Jurgen Wolfart Einfiihrung in die Zahlentheorie und Algebra vieweg studium Aufboukurs Mathematik Herausgegeben von Martin Aigner, Gerd Fischer, Michael Gruter, Manfred Knebusch, Gisbert Wustholz Martin Aigner Diskrete Mathematik Albrecht Beutelspacher und Ute Rosenbaum Projektive Geometrie Manfredo P. do Carmo DiHerentialgeometrie von Kurven und Flachen Gerd Fischer Ebene algebraische Kurven Wolfgang Fischer und Ingo lieb Funktionentheorie Wolfgang Fischer und Ingo Lieb Ausgewahlte Kapitel aus der Funktionentheorie Otto Forster Analysis 3 Manfred Knebusch und Claus Scheiderer Einfuhrung in die reelle Algebra Horst Knbrrer Geometrie Ulrich Krengel Einfuhrung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik Ernst Kunz Algebra Reinhold Meise und Dietmar Vogt Einfuhrung in die Funktionalanalysis Erich Ossa Topologie Alexander Prestel Einfuhrung in die mathematische Logik und Modelltheorie Jochen Werner Numerische Mathematik 1 und 2 Jurgen Wolfart Einfuhrung in die Zahlentheorie und Algebra Jurgen Wolfart Einfuhrung in die Zahlentheorie und Algebra I I Vleweg Prof. Dr. Jurgen Wolfart Johann Wolfgang Goethe-UniversiUit Frankfurt Fachbereich Mathematik Postfach 11 19 32 60054 Frankfurt/Main e-mail: [email protected] Aile Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 1996 Der Verlag Vieweg ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschlieBlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere flir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN -13 :978-3 -528-07286-5 e-ISBN -13 :978-3 -322-85034-8 DOl: 10.1007/978-3-322-85034-8 v Vorwort Die Zahlentheorie befaBt sich urspriinglich mit Eigenschaften der natiirlichen Zah len wie Teilbarkeit, Primfaktorzerlegung, Primzahlverteilung, Darstellbarkeit von Zahlen als Summe von n Quadraten, Losbarkeit von Gleichungen durch natiirliche Zahlen u.s.w. 1m Lauf der Geschichte, die sich bis in die babylonische Mathema tik zuriickverfolgen lii-Bt, hat sich das Blickfeld erweitert auf ganze und rationale Zahlen, auf algebraische Zahlen (Nullstellen von Polynomen mit rationalen Koeffi zienten), und schlieBlich auch auf solche, die zwar fiir Geometrie und Analysis von zentraler Bedeutung sind wie 7r und e, aber von allen diesen Erweiterungsschrit ten nicht erfaBt werden, also den transzendenten Zahlen. 1m Lauf dieser Geschichte hat sich die Zahlentheorie vieler Methoden aus allen moglichen anderen Teilen der Mathematik bedient, vorrangig der Algebra und der Analysis; durch ihre konkreten Fragestellungen hat sie andererseits auch die Weiterentwicklung dieser Methoden vorangetrieben. Sie ist also ein Teil der Mathematik, der sich iihnlich wie Gebiete der angewandten Mathematik eher durch ihre Probleme als ihre Methoden beschreiben HiBt, deren Entwicklung aber mehr durch die menschliche Neugier als Triebfeder bestimmt wurde als durch Bediirfnisse des "Wissenstransfers", urn ein Modewort zu gebrauchen. Eine interessante moderne Pointe ist es, daB gerade diese Erkennt nisse aus dem Elfenbeinturm nun eifrig genutzt werden (fiir ein Beispiel vgl. Kap. 5), und das sollte allen Verfechtern einer raschen Verwertbarkeit von Wissenschaft zu denken geben. Dieser letzte Punkt trifft genauso fiir die Algebra zu und ist fiir sie sogar noch friiher zutage getreten als in der Zahlentheorie (die Verwendbarkeit der Gruppen und Darstellungstheorie in der Quantenmechanik, eines der vielen hier nicht behan delten Themen), im iibrigen ist die heutige Algebra aber ein Teilgebiet der Mathe matik von anderem Typ als die Zahlentheorie. Auch sie war noch vor 300 J ahren ein problemorientiertes Gebiet der Mathematik, befaBt vor allem