DIE WIRTSCHAFTSTHEORIE DER GEGENWART IN DARSTELLUNGEN VON TH. AARUMt-oSLO • A. AFTALION-PARIS • E.ALLIX-PARIS • A. AMONN-PRAG • A. ANDREADEs ATHEN • G. ARlAS-FLORENZ,. K. BALAs-BUDAPEST. A. BILIMOVICZ.KIEW-LAIBACH • L. V. BmOK KOPENHAGEN • CH. BODIN-RENNES • J. BONAR-LONDON· P. BONINSEGNI-LAUSANNE • C. BRESCIANI TURONI-BOLOGNA • A. CABIATI-MAILAND • E. CANNAN-oXFORD • TH. N. CARVER-CAMBRIDGE J. B. CLARK-NEW YORK • J. M. CLARK-cmCAGO • J. R. COMMONS-MADISON· K. DIEHL-FREIBURG K. TH. EHEBERG-ERLANGEN • L. ElNAUDI-TUR1N • R. T. ELY-MADISON • O. ENGLANDER-PRAG K. ENGLIS-BRtl'NN-PRAG • M. FANNo-PADUA • FR. A. FETTER-PRINCETON. L FISHER-NEW HAVEN G. FRANCO-MURCIA· L. FURLAN-BASEL· W. GELESNOFF-MOSKAU • W. GERLOFF-FRANKFURT A. M. CH. GIDE-PARIS • A. GRAZIANI-NEAPEL • T. E. GREGORY-LONDON. C. GRONBERG-FRANKFURT A. M. • B. HARMs-KIEL • H. HERKNER-BERLIN • H. mGGS-BANGOR • D. lVANCOV-MOSKAU-PRAG W. E. KEMMERER-PRINCETON • W. I. KING-NEW YORK • F. H. KNIGHT-cmCAGO • A. LABRIOLA NEAPEL • C. LANDAUER-BERLIN· E. LASKlNE-PARlS • E. LEDERER-HEIDELBERG· J. LESCURE PARIS· R. LIEFMANN-FREIBURG • E. LINDAHL-UPSALA· A. LORIA-TURIN. D. H. MACGREGOR OXFORD • G. MASCI-PALERMO • H. MAYER-WIEN • L. MISES-WIEN • M. NEDELKOVIC-BELGRAD FR. OPPENHEIMER-FRANKFURT A. M. • H. OSWALT-FRANKFURT A. M. • A. C. PIGOU-CAMBRIDGE G. pmOU-PARlS • R. RElSCH-WIEN • U. RICCI-ROM • M. ROCHE-AGUSSOL-MONTPELLIER A. SALZ-HEIDELBERG • R. SCHtl'LLER-WIEN • J. SCHUMPETER-BONN • W. R. SCOTT-GLASGOW E. R. A. SELIGMAN-NEW YORK· G. F. SHmRA8-BOMBAY· C. SNYDER-NEW YORK· R. STRIGL-WIEN C. A. VERRIJN STUART-UTRECHT • C. SUPINo-PAVIA • G. DEL VECcmO-BOLOGNA • J. VINER CmCAGO • W. VLEUGELS-KOLN • AD. WEBER-Mtl'NCHEN • F. X. WEISS-PRAG • K. WICKSELLt- LUND • R. WILBRANDT-Ttl'BINGEN • L. ZAWADZKl-WILNA HERAUSGEGEBENVON HANS MAYER PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT WIEN IN VERBlNDUNG MIT FRANK A. FETTER RICHARD REISCH PROFESSOR ANDER PRINCETON-UNIVERSITY UND PRAsmENT DER NATIONALBANK PRINCETON, NEW JERSEY PROFESSOR AN DER UNIVERSITAT WIEN IN VIER B.ANDEN DRITTER BAND EINKOMMENSBILDUNG ALLGEMEINE PRINZIPIEN, LOHN, ZINS, GRUNDRENTE, UNTERNEHMERGEWINN, SPEZIALPROBLEME WIEN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1928 EINKOMMENSBILDUNG ALLGEMEINE PRINZIPIEN, LOHN, ZINS, GRUND RENTE, UNTERNEHMERGE~NN, SPEZIALPROBLEME DARGESTELLT VON ALFRED AMONN . LAURITS V. BIRCK . JAMES BONAR . THOMAS N. CARVER· JOHN B. CLARK . JOHN R. COMMONS . RICHARD T. ELY IRVING FISHER· CHARLES GIDE . HEINRICH HERKNER . WILLFORD 1. KING . CARL LANDAUER· D. H. MACGREGOR· HENRY OSWALT ARTHUR C. PIGOU . UMBERTO RICCI . ARTHUR SALZ . CAMILLO SUPINO . GUSTAVO DEL VECCHIO . ADOLF WEBER . FRANZ X. WEISS • KNUT WICKSELL WIEN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1928 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAB DER "OBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN. VORBEHALTEN COPYRIGHT 1928 BY JULIUS SPRINGER IN VIENNA SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1928 ISBN 978-3-7091-5879-1 ISBN 978-3-7091-5929-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-7091-5929-3 Inhaltsverzeicbnis Seite Allgemeine Prinzipien Tbeorie der Verteilung; Von Dr. CARL LANDAUER-Berlin.................... 1 Der Einkommensbegriff im Lichte der Erfahrung. Von Professor IRVING FIsHER- New Haven ..•..........................•. " • . . . . • . . . . . . • . . . . . • . . • .. 