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Elemente der Analysis I [Lecture notes] PDF

99 Pages·2006·0.521 MB·German
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Preview Elemente der Analysis I [Lecture notes]

Elemente der Analysis I Wolf P. Barth Nu(cid:127)rnberg, Wintersemester 2006/07 Version vom 29. August 2006 Mathematisches Institut der Universit(cid:127)at Bismarckstr. 1 1/2, D 91054 Erlangen e-mail: [email protected] Inhaltsverzeichnis 2 Funktionen und Stetigkeit 55 2.1 Funktionen . . . . . . . . . . . . . 55 0 Die reellen Zahlen 2 2.2 Funktionenfolgen, Potenzreihen . . 62 0.1 Einfu(cid:127)hrung . . . . . . . . . . . . . 2 2.3 Stetigkeit von Funktionen . . . . . 67 0.2 Algebraische Rechenoperationen 2.4 Eigenschaften stetiger Funktionen. 71 mit reellen Zahlen . . . . . . . . . 3 2.4.1 Stetigkeit und Konvergenz 0.3 Anordnungseigenschaften der reel- von Funktionenfolgen . . . 71 len Zahlen . . . . . . . . . . . . . . 12 2.4.2 Der Zwischenwertsatz . . . 75 0.4 Die Vollst(cid:127)andigkeit derreellen Zahlen 18 2.4.3 Der Satz vom Maximum . . 76 2.4.4 Umkehrfunktionen . . . . . 78 1 Konvergenz 23 2.4.5 Approximation durch Trep- 1.1 Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 23 penfunktionen . . . . . . . 79 1.2 Rechnen mit konvergenten Folgen . 31 2.5 Die Exponentialfunktion und ihre 1.3 Unendliche Reihen . . . . . . . . . 38 Verwandten . . . . . . . . . . . . . 80 1.4 Dezimalbru(cid:127)che . . . . . . . . . . . 49 2.6 Die Winkelfunktionen . . . . . . . 87 1 0 Die reellen Zahlen Als Literatur zur Vorlesung eignet sich am besten das Buch O. Forster: Analysis 1. ro-ro-ro Vieweg Esistseit1976inmehrerenAu(cid:13)agenerschienen.Fu(cid:127)rdasersteSemestergibteseinfachkeinbesseres Analysis-Buch. Ich werde mich, zumindest am Anfang ziemlich eng an dieses Buch anlehnen. Fru(cid:127)her ging das manchmal so weit, dass ich kein eigenes Skriptum, sondern einfach dieses Buch als Vorlage mit in die Analysis-I-Vorlesung genommen habe. Das Buch ist ziemlich komprimiert geschrieben. Das ist natu(cid:127)rlich praktisch, wenn man es statt eines Skriptums mit in die Vorlesung nehmen m(cid:127)ochte. Studenten, besonders zu Beginn des Studiums klagen aber h(cid:127)au(cid:12)g daru(cid:127)ber. Deswegen noch einige andere Bu(cid:127)cher: Barner, M., Flohr, F.: Analysis. De Gruyter Verlag Blatter, C.: Analysis. Springer Verlag Heuser, H.: Lehrbuch der Analysis. Teubner Verlag Mangoldt, H.v., Knopp, K.: Einfu(cid:127)hrung in die h(cid:127)ohere Mathematik. Hirzel Verlag Wenn ich eine Aufgabe aus einem dieser Bu(cid:127)cher entnommen habe gebe ich das an. Allerdings tue ich das nicht, wenn das Buch auch L(cid:127)osungen der Aufgaben enth(cid:127)alt. Der Hinweis [NV] bei einer Aufgabe bedeutet, dass sie eine Klausuraufgabe im nicht-vertieften Staatsexamen war. 0.1 Einfu(cid:127)hrung Analysis ist ein anderer Name fu(cid:127)r Di(cid:11)erential- und Integralrechnung oder In(cid:12)nitesimalrechnung. Ich halte die Er(cid:12)ndung der Di(cid:11)erential- und Integralrechnung fu(cid:127)r die wichtigste kulturelle