mit dem Losen von Gleichungen; die Algebra auf der Schule ist davon immer noch gepriigt. Seit den erst en Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hat sich die Algebra mehr und mehr zur systematischen und strukturorientierten Wissenschaft entwickelt, deren abstrakte ste Aspekte (Kategorien und Funktoren) hier nicht einmal erwiihnt werden. DaB der systematische und abstrakte Aufbau der Algebra auf dem Weg der Gruppen, Ringe und Korper auch aus der Sicht der konkreten alten Prohleme erfolgreich ist, mag der Leser gerade an der Aufkliirung alter Fragen aus Algebra und Geometrie im Rahmen der Galoistheorie ablesen, die ja eigentlich algebraische Korpererweite rungen mit Hilfe ihrer Automorphismen studiert (z.B. Abschnitt 7.6: Lassen sich Winkel mit Zirkel und Lineal in drei gleiche Teile teilen?). Algebraische Metho den werden heute weit iiber die Algebra hinaus mit groBtem Erfolg verwendet - man denke z.B. an Automorphismengruppen anderer mathematischer Strukturen oder an Gruppenoperationen aller Art (Abschnitte 2.6 und 7.9). Diese universelle Vorwort VI Verwendbarkeit ist nicht zuletzt dem groBen Abstraktionsgrad der Algebra zu ver danken. Algebra und Zahlentheorie sind also trotz aller Verwandtschaft Teilgebiete der Ma thematik mit etwas gegenlaufigen Tendenzen. Die Idee, dennoch in einer zweisemest rig en Vorlesung Algebra und Zahlentheorie zu kombinieren, stammt von meinem hochgeschatzten Frankfurter Kollegen HELMUT BEHR, der dies mit etwas anderer Stoffauswahl vcr ein paar Jahren erfolgreich erprobt hat. Das Konzept hat mir sofort eingeleuchtet: • Eine reine Algebravorlesung macht Student en (etwa des dritten Semesters) groBe Probleme, weil die SchluBweisen im einzelnen zwar eher leichter sind als die der Analysis, aber ungleich mehr neue Begriffe von zumeist viel hoherem Abstraktionsgrad eingeubt werden mussen . • Eine reine Zahlentheorievorlesung leidet daran, daB nutzliche Begriffe und Techniken aus der Algebra noch nicht vorausgesetzt werden konnen. Es besteht darum die Hoffnung, daB von einer geeigneten Mischung beide profitieren; das Erlernen der Algebra sollte durch das Beispielmaterial und die Motivationen aus der Zahlentheorie erleichtert und konkretisiert werden, und viele Sachverhalte aus der Zahlentheorie werden mit algebraischem Hintergrundwissen erheblich durch sichtiger. Ein weiterer methodischer Vorzug der Mischung von Zahlentheorie und Algebra besteht darin, daB sich element are Teile besser an den Anfang, schwieri gere Teile besser in die zweite Halfte verlagern lassen. Einen kleinen N achteil muB man in Kauf nehmen: NaturgemaB wird die Themenauswahl so ausfallen, daB die behandelten Gegenstande der Zahlentheorie eher algebraisch orientiert sind (inter essante Fragen der analytischen Zahlentheorie werden nur am Rande gestreift) und Gegenstande der Algebra vorgezogen werden, die Anwendung in der Zahlentheorie haben; so liegt der Schwerpunkt der Algebra-Teile eher bei den Ringen mit ein deutiger Primfaktorzerlegung und der klassischen Galoistheorie. Ein oberflachlicher Blick auf die Kapiteluberschriften konnte den Eindruck erwecken, daB die Algebra stark dominiert. Dieser Eindruck tauscht, denn viele Themen der Zahlentheorie sind den Algebra-Kapiteln da beigemischt, wo es okonomisch erschien: der Fermatsche Satz in der Grupp entheorie , Diophantische Gleichungen in der Ringtheorie, GauB sche Summen und der Satz von Lindemann-WeierstraB in die Galoistheorie, urn nur ein paar Beispiele zu nennen. Voraussetzungen. Der vorliegende Text ist eine urn etwa 20% erweiterte Fassung des Skriptums einer Vorlesung Algebra und Zahlentheorie, die