22 Vo1kswirtschaftlicher und privatwirtschaftJicher Reinertrag und die Lehre von der Maximalbefriedigung. Von Professor ARTHUR C. PIGou-Cambridge •.•..• 46 Lohn Grundsiitze einer Tbeorie vom Arbeitslohn. Von Professor ARTHUR SALZ-Heidelberg 49 Die Lohntheorien der deutschen Arbeiter- und Arbeitgeberverbiinde seit der Stabilisierung der Valuta. Von Professor HEINRICH HERKNER-Berlin ....... 85 Die Lohntheorie. Von Professor CHARLES GIDE-Paris ...........•........... 98 Die Arbeit in der Individualwirtschaft. Von Professor UlIIBERTO RIccI-Rom •... 113 Zins Tbeorie des Kapitalzinses. Von Dr. HENRY OswALT-Frankfurt a. M. .......... 132 Die Tbeorie des Zinses. Von Professor THOMAS N. CARVER-Cambridge (U.S.A.) 151 Der Diskont als geldtheoretisches Problem. Von Professor CAMILLO SupINo-Pavia 168 Rea1kapital contra PrivatkapitaI. Von Professor LAURITS V. BmcK-Kopenhagen 181 Zur Zinstheorie(B6hm-BawerksDritterGrund). Von Professor KNUTWICKSELL t-Lund 199 Grundrente Die Grundrente im System der Nutzwertlehre. Von Professor FRANz X. WEIss-Prag 210 Die stlldtische Grundrente. Von Professor ADOLF WEBER-Miinchen .........•. 235 Kosten und Einkommen bei der Bodenverwertung. Von Professor RICHARD T. ELY- Chicago ............................................................. 242 Unternehmergewinn Der Untemehmergewinn. Von Professor ALFRED bONN -Prag ................ 259 Bemerkungen zur Theorie des Profits. Von Professor D. H. MAcGREGOR-Oxford 271 Untersuchungen zur Tbeorie des Untemehmergewinnes. Von Professor GUSTAVO DEL VECCHIo-Bologna. ................................................ 281 Spezialprobleme DasR~~=:~w:~!!~c~t. ~~. ~~ ~~~~~~~~~~: .~~~ .~~~~~~~~. ~~~. 293 Das Einkommen der Vereinigten Staaten und der zu seiner Berechnung ver- wendbare Einkommensbegriff. Von WILLFORD I. KING-New york .......... 318 Die Grenzen der Macht. Von Professor JAMES BONAR-London ................ 325 Ein altes Prinzip in neuer Zeit. Von Professor JOHN BATES CLARK-New York .. 328 Theorie der Verteilung Von Dr. Carl Landauer, Berlin DaB die okonomische Theorie iiber die Einkommensbildung etwas aus sagen kann, ist viel weniger selbstverstandlich als ihre Aufgabe und Leistungsfahig keit bei Erklarung des menschlichen Handelns auf dem Gebiete der Produktion. Eine Theorie kann nur dort etwas leisten, wo das Geschehen sich nach erkenn baren Regeln richtet. 1m Bereiche der Produktion herrschen offensichtlich bestimmte Regeln der Rationalitat. Werden sie nicht befolgt, so ist der Pro duktionsertrag geringer, als er sein konnte. Wollen die Menschen ihre Bediirfnisse moglichst reichlich befriedigen, so sind sie genotigt, sich an diese Regeln zu halten. Das gilt nicht etwa nur fiir die technischen MaBnahmen, sondern ebenso fiir die wirtschaftlichen Uberlegungen und Handlungen, fUr die Disposition iiber die relativ seltenen Produktivkrafte und -mittel. Nun liegt die Annahme nahe, daB der Bereich des Zwangslaufigen verlassen wird, wenn die Giiter aus Mitteln und Realertragen der Produktion zu Einkommen der einzelnen Menschen werden. Wieviel von den Erzeugnissen der Produktion das eine und wieviel das andere Mitglied der Gesellschaft erhalt, scheint auf den ersten Blick der willkiirlichen Entscheidung durch die Gesellschaftsverfassung oder die von ihr berufenen Organe anheimgegeben zu sein. Wohl wird bei der bestehenden Form der Gesellschaftswirtschaft die Einkommensbildung nicht unmittelbar durch Eingriffe des Staates oder anderer gesellschaftlicher Organisationen geregelt, sie ergibt sich vielmehr im ganzen aus