Leistung des Abendlandes. Sie erm(cid:127)oglichte die Entwicklung der Ingenieurwissenschaften in Europa w(cid:127)ahrend der letzten zwei oder drei Jahrhunderte. Deren Konsequenz war wieder die Beherrschung der ganzen Welt durch europ(cid:127)aische Staaten in der Zeit um 1900. DieDi(cid:11)erential-undIntegralrechnungwurdevonIsaacNewton(1643-1727) undGottfriedWilhelm Leibniz (1646-1716) erfunden. Beide fu(cid:127)hrten u(cid:127)ber die Priorit(cid:127)at bei dieser Entdeckung einen erbitter- ten Streit. Leibniz sah diese Rechenart in Zusammenhang mit einer Philosophie u(cid:127)ber das unendlich ( in(cid:12)nitesimal\) Kleine. (Die Notationen dx; df; df=dx; sowie auch das Integralzeichen stammen " von ihm.) Newton sah sie von Anfang an in Zusammenhang mit Anwendungen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Von ihm stammt die Bezeichnung f_ fu(cid:127)r die Ableitung. DiegriechischeMathematikkanntekeineDi(cid:11)erential-undIntegralrechnung,obwohlinderFl(cid:127)achen- undVolumenberechnungdesArchimedes(287?-212v.Chr.)Ans(cid:127)atzedazuerkennbarsind.DieGriechen kanntendenBegri(cid:11) Funktion\ nicht,ebensowenigwiedieTechnikdesGrenzu(cid:127)bergangs.DieseTechnik " entstand erst aus dem jahrhundertelangenRingen der christlichen scholastischen Philosophie mit dem Unendlichen, bzw. unendlich Kleinen. (Wieviele Engel k(cid:127)onnen auf einer Nadelspitze tanzen?) Ungef(cid:127)ahr zur gleichen Zeit wie in Europa wurdedie In(cid:12)nitesimalrechnung auch in Japan entdeckt. Zu Anwendungen kam es hier allerdings nicht. Was Zahlensind,istschwer zuerkl(cid:127)aren,wasdiereellen Zahlensind,nochschwerer. Deswegen wird das ja in der Schule auch nicht gemacht. In der Schule lernt man den Umgang mit den Zahlen und 2 nicht, was sie sind. (Hierher kommen letztenendes auch die Schwierigkeiten bei der Einfu(cid:127)hrung der komplexen Zahlen). Bis auf weiteres wollen wir uns die reellen Zahlen als Dezimalbru(cid:127)che vorstellen, obwohl wirdie Theorie derDezimalbru(cid:127)che auch erst sp(cid:127)ater behandelnwerden. Wir werden so (cid:127)ahnlich, wieinderSchule vorgehen, unddieEigenschaften derreellen Zahlenzusammenstellen. Was diereellen Zahlen sind, und dass es sie u(cid:127)berhaupt gibt, das ist Sto(cid:11) von Spezialvorlesungen (z.B. Aufbau des " Zahlsystems\). Wir benutzen folgende Bezeichnungen fu(cid:127)r die verschiedenen Mengen von Zahlen: 1 0 1 2 e(cid:25) (cid:0) - IR = Menge der reellen Zahlen: IN = Menge der natu(cid:127)rlichen Zahlen: 1; 2; 3; ::: f g ZZ = Menge der ganzen Zahlen: :::; 2; 1; 0; 1; 2; ::: f (cid:0) (cid:0) g Q = Menge der rationalen Zahlen: p : p;q ZZ; q =0 fq 2 6 g C = Menge der komplexen Zahlen: a+b i : a;b IR f (cid:1) 2 g Was eine Menge ist, m(cid:127)ochte ich hier nicht (und auch sonst nie) erkl(cid:127)aren. Das wissen Sie ja aus der Schule. Glu(cid:127)cklicherweise! Denn innerhalb der Mathematik kann man diesen Grundbegri(cid:11) der Mathematik nicht erkl(cid:127)aren. 0.2 Algebraische Rechenoperationen mit reellen Zahlen Zwei reelle Zahlen x;y IR kann man 2 addieren: x+y IR 2 