ich im Winterse mester 1993/94 und im Sommersemester 1994 an der Universitat Frankfurt fur Studierende der Mathematik und der Informatik gehalten habe. Da in Frankfurt auch im Sommersemester die Vorlesungen Analysis lund Lineare Algebra I gehal ten, aber im darauffolgenden Winter nicht beide fortgesetzt werden, habe ich nach Kraften versucht, die erste Halfte meines Kurses auch fUr Studierende des zweiten Studiensemesters zuganglich zu halten. Vorausgesetzt werden eigentlich nur eine Vll gewisse Erfahrung mit mathematischen Grundtechniken. Es wird also nicht mehr besonders erlautert, was eine Abbildung, ein Widerspruchsbeweis, eine Aquivalenz relation oder etwa eine reelle Zahl ist. Wie in allen Biichern so iiblich, wird der Stil mit wachsender Seitenzahl kondensierter; ich hoffe aber, daB sich das Buch trotz dem auch zum Selbststudium eignet. Ziele. 200 Seiten konnen keinesfalls ein Lehrbuch der Zahlentheorie plus ein Lehr buch der Algebra ersetzen, aber vielleicht erreichen, • daB dem Leser eine soli de Grundbildung in Zahlentheorie und Algebra ver mittelt wird, gerade auch dann, wenn er sic!> spater auf andere Gebiete spe zialisieren will, • ihm Appetit darauf zu machen, tiefer einzudringen und vielleicht bei der Arith metik im weitesten Sinne zu bleiben. Gerade aus dem letzteren Grund habe ich versucht, die Gegenstande dieses Buchs nicht etwa als abgeschlossenes und abgehaktes Wissen darzustellen, sondern an vie len Stellen Hinweise aufWeiterentwicklungen, offene Fragen, alte und neuere Proble me einzubauen. 1m Literaturverzeichnis wird auf viele Moglichkeiten der Vertiefung verwiesen. Vielleicht sind das schon bald nur noch sehr theoretische Moglichkei ten, denn die mathematischen Fachbereiche in Deutschland sind gegenwartig unter groBem Druck durch offentliche Meinung und Politik bis hinab zu Rektoren und Priisidenten, das Studium und die Diplomarbeit zu verkiirzen und zu normieren. Es steht zu befiirchten, daB dann in einer Light-Version des Mathematikstudiums unser Fach kaum noch als lebendige Wissenschaft zu vermitteln ist; aIle Hinweise darauf, daB sich auch jenseits einer solchen Einfiihrung noch eine groBe Welt auftut, sind dann vielleicht nur noch eine Erinnerung an das, was verlorengegangen ist. Einige technische Vorbemerkungen. Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, und wenn auf Formeln wie (3.3) (immer in runden Klammern), Satze, Hilfssatze, Folge rungen oder ganze Abschnitte oder Unterabschnitte verwiesen wird (z.B. 2.9, immer ohne run de Klammern), so bezeichnet die erste Zahl immer die Kapitelnummer. Wichtige Begriffe, die der Leser moglichst schnell verarbeiten sollte, habe ich fett gesetzt, haufig ohne den betreffenden Satz mit "Definition:" zu beginnen. Andere Begriffe, die fiir die Mathematik zwar wichtig sind, aber in diesem Buch weiter keine Rolle spielen oder erst spater ausfiihrlich besprochen werden, sind kursiv gesetzt. Das Beweisende ist durch ,,0" markiert, Buchstaben in eckigen Klammern wie [GraJ verweisen auf das Literaturverzeichnis.- Am Ende jedes Kapitels habe ich einen Abschnitt mit Ubungsaufgaben angefiigt. Es ist fast iiberfliissig zu sagen, daB die aktive und nicht nur rezeptive Beschaftigung mit dem Stoff der wichtigste Teil des Mathematikstudiums ist. Auf besondere Losungshinweise zu den Aufgaben habe ich meist verzichtet: In der Regel sind die Aufgaben einfach, und manchmal (eigentlich immer noch viel zu selten) weichen sie yom iiblichem Schema "Man beweise diese oder jene feststehende Aussage" erheblich ab; ich habe versucht, Raum zu lassen Vlll Vorwort fiir Ausprobieren und eigenes Erforschen, und