dem Ablauf der verkehrswirtschaftlichen Vorgange. Trotzdem aber ist die Vorstellung moglich, daB diese Art der Ein kommensverteilung nur deshalb bestehe, weil gerade ihr Ergebnis von jenen gesellschaftlichen Machten, denen die Entscheidung obliegt, als gerecht gewollt werde, und daB diese Machte nach ihrem Belieben Abanderungen bewirken konnten, wenn ein solcher Wunsch bei ihnen entstiinde. Diese Vorstellung muB auch nicht notwendig iiberwunden werden durch die haufige Erfahrung, daB Eingriffe in die Einkommensbildung im Einzelfall oft mit groBen Schwierigkeiten verbunden sind und zu Ergebnissen fUhren, die ihr Urheber gar nicht wiinscht. Damit ist die Erkenntnis einer umfassenden GesetzmaBigkeit der Einkommens bildung noch nicht gegeben. Und so ging zeitweise die groBe Mehrzahl der Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftspolitiker von der stillschweigenden oder ausdriicklichen Annahme aus, daB es in der Macht der Gesellschaft liege, sogar ohne umwalzende Anderung der Produktionsorganisation die Verteilung anders einzurichten. Daraus leitete man die Forderung ab, daB auf der Grund lage der bestehenden Gesellschaftsordnung deren "AuswUchse" - nach ethischen MaBstaben beurteilt - beseitigt werden sollten. Man erkannte wohl im einzelnen Hindernisse dieser Reformbestrebungen, aber man fiigte die Einzelerkenntnisse nicht zusammen zur grundsatzlichen Erkenntnis einer allgemeinen Grenze der Wirksamkeit von Eingriffen. Dieser Erkenntnis waren die Klassiker und ihre unmittelbaren Nachfolger bereits nahe gewesen; unter der Herrschaft der historisch-ethischen Schule ging das Erreichte wieder verloren. Mayer, Wirtschaftstheorie III 1 2 C. LANDAUER Die Meinung, daB die Einkommensverteilung Sache willkiirlicher Gestaltung sei, ist keineswegs durchaus faJsch. Sie ist nur faJsch fiir die Wirtschaftsform, die wir heute besitzen, fiir die Verkehrswirtschaft. Nur in der Verkehrswirtschaft sind Einkommen zwangslaufig bedingt, nur fiir die Verkehrswirtschaft gibt es "Gesetze" der Einkommensbildung, die erforscht werden konnen, und deshalb eine Einkommenstheorie. Der Verkehrswirtschaft ist eigentiimlich, daB in ihr die Bedeutung der Giiter und Leistungen fiir die Befriedigung der menschlichen Bediirfnisse zur QueUe von Einkommen wird. Bei gegebenen Bediirfnissen der Wirtschaftspersonen und gegebenen Produktions moglichkeiten bringt nur eine bestimmte GroBe jedes einzelnen Einkommens die Bedeutung der Giiter und Leistungen fiir die Erzielung eines groBtmoglichen Ertrages richtig zum Ausdruck. Verandert man die Aussicht, durch Anbieten bestimmter Giiter oder Leistungen Einkommen zu erzielen, so wird das wirt schaftliche Handeln in falsche Richtung gelenkt; das Handeln der Wirtschafts personen entspricht dann nicht der Bedeutung, die den anzubietenden Giitern im Verhaltnis zu anderen fiir die Befriedigung der menschlichen Bediirfnisse zukommt. So erfiillt jedes Einkommen in der Verkehrswirtschaft auBer dem personlichen Zwecke fiir seinen Bezieher noch den gesellschaftlichen Zweck, das Handeln in bestimmte, den Forderungen der Rationalitat entsprechende Bahnen zu lenken. Soweit verkehrswirtschaftliche Einrichtungen bestehen, fiihren willkiirliche Eingriffe in die Einkommensbildung dazu, das wirtschaftliche Handeln aus der Richtung auf den groBtmoglichen Ertrag abzulenken. Dem stellen sich aber Widerstande entgegen. Wenn das Handeln einer Person nicht so enolgt, wie es fiir den Gesamtertrag der Volkswirtschaft am