrenzten Zugang, den die konkreten häuslichen und nächtlichen Schwierigkeiten, die sich unsere therapeutische Perspektive bieten kann. bei einer ambulanten Tumortherapiesituation oder Begleitungssi- Wir danken allen Autoren für ihre jeweiligen Beiträge, in die oft tuation auftun, weniger unmittelbar erleben können als Berufs- ihre jahrzehntelange Erfahrung in der Betreuung onkologischer gruppen oder ärztliche Fachdisziplinen (Hausärzte, Mitarbeiter in Patienten eingeflossen ist. Wir danken Uta Lux, Karin Kühnel und Palliativteams), die in Form von Hausbesuchen, auch rund um die Doris Tiu vom Elsevier-Verlag für das Interesse an diesem Buch Uhr, in der Betreuung involviert sind. Umgekehrt jedoch stößt das und die gute Betreuung des Entstehungsprozesses. Wir danken un- onkologische Tun ebenfalls – und möglicherweise zunehmend – seren Patienten, die uns zu ihren Begleitern auf einem wichtigen bei onkologisch nicht erfahrenen Ärzten und Mitarbeitern auf Un- Teil der Wegstrecke ihres Lebens machen. verständnis, zum Beispiel dann, wenn es um fortgesetzte Therapie- sequenzen in einer inkurablen Erkrankungssituation geht, unter Göttingen/Heidelberg/Jena, im Januar 2017 Einsatz moderner, bei selektierten Patienten aber möglicherweise Prof. Dr. med. Bernd Alt-Epping hochwirksamer (und extrem teurer) Substanzen. Dr. med. Stefan Fuxius Das vorliegende Buch ist aus einem Projekt der AG Interdiszipli- Priv.-Doz. Dr. Ulrich Wedding näre Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Adressen Prof. Dr. med. Bernd Alt-Epping Priv.-Doz. Dr. med. Robert M. Hermann Klinik für Palliativmedizin Zentrum für Strahlentherapie und Radioonkologie Westerstede/ Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Bremen Robert-Koch-Straße 40 Mozartstraße 30 D-37075 Göttingen 26655 Westerstede PD Dr. med. Volker Arndt Dr. rer. nat. Silke Hermann Epidemiologisches Krebsregister Baden-Württemberg Epidemiologisches Krebsregister Baden-Württemberg Deutsches Krebsforschungszentrum Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 581 Im Neuenheimer Feld 581 69120 Heidelberg 69120 Heidelberg Prof. Dr. med. Stefan Delorme, Dr. med. habil. Christoph Kahl Abteilung Radiologie Klinik für Hämatologie und Onkologie Deutsches Krebsforschungszentrum Klinikum Magdeburg Im Neuenheimer Feld 280 Birkenallee 34 69120 Heidelberg 39130 Magdeburg Prof. Dr. med. Norbert Frickhofen Dr. med. Matthias Kleiß Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Klinik für Interdisziplinäre Onkologie HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel Ludwig-Erhard-Straße 100 Hansteinstraße 29 65199 Wiesbaden 34121 Kassel Susanne Friedrich Herbert Koch Epidemiologisches Krebsregister Baden-Württemberg Verdistraße 1 Deutsches Krebsforschungszentrum 86199 Augsburg Im Neuenheimer Feld 581 69120 Heidelberg Prof. Dr. med. Florian Lordick Direktor Universitäres Krebszentrum Leipzig Dr. med. Stefan Fuxius Universitätsklinikum Leipzig Onkologische Schwerpunktpraxis Heidelberg Liebigstraße 20 Kurfürstenanlage 34 04103 Leipzig D-69115 Heidelberg Dr. med. Bernd Oliver Maier Prof. Dr. med. Uwe Haberkorn Med. Klinik III Palliativmedizin und Onkologie Radiologische Universitätsklinik St. Josefs-Hospital Wiesbaden Nuklearmedizin Beethovenstraße 20 Universität Heidelberg 65189 Wiesbaden Im Neuenheimer Feld 400 D-69120 Heidelberg Dr. med. Ute Mons Stabsstelle Krebsprävention Prof. Dr. rer. medic. Uwe Haverkamp Deutsches Krebsforschungszentrum Klinik für Strahlentherapie – Radioonkologie Im Neuenheimer Feld 280 Universitätsklinikum Münster 69120 Heidelberg Albert-Schweitzer-Campus 1 48149 Münster VIII Adressen Dr. med. Sabine Mousset Priv.