gelegentlich dazu ermutigt, Vermu tungen zu formulieren. Vielleicht wird dadurch besser sichtbar, wie Mathematik wirklich entsteht. Hiiufig sind die Aufgaben eine Propiideutik fur spiitere Kapitel; bei aufmerksamer Lektiire der folgenden Abschnitte wird sich manche Lasung als Spezialfall allgemeinerer Sachverhalte erweisen. Der Autor pflegt natiirlich alle Teile seines Buchs fiir wissenswert und wichtig zu halten. Trotzdem ist die Frage nach einem konsistenten Teilprogramm vallig legitim, denn selten wird ein Gebiet der Mathematik dadurch gelemt, daB man ein Buch einfach einmal von A bis Z durchliest. Als vemiinftiges Kurzprogramm etwa fUr eine erste Lektiire oder als Stoff fiir eineinhalb Vorlesungen kannte ich mir vorstellen, die Abschnitte 1.4, 2.7 , 2.9, 3.5, 4.5, 4.6, Kapite15 ,6.5, 7.4 - 7.10 zuniichst wegzulassen. Wer sich allerdings gerade fUr Kapitel 5 (Primzahltests und Primfaktorzerlegung) interessiert, darf die Abschnitte 1.4 und 4.5 nicht iibergehen. Den Harem meiner Vorlesung verdanke ich eine Reihe von Korrekturen und Ver besserungsvorschliigen, meinen Kollegen H .BEHR, J .SANDER, W.SCHWARZ und U .ZANNIER wichtige Literaturhinweise, und DR.R. TSCHIERSCH sowie Dipl.-Math. PETER BAUER haben mir freundlicherweise im Kampf mit I¥IEX beigestanden. Frankfurt, im Sommer 1996 J iirgen Wolfart IX Inhalt 1 Ganze Zahlen, Teilbarkeit 1 1.1 N aturliche und ganze Zahlen 1 1.2 GroBter gemeinsamer Teiler, euklidischer Algorithmus 3 1.3 Primfaktorzerlegung 6 1.4 Primzahlen .... 8 1.5 Kongruenzen und Reste 14 1.6 Aufgaben ....... . 20 2 Gruppen 23 2.1 Definition, Beispiele, elementare Eigenschaften 23 2.2 Untergruppen und Homomorphismen . 29 2.3 Index und Ordnung ....... . 34 2.4 Normalteiler und Faktorgruppen 36 2.5 Isomorphiesiitze.......... 37 2.6 Operation von Gruppen auf Mengen 40 2.7 Sylowuntergruppen.......... 43 2.8 Produkte und universelle Eigenschaften 48 2.9 Endliche abelsche Gruppen 51 2.10 Aufgaben ........ . 54 3 Ringe 57 3.1 Grundbegriffe 57 3.2 Ideale und Restklassenringe 62 3.3 Polynome . . . . . . . . . . 67 3.4 Euklidische und faktorielle Ringe 71 3.5 Diophantische Probleme fur Zahlen und Polynome 79 3.6 Aufgaben . . . .. ................ . 84 4 Arithmetik modulo n 86 4.1 Multiplikative zahlentheoretische Funktionen 86 4.2 Die Struktur der primen Restklassengruppe 91 x Inhalt 4.3 Quadratische Reste ......... . 97 4.4 Das quadratische Reziprozitiitsgesetz 100 4.5 Das Jacobisymbol ..... . 101 4.6 Verzweigung von Primzahlen 105 4.7 Aufgaben ... . . . . . . . . 109 5 Primzahltests und Primfaktorzerlegung 110 5.1 Das RSA-Schema ............ . 110 5.2 Der Kleine Fermatsche Satz als Primzahltest 112 5.3 Riemannsche Vermutung und probabilistische Primzahltests 117 5.4 Faktorisierungsverfahren....... 124 5.5 Ein Ausblick auf elliptische Kurven . 128 5.6 Aufgaben ............. . 134 6 Korper und Korpererweiterungen 135 6.1 Grundbegriffe ........... . 135 6.2 Algebraische Korpererweiterungen 138 6.3 Der algebraische AbschluB .... . 144 6.4 N ormalitiit und Separabilitiit .. . 147 6.5 Transzendente Korpererweiterungen 151 6.6 Aufgaben .............. . 155 7 Galoistheorie 157 7.1 Der Hauptsatz der Galoistheorie 157 7.2 Kreisteilungskorper ....... . 161 7.3 Endliche Korper ........ . 168 7.4 Quadratische GauBsche Summen 170 7.5 Nochmals das quadratische Reziprozitiitsgesetz 175 7.6 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal ..... 177 7.7 KUMMER-Theorie. Auflosung algebraischer Gleichungen 180 7.8 Einfache Gruppen 190 7.9 Einfache lineare Gruppen 194 7.10 Arithmetik der Werte der e-Funktion 201 7.11 Aufgaben ... 209 Literaturverzeichnis 213 Index 218