giinstigsten ist, so werden stets Interessen verletzt, denn irgendwo muB sich das Minus an Wirtschaftsertrag ja zeigen. Manchmal tragt jene Wirtschaftsperson, deren Handeln aus der Bahn des wirtschaftlich ZweckmaBigen abgelenkt ist, in erster Linie den Schaden; manchmal tragen ihn zunachst andere. Stets aber sucht ihn der zunachst Betroffene nach Moglichkeit von sich abzuwalzen, indem er sein Handeln der veranderten Gesamtsituation anpaBt. Dadurch wird die Ertragsminderung an vielen Stellen des WirtschaftskOrpers fiihlbar. Nun ist bei "willkiirlichen" Eingriffen in die Einkommensverteilung stets die Absicht maBgebend, bestimmten Gruppen von Wirtschaftspersonen Vorteile zu verschaffen. Die indirekten Folgen der Ertragsminderung zeigen sich aber sehr haufig gerade an dem Ein kommen dieser zunachst bevorzugten Personen und machen damit den Eingriff erfolglos. Die Versuche, den Anteil bestimmter Einkommensarten am Sozial produkt zwangsweise zu erhohen, setzen in wichtigen Fallen eine Verteuerung des Produktionsfaktors (oder Teilfaktors) voraus, auf dem dieses Einkommen beruht. Der Wirtschaftsverkehr aber hat die Tendenz, den wenigst belasteten Weg zu suchen. Die Wirtschaftspersonen streben darnach, ihr eigenes Handeln der Verteuerung anzupassen, indem sie die Inanspruchnahme des verteuerten Faktors einschranken oder vermeiden. Damit verringern sie ihren eigenen Anteil an dem Minderertrag der Produktion und walzen ihn auf jene Wirtschafts personen ab, die durch den Eingriff begiinstigt werden sollten. Sobald diese Wirkung hervortritt, ist fiir den Urheber des Eingriffes ein Beweggrund gegeben, seine MaBnahme rUckgangig zu machen. In der Wirkungsweise umgekehrt, im Ergebnis gleichartig liegt der Fall, wenn ein Kreis von Wirtschaftspersonen dadurch begiinstigt werden solI, daB die von ihm zu verbrauchenden Giiter auf Kosten der an ihrer Produktion beteiligten Gruppen verbilligt werden. Die Einkommensverteilung der Verkehrswirtschaft weist daher eine Widerstands- Theorie der Verteilung 3 fahigkeit gegen Eingriffe von auBen am, keine absolute Widerstandsfahigkeit allerdings, wohl aber eine relative. Wenn wir also jene Regeln uber die Einkommensverteilung amstellen, die sich aus der Bedeutung jedes Einkommens fiir die Erzielung eines groBtmoglichen Gesamtertrages der Wirtschaft ergeben, dann werden zwar diese Regeln nicht die Grundzuge der Einkommensbildung fiir jedes Stadium der realen Wirtschaftsentwicklung schildern, sie werden aber den Zustand erkennen lassen, zu dem die Einkommensverteilung der Verkehrs wirtschaft in jedem Augenblick tendiert. Die Theorie kann demnach fiir die Erklarung der Einkommensbildung wenigstens im Bereiche der Verkehrswirtschaft ganz dasselbe leisten wie fiir die Erklarung aller anderen Wirtschaftsvorgange. Die relative Widerstandsfahigkeit der Einkommensverteilung in der Verkehrswirtschaft muB an einigen Beispielen erHi,utert werden1). Das einfachste Beispiel fiir einen Eingri£f von auBen her in die Einkommensverteilung der Ver kehrswirtschaft ist die Festsetzung von Hoc hs t pr eis en. Durch Hochstpreise wird versucht, die (Real-)E inkommen der Konsumenten von Waren, vor allem der Lohn-und Gehaltsempfanger, auf Kosten des Einkommens der Warenproduzenten zu steigern. Den Produzenten solI es unmoglich gemacht werden, die (vielleicht durch besondere Verhaltnisse gesteigerte) Bedeutung der von ihnen hergestellten Guter zur Erzielung eines entsprechenden Einkommens voll auszunutzen. Also