multiplizieren: x y IR (cid:1) 2 Dabei gelten die Rechenregeln aus der Tabelle auf der n(cid:127)achsten Seite. Viel genauer wollen wir uns diese wohlbekannten Rechenoperationen nicht anschauen. Z.T. deswegen, weil sie aus der Schule wohlbekannt sind, z.T. auch deswegen, weil ihre genauere Untersuchung in die Lineare Algebra geh(cid:127)ort. Wir benutzen die folgenden, auch wieder wohlbekannten Abku(cid:127)rzungen: n a = a +a +:::+a (cid:22) m m+1 n (cid:22)=m Xn a = a a ::: a (cid:22) m m+1 n (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:22)=m Y Beispiele: 6 (cid:22)= 1+2+3+4+5+6 = 3+7+11 =21; (cid:22)=1 X | {z } | {z } | {z } 3 Assoziativit(cid:127)at der Addition (x+y)+z = x+(y+z) Kommutativit(cid:127)at der Addition x+y = y+x Existenz der Null x+0 = 0 Existenz des Negativen x zu x IR gibt es genau ein x IR (cid:0) 2 (cid:0) 2 mit x+( x)= 0 (cid:0) Assoziativit(cid:127)at der Multiplikation (x y) z = x (y z) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) Kommutativit(cid:127)at der Multiplikation x y = y x (cid:1) (cid:1) Existenz der Eins x 1= x (cid:1) Existenz des Inversen 1=x zu x IR;x =0; gibt es genau ein 1=x IR 2 6 2 mit x (1=x) = 1 (cid:1) Distributivgesetz x (y+z) = x y+x z (cid:1) (cid:1) (cid:1) Rechenregeln fu(cid:127)r Addition und Multiplikation reeller Zahlen 6 (cid:22)= 1 2 3 4 5 6 = 2 12 30 = 720: (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:22)=1 Y |{z} |{z} |{z} Rechenregeln fu(cid:127)r das Summenzeichen: 1) Die leere Summe: Ist der obere Index n kleiner als der untere Index m, dann gibt es keinen Summationsindex (cid:22) gr(cid:127)o(cid:25)er als m und kleiner als n. Es gibt dann kein einziges a das in der (cid:22) Summe addiert wird. Man setzt eine solche Summe ohne Summanden = 0. 5 1 Beispiel: = 0. (cid:22) (cid:22)=10 X 2) Zerlegen einer Summe: Ist l eine ganze Zahl zwischen m und n, so ist n l n a = a + a : (cid:22) (cid:22) (cid:22) (cid:22)=m (cid:22)=m (cid:22)=l+1 X X X 3) Kommutativit(cid:127)at: Falls a ;a ;:::;a eine Umordnung der Zahlen a ;a ;:::;a ist, dann gilt (cid:22)1 (cid:22)2 (cid:22)n 1 2 n n n a = a : (cid:22) (cid:22)i (cid:22)=1 i=1 X X Beispiel: Es sei n = 6; a = (cid:22) und die Umordnung sei (cid:22) = 7 i. Die Indixes (cid:22) ; i = 1;:::;6 sind also (cid:22) i i (cid:0) 6;5;4;3;2;1.Dann ist 6 6 a =6+5+4+3+2+1= a : (cid:22)i (cid:22) i=1 (cid:22)=1 X X 4 4) Doppelsummen: Summanden k(cid:127)onnen auch mal zwei Indizes haben, etwa a =1=((cid:22)+(cid:23)). Eine (cid:22);(cid:23) Summe m;n a (cid:22);(cid:23) (cid:22);(cid:23)=1 X hei(cid:25)t Doppelsumme.Man rechnet sie aus,indemman zuerst u(cid:127)bereinen Index addiert, unddann u(cid:127)ber den anderen. Oder umgekehrt, erst u(cid:127)ber den anderen und dann u(cid:127)ber den einen. Beidemale kommt dasselbe heraus, in Formeln: m n n m m;n a = a =: a : (cid:22);(cid:23) (cid:22);(cid:23) (cid:22);(cid:23) ! 