-Doz. Dr. Ulrich Wedding Med. Klinik III Palliativmedizin und Onkologie Chefarzt Abteilung für Palliativmedizin St. Josefs-Hospital Wiesbaden Universitätsklinikum Jena Beethovenstraße 20 Bachstraße 18 65189 Wiesbaden 07743 Jena Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot Prof. Dr. med. Eva C. Winkler Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie Im Neuenheimer Feld 460 Universitätsklinikum Würzburg 69120 Heidelberg Josef-Schneider-Straße 2 D- 97080 Würzburg Priv.-Doz. Dr. med. Hendrik A. Wolff Strahlentherapie Radiologie München Prof. Dr. med. Franz-Josef Prott Maximiliansplatz 2 RNS Gemeinschaftspraxis Wiesbaden 80333 München Radiologie, Strahlentherapie Beethovenstraße 20 Dipl.-Psych./Dipl.-Biol. Stefan Zettl 65189 Wiesbaden Schwerpunktpraxis für Psychoonkologie Bliesweg 10 Prof. Dr. med. Konrad K. Richter (FRACS) 69126 Heidelberg Clinical Associate Professor und Consultant General Surgeon/ Surgical Oncologist Southland Hospital and Dunedin School of Medicine University of Otago Kew Road Invercargill 9879, New Zealand KAPITEL 1 Norbert Frickhofen Tumorbiologie für Nichtonkologen Kernaussagen • Krebs entsteht durch eine Schädigung des Genoms, d. h. der Steuerzentrale einer Zelle. • Die genetischen Schäden können durch angeborene Defekte der Gene selbst oder der Reparatursysteme des Genoms entstehen. Häufiger sind Schädi- gungen durch krebserzeugende Umweltfaktoren oder durch zufällig auftre- tende Fehler, die sich im Leben eines Menschen anhäufen. • Krebszellen haben Fähigkeiten, die ein eigenständiges Überleben ermögli- chen und den Körper schädigen, weil sie sich körpereigenen Kontrollme- chanismen entziehen. • Bis auf wenige Ausnahmen ist eine Heilung nur durch Diagnose in einem frühen, nicht metastasierten Stadium möglich. Daher sind Vorbeugung und Früherkennung essenziell. 1.1 Was ist Krebs? man beachten, wenn man Befunde liest oder mit Patienten spricht. Metastasen haben vergleichbare Eigenschaften wie der 1.1.1 Begriffsbestimmungen Primärtumor, d. h. wie der Krebs am Ausgangsort, von dem sie abstammen. Mit Krebs bezeichnet man bösartige Neubildungen (Neopla- sien) als Folge eines unkontrollierten Zellwachstums. PATIENTENBE RATU NG Das wichtigste Merkmal von „Bösartigkeit“ ist die Fähig- Für viele Patienten schwer verständlich: Die Lebermetastase eines keit von Zellen, in Nachbargewebe einzuwachsen und/oder Dickdarmkrebses ist kein Leberkrebs. Sie verhält sich als Tochter- geschwulst unter einer Therapie ähnlich wie der Primärtumor, z.B. über Blut- oder Lymphgefäße in entfernte Körperregionen zu der primäre Dickdarmkrebs (Einschränkungen siehe › Kap. 1.3.2). streuen und dadurch Tochtergeschwülste (Metastasen) fern- Ein Leberkrebs als Primärtumor (d. h. in der Leber entstanden) hät- ab des Entstehungsortes zu verursachen, z. B. in Leber, Lun- te ganz andere Eigenschaften und würde z. B. nicht auf Medika- gen, Knochen oder Gehirn. Neubildungen, die das nicht kön- mente reagieren, die bei Dickdarmkrebs wirksam sind. nen, bezeichnet man nicht als Krebs, sondern als gutartige Neubildungen (› Kap. 1.1.2). Das Wort Tumor meint prinzipiell das gleiche wie Neubil- Die Klassifikation einer Raumforderung als Primärtumor dung, d. h. es kann gut- oder bösartiges Zellwachstum be- oder Metastase ist für die Einschätzung der Prognose und deuten. Tumor ist daher nicht das Gleiche wie Krebs, son- Therapie einer Krebserkrankung essentiell. Dies entschei- dern ein Überbegriff von gut- und bösartigen Neubildungen. det häufig über eine kurative oder palliative Therapiestrate- Diese werden daher auch wertneutral als Raumforderungen gie. bezeichnet. Damit ist eine Gewebeformation gemeint, von Man unterscheidet solide von hämatologischen Tumoren. der noch nicht klar ist, ob sie unkontrolliertes Zellwachstum • Solide Tumoren stammen von abgrenzbaren, soliden Or- im Sinne von Krebs darstellt. Eine Raumforderung kann ganen wie Brust, Lunge oder Darm ab. nicht nur durch gut- und bösartige Tumoren verursacht wer- • Hämatologische Tumoren sind Tumoren des Knochen- den, sondern auch Folge z. B. einer Entzündung (z. B. eines marks und der lymphatischen Organe, die grundsätzlich Abszesses) oder einer Flüssigkeitsansammlung (z. B. einer diffus im ganzen Körper auftreten, z. B. Leukämien, Mye- Zyste) sein. Diese feinen Unterschiede in der Sprache muss lom (Plasmozytom) und Lymphome. 