miissen Preise festgesetzt werden, die hinter der Bedeutung der Giiter zuriick bleiben. Die Verkamer passen sich dieser Verschiebung durch Verminderung des Angebotes der betreffenden Ware an, indem sie die Produktion auf die Ausnutzung der giinstigsten Erzeugungsmoglichkeiten einschranken. Bei land wirtschaftlicher Produktion geschieht dies durch einen geringeren Intensitatsgrad des Betriebes, unter Umstanden Brachliegenlassen schlechterer Boden, im Berg bau durch Stillegung aller tiefliegenden oder weniger ergiebigen Gruben, in der Industrie vor allemdurchLohndruck und die sichdaraus ergebendeBeschaftigungs beschrankung auf die anspruchslosesten Arbeiter, wahrend jene mit hoheren Lohnanspriichen in andere Produktionszweige (oder Lander) abwandern. Das verringerte Angebot bewirkt nun, daB die Konsumenten, zu deren Schutz die ganze MaBnahme gedacht war, ihre Bediirfnisse nicht mehr voll decken konnen. Sie fiihlen deshalb ihre Interessen verletzt und gewohnlich iiberzeugt sich dann die offentliche Gewalt, daB ihr Streben, an den Beweggriinden gemessen, nicht erfoIgreich war, und macht die ganze MaBnahme riickgangig. Ein weiterer nicht seltener Fall staatlichen Eingriffes in die Einkommens verteilung ist der Versuch der Lohnregulierung. Sollen die Lohne "kiinstlich" am Steigen verhindert werden, so handelt es sich um eine Analogie zur Politik der Warenhochstpreise, und wenn auch die Eigentiimlichkeit der Arbeitskraft als Gegenstand des Tauschverkehrs im einzelnen Abweichungen schafft, so sind doch grundsatzlich fiir die Beurteilung der Hochstlohne die gleichen Gesichts punkte maBgebend wie fUr die Beurteilung der Hochstpreispolitik. Aber haufig werden nicht Hochstlohne, sondern Mindestlohne angestrebt. Man will den Arbeitern helfen, zu einem hoheren Lohn zu gelangen, als jener ist, den sie ohne staatliche Beihilfe erreichen wiirden. Dabei ist nun wohl zu unterscheiden: Zuweilen handelt es sich durchaus nicht um eine Festsetzung, die der Absicht nach mit der relativen Bedeutung der Arbeitskraft fiir den ProduktionsprozeB in Widerspruch steht. Vielmehr ist oft nur der Wunsch maBgebend, die Erreichung gerade dieses Lohnes zu 1) Vgl. hiezu BOHM-BAWERK: Macht oder okonomisches Gesetz~ (Zeitschr. f. Volksw., Sozialpol. u. Verw., Bd.26), und SCHUMPETER: Das Grundprinzip der Verteilungstheorie (Arch. f. Sozialw., Bd. 42). 1* c. 4 LANDAUER siohern. Das Eingreifen des Staates wird entweder nur deshalb fUr erwiinsoht gehalten, weil man glaubt, daB wegen der Unerfahrenheit der Arbeiter die Interessenwahrung nioht auf beiden Seiten in gleioher Weise erfolge, oder weil man fUrohtet, daB sioh der "natUrliche" Lohn erst nach produktionsschadlichen Kampfen einstellen werde. .AIle Lohnfestsetzungen dieser Art konnen hier auBer Betrooht bleiben. Dagegen rufen gesetzliche Minima.llOhne, die das Lohn niveau iiber die funktionelle Bedeutung der einzelnen Arbeitskraft hinaus erhohen, notwendig Reaktionsersoheinungen hervor, mit der Tendenz, den Vorteil fUr die Lohnempfanger wieder aufzuheben. Die einfaohste Form dieser Reaktions erscheinungen besteht darin, daB die Arbeitgeber sich der Soohlage duroh Arbeiter entlassungen anzupassen suohen. Damit werden zunaohst die Interessen der zur Entlassung kommenden Arbeiter - und zwar sehr schwer - geschadigt. Die arbeitslos Gewordenen suchen nun ihre in Arbeit verbliebenen Kollegen zu unterbieten, um selbst Arbeit zu erlangen. Die Unterbietung stoBt aber auf den Widerstand des