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Eisenbahn und Politik 1758 - 1914: Vom Verhältnis der europäischen Staaten zu ihren Eisenbahnen PDF

225 Pages·2002·62.879 MB·German
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gl DISSERTATIONEN DER UNIVERSITÄT WIEN MARKUS KLENNER EISENBAHN UND POLITIK 1758-1914 Vom Verhältnis der europäischen Staaten zu ihren Eisenbahnen W U V UNIVERSITÄTSVERLAG Dissertationen der Universität Wien Band 81 Herausgegeben von der Universität Wien MARKUS KLENNER EISENBAHN UND POLITIK 1758-1914 Vom Verhältnis der europäischen Staaten zu ihren Eisenbahnen WU V UNIVERSITÄTSVERLAG Die Deutsche Bibliothek - CIP Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich. © 2002 Facultas Verlags- und Buchhandels AG WUV I Universitätsverlag, Berggasse 5, A-1090 Wien Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind Vorbehalten. Umschlaggestaltung: A+H Haller Druck: Facultas AG Printed in Austria ISBN 3-85114-731-6 5 INHALTSVERZEICHNIS Einleitung................................................. 7 I Ein neues Verkehrsmittel entsteht................................................................................................9 II. Privates Risiko, allgemeiner Nutzen: Britannien...................................................................13 1. Die ersten öffentlichen Dampfeisenbahnen..................................................................................13 2. Railway Mania......................................................................................................... 16 3. Die allmähliche Abkehr vom vollkommenen laissez-faire.........................................................18 4. Verstärkte staatliche Einflußnahme gegen Ende des 19. Jahrhunderts.....................................19 5. Die Eisenbahnpolitik in Irland und in den Kolonien.................................................................20 III Private Zentralstaatsbahnen: Frankreich.................. 21 1. Das Staatswesen.............................................................................................................................21 2. Die Frühzeit.......................................................................................................................................22 3. Der Staat ergreift die Initiative - und behält sie...........................................................................23 IV. Bis an die Grenzen des Freien Marktes: Die USA...............................................................28 1. Die Voraussetzungen................................................................................,.....................................28 2. Die Frühzeit....................................................................................................................... 31 3. Der Bund und die Transkontinentalbahn................. 33 4. Reine Privatbahnen und zögerliche politische Interventionen....................................................34 V. Jeder gegen Jeden: Deutschland...............................................................................................38 1. Die Anfänge.................................................................................................................. 38 2. Die Jahre bis 1850............................................................................................................................40 3. Die Aufschwungphase bis zur Reichsgründung.......................................................... 43 4. Von der Reichsgründung bis zum Ersten Weltkrieg....................................................................45 VI. Flaches Land und engagierte Staaten: Benelux....................................................................50 1. Belgien..............................................................................................................................................50 2. Die Niederlande...............................................................................................................................54 3. Luxemburg................................................. 57 VII Österreichs Ebenbild: Rußland............................................................................................. 58 1. Die Voraussetzungen.....................................................................................................................58 2. Gerstner und die erste Privatbahnepoche....................................................................................58 3. Die erste Staatsbahnepoche..........................................................................................................61 4. Die zweite Privatbahnära......................................... 