4 1 Tumorbiologie für Nichtonkologen PATI EN TENBE RAT UNG Der Pathologe definiert nicht nur die Art der Tumorer- Da hämatologische Tumoren grundsätzlich dazu neigen, sehr früh krankung, sondern kann auch anhand einer Gewebeprobe im ganzen Körper aufzutreten, spricht man nicht von Metastasen, (Zytologie oder Histologie, › Kap.  4) erkennen, ob sie wenn sie an mehreren Stellen im Körper nachgewiesen werden. So Merkmale einer bösartigen, also Krebserkrankung erfüllt. entspricht der Leberbefall durch eine Leukämie dem normalen Ausbreitungsmuster einer Leukämie, auch im Frühstadium. Der Neben Merkmalen der einzelnen Tumorzellen ist dabei v. a. Leberbefall bei einem Dickdarmkrebs ist dagegen eine Metastase von Bedeutung, ob sich der Tumor vor Ort über die anatomi- und Ausdruck einer fortgeschrittenen Krebserkrankung. schen Grenzen hinaus ausgedehnt hat. Durchbricht z. B. ein Brustkrebs die Epithelgrenzen (Ba- salmembran), handelt es sich um Krebs, in diesem Fall um ein Mammakarzinom. 1.1.2 Klassifikation und Stadieneinteilung Respektiert der Tumor die Basalmembran, liegt ein frühes Tumorstadium vor, ein In-situ-Karzinom oder eine Präkan- Grundsätzlich kann sich jede Zelle des Körpers zu einem gut- zerose. oder bösartigen Tumor entwickeln. Es gibt daher hunderte Diese Unterschiede sind wichtig, da In-situ-Tumoren und verschiedene Tumorerkrankungen. Neben der Unterteilung Präkanzerosen durch einfaches Entfernen heilbar sind in solide und hämatologische Tumoren (› Kap. 1.1.2) ist (› Kap. 3). die Unterscheidung nach dem Entstehungsort üblich. Da dies in der Regel von dem Pathologen festgelegt wird, nennt CAVE man diese Unterteilung auch histopathologische Klassifika- Der Pathologe kann nur eine Aussage über das ihm überlassene tion (› Tab. 1.1) im Unterschied zur molekularpathologi- Gewebe machen. Ist die Gewebeprobe nicht repräsentativ für den gesamten Tumor, indem sie z. B. in dem oben genannten Fall nur schen Klassifikation, die unter therapeutischen Gesichts- den Teil des Tumors erfasst hat, der noch auf das Epithel begrenzt punkten eine immer größere Rolle spielt (› Kap. 16). ist, kann er mit seiner Klassifikation als gut- oder bösartiger Tumor Karzinome, d. h. von Geweben innerer oder äußerer Ober- falsch liegen. flächen (Epithelien) ausgehende Krebserkrankungen, stellen die überwiegende Zahl der Tumoren dar. Sie werden weiter unterteilt in Untergruppen, von denen die Adenokarzinome Der diagnostisch tätige Onkologe hat die Aufgabe, dem Pa- und Plattenepithelkarzinome die häufigsten sind. Diese Un- thologen Material zu schicken, das repräsentativ für den ge- tergruppen spiegeln die Ähnlichkeit zum Ursprungsgewebe samten Tumor ist. Darüber hinaus muss er feststellen, ob wider. Metastasen vorhanden sind. Ein Tumor kann am Entste- Tab. 1.1 Histopathologische Einteilung von Krebserkrankungen. Es sind nur die wichtigsten Krebsformen aufgeführt. Gutartige Tu- moren sind nicht berücksichtigt. Herkunft Bezeichnung Beispiele häufiger Krebserkrankungen Solide Tumoren Epithel Karzinom Brustkrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs, Prosta- takrebs, Kehlkopfkrebs, Melanom; auch hor- monbildende Krebsformen wie Schilddrüsen- krebs oder Nebennierenkrebs Stütz- und Bindegewebe Sarkom Osteosarkom (Knochenkrebs), Fibrosarkom (Bindegewebskrebs), Liposarkom (Fettge- webskrebs), Angiosarkom (Blutgefäßkrebs) Zentrales Nervensystem Hirneigene Tumoren Gliome (z. B. Glioblastom, Astrozytom) und Tumoren der Nerven und der Hirnhäute Sonderformen Neuroendokrine Tumoren, Keimzelltumore (z. B. Hodenkrebs); Metastasen bei unbe- kanntem Primärtumor (CUP-Syndrom) Hämatologische Neoplasien Blutbildendes Gewebe Leukämie Akute myeloische Leukämie (AML), chroni- sche lymphatische Leukämie (CLL) Lymphatisches Gewebe Lymphom Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin- Lymphome, z. B. diffus großzelliges Lymphom oder follikuläres Lymphom Plasmazellen Plasmazellerkrankung Multiples Myelom („Plasmozytom“) 1.2 Wie entsteht Krebs? 