gesetzlichen Lohnminimums. Sie werden also versuchen, diese Schranke zu beseitigen. Dabei kommt ihnen der Umstand zu Hille, da.B der Anpassungsvorgang auch die Interessen der in Arbeit Verbliebenen geschadigt hat. Denn die Arbeiterentlassung bedeutet Produktionseinschrankung, diese aber bedeutet Steigen der Warenpreise, also Geldwertsenkung, teilweise Ent wertung des gestiegenen Nominallohnes. Ein solcher Zustand, bei dem die einen sohwer geschiidigt sind und die anderen des urspriinglichen Vorteils bald wieder ganz oder zum groBen Teile beraubt werden, ist nicht haltbar. Sowohl im Falle der Rochstpreise wie im Falle der Mindestlohne gibt es noch andere Reaktionserscheinungen. Von diesen solI hier nur noch eine allgemein wichtige Gruppe herausgegriffen werden: Reaktionen auf Eingriffe in die Z ins bildung. Jede Anderung der Warenpreise und jede Anderung der Lohne wirkt irgendwie auch auf den Zins. Daneben hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Zins unmittelbar durch staatliche MaBnahmen zu regulieren. Der Zins hat, wie alle anderen Preiserscheinungen, eine bestimmte Regulie rungsaufgabe zu erfiillen. Er sorgt fUr die Verleilung der soohlichen und person lichen Produktionsmittel auf das Wirken fUr den Gegenwartsbedarf und das Wirken fUr den Zukunftsbedarf. Steigt der Zins, so hat dies zur Folge, daB die Versorgung der Gegenwart auf Kosten der Versorgung der Zukunft ausgedehnt wird; sinkt der Zins, so wird umgekehrt die Gegenwartsversorgung eingeschrankt, um eine starkere Versorgung der Zukunft zu ermoglichen. Der Weg dieser Regulierung ist folgender: Je hoher der Zins, um so weniger kann auf den letzten Ertrag der Produktion gewartet werden, um so weniger wird daher eine Aus dehnung des Produktionsapparates privatwirtschaftlich moglich, die ja ihren Ertrag erst in der Zukunft liefert. In solcher Ausdehnung des Produktions apparates aber auBert sich volkswirtschaftlich die Vorsorge fUr die Zukunft, die Ermoglichung eines kiinftigen hoheren Giiterverbrauches. Der Regulator Zins muB sich also normalerweise so bewegen, wie die Ab wagung der Gegenwarts- gegen die Zukunftsbediirfnisse dies verlangt. 1m allgemeinen kann - nicht nur privatwirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaft lich - durch Investition von Produktionsmitteln in den WirtschaftsprozeB um so mehr gewonnen werden, auf je langere Zeit diese Investition erfolgt. Aber das Mehr in der Zukunft rechtfertigt nicht jede EntbloBung der Gegenwart. Man kann sich wohl heute Entbehrungen auferlegen, um in einigen Jahren desto besser versorgt zu sein. Kein wirtschaftlich richtiges Randeln aber ware es, wenn man um des groBten Wohlfahrtsgewinnes in der Zukunft willen in der Gegenwart sich des absolut Notwendigen berauben wollte. Der Zins reguliert die Minderbewertung der Zukunftsgiiter, die notwendig ist, wenn nicht das Theorie der Verteilung 5 Ergebnis der Wirtschaftsrechnung zu· einer absoluten Unterversorgung der Gegenwart fiihren soIl. W:illkUrliche Beeinflussung des Zinses zur Erzeugung einer bestimmten Einkommensverteilung bedeutet, daB ein Regulator, der nach dem inneren Ausgleichsbediir£nis des wirtschaftlichen Mechanismus sich bewegen miiBte, statt dessen von auBen her nach MaBgabe von Absichten bewegt wird, die mit jenem Ausgleichsbediirfnis nichts zu tun haben. Die Folge ist, daB der Regulator seine Aufgabe nicht mehr erfiillt. Die Verteilung der Produktionsmittel und -krafte vollzieht sich nicht mehr im Sinne der