64 5. Finnland................................................................................................................................... 67 6. Der neuerliche Wechsel zum Staatsbahnsystem.........................................................................67 7. Schwerpunkt der zweiten Staatsbahnepoche: Asien..................................................................69 VIII. Das verspätete Vorbild: Die Schweiz....................................................................................73 1. Kantonale Privatbahnen im 19. Jahrhundert................................................................................73 2. Der kontinuierlich steigende Einfluß des Bundes.......................................................................76 3. Staats- und Privatbahnen im 20. Jahrhundert.............................................................................78 IX. Die Probleme der Peripherie: Die europäischen Halbinseln............................................81 1. Apennin..................................................................................................................................... 81 a) Die Einzelstaaten.........................................................................................................................81 b) Die Eisenbahnpolitik des neuen Königreiches........................................................................82 c) Die Eisenbahnpolitik Österreichs in Norditalien.................................................... 83 d) Neuerliche Neuordnungen des italienischen Eisenbahnwesens.................................... 86 2. Skandinavien.....................................................................................................................................88 6 a) Dänemark..................................................................................................................................88 b) Schweden....................................................................................................................................89 c) Norwegen...................................................................................................................................95 3. Iberische Halbinsel.........................................................................................................................97 a) Spanien.......................................................................................................................................97 b) Portugal.......................................................................................................................................98 4. Balkan.............................................................................................................................................99 a) Das Osmanische Reich................................................................................................................99 b) Rumänien..................................................................................................................................104 c) Bulgarien....................................................................................................................................107 d) Serbien.......................................................................................................................................108 e) Albanien und Montenegro........................................................................................................109 f) Griechenland................................................................................................................................109 5. Gemeinsamkeiten?.................................................................................................................... 