5 Abb. 1.1 Prozentualer Anteil der häufigsten Tumorlokalisationen an allen Krebssterbefällen in Deutschland 2012 [X358] hungsort lokal begrenzt erscheinen, jedoch bereits über Tödlichkeit von Krebserkrankungen Lymphbahnen oder Blutgefäße gestreut haben. Das kann nur durch sog. Stadiendiagnostik oder (gebräuchlicher) Staging- Für die Patienten ist weniger entscheidend, wie häufig eine Diagnostik des übrigen Körpers mit Blutuntersuchungen, Krebserkrankung diagnostiziert wird, sondern wie häufig ei- Sonografie und anderen in › Kap. 4 beschriebenen Verfah- ne Krebserkrankung zum Tode führt. In Deutschland sind ren festgestellt werden. die tödlichsten Krebserkrankungen der Männer Lungen-, Aus der Gesamtschau der Befunde – Histologiebefund Darm- und Prostatakrebs; bei den Frauen sind es Brust-, und Staging-Diagnostik – definiert der Onkologe das TNM- Lungen- und Darmkrebs (› Abb. 1.1). Stadium der Erkrankung und damit die voraussichtliche Häufigkeit und Tödlichkeit einer Krebserkrankung kön- Prognose und mögliche Therapieformen. nen dramatisch unterschiedlich sein, abhängig von ihrem natürlichen Verlauf und der Therapierbarkeit. So wird in Deutschland der Prostatakrebs etwa doppelt so häufig dia- 1.1.3 Epidemiologie gnostiziert wie der Lungenkrebs, führt aber viel seltener zum Tode und steht daher nur an dritter Stelle der Krebs-Todes- Tumorerkrankungen sind häufig. Die Mehrzahl aller Men- ursachen (› Abb. 1.1, [1]). schen entwickelt in ihrem Leben einen oder mehrere gut- artige Tumoren, die entweder erfolgreich behandelt wer- den oder mit dem Träger versterben, ohne ihn je zu gefähr- 1.2 Wie entsteht Krebs? den. Häufigkeit von Krebserkrankungen Krebs ist eine Erkrankung des Genoms, meist in Form von Mutationen. Diese Mutationen können in den Genen selbst Etwa die Hälfte der Deutschen entwickelt eine Krebser- oder in Kontrollsystemen des Genoms auftreten. Mutationen krankung. Jeder vierte Mann und jede fünfte Frau verstirbt können erblich bedingt sein, als zufälliger Fehler der geneti- an Krebs. Krebs ist nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen schen Maschinerie auftreten oder durch die Umwelt ausge- die häufigste Todesursache. Wie häufig und welche Formen löst werden. von Krebserkrankungen auftreten, hängt entscheidend von Zellen haben eine überschaubare Zahl von Schwachstellen, den Lebensumständen und der Altersstruktur einer Bevöl- die typischerweise bei Schädigungen zu Krebs führen. Geneti- kerung ab. Darauf wird näher in › Kap. 1.3.1 eingegan- sche Defekte führen dazu, dass Krebszellen „mächtig werden“, gen. sich der Kontrolle entziehen und den Organismus schädigen. 6 1 Tumorbiologie für Nichtonkologen Das Entstehen einer Krebsgeschwulst kann durch vermehr- Kontrollmechanismen korrigieren tes Wachstum oder durch vermindertes Absterben bedingt Mutationen – oder auch nicht sein. Wir würden diese Genschäden nicht überleben, hätte die Na- tur nicht Kontrollmechanismen entwickelt, die solche Fehler 1.2.1 Eine Erkrankung der genetischen erkennen und reparieren. Gelingt die Reparatur, besteht kei- Maschinerie ne Gefahr, und die Zelle lebt weiter. Gelingt dies nicht und ist der entstandene Schaden schwerwiegend, z. B. indem er die Krebs entsteht, wenn das Zellwachstum so gestört ist, dass Zelle zu unkontrolliertem Wachstum treibt, wird ein Selbst- ein Gewebe unkontrolliert