optimalen Wirtschaftsfiihrung. Daraus ergibt sich eine Beeintrachtigung der Lebenshaltung, besonders auch fUr jene, die durch den Eingriff begiinstigt werden soIlten. Das kann nicht ohne EinfluB bleiben auf die Entschliisse der Machttrager, von denen die Einwirkung auf den Zins ausgegangen ist. Die Reaktionserscheinungen, die durch w:illkUrliche Beeinflussung des Zinses hervorgerufen werden, erhohen - auf die Dauer gesehen - in auBer ordentlichem MaBe die Widerstandsfahigkeit der Einkommensverteilung, die auf der Bedeutung der Giiter und Leistungen fiir die Bedarfsdeckung beruht. Wie schon angedeutet, stabilisieren sie nicht nur das Zinseinkommen, sondern sie wirken auch noch als indirekte Sicherung gegen Anderungen der Waren preise1), weil jede solche Anderung den Zins irgendwie beeinflussen miiBte. Die Widerstandsfahigkeit der verkehrswirtschaftlichen Einkommensver teilung wird weiter durch die Tatsache verstarkt, daB aIle Reaktionserscheinungen, die unmittelbaren Reaktionen gegen Preisdiktate wie auch die den Zins stabili sierenden Krafte, nicht nur gegen Eingriffe offentlicher Gewalten wirksam werden, sondern grundsatzlich in gleichem MaB auch gegen Monopolpreis bildungen. Beispielsweise macht es fiir die Frage derReaktionen keinen Unter schied aus, ob eine Lohnerhohung durch gesetzlichen MinimaIlohn oder durch gewerkschaftliche Aktionen zu erreichen gesucht wird. Das Wesen der Monopolnutzung besteht darin, daB fiir den Preis des Monopol gutes nicht der Nutzen der letzten vorhandenen oder noch mit einem UberschuB des Nutzens iiber die Kosten produzierbaren Einheit zur Grundlage der Preis bildung gemacht wird, sondern ein hoherer Einheitsnutzen. Dadurch wiirde der Kaufer genotigt werden, einen Teil der Einheiten mit einemPreise zu bezahlen, der den Nutzen iibersteigt. Dagegen wehrt er sich, indem er seinen Bedarf einschrankt. Der Verkaufer mag versuchen, ihn zu zwingen, daB er aIle Einheiten abnimmt, wenn er iiberhaupt Einheiten erhalten will. Aber im allgemeinen ist der Kaufer in diesem Kampfedem Verkaufer bei weitem iiberlegen, weil die Oktroyierung der Ubernahme aller Einheiten in einer individualistischen Wirt schaftsordnung technisch auBerordentlich schwer durchzufiihren ist. 1) Eine Politik der Preissenkung durch Hochstpreise mull, wenn sie umfassend angewendet und nicht durch technische Schwierigkeiten oder ihre unmittelbaren Wirkungen (Angebotseinschrankung) alsbald zu einer rucklaufigen Bewegung ge zwungen wird, notwendig ein Sinken des ZinsfuBes zur Folge haben. Denn die Preis senkung schreckt von der Warenerzeugung ab und setzt dadurch Kapital frei. Die Folge solcher ZinsermaBigung wird sein, daB nun weit ausgreifende Kapitalsinvesti tionen erfolgen, die auf lange Sicht eine Verbesserung und Rationalisierung des Produktionsapparates bezwecken; es wird, da Arbeit fUr die Gegenwart unlohnend scheint, mehr fUr die Zukunft gearbeitet. So -6rwlinscht dies auch unter anderem Gesichtspunkt sein mag, so ist ein solcher doch der typischen Motivierung einer Hochstpreispolitik, namlich der besseren Versorgung der Konsumenten in der Gegen wart, durchaus zuwider. c. 6 LANDAUER Ein Beispiel fUr diesen Sachverhalt bilden die Bestrebungen der Gewerk schaften, zugleich mit der Durchsetzung bestimmter Lohnanspruche die Erit lassung von Arbeitskraften moglichst zu verhindern. Der Arbeitgeber zeigt das Bestreben, sobald durch Tarifvertrag eine bestimmte Mindesthohe des Lohnes vorgeschrieben ist, aIle Arbeiter