110 X. Österreich und Ungarn............................................................................................................113 1. Die Voraussetzungen....................................................................................................................113 2. Die wahrhaft liberale Ära: 1824 - 1841.....................................................................................126 a) Die Pferdebahn Budweis - Linz - Gmunden...........................................................................126 b) Prag - Lana.................................................................................................................................134 c) Die Situation in Ungarn..........................................................................................................137 d) Die Kaiser-F erdinands-Nordbahn...........................................................................................142 e) Die Anfänge allgemeiner Eisenbahnvorschriften...................................................................147 f) Die Konzessionsnormen von 1838.............................................................................................150 3. Der Staat als Herr der Eisenbahnen.............................................................................................156 a) Die Erste Staatsbahnära: 1841 -1854.....................................................................................156 b) Verkappte Staatsbahnen: Die zweite Privatbahnepoche 1854 - 1877 ...........................165 c) Präludium zur zweiten Staatsbahnepoche: Die Lemberg - Czemowitz-Bahn................. 172 d) Ungarn nach dem Ausgleich 1867...........................................................................................182 e) Die zweite Staatsbahnära........................................................................................................184 f) Die privaten Lokalbahnen........................................................................................................190 XI. Resümee: Zum Verhältnis der europäischen Staaten zu ihren Eisenbahnen...............193 1. Über die Problematik internationaler Vergleiche.......................................................................193 2. Europäischer und amerikanischer Weg.......................................................................................195 3. Ähnliche Probleme, unterschiedliche Lösungen in den europäischen Staaten........................195 4. Versuch einer Systematisierung...................................................................................................201 5. Zur Beurteilung der österreichischen Eisenbahnpolitik im europäischen Vergleich.............205 Tabelle A: ENTWICKLUNG DES DAMPFEISENBAHNNETZES 1840 - 1891........................212 Tabelle B: STAATS- UND PRIVATBAHNEN IN EUROPA AM JAHRESSCHLUSS 1910... .213 Tabelle C: AUSDEHNUNG DER (STAATS)EISENBAHNEN IN ÖSTERREICH....................214 Bibliographie.......................................................................................................................................215 7 Einleitung Die Eisenbahnpolitik, die sich in Handlungen oder Unterlassungen manifestierende Einstellung der Staaten zum damals modernsten Verkehrsmittel, war eine der zentralen Herausforderungen und Tätigkeitsfelder der Politik im 19. Jahrhundert. Dem Aufbau leistungsfähiger Verkehrswege mußte als Voraussetzung für die (weitere) Industrialisierung der Länder besondere Bedeutung zukommen. Diese Bedeutung zeigt sich eindrücklich in der großen Anzahl eisenbahnbezüglicher politischer Diskussionen, Gesetze und Verordnungen, Publikationen und den hohen finanziellen Aufwendungen fast aller europäischer Staaten für ihre Bahnen.1 Zwar spiegelt sich in der Geschichte der Eisenbahnen die politische Geschichte, der Aufstieg und Niedergang weltanschaulicher Strömungen wie des Liberalismus, das Aufkommen und Erstarken des Parlamentarismus und die Einbeziehung immer weiterer Bevölkerungskreise in Sachfragen, der Standpunkt dieser Arbeit, das Untersuchungsobjekt, ist aber das Eisenbahnwesen; es soll vorrangig untersucht werden, wie sich politische Entscheidungen auf das Eisenbahnwesen ausgewirkt haben, welche Folgen sie zeitigten. Bei einer solchen Betrachtungsweise besteht naturgemäß die "Gefahr” (die dann aber gerade wegen dieser Betrachtungsweise keine große mehr wäre), daß der Staat allzusehr als eine unveränderliche Einheit, als monolithischer Block, aufgefaßt wird. Dieses Problem scheint mir jedoch auch deshalb kein allzu großes zu sein, weil, wie Beispiele zeigen werden, die Eisenbahnpolitik verschiedener Staaten trotz revolutionärer Umwälzungen recht kongruent verlief, während sie andererseits totale Änderungen erfahren konnte, obwohl sich an der allgemeinpolitischen Lage nichts oder nur wenig geändert hatte. Den größten direkten Einfluß auf das Eisenbahnwesen hatte die staatliche Politik, weswegen vor allem diese untersucht werden soll. Die eisenbahnpolitische Aktivität diverser "pressure groups" zielte naturgemäß zumeist auf Einzelaspekte wie die Förderung oder Verhinderung bestimmter Strecken und Streckenführungen ab, weswegen deren Aktivität in vorliegender Arbeit