wächst. Dies ist entweder Folge mordprogramm der Zelle aktiviert (Apoptose), und die Zelle einer Schädigung der Gene, die das geordnete Leben einer stirbt ab. So schützt sich der Körper vor der Weitergabe von Zelle regulieren, oder der Maschinerie, die diese genetische genetischen Defekten bei der Zellteilung. Ist die Apoptose ge- Information in Strukturen und Funktionen umsetzt. Man stört, kann die abnorme Zelle weiterleben und gibt ihren ge- spricht von genetischen oder epigenetischen Mechanis- netischen Schaden an die Tochterzellen weiter. men. Sind die genetischen Reparatursysteme und/oder die Apo- Krebs verursachende genetische oder epigenetische ptose defekt, häufen sich genetische Schäden mit zunehmen- Schädigungen können zu Störungen lebenswichtiger Funk- dem Alter an, und dies kann zur Entstehung von Krebs füh- tionen einer Zelle auf allen Ebenen führen. Betroffen sein ren. können Mutationen in den Genen, die für Reparaturproteine ko- • die Zellteilung (Mitose), dieren, können angeboren sein oder durch Mutationen des • die Einordnung in den Gewebeverband (Motilität), genetischen Codes erworben werden. Angeborene Defekte • die Reifung zur Erlangung der vollen Funktionalität (Dif- findet man bei 5–20 % aller Menschen mit Krebserkrankun- ferenzierung), gen. • das Altern (Seneszenz) und • das Sterben (Apoptose). Wichtige betroffenen Gene sind sog. Onkogene und Tumor- Beispiel suppressorgene. Sie kodieren häufig Signalmoleküle (Tran- skriptionsfaktoren) und Kommunikationsstrukturen (Re- Angeborene Defekte von Reparatursystemen zeptoren). Der bekannteste angeborene Defekt eines Reparatursystem betrifft das Gen „BRCA“: Wenn bei einer Frau von Geburt an eine Mutation in dem BRCA-1-Gen vorliegt, steigt ihr Mutationen sind häufig Risiko, an einem Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken, bis zum Alter von 70 Jahren auf etwa 60 % an. Das Brust- Wenn man weiß, dass z. B. täglich alleine etwa 10 Milliarden krebsrisiko kann durch Entfernung beider Brüste mini- weiße Blutzellen produziert werden, ist es nicht verwunder- miert werden. Aus diesem Grund hat sich Angelina Jolie im lich, dass bei dem täglich milliardenfachen Kopieren der ge- Alter von 37 Jahren zu dieser radikalen Maßnahme ent- netischen Information in den Zellen des Körpers mit der Zeit schlossen. Ihr Risiko eines Eierstockkrebses bleibt aber un- Fehler auftreten. Außerdem wirken auf das Genom und des- verändert. sen Steuerungsmaschinerie Schadstoffe wie Strahlen oder Chemikalien ein, die zusätzlich Schäden in der DNA oder Fehler bei der Umsetzung des genetischen Codes verursa- Krebs durch unkoordinierte Proliferation und chen können. Apoptose EVIDENZ Das Wachstum von Geweben durch Proliferation (Zellver- Dass Defekte im Genom mit zunehmendem Alter häufig sind, mehrung durch Zellteilung) ist eng mit dem Absterben durch zeigen Untersuchungen an gesunden Personen: Bei etwa 10 % Apoptose verknüpft. Komplexe Signalwege koordinieren die- scheinbar gesunder 70- bis 80-jähriger Menschen finden sich sen Zu- und Abfluss von Zellen. Störungen in beiden Prozes- Genmutationen, wie man sie bei Blutkrebs findet. Diese Men- sen können den Weg zur Entstehung von Krebs ebnen oder schen entwickeln dann auch überzufällig häufig Leukämien und direkt Krebs verursachen (› Abb. 1.2): sterben häufiger als Menschen ohne solche Spontanmutationen an Krebs oder anderen Erkrankungen [2; 3]. Tausende weiterer Krebs ist insbesondere durch vermehrte Proliferation, Mutationen finden sich im Genom älterer Menschen, ohne dass also abnorm gesteigertes Zellwachstum, gekennzeichnet. Ein bisher im Einzelnen geklärt ist, welche gesundheitlichen Folgen Beispiel dafür ist ein aggressives Lymphom, charakterisiert sie haben. durch eine massiv gesteigerte Zellteilung. Die Apoptose hält

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