zu entlassen, deren Nutzen fUr den Betrieb geringer ist, als diesem Lohn entspricht. Dem suchen die Gewerkschaften durch Erzwingung entsprechender tarifvertraglicher Abmachungen oft entgegen zuwirken. Durch die Drohung, zu streiken, d. h. uberhaupt keine Einheiten des Faktors Arbeit mehr zu liefern, wollen sie den Arbeitgeber zwingen, aIle angebotenenEinheiten zu dem verlangten erhohten Preis abzunehmen. Manchmal muB sich der Arbeitgeber vorubergehend fugen, weil er sonst keine Arbeiter mehr erhalten wiirde. Aber uber kurz oder lang setzt der Unternehmer die Entlassung immer durch, und zwar deshalb, weil ihm auf der Grundlage der Privatwirtschaftsordnung die Freiheit der EntschlieBung in den fUr die Betriebs fiihrung entscheidenden Fragen letzten Endes nicht genommen werden kann. Die Einschrankung des Verbrauches durch den Kaufer schlieBt an sich einen Sondergewinn des Monopolisten nicht aus, weil der hohere Stuckgewinn aus der kleineren Stuckzahl ihm im ganzen mehr einbringen kann als der niedrigere Stuckgewinn aus der groBeren Stuckzahl, und zwingt ihn also auch nicht zur Aufgabe der Monopolnutzung. Die Preisuberhohung bietet aber anderen Wirtschaftspersonen einen Anreiz, als Anbieter aufzutreten und so das Monopol zu durchbrechen. Dieser AuBenseitergefahr kann der Monopolist nur erfolgreich begegnen, wenn entweder das Monopolgut nicht reproduzierbar ist und sich alle Stucke in seinem Besitz befinden oder wenn er uber unentbehrliche Voraus setzungen fUr die Produktion des Monopolgutes ausschlieBlich verfugt. Auch das Auftreten der AuBenseiter ist im gleichen Sinne wie die Einschrankung des Verbrauches eine Reaktion, die durch den Versuch monopolistischer Beeinflussung der Einkommensbildung hervorgerufen wird: Der Konsument strebt darnach, sich mit anderen Personen, die als Anbieter auftreten konnen, zu verstandigen und dadurch den Monopolisten auszuschalten. FUr jene FaIle, in denen der Sondergewinn des Monopolisten weder durch Verbrauchseinschrankung noch durch AuBenseiterangebote vernichtet wird, bleiben schlieBlich die komplizierteren Reaktionserscheinungen ubrig, die durch Beeinflussung des Geldwertes und des Zinses hervorgerufen werden. So ist auch hier die relative Widerstandsfahigkeit der verkehrswirtschaftlichen Ein kommensverteilung gesichert. Man kann die Tatsache dieser Widerstandsfahigkeit in besonderem Hinblick auf die Stabilitat gegenuber Monopolpreisbildungen vielleicht am besten durch folgende Formulierung zum Ausdruck bringen: In der Verkehrswirtschaft ist der Tendenz nach keine Einkommensverteilung stabil, die fur irgendwelche Guter oder Leistungen eine Bewertung voraussetzt, die nicht die Grenzbedeutung der kleinsten, einer wirtschaftlichen Disposition noch zu unterwerfenden Einheit zur Grundlage hat. Die Wirkung von Monopolpreisbildungen ist nur grundsatzlich die gleiche wie die Wirkung staatlicher Eingriffe in die verkehrswirtschaftliche Einkommens bildung. Praktisch ergeben sich gewisse Abweichungen damus, daB in typischen Fallen der Monopolisierung die Beweggrunde und der EinfluBbereich anders gestaltet sind. Dabei kommen vor allem zwei Tatsachen in Betracht. Staatliche Eingriffe in die Einkommensverteilung sind im allgemeinen von der Absicht geleitet, von groBeren sozialen Gruppen, etwa von Klassen, die eine vor anderen zu begunstigen. Nur selten wird der Staat es sich zum Ziele setzen, einer absolut kleinen Zahl von Wirtschaftspersonen, etwa den Angehorigen eines Spezial-