bestenfalls gestreift wird. Beschäftigt man sich mit der Geschichte der Eisenbahnpolitik eines Landes, so tritt zuerst wohl einmal die Frage nach der Eigentümerstruktur der Bahnen hervor: Waren sie staatlich oder privat? Diese Eigentumsverhältnisse sind natürlich nicht zufällig entstanden, sondern das Resultat und die Manifestation eines Aspekts der Eisenbahnpolitik der Staaten, die, die Wichtigkeit von Verkehrswegen schon lange vor der Eisenbahnära erkennend, in Verkehrsffagen zumeist eine sehr aktive Position einnahmen. Das politische Gestalten der Eigentumsverhältnisse der Eisenbahnen - das Zulassen von geförderten oder nichtgeförderten Privatbahnen, die Errichtung und der Betrieb von Eisenbahnen als Staatsbahnen oder das gewollte oder einfach passierte Nebeneinanderbestehen von Staats- und Privatbahnen im sogenannten gemischten System - ist zweifelsohne bei flüchtiger Betrachtung das erste imd scheinbar grundlegend kennzeichnende Element der Eisenbahnpolitik eines Staates. Ich bezeichne im folgenden dieses politische Gestalten der Eigentumsverhältnisse der Bahnen kurz als die Grundzüge der Eisenbahnpolitik. Für Österreich ergibt sich unter dieser Betrachtungsweise das Bild, daß im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zweimal eine Staats- auf eine Privatbahnepoche folgte. Es wäre nur allzu logisch, daß sich dieser dreimalige Systemwechsel auf das Eisenbahnwesen negativ ausgewirkt hätte und daß die österreichische Eisenbahnpolitik besonders wankelmütig und inkohärent gewesen wäre, wie dies von Historikern der Gegenwart immer wieder angedeutet oder behauptet wird.2 Vorliegende Arbeit wird sich hauptsächlich mit den Fragen beschäftigen, ob dieser dreimalige Systemwechsel tatsächlich so negative Auswirkungen auf das Eisenbahnwesen und auf dessen Entwicklung hatte, ob diese Systemwechsel tatsächlich so 1 So machten etwa in Österreich im Jahre 1910 die Eisenbahnschulden rund die Hälfte der gesamten Staatsschulden aus. Wysocki, S. 140 Zum Beispiel: Karl Bachinger: Das Verkehrswesen. In: Wandruszka, Urbanitsch, S. 278 - 322 radikale Einschnitte in der Eisenbahnpolitik, im Verhältnis des Staates zu seinen Bahnen, darstellten und ob diese Inkohärenz tatsächlich ein österreichisches Spezifikum war. Da, wie vorliegende Untersuchungen zeigen werden, alle drei Fragen im wesentlichen mit "Nein" beantwortet werden müssen, wird eine Neubewertung der groben Linien der österreichischen Eisenbahnpolitik notwendig. Zu diesem Zweck scheint die Verbreiterung der Untersuchungsbasis unumgänglich; der Vergleich der österreichischen Eisenbahnpolitik mit der der anderen europäischen Länder ist eine äußerst lohnende, bisher noch nicht unternommene Aufgabe. Auf die Feststellung, daß die dreimaligen Systemwechsel keineswegs so radikale Veränderungen und Kehrtwendungen der Eisenbahnpolitik bedeuteten wie bei oberflächlicher Betrachtung anzunehmen wäre, folgt naturgemäß die Frage, was denn dann als das Grundlegende und die Essenz der Eisenbahnpolitik bezeichnet werden kann und wie dieses systematisiert werden kann. Aus der Beobachtung, daß der bloße Wechsel von Staats- zu Privatbahnen, also der Besitzwechsel - der vielleicht nichteinmal ein Eigentümerwechsel war - keine einschneidenden Auswirkungen auf die Entscheidungs- (welche Bahnen werden gebaut?) und Verantwortungsstrukturen (wer trägt das finanzielle Risiko?) hatte, ziehe ich den Schluß, daß zur grundlegenden Klassifizierung des Charakters der Eisenbahnpolitik nicht die obenangesprochenen Grundzüge der Eisenbahnpolitik genügen können. Der grundlegende Charakter der Eisenbahnpolitik scheint mir viel eher darin zu liegen, in welchem Ausmaß der Staat in das Eisenbahnwesen eingegriffen hat, ob seine Eisenbahnpolitik interventionistisch orientiert war oder ob er auch in einer für die Volkswirtschaft und das Militär so entscheidenden Frage wie der Gestaltung der damals modernsten Verkehrswege eher dem Gedanken des "laissez-faire" nahestand. An die Feststellung, daß es auch in anderen Ländern öfters Wechsel zwischen Privat- und Staatsbahnsystemen und umgekehrt gab, knüpft sich die Verbreiterung der Untersuchungsbasis: Um zu einer gültigeren Bewertung der Ereignisse in Österreich zu kommen, müssen die Ereignisse im europäischen Ausland und in den USA genauer untersucht werden. Es geht hierbei nicht nur um die Bewertung der österreichischen Eisenbahnpolitik im Vergleich mit deijenigen anderer Länder, sondern auch um die Sichtbarmachung von wirtschaftstheoretischen "Moden" und internationalen Abhängigkeitsverhältnissen in einer Zeit steigender internationaler