0 1 (cid:22)=1 (cid:23)=1 (cid:23)=1 (cid:22)=1 (cid:22);(cid:23)=1 X X X X X @ A 2;3 1 Beispiel: : (cid:22)+(cid:23) (cid:22);(cid:23)=1 X 2 3 2 1 1 1 1 = + + (cid:22)=1 (cid:23)=1 (cid:22)+(cid:23)! (cid:22)=1(cid:18)(cid:22)+1 (cid:22)+2 (cid:22)+3(cid:19) X X X 1 1 1 1 1 1 = + + + + + 2 3 4 3 4 5 (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) 13 47 112 28 = + = = 12 60 60 15 3 2 3 1 1 1 = + 0 (cid:22)+(cid:23)1 (cid:23) +1 (cid:23) +2 (cid:23)=1 (cid:22)=1 (cid:23)=1(cid:18) (cid:19) X X X @ A 1 1 1 1 1 1 = + + + + + 2 3 3 4 4 5 (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) 5 7 9 112 = + + = : 6 12 20 60 n n+k 5) Indexverschiebung: a = a . (cid:22) (cid:22) k (cid:0) (cid:22)=m (cid:22)=m+k X X 6 7 Beispiel: (cid:22)= 1+:::+6 = ((cid:22) 1). (cid:0) (cid:22)=1 (cid:22)=2 X X Fu(cid:127)r Produkte gelten ganz (cid:127)ahnlich Regeln, nur setzt man das leere Produkt = 1. Potenzen: Fu(cid:127)r jede reelle Zahl a IR und jede natu(cid:127)rliche Zahl n IN de(cid:12)niert man die n-te 2 2 Potenz von a durch n an := a a ::: a = a: (cid:1) (cid:1) (cid:1) n mal (cid:23)Y=1 Wenn a = 0 ist, kann man diese n-te Potenz|auch{zfu(cid:127)r}alle ganzen Zahlen n ZZ de(cid:12)nieren durch 6 2 a0 :=1 5 und fu(cid:127)r n< 0; n ZZ 2 1 1 an :=(1=a) n = ::: : (cid:0) a (cid:1) (cid:1) a n mal (cid:0) Fu(cid:127)r diese n-te Potenz gelten die folgenden Rechenr|ege{lnz: } i) am an = am+n (cid:1) ii) (am)n = amn (cid:1) iii) an bn = (a b)n; (cid:1) (cid:1) wobei immer auf a = 0, bzw. b= 0 zu achten ist, wenn a oder b in eine Potenz n 0 erhoben werden 6 6 (cid:20) soll. Beweis. Da die Beweise fu(cid:127)r alle drei Regeln ziemlich gleich verlaufen (und auch gleich langweilig sind), beschr(cid:127)anken wir uns auf die Regel i): am an = am+n. Probleme enstehen, weil wir Fallunter- (cid:1) scheidung machen mu(cid:127)ssen, je nach dem ob m positiv, negativ oder = 0 ist, und ebenso fu(cid:127)r n. Das sind insgesamt 3 3 = 9 F(cid:127)alle. Die wollen wir nicht alle durchgehen. Brauchen wir auch nicht! Denn (cid:2) wegen der Kommutativit(cid:127)at der Addition ist am+n = an+m, und wegen der Kommutativit(cid:127)at der Mul- tiplikation gilt am an = an am. Wenn wir die Formel fu(cid:127)r (m;n) bewiesen haben, gilt sie automatisch (cid:1) (cid:1) auch fu(cid:127)r die Potenzen (n;m). Das fu(cid:127)hrt zu Fallreduktion. Schauen wir uns aber zun(cid:127)achst die Situation fu(cid:127)r m = 0 (und a = 0) an: Nach De(cid:12)nition ist fu(cid:127)r 6 alle n ZZ 2 am an = a0 an = 1 an = an; (cid:1) (cid:1) (cid:1) am+n = a0+n = an: Die Formel stimmt also wenn m = 0 (oder n= 0) ist. Bis auf Vertauschen von m und n bleiben dann nur noch die folgenden drei F(cid:127)alle: m > 0; n> 0 : am an = a ::: a a ::: a = a ::: a = am+n (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) m n m+n | {z } | {z } | {z } 1 m 1 n 1 m n m < 0; n< 0 : am an = (cid:0) (cid:0) = (cid:0) (cid:0) = am+n (cid:1) a (cid:1) a a (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) (cid:18) (cid:19) (weil m und n> 0 sind) (cid:0) (cid:0) an(cid:0)((cid:0)m) = am+n fu(cid:127)r n>( m) m < 0; n> 0 : am an = 1 (cid:0)m an = 8 1 fu(cid:127)r n=(cid:0)(cid:0)m (cid:1) (cid:18)a(cid:19) (cid:1) >>>< 1 (cid:0)m(cid:0)n = am+n fu(cid:127)r n<( m) a (cid:0) (cid:18) (cid:19) >>>: Als Beispiel, und auch weil sie fu(cid:127)r die Theorie enorm wichtig ist, sehen wir uns die geometrische Summe an. Dazu seien 0 = a IR und n IN feste Zahlen. Die Summe 6 2 2 n a(cid:23) = 1+a+a2 +a3 +:::+an (cid:23)=0 X hei(cid:25)t geometrische Summe. Fu(cid:127)r den Wert dieser Summe gibt es - falls a = 1 ist - eine geschlossene 6 Formel: 6 n 1 an+1 a(cid:23) = (cid:0) (GEOMETRISCHE SUMME) 1 a (cid:23)X=0 (cid:0) (Wenn a = 1 ist, sind im Bruch auf der rechten Seite Z(cid:127)ahler und Nenner = 0. Damit ist die rechte Seite, und auch die Formel in diesem Fall sinnlos. Aber die geometrische Reihe fu(cid:127)r a = 1 ist v(cid:127)ollig ohne Formel elementar auszuwerten: n n 1(cid:23) = 1= (n+1) 1 = n+1:) (cid:1) (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X Erster Beweis fu(cid:127)r diese Summenformel: Wegen a = 1 k(cid:127)onnen wir die behauptete Gleichung 6 mit a 1 durchmultiplizieren, und auch wieder durch a 1 = 0 durchdividieren. Deswegen ist die (cid:0) (cid:0) 6 Behauptung (cid:127)aquivalent mit der Gleichung n (1 a) a(cid:23) = 1 an+1: (cid:0) (cid:1) (cid:0) (cid:23)=0 X Das Produkt auf der linken Seite k(cid:127)onne wir aber mit unseren Rechenregeln ausrechnen: n n n (1 a) a(cid:23) = 1 a(cid:23) a a(cid:23) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:23)=0 (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X X n n = a(cid:23) a(cid:23)+1 (cid:0) (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X n n+1 = a(cid:23) a(cid:23) (cid:0) (cid:23)=0 (cid:23)=1 X X n n = 1+ a(cid:23) a(cid:23) +an+1 !(cid:0) ! (cid:23)=1 (cid:23)=1 X X = 1 an+1 (cid:0) Die Formel stimmt! Zweiter Beweis (vollst(cid:127)andige Induktion): Fu(cid:127)r n= 1 ist die Formel richtig: 1 1 a2 a(cid:23) = a0 +a1 = 1+a= (cid:0) ; 1 a (cid:23)X=0 (cid:0) weil 1 a2 = (1 a)(1+a) ist. Wenn wir die Formel fu(cid:127)r n = 1 benutzen, k(cid:127)onnen wir sie fu(cid:127)r n = 2 (cid:0) (cid:0) folgenderma(cid:25)en beweisen: 2 1 a(cid:23) = a(cid:23) +a2 (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X 1 a2 = (cid:0) +a2 1 a (cid:0) 1 = (1 a2+(1 a) a2) 1 a (cid:1) (cid:0) (cid:0) (cid:1) (cid:0) 1 = (1 a2+a2 a3) 1 a (cid:1) (cid:0) (cid:0) (cid:0) 1 a3 = (cid:0) : 1 a (cid:0) 7 In der Tat! Fu(cid:127)r n= 3 ist die Formel auch richtig. So k(cid:127)onnen wir weitermachen. Angenommen, die Formel stimmt fu(cid:127)r n, dann beweisen wir sie fu(cid:127)r n+1. Das geht folgenderma(cid:25)en: n 1 an+1 Annahme: a(cid:23) = (cid:0) : 1 a (cid:23)X=0 (cid:0) n+1 1 an+2 Behauptung: a(cid:23) = (cid:0) : 1 a (cid:23)X=0 (cid:0) Schluss: Wir gehen genauso vor, wie beim Schluss von 1 auf 2. n+1 n a(cid:23) = a(cid:23) +a(cid:23)+1 (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X 1 an+1 = (cid:0) +an+1 1 a (cid:0) 1 = (1 an+1+(1 a) an+1) 1 a (cid:1) (cid:0) (cid:0) (cid:1) (cid:0) 1 = (1 an+1+an+1 an+2) 1 a (cid:1) (cid:0) (cid:0) (cid:0) 1 an+2 = (cid:0) : 1 a (cid:0) Die Summenformel stimmt schon wieder, oder besser, immer noch. Das ist sehr sch(cid:127)on und eindrucksvoll. Weniger sch(cid:127)on ist es, zu erkl(cid:127)aren, wie