Kapitalflüsse und (militärischer) Konkurrenzsituationen der europäischen Staaten zueinander. Hauptsächlich und letztlich kann die unterschiedliche Eisenbahnpolitik der europäischen Staaten aber nur aus den konkreten Situationen in diesen Ländern erklärt werden, weswegen der internationale Vergleich vorrangig in der Darstellung der Eisenbahnpolitik der einzelnen Länder besteht, wodurch die Vielseitigkeit der Möglichkeiten zur Gestaltung von Eisenbahnpolitik vor Augen geführt wird und gleichzeitig ein Panoptikum der Eisenbahngeschichte vor 1914 entsteht, das die Wichtigkeit des Verkehrsmittels Eisenbahn eindrücklich vor Augen fuhrt. Es ergibt sich daher die scheinbar paradoxe Situation, daß in einer zu einer hoffentlich gültigeren Bewertung der österreichischen Eisenbahnpolitik vor dem Ersten Weltkrieg führenden Untersuchung die Darstellung der Ereignisse in den anderen europäischen Staaten breiteren Raum einnehmen muß als die Beschäftigung mit dem Kemgebiet der ursprünglichen Fragestellung, nämlich Österreich selbst. 9 I EM NEUES VERKEHRSMITTEL ENTSTEHT "Niemand soll etwas Neues erdenken oder erfinden." - Aus einer Zunftordnung des 16. Jahrhunderts3 Das Verkehrsmittel Eisenbahn ist nicht mit einem Schlag erfunden worden, sondern es ist das Produkt eines jahrehundertedauernden Prozesses. Bereits in der Antike finden sich in Vorderasien, Europa und China Straßen, die mit Spurrillen versehen waren4 und so größere Sicherheit und Laufrahe gewährleisteten. Interessant ist, daß die Spuren auf Malta 1400 mm und bei den Römern zwischen 1435 und 1440 mm breit waren;5 die Spurweiten der heutigen mitteleuropäischen Normalspurbahnen beträgt 1435 mm. Die ersten Berichte über Spurbahnen finden sich in Beschreibungen deutscher Bergwerke Mitte des 16. Jahrhunderts.6 Nach und nach hielten solche Spurbahnen in den Gruben (seit 1602 gibt es auch schon oberirdische Kohlebahnen in der Gegend von Newcastle-upon-Tyne) Englands und Wales' Einzug, wo die ursprünglich hölzernen Schienen sukzessive verbessert wurden: Gegen die rasche Abnützung der Bohlen wurden diese mit Eisenplatten belegt. Als 1767 die Eisenpreise verfielen, verlegte der Besitzer eines Eisenwerkes vorläufig gußeiserne Schienen, die sich so bewährten, daß sie auch nach dem neuerlichen Steigen des Eisenpreises in Verwendung blieben. Um das Abgleiten der Wagen von den schmalen erhabenen Schienen, die im Laufe der Jahrhunderte seit der Antike allmählich die einfachen Spurrillen verdrängt hatten, zu verhindern, befestigte man innen, außen oder beidseitig, Randleisten auf den Schienen; dadurch konnten sich aber Steine und Schmutz auf den Schienen sammeln und die Betriebssicherheit gefährden; man ging daher wieder dazu über, die Randleisten in Form von beidseitigen Spurkränzen auf die Wagenräder zu verlagern, wie dies bei den frühen Holzbahnen schon öfters der Fall gewesen war - normale Straßenfahrzeuge waren aber dadurch zum Verkehr auf dem neuen Verkehrsweg Eisenbahn ohne Radtausch nichtmehr zu verwenden. Schließlich erwies sich das auch heute noch gebräuchliche System mit Spurkränzen nur auf der Innenseite der Räder als das wirtschaftlichste (geringerer Reibungsverlust und Materialverschleiß). Das neue Verkehrsmittel Eisenbahn erwies sich als brauchbar, Verkehrssicherheit und Laufrahe konnten gesteigert, die Reibungsverluste verringert werden, wodurch mit dem gleichen Kraftaufwand größere Lasten befördert werden konnten. Die Anfänge der Eisenbahngesetzgebung reichen bis ins Jahr 1758 zurück, als eine Parlamentsakte der Middleton Railway, einer Kohlebahn in der Umgebung von Leeds, gestattete, Land für die Erweiterung ihrer Bahn zu erwerben, gleichzeitig aber auch einige Auflagen wie das Errichten von Zäunen entlang der Strecke zum Schutz der Anrainer erteilte.7 1801 wurde die erste Konzession für eine dem öffentlichen Verkehr dienende Pferdebahn vergeben; Hauptzweck dieser Bahn von Wandsworth nach Croydon war es, Kohle und andere Waren von der Themse in die südlichen Bezirke Londons zu transportieren. Das Unternehmen schlug finanziell fehl, was die Chancen, Kapital für das neue Verkehrsmittel zu gewinnen, in den nächsten Jahren nicht gerade erhöhte. Auch wenn ab 1807 eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Pferdebahn zahlende Passagiere von Swansea nach Mumbles beförderte, beschränkte sich der Bahnbau bis in Fritzsche, S. 45 Bowler, S. 8 und Lentner, S. 5. Bei diesem Maß handelt es sich offenbar um die über Jahrtausende hinweg zweckmäßigste Breite von Straßenfahrzeugen, und die Beibehaltung dieses Maßes für Eisenbahnen zeugt einerseits von deren Entstehen aus und in der Tradition der früheren Landverkehrsmittel, ist andererseits aber auch- wie unten erläutert werden wird - gewolltes Resultat früher englischer Eisenbahnpolitik. 