man auf so sch(cid:127)one und eindrucksvolle Beweise kommt. An sich ist das auch nicht meine Aufgabe. Ich habe Ihnen zu zeigen, wie Mathematik funktioniert. Wie man draufgekommen ist, dass sie so funktioniert, ist etwas ganz anderes. Das brauche ich Ihnen nicht zu zeigen. Es reicht doch, dass es funktioniert. Hier sehen wir einen der Unterschiede zwischen Schule und Universit(cid:127)at. Schu(cid:127)ler werden an Er- gebnisse hingefu(cid:127)hrt, Plausibilit(cid:127)at spielt eine gro(cid:25)e Rolle. Das ist bei uns jetzt nicht mehr so. Wie Mathematiker auf etwas gekommen sind, ist keine mathematische Frage, sondern historisch oder di- daktisch von Interesse. Weil die Beweismethoden aus beiden verwendeten Beweisen in der Mathematik h(cid:127)au(cid:12)ger vorkom- men, m(cid:127)ochte ich sie hier noch etwas beleuchten. Der erste Beweis der Formel n (1 a) a(cid:23) = 1 an+1 (cid:0) (cid:1) (cid:0) (cid:23)=0 X ging rechnerisch durch Wegku(cid:127)rzen. Die Summe auf der linken Seite der Gleichung k(cid:127)onnen wir auch schreiben: n n (1 a) a(cid:23) = (a(cid:23) a(cid:23)+1) (cid:0) (cid:1) (cid:0) (cid:23)=0 (cid:23)=0 X X = (1 a)+(a a2)+(a2 a3)+:::+(an an+1) (cid:0) (cid:0) (cid:0) (cid:0) (cid:23)=0 (cid:23)=1 (cid:23)=2 (cid:23)=n = 1 an+1: | {z } | {z } | {z } | {z } (cid:0) 8 IndieserSummeku(cid:127)rztsich a(cid:23)+1ausdem(cid:23)-tenSummandenmita(cid:23)+1 ausdem((cid:23)+1)-tenSummanden (cid:0) weg. Eine solche Summe nennt man Teleskop-Summe. Viel wichtiger ist das zweite Beweisverfahren. Es hei(cid:25)t vollst(cid:127)andige Induktion. Es wird fast immer verwendet, wenn eine Aussage A(n) fu(cid:127)r alle natu(cid:127)rlichen Zahlen n IN bewiesen werden soll. Bei uns 2 war es die Aussage n 1 an+1 A(n) : a(cid:23) = (cid:0) : 1 a (cid:23)X=0 (cid:0) Das Beweisverfahren der vollst(cid:127)andigen Induktion gliedert sich in drei Schritte: VOLLSTA(cid:127)NDIGE INDUKTION 1. Induktionsanfang: Man beweist A(1) (oder, manchmal auch A(0)). 2. Induktionsannahme: Man nimmt an, die Aussage A(n) sei richtig. 3. Induktionsschluss: Man beweist, dass A(n+1) aus A(n) folgt. Die wesentliche Arbeit steckt natu(cid:127)rlich meist im Induktionsschluss. Warum funktioniert das Beweisprinzip der vollst(cid:127)andigen Induktion? Das kann man logisch noch etwas weiter untersuchen: Entweder ist A(n) richtig fu(cid:127)r alle n IN. Das ist sch(cid:127)on und wir sind fertig. 2 Oder, es gibt ein n IN wofu(cid:127)r A(n ) falsch ist. Dann gibt es auch ein kleinstes solches n , nennen 1 1 1 2 wir es n . Wegen des Induktionsanfangs kann n nicht = 1 sein, denn A(1) ist ja richtig. Also ist auch 0 0 n 1 IN. Die Aussage A(n 1) ist richtig, weil n ja die kleinste natu(cid:127)rliche Zahl war, fu(cid:127)r die die 0 0 0 (cid:0) 2 (cid:0) Ausage falsch war. Nach dem Induktionsschluss folgt A(n ) aber aus A(n 1). Widerspruch! Einen 0 0 (cid:0) Widerspruch kann es in der Mathematik nicht geben, also kann A(n ) und damit A(n ) nicht falsch 0 1 gewesen sein, es war also A(n) richtig fu(cid:127)r alle n IN. 2 Das scheint alles ziemlich plausibel. An zwei Stellen kann man aber mit Kritik ansetzen: 1) Warum enth(cid:127)alt jede Menge natu(cid:127)rlicher Zahlen ein kleinstes Element n ? Das ist zwar einleuch- 0 tend, aber stimmt das denn wirklich? Woher wei(cid:25) ich, dass es stimmt? Letztenendes ist das eine Eigenschaft der Menge IN der natu(cid:127)rlichen Zahlen, und muss dort untersucht werden, wo man die natu(cid:127)rlichen Zahlen untersucht: in einer Spezialvorlesung. 