5 Walz, S. 10 P. F. Kupka: Allgemeine Vorgeschichte. In: Geschichte der Eisenbahnen, I. Band, I. Theil, S. 5 f. sowie Bowler, S. 8 Bowler, S. 10 f. 10 die 1820er Jahre weiterhin vorwiegend auf Bergwerksbahnen und Kleinbahnen ausschließlich lokalen, kleinräumlichen Charakters. Die ab 1800 vorgeschlagenen großräumigen Schieneimetze, die mehr oder weniger systematisch ganz England erschlossen hätten, kamen nicht zur Ausführung; die Kosten dafür wären gewaltig gewesen, und vom Staat war keine finanzielle Hilfe zu erwarten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts stagnierte der Kohleabbau in England; die bekannten Lagerstätten in geringer Tiefe waren zunehmend ausgebeutet worden, und man mußte immer tiefere Schächte anlegen, die aber immer wieder von Wasser überflutet wurden. Abhilfe schaffte eine Maschine, die das Wasser abpumpte und praktischerweise genau jenes Material verbrauchte, das in den Schächten gefördert wurde: Kohle. Die "erste ökonomische Nutzung der Dampfkraft" ermöglichte die von Thomas Newcomen entwickelte Dampfmaschine Anfang des 18. Jahrhunderts, 1757 waren im Newcastle-Revier bereits 57 solcher Newcomen-Dampfmaschinen in Betrieb.8 Der erste überlieferte Versuch, die damals neue Technik der Dampfkraft nicht nur für stationären Antrieb, sondern für die Fortbewegung von selbstfahrenden Wagen in Originalgröße9 zu nutzen, datiert aus dem Jahr um 1770: Der Franzose Nicolas Joseph Cugnot hatte Anfang der 1760er Jahre einen dreirädrigen Dampfwagen konstruiert und dessen Modell öffentlich ausgestellt. Cugnot, ein Artillerieleutnant, konnte seine Vorgesetzten für seine Maschine interessieren und für die Finanzierung gewinnen: Der Wagen sollte dazu dienen, Geschütze in Stellung zu ziehen. Bei einer der offiziellen Probefahrten fuhr der "Feuerwagen", der seines großen Gewichtes wegen nur schwer zu steuern war, vor den Augen des französischen Kriegsministers in eine Mauer, worauf dem Erfinder weitere Versuche untersagt wurden.10 Das System Dampfmaschine wurde weiter verbessert, zuerst in den 1780er Jahren durch James Watt (Niederdruck-Maschine), dann um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhunderts durch Oliver Evans (Hochdruck-Dampfmaschine); diese Entwicklungsstufen brachten jeweils bedeutend effizientere weil stärkere, gleichzeitig im Verbrauch aber sparsamere, kleinere und leichtere Maschinen. Zahlreiche weitere Experimente, die Dampfkraft direkt für Fortbewegung zu nutzen, wurden ebenfalls getätigt: Die Entwicklung des Dampfschiffes begann, und gar nicht so wenige Dampfwagen wurden in der Hoffnung konstruiert, den Landverkehr bezüglich Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit zu verbessern. Jedoch war keinem dieser Dampfwagen ein wirklich durchschlagender Erfolg beschieden, da sie für die schlechten Straßen zu schwer und zu schwer zu lenken waren. Der Erste, der einen Dampfwagen auf Schienen (im Jahre 1800 gab es in England bereits etwa 2400 Kilometer oberirdische Industriebahnen, auf denen die Waggons von Pferden oder auch noch Menschen gezogen wurden)11 stellte und dadurch die Lenkungsprobleme ausschaltete, war der Engländer Richard Trevithick (1771 - 1833). Am 22. Februar 1804 zog eine von ihm konstruierte Lokomotive auf einer Industriebahn in Südwales eine Last von 70 Menschen und zehn Tonnen Eisen in weniger als zwei Stunden über eine 15 Kilometer lange Strecke. Vier Schivelbusch, S. 9 Kleine Modelle selbstfahrender Dampfwagen hatte es vorher schon gegeben, das erste angeblich bereits im 17. Jahrhundert, hergestellt von dem am chinesischen Hof tätigen flandrischen Jesuitenpater Ferdinand Verbiest. Neubauer, S. 7. Somit wäre das Automobil also eine Erfindung und ein Werk der Jesuiten. Auch James Watt beschrieb in seinen Patenten aus den Jahren 1769 und 1784 eingehend solche Wagen; mit ziemlicher Sicherheit hatte er solche Wagen zumindest in Modellen angefertigt, zum Einsatz scheinen sie aber nirgens gekommen zu sein. Vgl. dazu: Geschichte..., I. Band, I. Theil, S. 22 Geschichte..., I. Band, I. Theil, S. 22 f, Walz, S. 13 f, Neubauer, S. 8 und Paul Meditier: Von Straße und Kanal zur Schiene in Europa. In: Gutkas, Bruckmüller, S. 65. Die genaue Datierung dieser Probefahrten variiert in diesen und anderen Werken von 1769 bis 1771; es ist natürlich auch eine mehljährige Erprobungsphase denkbar. Bowler, S. 11

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