2) Die Sache mit dem Widerspruch als Beweisverfahren ist nicht unumstritten. Man nennt das Verfahren auch den Satz vom ausgeschlossenen Dritten: Eine Aussage ist entweder wahr, oder falsch, eine dritte M(cid:127)oglichkeit ist ausgeschlossen! Aber dies ist eine Frage der verwendeten Logik. In der ersten H(cid:127)alfte des letzten Jahrhunderts gab es daru(cid:127)ber unter Mathematikern einen erbitterten Streit. Ich m(cid:127)ochte in dieser Vorlesung so verfahren, dass ich Widerspruchsbeweise nur verwende, wenn sie unumg(cid:127)anglich sind. Wir wollen noch eine wichtige algebraische Formel fu(cid:127)r reelle Zahlen beweisen. Satz 0.1 (Binomische Formel) F(cid:127)ur alle x;y IR und n IN gilt 2 2 n n (x+y)n = xkyn k (cid:0) k! k=1 X 9 mit den Binomialkoe(cid:14)zienten (k = 0;:::;n) k n n (cid:23) +1 n (n 1) ::: (n k+1) := (cid:0) = (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) : k! (cid:23) 1 2 ::: k (cid:23)Y=1 (cid:1) (cid:1) (cid:1) Der Binomialkoe(cid:14)zient ist auch fu(cid:127)r k = 0 de(cid:12)niert. Dann ist er das leere Produkt ((cid:23) =1;:::;0) n = 1: 0! Auch im anderen Extremfall k = n erhalten wir n n (n 1) ::: 1 = (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) = 1: n! 1 2 ::: n (cid:1) (cid:1) (cid:1) Fu(cid:127)r den Beweis der binomischen Formel ben(cid:127)otigen wir die Rechenregel: n n n+1 + = : k 1! k! k ! (cid:0) Beweis der Rechenregel: Die linke Seite der zu beweisenden Gleichung ist n (n 1) ::: (n k+2) n (n 1) ::: (n k+1) (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) + (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) : 1 2 ::: k 1 1 2 ::: k (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:1) Hier klammern wir n (n 1) ::: (n k+2) (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) 1 2 ::: (k 1) (cid:1) (cid:1) (cid:1) (cid:0) aus und erhalten n (n 1) ::: (n k+2) n k+1 n (n 1) ::: (n k+2) n+1 n+1 (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) 1+ (cid:0) = (cid:1) (cid:0) (cid:1) (cid:1) (cid:0) = : 1(cid:1)2(cid:1):::(cid:1)(k(cid:0)1) (cid:1)(cid:18) k (cid:19) 1(cid:1)2(cid:1):::(cid:1)(k(cid:0)1) (cid:1) k k ! Beweis der binomischen Formel: Wenn y = 0 ist, lautet die Formel xn = xn und wir brauchen nichts zu zeigen. Wenn y = 0 ist, klammern wir aus 6 x n x (x+y)n = y( +1) = yn ( +1)n; y (cid:1) y (cid:18) (cid:19) und brauchen die Formel nur noch fu(cid:127)r y = 1 zu zeigen: n n (x+1)n = xk: k! k=0 X Das spart etwas Schreibarbeit. Diese Formel beweisen wir durch vollst(cid:127)andige Induktion nach n. Der Induktionsanfang (n = 1) lautet 1 1 (x+1)1 = x0+ x1 0! 1! 10

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